Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. Januar 2011
Aktenzeichen: 17 W (pat) 99/05

(BPatG: Beschluss v. 11.01.2011, Az.: 17 W (pat) 99/05)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die vorliegende Patentanmeldung wurde am 19. April 2003 beim Deutschen Patentund Markenamt angemeldet unter der Bezeichnung

"Verfahren zur rechnergestützten Konstruktion von Bauteilen und Bauteilsystemen"

Sie wurde von der Prüfungsstelle für Klasse G06F des Deutschen Patentund Markenamts mit der Begründung zurückgewiesen, dass formale Mängel vorlägen, die auch in der Anhörung nicht beseitigt worden wären. Dem Gegenstand der Anmeldung fehle es auch an der für die Patenterteilung erforderlichen erfinderischen Tätigkeit.

Gegen diesen Beschluss hat der Anmelder Beschwerde eingelegt.

Mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung war dem Anmelder mitgeteilt worden, dass auch zu erörtern sein werde, ob die Anmeldung eine Lehre so deutlich und vollständig offenbare, dass ein Fachmann sie ausführen kann, und ob die Lehre auf dem Gebiet der Technik liege. In der mündlichen Verhandlung stellte der Anmelder den Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

Patentansprüche 1 -15 vom 13. Januar 2006, eingegangen am 16. Januar 2006, noch anzupassende Beschreibung Seiten 1 -10, 1 Seite Bezugszeichenliste und 3 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 -6.2, jeweils vom 4. Februar 2004, eingegangen am 10. Februar 2004.

Der geltende Patentanspruch 1, mit einer Gliederung versehen, lautet:

"Verfahren zur rechnergestützten Konstruktion eines Bauteilsystems mit äußeren Abmessungen zur Formgebung des Bauteilsystems, a) bei dem das Bauteilsystem aus einer Anzahl von Komponenten zusammengesetzt wird, b) wobei jede Komponente derart in eine geometrische Referenzfigur eingefügt ist, dass ihre Form und äußeren Abmessungen von dieser Referenzfigur gesteuert werden, c) und die Komponenten anhand dieser geometrischen Referenzfigur in die geometrische Referenzfigur einer bereits eingefügten Komponente automatisch eingefügt wird, d) indem die zwei geometrischen Referenzfiguren derart miteinander verknüpft werden, e) dass die steuernde geometrische Referenzfigur der eingefügten Komponente in ihren äußeren Abmessungen, Anordnung, Form und Verbindungen von derjenigen geometrischen Referenzfigur gesteuert wird, in die sie eingefügt wird."

Der nebengeordnete Patentanspruch 14 lautet: "Vorrichtung zur rechnergestützten Konstruktion eines Bauteilsystems mit äußeren Abmessungen zur Formgebung des Bauteilsystems zur Durchführung eines Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 bis 13." Der nebengeordnete Patentanspruch 15 lautet:

"Computerprogrammprodukt zur rechnergestützten Konstruktion eines Bauteilsystems mit äußeren Abmessungen zur Formgebung des Bauteilsystems zur Durchführung eines Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 bis 13."

II.

Die in rechter Frist und Form erhobene Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet, da der Gegenstand des nachgesuchten Patents als Verfahren für gedankliche Tätigkeiten entsprechend § 1 Abs. 3 und 4 PatG nicht als Erfindung anzusehen ist.

1.

In der Beschreibung der Anmeldung ist einleitend ausgeführt, dass rechnergestütztes Entwerfen und Konstruieren (sog. Computer Aided Design) aufgrund seiner wirtschaftlichen Vorteile in vielen Bereichen von Planung, Darstellung und Produktion eingesetzt wird. Dazu würden Baugruppen und Bauteilsysteme unter Zuhilfenahme einer CAD-Software virtuell erstellt, geprüft und optimiert, ohne reale Versuchsmodelle bauen zu müssen. Mit den Daten der virtuellen Modelle würden Fertigungsmaschinen gesteuert, so dass eine flexible automatische Fertigung möglich sei. Der Aufbau von Bauteilsystemen erfolge durch das Einfügen und Verknüpfen von Bauteilsystemkomponenten. Durch die Verknüpfung werde jeweils ein geometrisches Element einer Bauteilsystemkomponente mit einem geometrischen Element einer anderen Bauteilsystemkomponente "verbunden". Bei dem beispielsweise aus der Produktinformation PASCAM Wood Works 2002 bekannten Verfahren erfolge die Zuordnung von Bedingungen zu den Elementen solange, bis die gewünschte Zuordnung zwischen zwei Bauteilsystemkomponenten erreicht sei (vgl. S. 1, Z. 11 -29 der geltenden Beschreibung). Mit keinem der bekannten Verfahren aber sei es möglich, eine Bauteilsystemkomponente parametrisch in das Bauteilssystem einzubinden und die Größe einer Bauteilsystemkomponente dem Bauteilsystem automatisch anzupassen. Daher liege der Anmeldung die Aufgabenstellung zugrunde, "verschiedenartige Bauteilsystemkomponenten, die häufiger in einem Bauteilsystem benötigt werden und deren Größe variabel sein kann, möglichst Zeit sparend und flexibel in dem Bauteilsystem einzufügen" (vgl. S. 3, Z. 12 -15 der geltenden Beschreibung).

