Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. März 2000
Aktenzeichen: 25 W (pat) 115/99

(BPatG: Beschluss v. 30.03.2000, Az.: 25 W (pat) 115/99)

Tenor

Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Versagung der Eintragung der angemeldeten Marke wegen des Widerspruchs aus der Marke DD 644 402 richtet. Im übrigen bleibt die Entscheidung über die Beschwerde dahingestellt.

Gründe

I.

Die Bezeichnung Etocutansoll nach Einschränkung des Warenverzeichnisses bereits vor der Markenstelle noch für "Arzneimittel, nämlich topische Antirheumatika" in das Markenregister eingetragen werden. Die Bekanntmachung der Anmeldung ist am 30. Mai 1992 erfolgt. Widerspruch erhoben haben die Inhaberin der älteren, seit dem 30. November 1983 für "Arzneimittel und pharmazeutische Präparate für den humanmedizinischen Bereich sowie Präparate für die Gesundheitspflege von Menschen, nicht in anderen Klassen enthalten" eingetragenen Marke DD 644 402 ELACUTAN, und die Inhaberin der beiden älteren, seit dem 22. Juli 1980 bzw seit 1984 für "pharmazeutische Erzeugnisse und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie chemische Erzeugnisse für die Gesundheitspflege; Pflaster, Verbandmaterial; Mittel zur Vertilgung von schädlichen Tieren und Parasiten" bzw "Medicaments, produits chimiques pour la medicine et l'hygiene, drogues pharmaceutiques, empl‰-tres, etoffes pour pansements, produits pour la destruction d'animaux et de vegetaux" eingetragenen bzw international registrierten Marken 1 005 159 bzw IRR 241 349 ICHTO-CUTAN bzw ICHTOCUTAN.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat in ihrer Entscheidung unter anderem die Verwechslungsgefahr zwischen der angemeldeten Marke und den drei Widerspruchsmarken bejaht und die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet. Ausgehend von großer Warennähe bis hin zur Warenidentität und bei normaler Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken seien strenge Anforderungen an den Markenabstand zu stellen, die nicht erfüllt seien. Die angemeldete Marke "Etocutan" und die Widerspruchsmarke "Elacutan" seien im Schriftbild so stark angenähert, daß insoweit eine sichere Unterscheidung nicht gewährleistet sei. Die Konturen der abweichenden Buchstaben "o" und "a" könnten den Bildeindruck nicht markant verändern. Die Umrißbilder der Markenwörter kämen sich aufgrund der an gleicher Stelle positionierten Oberlängen der Buchstaben "t" bzw "l" außerordentlich nahe. Zwischen der angemeldeten Marke und den Widerspruchsmarken "ICHTO- CUTAN" und "Ichtocutan" bestehe trotz der Kennzeichnungsschwäche der gemeinsamen Wortendung "cutan" in klanglicher Hinsicht Verwechslungsgefahr. Die Marken hätten die Silbenanzahl, die Betonung auf der ersten und vierten Silbe sowie die Lautfolge "---tokutan" gemeinsam. Die abweichenden Anlaute "I" und "E" seien als helle Vokale eng klangverwandt. Die Unterschiede seien demgegenüber nicht geeignet, ein sicheres Auseinanderhalten der Markenwörter zu gewährleisten.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin mit den Anträgen, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die drei Widersprüche zurückzuweisen.

Die Markenstelle habe zutreffend festgestellt, daß der übereinstimmende Markenbestandteil "cutan" der Markenwörter kennzeichnungsschwach sei. Dieses Markenelement trete deshalb in seiner den Gesamteindruck prägenden Bedeutung zurück. Im übrigen sei es auch notwendig, den Zeichenbestandteil "cutan" seiner Bedeutung gemäß ungehindert benutzen zu können. Dem entspreche die Tatsache, daß in der Markenrolle zahlreiche so gebildete Marken eingetragen seien. Ausgehend davon werde der Gesamteindruck der kollidierenden Marken durch die Zeichenelemente "Eto" gegenüber "Ela" und "Eto" gegenüber "ICHTO" geprägt. Die Bestandteile "Eto" und "ICHTO" unterschieden sich klanglich und graphisch deutlich. Gleiches gelte in klanglicher Hinsicht für die Markenbestandteile "Eto" und "Ela". Diese unterschieden sich aber auch graphisch noch ausreichend, zumal handschriftliche Wiedergaben von Arzneimittelmarken zunehmend an Bedeutung verlören. Da der Unterschied an den für die Marken besonders wichtigen Wortanfängen bestehe, ergebe sich zwingend, daß keine Verwechslungsgefahr vorliege.

