Bundespatentgericht:
Beschluss vom 29. Juli 2009
Aktenzeichen: 28 W (pat) 130/08

(BPatG: Beschluss v. 29.07.2009, Az.: 28 W (pat) 130/08)

Tenor

Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen.

BPatG 152

Gründe

I.

Angemeldet zur Eintragung in das Markenregister ist das Wort Eiskanteals Kennzeichnung für die nachfolgend aufgeführten Waren der Klassen 12 und 25

"Schneeund Gleitschutzketten, Anfahrtshilfen für Fahrzeuge aller Art; Zubehör für Schneeund Gleitschutzketten, soweit in Klasse 12 enthalten; Gleitschutzvorrichtungen für Fahrzeugreifen; Gleitschutz für Schuhe, einschließlich Zubehör, soweit in Klasse 25 enthalten, Spikes für Schuhe, Schneeketten für Schuhe".

Die Markenstelle für Klasse 12 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Begriff "Eiskante" sei für das angesprochene Publikum als sprachüblich gebildeter, technischer Sachhinweis auf eine spezielle Ausstattungsvariante der beanspruchten Waren unmittelbar verständlich. Er werde auch von der Anmelderin in ihren Werbetexten als beschreibende Angabe verwendet. Aufgrund ihres sachbezogenen Bedeutungsgehalts sei der angemeldeten Marke jegliche markenrechtliche Unterscheidungskraft abzusprechen. Ob sie auch nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen sei, könne dahingestellt bleiben.

Gegen diese Entscheidung hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt, ohne zunächst in der Sache Stellung zu nehmen. Zur Vorbereitung der beantragten mündlichen Hauptverhandlung hat der Senat der Anmelderin Recherchebelege zur beschreibenden Verwendung des Sachbegriffs "Eiskante" übermittelt. Daraufhin hat die Beschwerdeführerin ihren Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung zurückgenommen und beantragt, über die Beschwerde im schriftlichen Verfahren zu entscheiden. Weiter hat sie vorgetragen, die vom Senat übermittelten Fundstellen seien sämtlich auf ihre eigenen Produkte bezogen. Dies belege, dass die Bezeichnung ausschließlich von der Anmelderin selbst genutzt werde, so dass nicht von einem beschreibenden Begriff gesprochen werden könne, der auch von Mitbewerbern für die betreffenden Waren verwendet werde. Im patentamtlichen Verfahren hatte die Anmelderin zudem geltend gemacht, bei dem Begriff "Eiskante" handle es sich um eine mehrdeutige Wortneuschöpfung ohne jeden erkennbaren Produktbezug. Gegenstand der Schutzfähigkeitsprüfung sei immer die Marke in ihrer Gesamtheit, während eine zergliedernde Betrachtungsweise im Markenrecht keine Stütze finde. Der angemeldeten Marke könnten deshalb keine absoluten Schutzhindernisse entgegengehalten werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist nicht begründet.

Das zentrale Anliegen des Markenrechts ist es, einen freien Waren- und Dienstleistungsverkehr zu gewährleisten, wie dies bereits im 1. Erwägungsgrund der Europäischen Markenrichtlinie (MarkenRichtl.) ausdrücklich hervorgehoben wird. In ihrer Konzeption geht die MarkenRichtl. dabei davon aus, dass Marken im europäischen Wirtschaftssystem zwar einerseits eine wichtige ökonomische Rolle zukommt, gleichzeitig aber aufgrund ihrer Monopolwirkungen auch die Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen besteht. Aus diesem Grund sind die absoluten Schutzhindernisse darauf ausgerichtet, die schutzwürdigen Interessen der Allgemeinheit, insbesondere die Interessen der Mitbewerber am Erhalt eines ausreichenden Gestaltungsfreiraums, und die berechtigten Individualinteressen der Anmelder an der Erlangung von Markenschutz miteinander in Einklang zu bringen. Um dieser Zielsetzung gerecht zu werden, müssen die absoluten Schutzhindernisse in der markenrechtlichen Prüfung stets unter Berücksichtigung des ihnen jeweils konkret zugrunde liegenden Allgemeininteresses ausgelegt werden, um so das angestrebte Maß an Chancengleichheit für die Mitbewerber zu gewährleisten und negative Auswirkungen von Markeneintragungen auf den freien Wettbewerb zu vermeiden (EuGH GRUR 2004, 943 Rdn. 26 - SAT.2). Die Schutzfähigkeit einer Marke kann also keineswegs "großzügig" beurteilt werden, stattdessen ist eine strenge und umfassende Prüfung im Eintragungsverfahren unerlässlich (vgl. EuGH GRUR 2004, 1027, 1029, Rdn. 45 - DAS PRINZIP DER BEQUEM-LICHKEIT).

