Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 27. November 2013
Aktenzeichen: III ZB 59/13

(BGH: Beschluss v. 27.11.2013, Az.: III ZB 59/13)

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Wertpapiererwerbs- und Übernahmesenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 18. Februar 2013 - WpÜG 3 und 4/11 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt der Beschwerdeführer.

Der Streitwert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 2.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien streiten über den Rechtsweg für einen vom Beschwerdeführer geltend gemachten Anspruch auf Akteneinsicht nach §§ 29, 13 Abs. 1 VwVfG.

Der Beschwerdeführer war im Jahr 2010 Aktionär der D. P. AG. Mit Schreiben vom 1. Oktober 2010 beantragte er nach Maßgabe des Informationsfreiheitsgesetzes bei der Beschwerdegegnerin, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, die Gewährung von Akteneinsicht in die Unterlagen, welche die Beschwerdegegnerin über die P. -Übernahme durch die D. B. AG habe. Die Beschwerdegegnerin gab diesem Antrag mit Bescheid vom 3. Dezember 2010 teilweise bezüglich näher bezeichneter Unterlagen statt und lehnte das Begehren im Übrigen ab.

Der Beschwerdeführer hatte zwischenzeitlich mit Schreiben vom 19. November 2010 Widerspruch gegen die Gestattung des freiwilligen öffentlichen Übernahmeangebots der D. B. AG durch die Beschwerdegegnerin eingelegt. In dem Schreiben beantragte er nach §§ 29, 13 Abs. 1 VwVfG Einsicht in die Unterlagen, welche die Beschwerdegegnerin über die P. -Übernahme durch die D. B. AG habe. Diesen Antrag lehnte die Beschwerdegegnerin mit Bescheid vom 25. November 2010 ab.

Die gegen die Bescheide vom 25. November 2010 und 3. Dezember 2010 gerichteten Widersprüche des Beschwerdeführers wies die Beschwerdegegnerin mit einheitlichem Widerspruchsbescheid vom 20. Januar 2011 zurück. In der beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung wurde auf die Möglichkeit der Einlegung der Beschwerde bei dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main verwiesen. Der Beschwerdeführer erhob daraufhin zunächst mit am selben Tag eingegangenem Schreiben vom 21. Februar 2011 Klage bei dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main, mit der er sein Akteneinsichtsgesuch nach dem Informationsfreiheitsgesetz weiterverfolgte. Ebenfalls mit am selben Tag, jedochzeitlich nach der Klage bei dem Verwaltungsgericht eingegangenem Schreiben vom 21. Februar 2011 legte er Beschwerde bei dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmesenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main ein, mit der er seine Akteneinsichtsbegehren nach §§ 29, 13 Abs. 1 VwVfG und dem Informationsfreiheitsgesetz weiterverfolgte.

Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main erklärte mit Beschluss vom 24. August 2011 den Verwaltungsrechtsweg für zulässig. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beschwerdegegnerin wies der Hessische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 15. Dezember 2011 zurück. Die weitere Beschwerde der Beschwerdegegnerin wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 20. September 2012 (NVwZ 2012, 1563 = ZIP 2012, 2319) zurückgewiesen. Der Beschwerdeführer hat daraufhin mit Schreiben vom 30. Oktober 2012 bei dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main die Verweisung des Rechtsstreits an das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main beantragt. Das Oberlandesgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss den ordentlichen Rechtsweg wegen des Anspruchs auf Akteneinsicht nach §§ 13, 29 VwVfG für zulässig erklärt. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Beschwerde verfolgt der Beschwerdeführer seinen Verweisungsantrag vom 30. Oktober 2012 weiter.

II.

1. Die Beschwerde ist gemäß § 17a Abs. 4 Satz 4 bis 6 GVG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist eine Rechtsbeschwerde im Sinne der §§ 574 ff ZPO oder jedenfalls als solche zu behandeln (Senat, Beschluss vom 29. Juli 2004 - III ZB 2/04, NJW-RR 2005, 142; BGH, Beschluss vom 16. Oktober 2002 - VIII ZB 27/02, BGHZ 152, 213, 214 f; Stein/Jonas/Jacobs, ZPO, 5 22. Aufl., § 17a GVG Rn. 29). Dies gilt auch in den Fällen, in denen das Oberlandesgericht erstmals eine Vorabentscheidung nach § 17a Abs. 2 bis 4 GVG getroffen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 12. November 2002 - XI ZB 5/02, NJW 2003, 433, 434; Stein/Jonas/Jacobs aaO § 17a GVG Rn. 28; MüKoZPO/ Zimmermann, 4. Aufl., § 17a GVG Rn. 33).