Die beiden Widersprechende beantragen jeweils, die Beschwerde zurückzuweisen.

Die aus der Marke DD 644 402 "ELACUTAN" Widersprechende führt aus, daß bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr auf den Gesamteindruck der Marken abzustellen sei. Auch kennzeichnungsschwache Elemente würden den Gesamteindruck zumindest mitprägen, wobei vorliegend nicht davon ausgegangen werden könne, daß der übereinstimmende Markenbestandteil "cutan" kennzeichnungsschwach sei. Bei den Vergleichsmarken "Etocutan" und "Elacutan" sei es zur Vermeidung von Verwechslungen erforderlich, daß den Bestandteilen "Eto" und "ELA" die entscheidende Wirkung bei der Umprägung des Gesamteindrucks zukomme. Dagegen spreche bereits die größere Länge und schriftbildliche Dominanz von "cutan". Hinzu komme, daß auch die abweichenden Bestandteile "Eto" und "Ela" schriftbildlich verwechselbar ähnlich seien. Dies gelte erst recht für die Gesamtbezeichnungen. Unabhängig von der Relevanz der handschriftlichen Markenwiedergaben für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr seien die Markenwörter auch bei normaler Druckschrift hochgradig verwechselbar ähnlich. Klanglich sei der Abstand zwischen den Markenwörtern zwar etwas größer, aber ebenfalls nicht ausreichend.

Die aus den Marken 1 005 159 "ICHTO-CUTAN" und IRR 241 349 "ICHTOCU-TAN" Widersprechende trägt vor, daß die Vergleichsmarken zur Kennzeichnung identischer Waren verwendet werden könnten. Ausgehend davon sei die Verwechslungsgefahr zu bejahen. Die Marken stimmten nicht nur in ihrer Silbenzahl, sondern auch in ihrem Sprechrhythmus völlig überein. Es bestünden nur minimale Unterschiede am Zeichenanfang, die durch die Fülle von klanglichen und schriftbildlichen Übereinstimmungen überdeckt würden.

Die Widerspruchsmarke DD 644 402 "ELACUTAN" ist im Laufe des Beschwerdeverfahrens von der L ... GmbH auf die R ... GmbH übertragen worden. Einen entsprechenden Umschreibungsantrag mit Um- schreibungsbewilligung der L ... GmbH hat die neue Markenin- haberin beim Deutschen Patent- und Markenamt mit Schriftsatz vom 14. März 2000 eingereicht. Die Prozeßbevollmächtigten der früheren Markeninhaberin der Widerspruchsmarke haben sich im Beschwerdeverfahren auch für die neue Markeninhaberin als Prozeßbevollmächtigte bestellt und für diese erklärt, daß sie als Rechtsnachfolgerin in das Beschwerdeverfahren eintrete. Nachdem die Anmelderin sich zunächst gegen eine Übernahme des Verfahrens durch die neue Inhaberin der Widerspruchsmarke gewendet hatte, hat sie in der mündlichen Verhandlung dem Beteiligtenwechsel zugestimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluß der Markenstelle sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt, § 66 Abs 1 Satz 1, Abs 2 MarkenG.

Die neue Inhaberin der Marke DD 644 402 "ELACUTAN" ist wirksam in die Verfahrensstellung der ursprünglich aus dieser Marke Widersprechenden eingetreten. Mit der Einreichung eines entsprechenden Umschreibungsantrages beim Deutschen Patent- und Markenamt ist die neue Markeninhaberin zunächst grundsätzlich befugt, das Verfahren zu führen und ein laufendes Verfahren fortzuführen, § 28 Abs 2 Satz 2 MarkenG. Auch die Vorschrift des § 265 ZPO, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung im markenrechtlichen Widerspruchsverfahren Anwendung finden soll (vgl BGH GRUR 1998, 940 "Sanopharm" und GRUR 1999, 245 "LIBERO"), steht einem Beteiligtenwechsel und einer Fortführung des Verfahrens durch die neue Markeninhaberin nicht entgegen, da die Anmelderin der Verfahrensübernahme durch die neue Markeninhaberin ausdrücklich gemäß § 265 Abs 2 Satz 2 MarkenG zugestimmt hat.