Nach den Feststellungen des Senats ist die angemeldete Marke im Hinblick auf die beanspruchten Waren zur Merkmalsbeschreibung i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG geeignet. Nach dieser Norm sind Marken dann von der Eintragung ausgeschlossen, wenn sie ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr u. a. zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der beanspruchten Waren dienen können. Unter "sonstige Merkmale" sind dabei alle für die angesprochenen Verkehrskreise im Hinblick auf die fraglichen Waren in irgendeiner Weise bedeutsamen Umstände zu verstehen (vgl. BGH GRUR 2000, 231, 233 - FÜNFER). Ob einem Zeichen ein beschreibender Charakter zukommt, ist deshalb nach dem Verständnis der angesprochenen Verbraucher im Hinblick auf die konkret beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zu beurteilen (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 413, Rdn. 24 - Matratzen Concord/Hukla). Im vorliegenden Fall handelt es sich bei diesen Verkehrskreisen um Endverbraucher und damit um normal informierte, aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher.

Der Ausschlusstatbestand des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG soll die Entstehung von markenrechtlichen Monopolen an beschreibenden Zeichen oder Angaben verhindern und damit dem Allgemeininteresse an der ungehinderten Verwendbarkeit solcher Bezeichnungen Rechnung tragen. Dies gilt gleichermaßen für Begriffe, die bereits lexikalisch belegbar sind, wie auch für neue Wortschöpfungen, deren beschreibender Aussagegehalt so eindeutig und unmissverständlich hervortritt, dass sie zur Beschreibung von relevanten Produkteigenschaften dienen können (vgl. EuGH GRUR 2004, 680, 681 Rdn. 35, 36 - BIOMILD; sowie Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 8 Rdn. 335 m. w. N.). Für die Annahme eines Freihaltungsbedürfnisses i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist es somit keineswegs erforderlich, dass sich eine beschreibende Verwendung der fraglichen Angabe bereits nachweisen lässt. Gelingt dieser Nachweis allerdings, spricht dies eindeutig für ein schutzwürdiges Interesse der Wettbewerber an ihrer freien Verwendbarkeit.

Die angemeldete Marke setzt sich aus den beiden Begriffen "Eis" und "Kante" zusammen, die für sich genommen im Hinblick auf die beanspruchten Waren jeweils einen produktbezogenen Bedeutungsgehalt aufweisen. Für die Beurteilung der Schutzfähigkeit der angemeldeten Marke kommt es jedoch entscheidend darauf an, ob auch die Wortkombination in ihrer Gesamtheit zur Merkmalsbeschreibung i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG dienen kann oder ob sich aus der Kombination der beiden sachbezogenen Einzelbestandteile aufgrund vorhandener semantischer oder syntaktischer Besonderheiten ein Aussagegehalt ergibt, der in Bezug auf die einschlägigen Produkte keine beschreibende Bedeutung aufweist (vgl. EuGH GRUR 2004, 680 - BIOMILD). Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. So sind dem Publikum mit dem Wortbestandteil "Kante" gebildete Fachbegriffe bereits bekannt, wie beispielsweise die Sachbegriffe "Greifkante" oder "Profilkante" auf dem für die beanspruchten Waren der Klasse 12 maßgeblichen Bereich der Reifenhaftung oder die bei Gleitschutzsowie Schneeketten gebräuchlichen Sachbegriffe "Eckkante", "Zweikant-Greifglieder" und "Kantenstahl-Glieder". Wie bereits die Markenstelle dargelegt hat, bezeichnet der fragliche Wortbestandteil dabei einen für die Funktionsfähigkeit der jeweiligen Waren besonders wesentlichen Produktaspekt, der durch den vorangestellten Wortteil "Eis" lediglich in sprachüblicher Weise hinsichtlich seines spezifischen Bestimmungszwecks konkretisiert wird. Dies gilt für sämtliche mit der vorliegenden Anmeldung beanspruchten Produkte. So sind beispielsweise Gleitschutzketten regelmäßig mit Innengreifstegen und Eckkanten versehen, um die Haftung der Ketten und damit die Spurhaltung der damit ausgestatteten Fahrzeuge bei winterlichen Straßenverhältnissen zu verbessern. Gleiches gilt für andere Gleitschutzvorrichtungen sowie für Schneeketten, die typischerweise kantenförmige Greifund Verschleißglieder besitzen, um auf Schnee oder Eisschichten eine möglichst optimale Griffigkeit der Ketten und damit ein hohes Maß an Fahrsicherheit zu gewährleisten. So bietet etwa die Anmelderin auf ihrer eigenen Homepage Schneeketten mit "Zweikant-Greifgliedern" an (vgl. unter http://www.ottinger.de/index.php€id=detailansicht&no_cache=1&tx_kettendatenba nk_pi1[id]=41) und bewirbt spezielle Schneeketten für Lkws und Nutzfahrzeuge mit dem Hinweis "Kantenstahl-Glieder haben ein um 25% erhöhtes Verschleißvolumen" (vgl. unter http://www.ottinger.de/index.php€id=detailansicht&no_cache=1&tx_kettendatenbank_pi1[id]=16). Aber auch die als so genannte "Schneeketten für Füße" bezeichneten Schuhspikes können aufgrund speziell geformter Spitzenund Kantenelemente die Gehund Trittsicherheit bei Glättesituationen erhöhen.

