Bundespatentgericht:
Beschluss vom 27. Januar 2004
Aktenzeichen: 24 W (pat) 25/03

(BPatG: Beschluss v. 27.01.2004, Az.: 24 W (pat) 25/03)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Wortmarkemedi-24 ist für die Waren und Dienstleistungen

"Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, Babykost; Zahnfüllmittel und Abdruckmassen für zahnärztliche Zwecke; Desinfektionsmittel; Mittel zur Vertilgung von schädlichen Tieren; Fungizide, Herbizide; telemedizinische Geräte; künstliche Gliedmaßen, Augen und Zähne; orthopädische Artikel; chirurgische Nahtmittel; medizinische Beratung, Gesundheitsberatung und Ernährungsberatung (auch via Internet und Telefon); Beratung und Planung bei der Behandlung von Krankheiten; Auswertung medizinischer Daten; Aufstellen von Behandlungsplänen und Überwachung von Behandlungsschritten, Beratung von Patienten bestimmter Krankheiten; Sammlung medizinischer Daten"

unter der Nummer 300 30 916 in das Markenregister eingetragen worden.

Dagegen hat die Inhaberin der prioritätsälteren, für die Waren

"Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege, nämlich Vitaminpräparate"

geschützten Wortmarke 395 01 869 MEDYN Widerspruch erhoben.

Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch mit Beschluß vom 13. November 2002 durch einen Beamten des gehobenen Dienstes zurückgewiesen. Die Waren der sich gegenüberstehenden Marken seien zwar teilweise identisch oder sehr ähnlich, jedoch wiesen die Marken keine ausreichenden Gemeinsamkeiten auf. Im Gesamteindruck unterscheide die jüngere Marke sich in jeder Hinsicht deutlich durch die Zahl 24 von der Widerspruchsmarke. Der allein für Verwechslungen in Betracht kommende Wortbestandteil "medi" der jüngeren Marke präge den Gesamteindruck nicht, denn die Marke bestehe aus gleichgewichtigen Elementen. Gegen eine Prägung durch "medi" spreche auch, daß dieser Zeichenbestandteil als Hinweis auf "medizinisch" auf dem betreffenden Waren- und Dienstleistungsgebiet kennzeichnungsschwach sei.

Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie trägt vor, hinsichtlich der Waren der Klasse 5 der jüngeren Marke bestehe teilweise Identität, teilweise engere Ähnlichkeit mit den Waren der Widerspruchsmarke. Auch die Dienstleistungen der Klasse 42 der jüngeren Marke seien mit den Waren der älteren Marke ähnlich, weil medizinische Beratung und Gesundheitsberatung sowie Beratung und Planung der Behandlung von Krankheiten auch per Telefon oder per Internet u. a. durch die Hersteller von Arzneimitteln erfolgten. Den demnach erforderlichen deutlichen Abstand zur Widerspruchsmarke halte die angegriffene Marke nicht ein. Die jüngere Marke werde durch den Bestandteil "medi" geprägt, da der weitere Zeichenbestandteil "24" im Gesamteindruck völlig zurücktrete. Zahlen besäßen von Haus aus nur geringe Kennzeichnungskraft, außerdem werde die Zahl "24" heute als Hinweis darauf verwendet, daß Dienstleistungen 24 Stunden am Tag in Anspruch genommen werden könnten bzw. daß Waren - etwa durch telefonische Bestellung - 24 Stunden am Tag abrufbereit seien oder daß die gekennzeichneten Präparate 24 Stunden lang wirkten. Dagegen handele es sich bei "medi" nicht um eine gebräuchliche Abkürzung für "Medizin, medizinisch, Medikament". Somit sei "medi" einziger kennzeichnungskräftiger Bestandteil und präge den Gesamteindruck. Zwischen den Zeichenwörtern "medi" und "MEDYN" bestehe klangliche Ähnlichkeit, denn "medi" sei klanglich vollständig in der älteren Marke enthalten und der zusätzliche Konsonant am Wortende von "MEDYN" sei sehr klangschwach und leicht zu überhören. Außerdem werde der Verkehr durch die Widerspruchsmarke an die jüngere Marke erinnert.

Die Widersprechende beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen, und regt für den Fall der Zurückweisung der Beschwerde an, die Rechtsbeschwerde zuzulassen.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen.