2.

Anspruch 1 bezieht sich auf ein Verfahren zur rechnergestützten Konstruktion und geht davon aus, dass ein Bauteilsystem konstruiert werden soll, das äußere Abmessungen aufweist, die die Form des Bauteilsystems festlegen. Entsprechend Merkmal a) soll sich das Bauteilsystem aus einer Anzahl von Komponenten zusammensetzen. Für jede dieser Komponenten wird eine geometrische Referenzfigur definiert, die Form und Abmessungen der jeweiligen Komponente "steuern" soll, d. h. aus der Referenzfigur werden die einzelnen Abmessungen der jeweiligen Komponente abgeleitet (Merkmal b). Nach den Merkmalen c) und d) soll das (automatische) Einfügen einer Komponente in eine (äußere) Komponente erfolgen, indem zunächst die Referenzfiguren der beiden Komponenten miteinander verknüpft werden. Wie in Anspruch 5 erläutert, kann eine solche Verknüpfung darin bestehen, dass geometrische Elemente der einen Referenzfigur auf geometrische Elemente der anderen Referenzfigur bezogen, bspw. (am Bildschirm) in Deckung gebracht werden. Nachdem die Verknüpfung durchgeführt wurde, erfolgt gemäß Merkmal e) eine Steuerung der äußeren Abmessungen, Anordnung und Form der eingefügten Komponente in Abhängigkeit von der Referenzfigur der Komponente, in die sie eingefügt wurde. Der Ablauf dieses Verfahrens wurde vom Anmelder unter Bezug auf S. 8, Z. 29 bis S. 9, Z. 14 der geltenden Beschreibung i. V. m. den Abbildungen 4 bis 4.3 beispielhaft erläutert: In den in Abbildung 4 gezeigten Schrankkorpus 16 soll die in Abbildung 4.1 gezeigte Schrankinneneinteilung 12a (ausfüllend) eingefügt werden. Hierzu erfolgt zunächst eine Verknüpfung der Referenzfiguren der beiden Komponenten (Abbildung 4.2) und anschließend wird die Größe der Schrankinneneinteilung von der Referenzfigur des Schrankkorpus derart gesteuert, dass sie den Korpus ausfüllt (Abbildung 4.3).

Anspruch 1 zeigt lediglich die prinzipiellen Verfahrensschritte, durch die (am Bildschirm des CAD-Systems) Komponenten so in ein Bauteilsystem eingefügt werden, dass ihre Abmessungen und ihre Anordnung entsprechend den äußeren Abmessungen der sie umgebenden Komponente gesteuert werden. Als wesentliches Lösungselement wird eine geometrische Referenzfigur vorgeschlagen, die Größe und Form der jeweiligen Komponente steuern soll (vgl. S. 3, Z. 18 und 19 der ursprünglichen Beschreibung). Hinsichtlich der Beschaffenheit dieser Referenzfigur verweist der Anmelder auf S. 2, Z. 47 -S. 3, Z. 9 der ursprünglichen Beschreibung. Die Angaben in diesem Abschnitt reichen aus, um den Fachmann, einen Programmierer mit praktischer Erfahrung auf dem Gebiet der CAD-Systeme, in den Stand zu setzen, eine Referenzfigur als Platzhalter für eine Komponente so zu definieren, dass die Komponente in Größe und Form variabel ist, bspw. durch Festlegung der Abmessungen L nicht in konkreten Zahlen (z. B. 20 cm), sondern in Variablen, die sich auf die Referenzfiguren beziehen (z. B. LReferenzfigur innen = LReferenzfigur aussen -Wandstärke). Auf diese Weise kann die Referenzfigur einer umgebenden Komponente die Abmessungen einer in sie eingefügten Komponente "steuern". Letztlich bedarf es dazu einer Analyse der geometrischen Zusammenhänge zwischen umgebender und einzufügender Komponente. Jedenfalls unter Heranziehung der übrigen Unterlagen setzen die Angaben im Patentanspruch 1 den Fachmann in den Stand, eine Komponente derart in ein Bauteilsystem "einzufügen", dass deren Form und Größe von dem umgebenden Bauteilsystem gesteuert, d. h. bestimmt wird. Das Verfahren nach Anspruch 1 soll rechnergestützt ausgeführt werden, was eine Abfassung der erläuterten geometrischen Zusammenhänge in programmsprachlicher Form voraussetzt. Diese selbst ist aber nicht Gegenstand des Anspruchs, sondern die (automatische) Formund Größensteuerung einer Bauteilsystemkomponente beim Einfügen in eine sie umgebende Komponente.