2. Die Beschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

a) Das Oberlandesgericht hat in Bezug auf die Klage auf Gewährung des Informationszuganges nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) vom 5. September 2005 (BGBl. I S. 2722) eine Bindungswirkung des rechtskräftigen, den Verwaltungsrechtsweg für zulässig erklärenden Beschlusses des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 24. August 2011 angenommen. Ein gerichtliches Verfahren, in dem ein Aktionär einen Anspruch auf Akteneinsicht in die behördlichen Akten eines Verwaltungsverfahrens zur Erteilung einer Befreiung an einen Bieter nach §§ 35, 37 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes (WpÜG) vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3822) als Drittbetroffener auf § 29 VwVfG stütze, werde jedoch von der abdrängenden, den ordentlichen Rechtsweg eröffnenden Sonderzuweisung nach § 48 Abs. 4 WpÜG i.V.m. § 40 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO umfasst.

Hieran ändere die im Verwaltungsrechtsweg rechtskräftig getroffene Entscheidung über die bestehende dortige Zuständigkeit hinsichtlich der Prüfung eines Akteneinsichtsanspruchs nach dem Informationsfreiheitsgesetz nichts. Der Anwendungsbereich des § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG sei nicht eröffnet, da es sich bei dem Anspruch auf Informationszugang nach dem Informationsfreiheits-

gesetz und dem Akteneinsichtsrecht nach § 29 VwVfG um unterschiedliche Streitgegenstände handele. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. September 2012, in dem eine Identität des Streitgegenstands offen gelassen worden sei.

Auch eine (teilweise) Verweisung des Verfahrens hinsichtlich des auf das Informationsfreiheitsgesetz gestützten Verpflichtungsbegehrens komme nicht in Betracht, weil dieser Anspruch vor dem Verwaltungsgericht bereits rechtshängig sei.

b) Dies hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

aa) Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Oberlandesgericht angenommen, dass für den vom Beschwerdeführer geltend gemachten Anspruch auf Akteneinsicht nach §§ 29, 13 Abs. 1 VwVfG grundsätzlich der ordentliche Rechtsweg gemäß § 48 Abs. 4 WpÜG eröffnet ist. Die Bestimmung des § 48 Abs. 4 WpÜG ist eine abdrängende Sonderzuweisung im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO (Santelmann in Steinmeyer, WpÜG, 3. Aufl., § 48 Rn. 2; MüKoAktG/Wackerbarth/Kreße, 3. Aufl., § 48 WpÜG Rn. 2; Döhmel in Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, 2. Aufl., § 48 Rn. 3). Der Gesetzgeber hat in § 48 Abs. 4 WpÜG die Gerichtszuständigkeit bei dem Oberlandesgericht am Sitz der Beschwerdegegnerin konzentriert, um divergierende Entscheidungen und Gesetzesauslegungen verschiedener Rechtswege zu vermeiden und der Sachnähe zum Verfahren der Fusionskontrolle Rechnung zu tragen (vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen, BT-Drucks. 14/7034 S. 64 f). Um dieser Intention gerecht zu werden, ist die Sonderzuweisung in § 48 Abs. 4 WpÜG weit auszulegen (Döhmel aaO § 48 Rn. 52; Louven in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2. Aufl., § 48 Rn. 3). Sie umfasst sämtliche Rechtsstreitigkeiten, die Verfügungen oder sonstige hoheitliche Handlungen der Beschwerdegegnerin im Rahmen der ihr nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz zugewiesenen Aufgaben betreffen einschließlich hiermit in Zusammenhang stehender Nebenverfahren (vgl. Louven aaO; KK-WpÜG/Pohlmann, 2. Aufl., § 48 Rn. 21). Nach dieser Maßgabe unterfällt auch der auf eine Verfahrensbeteiligung und damit auf §§ 29, 13 Abs. 1 VwVfG gestützte Akteneinsichtsanspruch der Sonderzuweisung des § 48 Abs. 4 WpÜG. Das Akteneinsichtsrecht eines Beteiligten an dem Verfahren nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz steht in einem engen Zusammenhang mit dem betreffenden Verfahren selbst. Es dient der Verwirklichung der Rechte des Beteiligten und ist im Verhältnis zu diesen Rechten nur ein Annex. Nebenansprüche, die nur einen Annex zu dem Hauptrecht des Beteiligten darstellen, folgen indes in der Rechtswegfrage denselben Regeln wie das Hauptrecht. Eine für letzteres geltende Rechtswegzuweisung ist daher auch auf die Geltendmachung des Akteneinsichtsrechts zu erstrecken (vgl. zu einem Auskunftsanspruch, der als Hilfs- oder Nebenanspruch zum Amtshaftungsanspruch geltend gemacht wird, Senat, Urteil vom 25. September 1980 - III ZR 74/78, BGHZ 78, 274, 276 ff).