Die Markeninhaberin ist der Ansicht, der Zeichenbestandteil "medi" präge den Gesamteindruck der angegriffenen Marke nicht. Das Wortelement und die Zahl bildeten eine Gesamtheit, in der keiner der beiden Bestandteile dominiere. Der Abstand zwischen "medi-24" und "MEDYN" reiche aber selbst bei Identität der gegenseitigen Waren aus, Verwechslungen zu verhindern.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die gemäß § 165 Abs. 4 MarkenG statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat in der Sache keinen Erfolg. Zwischen den Marken besteht keine Gefahr von Verwechslungen gemäß § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zu Art. 4 Abs 1 Buchst. b der Markenrechtsrichtlinie, die für die Auslegung der in Umsetzung dieser Richtlinienbestimmung erlassenen Vorschrift des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG von maßgeblicher Bedeutung ist, ist die Frage der Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Zu den dabei maßgebenden Umständen gehören insbesondere die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sowie der Grad der Ähnlichkeit der Marken und der damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen. Bei der umfassenden Beurteilung ist hinsichtlich der Ähnlichkeit der Marken auf den Gesamteindruck abzustellen, den diese jeweils hervorrufen. Hierbei kommt es entscheidend darauf an, wie die Marke auf den Durchschnittsverbraucher der jeweils in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen wirkt (vgl. EuGH GRUR 1998, 387, 389 f "Sabèl/Puma"; GRUR Int. 1999, 734, 736 "Lloyd"). Die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr impliziert auch eine gewisse Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen. So kann ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (EuGH GRUR Int. 1998, 875, 876 f. "Canon"; GRUR Int. 2000, 899, 901 "Marca/Adidas"; BGH GRUR 2003, 332, 334 "Abschlußstück"). Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend keine Gefahr von Verwechslungen gegeben.

Die beiderseitigen Waren liegen teilweise im Identitätsbereich, teilweise im engeren und mittleren Ähnlichkeitsbereich; in bezug auf die Waren der Klasse 10 und "Zahnfüllmittel und Abdruckmassen für zahnärztliche Zwecke" besteht größerer Abstand bis zur Unähnlichkeit. Die Dienstleistungen der angegriffenen Marke halten einen mittleren Abstand zu den Waren der Widerspruchsmarke ein (vgl. dazu Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 12. Aufl., S. 349 mittlere Spalte; S. 45, mittlere Spalte, rechte Spalte; S. 379 rechte Spalte unten).

Bei den identischen oder ähnlichen Waren oder Dienstleistungen handelt sich überwiegend um solche, die relativ alltäglich und geringwertig sein und sich an breite Verkehrskreise richten können.

Da eine enge Anlehnung der Widerspruchsmarke an eine beschreibende Angabe oder eine Schwächung durch Drittmarken nicht erkennbar ist, muß von deren normaler Kennzeichnungskraft ausgegangen werden.

Aus diesen Gründen hat die jüngere Marke hinsichtlich der gleichen und im engeren Ähnlichkeitsbereich liegenden Waren bzw. Dienstleistungen einen deutlichen Abstand von der Widerspruchsmarke einzuhalten. Dieser erforderliche Abstand ist nach Auffassung des Senats gewahrt.

Die Zeichen in ihrer Gesamtheit sind nicht verwechselbar. Verwechslungen kämen allenfalls mit dem Zeichenbestandteil "medi" der jüngeren Marke in Betracht. Voraussetzung für eine entsprechende kollisionsbegründende Wirkung ist aber, daß dem betreffenden Bestandteil eine den Gesamteindruck prägende Wirkung zukommt, wobei es nicht ausreicht, daß der übereinstimmende Bestandteil für den Gesamteindruck des Zeichens lediglich mitbestimmend ist (vgl. BGH GRUR 2000, 233 f. "RAUSCH/ELFI RAUCH"; BGH GRUR 2003, 880, 881 "City Plus") . Dies ist hier nicht der Fall.