3. Das mit dem Anspruch 1 beanspruchte Verfahren ist nicht als Erfindung auf technischem Gebiet anzusehen (§ 1 Abs. 3 und 4 PatG).

Die Anmeldung geht davon aus, dass es bekannte CAD-Systeme zur rechnergestützten Konstruktion nicht zulassen, Komponenten am Bildschirm derart in ein Bauteilsystem einzufügen, dass sie in Form und Abmessungen von der sie umgebenden Komponente so gesteuert werden, dass sie genau "hinein passen". Zur Abhilfe schlägt Anspruch 1 vor, für die Komponenten jeweils Referenzfiguren zu definieren, die nach einer Verknüpfung dazu dienen, die konkreten Abmessungen und konkrete Form einer eingefügten Komponente zu "steuern", d. h. abhängig von der umgebenden Komponente zu berechnen. Der Vorschlag, ein CAD-System um eine (Formund Größen-) Steuerungsfunktion für Komponenten zu erweitern und hierfür ein Konstrukt in Form einer Referenzfigur einzuführen, das die Steuerung bzw. Berechnung der einzelnen Größen bewirken oder jedenfalls erleichtern soll, beruht nicht auf technischer Leistung, sondern ist lediglich ein gedankliches Konzept. Eine technische Leistung, wie sie möglicherweise für die Umsetzung des gedanklichen Konzepts der Verwendung von Referenzfiguren bei Gebrauch von technischen Mitteln zu erbringen war, ist ersichtlich nicht Gegenstand des Anspruchs 1.

Eine andere Bewertung des Verfahrens nach Anspruch 1 ist auch in Hinsicht auf die Ausführungen des Bundesgerichtshofs in der Entscheidung "Wiedergabe topografischer Informationen" (Urteil X ZR 47/07 vom 26. Oktober 2010, veröffentlicht in Juris) nicht geboten. Danach ist ein Verfahren, das sich zur Herbeiführung des angestrebten Erfolgs eines Programms (oder eines anderen der in § 1 Abs. 3 PatG genannten Ausschlusstatbestände) bedient, mit dessen Hilfe eine Datenverarbeitungsanlage so gesteuert wird, dass der gewünschte Erfolg erzielt wird, nicht schon wegen des Vorgangs der elektronischen Datenverarbeitung dem Patentschutz zugänglich. Die Lehre muss vielmehr Anweisungen enthalten, die der Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln dienen.

Dafür genügt es, dass lediglich ein Teilaspekt der geschützten Lehre ein technisches Problem bewältigt (vgl. a. a. O. Abs. [0031, 0032]). Auch ein solcher (technischer) Teilaspekt ist dem Verfahren nach Patentanspruch 1 nicht entnehmbar und konnte auch vom Anmelder nicht geltend gemacht werden. Das Verfahren nach Patentanspruch 1 ist daher als gedankliche Tätigkeit zu werten und entsprechend § 1 Abs. 3 und 4 PatG vom Patentschutz ausgeschlossen.

4. Die auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Unteransprüche haben Ausgestaltungen oder Verknüpfungen der Referenzfiguren (z. B. als Quader bzw. geometrische Bedingungen) oder Eigenschaften der Komponenten (nicht weiter zerlegbar) zum Gegenstand. Sie enthalten ersichtlich keine Teilaspekte, die sich mit der Lösung einer technischen Problemstellung befassen. Die Ansprüche 14, 15 und 16 sind auf eine Vorrichtung bzw. auf ein Computerprogrammprodukt zur Durchführung des Verfahrens gerichtet, ohne dass sich aus ihnen eine Ausgestaltung der zur Ausführung des Verfahrens verwendeten technischer Mittel oder ein anderer technischer Teilaspekt entnehmen ließe.

Bei dieser Sachlage war die Beschwerde zurückzuweisen.

Dr. Fritsch Prasch Eder Dr. Thum-Rung Fa






BPatG:
Beschluss v. 11.01.2011
Az: 17 W (pat) 99/05


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