bb) Die Entscheidung über das Akteneinsichtsrecht nach §§ 29, 13 Abs. 1 VwVfG fällt vorliegend auch nicht gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG in die Entscheidungskompetenz des Verwaltungsgerichts. Nach § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG entscheidet das Gericht des zulässigen Rechtswegs den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten. Ihm fällt damit eine rechtswegüberschreitende Sach- und Entscheidungskompetenz zu. 13

(1) Diese setzt indes voraus, dass Gegenstand des Verfahrens ein einheitlicher Streitgegenstand im Sinne eines einheitlichen prozessualen Anspruchs ist. Liegt hingegen eine Mehrheit prozessualer Ansprüche vor, ist für jeden dieser Ansprüche die Rechtswegzuständigkeit gesondert zu prüfen (Senat, Urteil vom 28. Februar 1991 - III ZR 53/90, BGHZ 114, 1, 2; Kissel/Mayer, GVG, 7. Aufl., § 17 Rn. 55; Hk-ZPO/Rathmann, 5. Aufl., § 17 GVG Rn. 7; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 34. Aufl., § 17 GVG Rn. 5; Stein/Jonas/Jacobs aaO § 17 GVG Rn. 16). Ziel der Änderung des § 17 Abs. 2 GVG war es, in Fällen, in denen der Klageanspruch auf mehrere, verschiedenen Rechtswegen zugeordnete Grundlagen gestützt ist, das angerufene Gericht zur Entscheidung über sämtliche Klagegründe zu verpflichten, sofern nur der Rechtsweg für einen von ihnen gegeben ist. Würde diese Erweiterung der Entscheidungskompetenz hingegen auch bei einer Mehrheit prozessualer Ansprüche die Zulässigkeit des Rechtswegs für sämtliche prozessuale Ansprüche begründen, wäre der Rechtswegmanipulation durch beliebige Klagehäufungen Tür und Tor geöffnet. Dass der Gesetzgeber dies in Kauf nehmen wollte, ist nicht ersichtlich (Senat, Urteil vom 28. Februar 1991 aaO).

(2) Bei dem auf das Informationsfreiheitsgesetz gestützten Anspruch auf Informationszugang und dem auf der Grundlage der §§ 29, 13 Abs. 1 VwVfG geltend gemachten Akteneinsichtsrecht handelt es sich - wie das Oberlandesgericht zutreffend erkannt hat - um verschiedene Streitgegenstände mit der Folge, dass eine rechtswegüberschreitende Sach- und Entscheidungskompetenz des Verwaltungsgerichts gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG auch hinsichtlich des Akteneinsichtsrechts nach §§ 29, 13 Abs. 1 VwVfG nicht gegeben ist (verschiedene Streitgegenstände annehmend auch HessVGH, Beschluss vom 15. Dezember 2011 - 6 B 1926/11, juris Rn. 30 ff; ablehnend Dauernheim/ Schörnig, EWiR 2013, 283, 284 sowie - für das IFG NRW - VG Düsseldorf, GesR 2012, 489, 490; für das Verhältnis von § 25 SGB X zu § 1 IFG ebenfalls bejahend Keller, jurisPR-SozR 15/2012 Anm. 6; a.A. insoweit - jedoch ohne Begründung - LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26. April 2010 - L 16 B 9/09 SV, juris Rn. 13).