Zwar handelt es sich bei der Zahl 24 allgemein um einen Hinweis auf eine Verfügbarkeit von Waren oder Erbringung von Dienstleistungen rund um die Uhr (vgl. BGH GRUR 2002, 544, 547 "Bank 24"; BPatG 24 W (pat) 126/02 "surf24"; BPatG 25 W (pat) 207/01 "beauty 24"; Zusammenfassung jeweils veröffentlicht auf PROMA PAVIS CD-ROM), der für sich genommen nicht schutzfähig ist. Solche nicht unterscheidungskräftigen Angaben können zwar gegenüber kennzeichnungskräftigen Teilen von Marken zurücktreten. Jedoch dürfen die Einzelelemente von Kennzeichnungen nicht schematisch gegenübergestellt und abstrakt miteinander verglichen werden. Entscheidend ist vielmehr, ob der betreffende Zeichenbestandteil - hier "medi-" - im Gesamtzeichen so stark dominiert, daß die übrigen Markenteile für die angesprochenen Verkehrskreise in einer Weise zurücktreten, daß sie für den Gesamteindruck vernachlässigt werden können (vgl. BGH GRUR 2000, 233, 234 "RAUSCH/ELFI RAUCH; BGH GRUR 2000, 883, 885 "PAPPAGALLO"). Dies ist hier nicht zu erwarten.

Die Zahl 24, kommt überwiegend in Firmenbezeichnungen und Internetadressen vor und wird dort stets in Verbindung mit weiteren Wörtern verwendet, so etwa in Bezeichnungen wie "Bank 24, IMMOBILIEN 24, surf24" usw. (vgl. etwa 24 W (pat) 126/02 "surf24", Zusammenfassung veröffentlicht auf PROMA PAVIS CD-ROM). Es liegt darum fern, Bezeichnungen von Waren und Dienstleistungen um diesen Bestandteil zu verkürzen. Zudem handelt es sich bei "medi" zwar nicht um einen rein beschreibenden, aber doch um einen sehr kennzeichnungsschwachen Bestandteil, der in einer Vielzahl von Marken auf den betreffenden Warengebieten vorkommt und sehr starke sachbezogene Anklänge aufweist (vgl. etwa BPatG 28 W (pat) 2/95 "MEDI MATE/ Medimask"; BPatG 25 W (pat) 197/93 "MEDIPORE/MESTOPORE"; BPatG 24 W (pat) 60/02 "MediLine/MEDILINE"; Zusammenfassung jeweils veröffentlicht auf PROMA PAVIS CD-ROM). Außerdem stellt "medi-" eine typische Anfangssilbe dar, auf die häufig weitere Bestandteile eines zusammengesetzten Begriffes folgen. Im vorliegenden Fall wird darüber hinaus die Zusammengehörigkeit der Markenkomponenten durch einen Bindestrich verdeutlicht, der eine Klammerwirkung erzeugt (vgl. BGH GRUR 2002, 342, 344 "ASTRA/ESTRA-PUREN").

Aus diesen Gründen gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, daß die Zahl "24" gegenüber "medi" so stark in den Hintergrund träte, daß sie für den Gesamteindruck vernachlässigt werden könnte. Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr kommt deshalb nicht in Betracht.

Auch eine Verwechslungsgefahr durch gedankliche Verbindung ist nicht gegeben. Eine derartige Verwechslungsgefahr ist vor allem anzunehmen, wenn die Zeichen in einem Bestandteil übereinstimmen, den der Verkehr als Stamm mehrerer Zeichen eines Unternehmens sieht und deshalb andere Bezeichnungen, die einen wesensgleichen Stamm aufweisen, dem gleichen Zeicheninhaber zuordnet (BGH GRUR 2002, 542, 544, "BIG"). Im vorliegenden Fall ist aber nicht ersichtlich, daß die Widersprechende Inhaberin einer Serie von Zeichen mit dem Bestandteil "medi-" ist und diese auch benutzt. Vor allem aber ist eine Wesensgleichheit der Widerspruchsmarke "MEDYN" mit dem Bestandteil "medi-" der jüngeren Marke wegen der klanglichen und schriftbildlichen Abweichungen zu verneinen.

Die Beschwerde der Widersprechenden ist deshalb zurückzuweisen.

Es ist kein Grund ersichtlich, einer der Verfahrensbeteiligten die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen (§ 71 Abs. 1 MarkenG).

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 83 Abs. 2 MarkenG) sind nicht erfüllt. Der vorliegende Beschluß entspricht ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, wobei der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung "Bank 24" (GRUR 2002, 544) bereits zur Problematik von Zeichen, die sich aus der Zahl 24 und einem weiteren kennzeichnungsschwachen Wort zusammensetzen, Stellung genommen hat.

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BPatG:
Beschluss v. 27.01.2004
Az: 24 W (pat) 25/03


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