In der Sache konnte die Beschwerde in bezug auf die Widerspruchsmarke DD 644 402 "ELACUTAN" keinen Erfolg haben. Es besteht auch nach Auffassung des Senats wegen der Ähnlichkeit der Waren und der Ähnlichkeit der Marken die Gefahr von Verwechslungen im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG, der nach §§ 152, 158 Abs 2 Satz 2, 42 Abs 2 Nr 1 MarkenG Anwendung findet.

Da Benutzungsfragen im vorliegenden Verfahren keine Rolle spielen, ist bei den Waren von der Registerlage auszugehen. Danach stehen sich "Arzneimittel, nämlich topische Antirheumatika" einerseits und "Arzneimittel und pharmazeutische Präparate für den humanmedizinischen Bereich sowie Präparate für die Gesundheitspflege von Menschen" andererseits gegenüber. Trotz der vor der Markenstelle erklärten Einschränkung des Warenverzeichnisses der Anmeldung können die Marken sich im Bereich der "topischen Antirheumatika" noch auf identischen Waren begegnen, da dieser Warenbereich von den weiten Warenbegriffen im Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke umfaßt wird. Dabei kann es sich jeweils um rezeptfrei erhältliche Arzneimittel handeln, weshalb die allgemeinen Verkehrskreise uneingeschränkt zu berücksichtigen sind.

Bei seiner Entscheidung geht der Senat von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit von einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke aus. Ein in dem Bestandteil "cutan" der Widerspruchsmarke enthaltener Bedeutungsanklang in Richtung "Haut" ist jedenfalls hinreichend phantasievoll mit dem Anfangsbestandteil verknüpft, so daß keine ursprüngliche Kennzeichnungsschwäche der Gesamtbezeichnung angenommen werden kann, zumal im pharmazeutischen Bereich Markenbildungen üblich sind, welche die Art, Zusammensetzung, Wirkung, Indikation und dergleichen des zu kennzeichnenden Präparats jedenfalls für den Fachmann erkennen lassen.

Unter Berücksichtigung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und der Warenlage sind an den zur Vermeidung von Verwechslungen erforderlichen Markenabstand strenge Anforderungen zu stellen, die in schriftbildlicher Hinsicht nicht erfüllt sind. Dies gilt schon bei maschinenschriftlicher Wiedergabe, und zwar bei einer auf Seiten beider Marken zu berücksichtigenden verkehrsüblichen Schreibweise (vgl hierzu Althammer/Ströbele MarkenG, 5. Aufl, § 9 Rdn 90) in Normalschrift mit großem Anfangsbuchstaben und nachfolgender Kleinschreibung:

Etocutan Etocutan Elacutan Elacutan Bei gleicher Wortlänge weisen die Vergleichsbezeichnungen nach Auffassung des Senats in der Umrißcharakteristik und damit im maßgeblichen schriftbildlichen Gesamteindruck zu große Annäherungen auf. Sie stimmen in sechs von acht Buchstaben an jeweils gleicher Buchstabenstelle überein, wobei zudem die für die Umrißcharakteristik wichtigen Buchstaben mit Oberlängen jeweils innerhalb der Vergleichswörter identisch angeordnet sind. Auch die abweichenden Buchstaben im Wortinnern sind noch recht ähnlich. Die an entsprechender Stelle gegenüberstehenden Buchstaben "t" und "l" unterscheiden sich auch bei Druck- bzw Maschinenschrift nur geringfügig durch den Querstrich beim "t". Schließlich weichen auch die Vokale "o" und "a" im Schriftbild nicht klar voneinander ab, sondern sind recht ähnlich. Bei bestimmten Schrifttypen wird der Buchstabe "a" in Kleinschreibweise sogar mehr oder weniger rund wiedergegeben (zB "a" ) und kann demzufolge dem Buchstaben "o" in schriftbildlicher Hinsicht sehr nahe kommen. Auch wenn berücksichtigt wird, daß Marken im Schriftbild erfahrungsgemäß präziser wahrgenommen werden können als dem Klang nach, weil das Schriftbild sehr viel besser eine ruhige oder auch wiederholte Wahrnehmung der Bezeichnung gestattet als das schnell verklingende gesprochene Wort, sind die schriftbildlichen Übereinstimmungen vorliegend zu ausgeprägt, als daß die Verwechslungsgefahr verneint werden könnte. Wird in diesem Zusammenhang noch berücksichtigt, daß die Marken im Verkehr nicht nebeneinander aufzutreten pflegen und insofern ein Vergleich aus der nicht immer genauen Erinnerung erfolgt (vgl dazu Althammer/Ströbele MarkenG, 5. Aufl, § 9 Rdn 72), kann angesichts der sehr weitgehenden Übereinstimmungen die Verwechslungsgefahr nicht verneint werden. Auf die spezielle Problematik der handschriftlichen Markenwiedergabe, die im Bereich der Arzneimittel trotz der EDV-Ausstattung von Arztpraxen und Apotheken immer noch eine gewisse Rolle spielt, braucht angesichts der bestehenden Verwechslungsgefahr bei maschinenschriftlicher Wiedergabe nicht eingegangen zu werden.