(a) Streitgegenstand eines Rechtsstreits ist nicht ein bestimmter materiellrechtlicher Anspruch, sondern der als Rechtsschutzbegehren oder Rechtsfolgenbehauptung verstandene eigenständige prozessuale Anspruch. Dieser wird bestimmt durch den Klageantrag (Rechtsfolge) und den Lebenssachverhalt (Klagegrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet (sogenannter zweigliedriger Streitgegenstandsbegriff, vgl. Senat, Urteil vom 29. Juni 2006 - III ZB 36/06, NJW-RR 2006, 1502 Rn. 8; BGH, Urteile vom 13. Januar 2009 - XI ZR 66/08, NJW-RR 2009, 790 Rn. 17 und vom 19. November 2003 - VIII ZR 60/03, BGHZ 157, 47, 50). Auch im Fall eines einheitlichen Klageantrags können daher mehrere Streitgegenstände vorliegen. Voraussetzung hierfür ist, dass der Antrag auf mehrere Sachverhalte und Ansprüche gestützt wird (Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., Einleitung Rn. 74).

(b) Vorliegend sind zwar die durch den Beschwerdeführer formulierten Anträge, mit denen ein Anspruch auf Informationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz einerseits und ein Akteneinsichtsanspruch nach §§ 29, 13 Abs. 1 VwVfG andererseits geltend gemacht werden, inhaltlich im Wesentlichen identisch. Mit beiden Anträgen begehrt der Beschwerdeführer Einsicht in die Unterlagen, die der Beschwerdegegnerin über die P. -Übernahme durchdie D. B. AG vorliegen. Eine Mehrheit von Streitgegenständen kann jedoch bei gleichem Antrag auch dann vorliegen, wenn die materiellrechtliche Regelung die zusammentreffenden Ansprüche erkennbar unterschiedlich ausgestaltet (Senat, Urteile vom 27. Mai 1993 - III ZR 59/92, NJW 1993, 2173 und vom 11. Juli 1996 - III ZR 133/95, NJW 1996, 3151, 3152; BGH, Urteile vom 24. Januar 2013 - I ZR 60/11, GRUR 2013, 397 Rn. 13 und vom 22. Oktober 2013 - XI ZR 42/12, juris Rn. 22, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen). Das ist vorliegend der Fall.

Das Oberlandesgericht hat zu Recht auf die grundlegenden strukturellen Unterschiede zwischen dem Informationsanspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz und dem Akteneinsichtsrecht gemäß § 29 VwVfG hingewiesen. Das Informationsfreiheitsgesetz begründet unabhängig von einem konkreten Verwaltungsverfahren ein allgemeines Informationszugangsrecht für jedermann, das nicht nur hinsichtlich der Zugangsarten, der Anspruchsvoraussetzungen und der Grenzen eine besondere gesetzliche Ausgestaltung erfahren hat, sondern für das auch hinsichtlich seiner Gewährung ein eigenständiges, im Informationsfreiheitsgesetz geregeltes Verwaltungsverfahren vorgesehen ist (§§ 7 ff IFG; vgl. dazu Schoch, IFG, 2009, § 1 Rn. 17). Dagegen besteht das Akteneinsichtsrecht gemäß der spezialgesetzlichen Regelung des § 29 VwVfG ausschließlich im Rahmen eines konkreten Verwaltungsverfahrens. Es dient den Akteneinsicht Begehrenden zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen als Beteiligte im Sinne von § 13 Abs. 1 VwVfG. Das Akteneinsichtsrecht nach § 29 VwVfG ist mithin - als Annex zu den Hauptrechten der Beteiligten (s.o. zu aa) - untrennbar mit dem Verwaltungsverfahren selbst verbunden, innerhalb dessen es geltend gemacht wird.

Diese bedeutenden funktionellen und strukturellen Unterschiede zwischen dem Informationszugangsrecht nach dem Informationsfreiheitsgesetz einerseits und dem Akteneinsichtsrecht nach §§ 29, 13 Abs. 1 VwVfG andererseits dürfen bei der Frage eines einheitlichen prozessualen Anspruchs nicht unberücksichtigt bleiben. Eine Sichtweise, die in der vorliegenden spezifischen Konstellation ausschließlich auf den Wortlaut des Klageantrags abstellt, greift zu kurz, da sie den vorgenannten Unterschieden und Besonderheiten der Ansprüche nach dem Informationsfreiheitsgesetz und §§ 29, 13 Abs. 1 VwVfG nicht hinreichend Rechnung trägt.