Der Begriff "Eiskante" weicht vor diesem Hintergrund in seiner Wortstruktur in keiner Hinsicht von den üblichen Bezeichnungsgewohnheiten auf dem hier einschlägigen Produktsektor ab, sondern entspricht den allgemeinen Branchengepflogenheiten. Die angemeldete Marke stellt sich damit schlicht als Hinweis auf eine spezielle Ausstattungsvariante der beanspruchten Waren dar, durch die deren Funktionsfähigkeit auf Eis positiv beeinflusst werden soll. Das Markenwort ist damit ohne weiteres geeignet, ein wesentliches Merkmal der fraglichen Produkte zu beschreiben bzw. schlagwortartig zu bewerben. In diesem Sinne wird das Markenwort im Übrigen auch bereits verwendet und zwar sowohl von der Anmelderin selbst (vgl. etwa unter http://www.ottinger.de/index.php€id=66&no_cache=1&tx_kettendatenbank_pi1[id]=6)

"Greifstege mit Eiskante ... mit Eiskante für den besonders harten Grip bei Eis, Schnee und Graupel."

wie auch vom Fachverkehr (vgl. hierzu etwa unter http://www.autoteile- niehs.de/schneekettenanfahrhilfen/ottinger/pkwketten/felgenschutzketteo- tec/15-zoll/schneekettenottingerfelgenschutzkette-20555-15.htm)

"D-Profil-Greifglieder mit Eiskante, aus verstärktem und verschleißarmem Chrom-Mangan legiertem Spezialstahl"

Der Begriff wird dabei ersichtlich nicht in kennzeichnender Weise, sondern als beschreibender Sachhinweis eingesetzt. Soweit dabei im Folgetext auf die entwicklungstechnische Leistung der Anmelderin hingewiesen wird, vermag dies die markenrechtliche Schutzfähigkeitsprüfung nicht zu beeinflussen. Im Gegensatz zum Patentschutz kennt der Markenschutz kein auf den jeweiligen Erfinder bezogenes Leistungsschutzrecht, vielmehr ist für die rein markenrechtlich zu beurteilende Schutzfähigkeit insoweit nur maßgeblich, ob der angemeldeten Marke ein beschreibender Bedeutungsgehalt zuzumessen ist oder nicht. Dagegen ist es völlig irrelevant, wer als Erfinder des fraglichen Begriffes bzw. der dahinter stehenden technischen Lösung anzusehen ist (vgl. hierzu BPatG 28 W (pat) 63/05

- Turbobrake; veröffentlicht auf PAVIS PROMA CD-ROM).

Soweit die Anmelderin eine schutzbegründende Mehrdeutigkeit der Marke geltend macht, mag diese abstrakt betrachtet zwar durchaus gegeben sein, nicht jedoch im Zusammenhang mit den konkret beanspruchten Waren. Im Übrigen wird auf die höchstrichterliche Rechtsprechung verwiesen (vgl. etwa EuGH, GRUR 2004, 146, Rdn. 32 - Doublemint), nach der ein Wortzeichen bereits dann von der Eintragung ausgeschlossen ist, wenn es zumindest in einer seiner möglichen Bedeutungen ein wesentliches Merkmal der fraglichen Waren oder Dienstleistungen bezeichnet, was hier der Fall ist.

Als sprachübliche Aneinanderreihung zweier beschreibender Wortelemente, aus der sich eine ebenfalls beschreibende Gesamtbezeichnung ergibt, steht der Eintragung der Marke ein schutzwürdiges Interesse der Mitbewerber an ihrer freien Verwendbarkeit entgegen (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG). Ob ihr zudem jegliche Unterscheidungskraft abzusprechen ist (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG), kann bei dieser Sachund Rechtslage dahingestellt bleiben.

Stoppel Martens Schell Me






BPatG:
Beschluss v. 29.07.2009
Az: 28 W (pat) 130/08


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