Auch die in den Vergleichsmarken enthaltenen Bedeutungsanklänge sind nicht geeignet, der Verwechslungsgefahr entscheidungserheblich entgegenzuwirken. Der übereinstimmende Bestandteil "cutan" mag zwar häufig als Hinweis auf "Haut" erkannt werden, was die Aufmerksamkeit der angesprochenen Verkehrskreise noch etwas stärker als sonst auf die Anfangsbestandteile oder speziell die Kombination der Bestandteile lenken mag. Bei der Beurteilung des Gesamteindrucks sind jedoch grundsätzlich auch beschreibende Bestandteile bzw Bestandteile mit beschreibendem Anklang angemessen zu berücksichtigen, (vgl hierzu BGH GRUR 1996, 200, 201 reSp "Innovadiclophlont" und auch Ullmann GRUR 1993, 334, 337 liSp letzter Absatz jeweils mit weitergehenden Rechtsprechungsnachweisen). Dieser Grundsatz gilt für beschreibende Bestandteile innerhalb von eingliedrigen Marken noch weit stärker als für entsprechende Zeichenelemente innerhalb von mehrgliedrigen Marken. Der Sinngehalt des allein in der angemeldeten Marke vorhandene Bestandteil "Eto", der im Bereich der Antirheumatika auf den Wirkstoff "Etofenamat" hindeuten kann, ist im übrigen jedenfalls nicht ohne weiteres erkennbar. Dies gilt schon für Fachleute und noch viel mehr für medizinische Laien. Der Bedeutungsgehalt kann keinesfalls sofort und in einer die Verwechslungsgefahr ausschließenden Weise erfaßt werden (iSv BGH GRUR 1992, 130, 132 "Bally/BALL"). Die Diskussion in bezug auf die verwechslungsmindernde Wirkung von Bedeutungsanklängen ist im übrigen dann eher theoretischer Natur, wenn die Gefahr besteht, daß die Vergleichsmarken direkt füreinander gelesen werden, was vorliegend angesichts der überaus großen schriftbildlichen Ähnlichkeit der Marken ernsthaft in Betracht kommt. In diesen Fällen können abweichende Bedeutungsanklänge nicht unterscheidungserleichternd zum Tragen kommen, da sie im Hinblick auf die vermeintlich erfaßte bekannte Bezeichnung entweder gar nicht wahrgenommen werden oder irrtümlich mitgelesen werden, obwohl sie tatsächlich nicht vorhanden sind.

Da bereits die schriftbildliche Verwechslungsgefahr zu bejahen ist, kann dahinstehen, ob die Marken "Etocutan" und "ELACUTAN" auch klanglich verwechselbar ähnlich sind.

Nach alledem konnte die Beschwerde der Anmelderin insoweit keinen Erfolg haben.

Die Entscheidung über die Beschwerde, soweit sie die Marken 1 005 159 und IRR 241 349 "ICHTO-CUTAN" bzw "ICHTOCUTAN" betrifft, konnte dahingestellt bleiben, da der angemeldeten Marke schon im Hinblick auf Widerspruch aus der Marke DD 644 402 "ELACUTAN" die Eintragung versagt bleibt (siehe dazu BGH BlPMZ 1967, 134 "Stute").

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlaß, § 71 Abs 1 MarkenG.

Knoll Brandt Engels Pü






BPatG:
Beschluss v. 30.03.2000
Az: 25 W (pat) 115/99


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