Zudem ist zu bedenken, dass mit der Neufassung des § 17 Abs. 2 GVG durch das Vierte Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung vom 17. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2809) zwar eine rechtswegüberschreitende Entscheidungskompetenz in dem Sinn begründet worden ist, dass das angerufene Gericht den Rechtsstreit grundsätzlich umfassend entscheidet, sofern der der zu ihm beschrittene Rechtsweg für einen Klagegrund zulässig ist (Regierungsentwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung, BT-Drucks. 11/7030 S. 37). Diese für den zu entscheidenden Einzelfall sinnvolle und prozessökonomische Lösung darf indes nicht dazu führen, dass der Rechtsweg in bestimmten Konstellationen vollständig zur Disposition der Parteien steht (vgl. zu diesem für die Bestimmung der Reichweite von § 17 Abs. 2 GVG maßgeblichen Gesichtspunkt: Senat, Urteil vom 28. Februar 1991 aaO). Insbesondere wäre es mit der spezialgesetzlichen Regelung eines - das Informationszugangsrecht nach § 1 Abs. 3 IFG nicht verdrängenden - Akteneinsichtsrechts und der daraus oder aus einer gesetzlichen Sonderzuweisung wie § 48 Abs. 4 WpÜG (vgl. auch § 63 Abs. 4 GWB, § 75 Abs. 4 EnWG) folgenden Zuständigkeit der entsprechenden Fachgerichte nicht vereinbar, wenn mittels der gleichzeitigen Geltendmachung des allgemeinen Informationszugangs-19 rechts nach dem Informationsfreiheitsgesetz systematisch die Entscheidungskompetenz der sachnäheren Gerichtsbarkeit unterlaufen und eine übergreifende Entscheidungskompetenz für Akteneinsichtsrechte der für Informationsbegehren nach dem Informationsfreiheitsgesetz zuständigen Gerichtsbarkeit begründet werden könnte. Eine solche, zur Disposition der Parteien stehende Verlagerung der Entscheidungskompetenz droht indes bei Annahme eines einheitlichen Streitgegenstands im Fall von Ansprüchen nach § 1 IFG und §§ 29, 13 Abs. 1 VwVfG, zumal hier ein Anspruch nach § 1 IFG nicht nach § 1 Abs. 3 IFG verdrängt und auch im Übrigen selten von vornherein offensichtlich nicht gegeben sein wird (zu diesem eine rechtswegübergreifende Entscheidungskompetenz ausschließenden Gesichtspunkt vgl. Senat, Urteil vom 5. Juli 1990 - III ZR 166/89, BGHR GVG § 17 Teilverweisung 2 - Zivildienstverhältnis; Zöller/Vollkommer aaO § 17 GVG Rn. 8).

Die vorgenannten funktionellen und strukturellen Unterschiede und die Gefahr einer zur Disposition der Parteien stehenden Aushöhlung der Entscheidungskompetenz der sachnäheren Gerichtsbarkeit für das spezialgesetzlich geregelte Akteneinsichtsrecht stehen nach Auffassung des Senats der Annahme eines einheitlichen prozessualen Anspruchs im Fall des Informationszugangsrechts gemäß § 1 IFG einerseits und des Akteneinsichtsrechts nach §§ 29, 13 Abs. 1 VwVfG andererseits entgegen. Eine Entscheidungskompetenz des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main gemäß § 17 Abs. 2 GVG auch betreffend den Anspruch nach §§ 29, 13 Abs. 1 VwVfG besteht danach nicht.

(3) Die Bestimmung des § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG ist in Bezug auf den Anspruch aus §§ 29, 13 Abs. 1 VwVfG vorliegend auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Bindungswirkung des § 17a Abs. 1 GVG anwendbar. Insbesondere hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 20. Septem-21 ber 2012 - entgegen der Auffassung der Beschwerde - nicht mit Bindungswirkung eine rechtswegübergreifende Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte nach § 17 Abs. 2 GVG auch für den Anspruch aus § 29, 13 Abs. 1 VwVfG festgestellt. Es hat vielmehr, worauf das Oberlandesgericht zutreffend hinweist, ausdrücklich offen gelassen, ob die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche aus § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG und § 29 Abs. 1 Satz 1 VwVfG demselben Streitgegenstand zuzuordnen sind und damit auch über den Anspruch aus § 29 Abs. 1 Satz 1 VwVfG im Verwaltungsrechtsweg zu entscheiden ist (BVerwG, ZIP 2012, 2319, 2320; so auch Kräft, GWR 2012, 492). Zwar hat es eine Identität des Streitgegenstands für den Fall erwogen, dass der Anspruch nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 IFG auf die Gewährung von Akteneinsicht gerichtet ist. Zugleich hat es jedoch in Betracht gezogen, dass bei einem Verpflichtungsbegehren der Streitgegenstand nicht allein durch die begehrte Rechtsfolge und den Klagegrund bestimmt, sondern auch durch die gesetzliche Anspruchsgrundlage präzisiert und umgrenzt wird. Es hat diese - aus seiner Sicht nicht entscheidungserheblichen - Fragen jedoch nicht vertieft.

Die weiteren Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts, eine einheitliche Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand werde dadurch gewährleistet, dass das Gericht, bei dem ein Verfahren zuerst rechtshängig geworden sei, nach § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG rechtswegüberschreitend über sämtliche Anspruchsgrundlagen entscheiden könne, beruhen auf der hypothetischen Annahme eines einheitlichen Streitgegenstands. Diesen hat es indes - wie ausgeführt - in Bezug auf die Ansprüche nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG und § 29 Abs. 1 Satz 1 VwVfG gerade nicht festgestellt.

(4) Der Verweisungsantrag des Beschwerdeführers wäre im Übrigen auch dann unbegründet, wenn - entgegen den vorstehenden Ausführungen - die Ansprüche nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG und § 29, 13 Abs. 1 VwVfG einen einheitlichen Streitgegenstand bilden würden. In diesem Fall hätte das vom Beschwerdeführer früher angerufene Verwaltungsgericht gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG auch über den Akteneinsichtsanspruch nach § 29, 13 Abs. 1 VwVfG zu entscheiden. Damit aber wäre die Rechtshängigkeit hinsichtlich dieses Anspruchs zuerst beim Verwaltungsgericht eingetreten, so dass die beim Oberlandesgericht später eingereichte Beschwerde auf Grund doppelter Rechtshängigkeit unzulässig wäre. Das in der bereits bestehenden Rechtshängigkeit des prozessualen Anspruchs begründete, von Amts wegen zu beachtende Prozesshindernis würde zur Verwerfung der Beschwerde als unzulässig und nicht zu einer Verweisung in den anderen bereits beschrittenen Rechtsweg führen (Kissel/Mayer aaO § 17 Rn. 16; MüKoZPO/Zimmermann aaO § 17 GVG Rn. 8).

cc) Der Rechtsstreit ist - entgegen der Auffassung der Beschwerde - auch nicht zur Vermeidung divergierender Entscheidungen über das Akteneinsichtsbegehren durch die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit einerseits und das Oberlandesgericht andererseits an das Verwaltungsgericht zu verweisen. Abweichende Entscheidungen zu verschiedenen Streitgegenständen sind jederzeit möglich und unbedenklich. Selbst bei Annahme eines einheitlichen Streitgegenstands und der daraus folgenden Zuständigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit wären unterschiedliche Ergebnisse bezüglich der beiden geltend gemachten, sich in ihren Voraussetzungen und insbesondere ihren Ausnahmeregelungen unterscheidenden Anspruchsgrundlagen ohne weiteres möglich.

3. Der Verweisungsantrag des Beschwerdeführers ist nach alledem unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt begründet. Es verbleibt vielmehr hinsichtlich des Akteneinsichtsrechts nach §§ 29, 13 Abs. 1 VwVfG bei der Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main gemäß § 48 Abs. 4 WpÜG.

Schlick Herrmann Hucke Tombrink Remmert Vorinstanz:

OLG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 18.02.2013 - WpÜG 3 und 4/11 - 26






BGH:
Beschluss v. 27.11.2013
Az: III ZB 59/13


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