Bundespatentgericht:
Beschluss vom 13. August 2009
Aktenzeichen: 11 W (pat) 315/06

(BPatG: Beschluss v. 13.08.2009, Az.: 11 W (pat) 315/06)

Tenor

Auf den Einspruch wird das Patent DE 103 36 380 widerrufen.

Gründe

I.

Das am 6. August 2003 beim Deutschen Patentund Markenamt angemeldete Patent 103 36 380 ist am 25. August 2005 mit der Bezeichnung

"Ultradünner, poröser und mechanisch stabiler Vliesstoff und dessen Verwendung"

veröffentlicht worden.

Gegen das Patent ist Einspruch erhoben worden.

Die Einsprechende macht die Widerrufsgründe der mangelnden Ausführbarkeit sowie der fehlenden Patentfähigkeit geltend. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 sei nicht neu, beruhe aber jedenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Es habe auch eine offenkundige Vorbenutzung stattgefunden.

Sie nennt folgende Druckschriften:

(D1) Lehrbuch der Papier und Kartonerzeugung, Autorenkollektiv, Nachdruck der 2. Auflage von 1986, VEB Leipzig , Fachbuchverlag 1989, ISBN 3-343-00138-4, Seite 358

(D3) DE 199 18 856 A1

(D4) US 2002/0045091 A1

(D5) US 2003/0087982 A1

(D6) US 6 473 950 B1

(D6a und b) Vergleichsberechnung sowie Tabellen zur Umrechnung der aus der D6 bekannten "tensile strength" in Höchstzugkraft,

(D7) EP 0 436 001 B1

(D8) DE 101 96 273 T1

(D9) Auszug aus "Vliesstoffe", 1982, Georg Thieme Verlag, Stuttgart, S. 349 (D10) Auszug aus "Vliesstoffe", 2000, Wiley-VCH, S 599, 600, 669-671 (D10.1) Einführung in das Gebiet der Vliesstoffe, Definition des Begriffes

"Vliesstoff", Verfahrensübersicht zur Vliesstoffherstellung. (D11) DE 76 09 323 U1 Zu der geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung nennt die Einsprechende folgende Schriften:

(D2.1) Datenblatt der Hirose Paper mfg.Co. Ltd. von 1996, 0132TH-8, Proben 1 bis 4

(D2.2) Übersetzung von D2.1

(D2.3) Datenblatt der Hirose Paper mfg.Co. Ltd von 1999, 0132TH-8H

(D2.4) Übersetzung von D2.3

(D2.5) Übersetzung von D2.6

(D2.6) Datenblatt der Hirose Paper mfg.Co. Ltd von 2007, 0132TH-8, Zudem bietet sie Zeugenbeweis an.

(D2.6a) "Capillary Flow Analysis" von Proben 0132TH-8 Nr. 1 bis 3 vom 15.1.2007

(D2.7) Rechnung der Hirose Paper mfg.Co. Ltd vom 12. Februar 1999,

(D2.8) Übersetzung von D2.7 Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung die Norm

(1) DIN-EN 29 092, 1992 in das Verfahren eingeführt.

Die Einsprechende beantragt, das angegriffene Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin widerspricht dem Einspruchsvorbringen und beantragt, das Patent aufrechtzuerhalten; hilfsweise das Patent mit den Patentansprüchen 1 bis 11 und der Beschreibung Absätze [0034], [0035] nach Hilfsantrag 1 vom 13. August 2009, weiter hilfsweise das Patent mit den Patentansprüchen 1 bis 10 und der Beschreibung Absatz [0032] nach Hilfsantrag 2 vom 13. August 2009, weiter hilfsweise das Patent mit den Patentansprüchen 1 bis 10 und der Beschreibung Absätze [0032], [0034], [0035] nach Hilfsantrag 3 vom 13. August 2009, ferner hilfsweise das Patent mit den Patentansprüchen 1 bis 10 und der Beschreibung Absätze [0032], [0034] und Tabelle 1 nach Hilfsantrag 4 vom 13. August 2009 sowie jeweils mit der übrigen Beschreibung gemäß Patentschrift beschränkt aufrechtzuerhalten.

Der erteilte Anspruch 1 nach Hauptantrag hat folgenden Wortlaut:

"Vliesstoff mit einer Dicke von kleiner gleich 30 µm, der chemisch und/oder thermisch gebunden ist, dessen Höchstzugkraft in mindestens einer Richtung mindestens 15 N / 5 cm und dessen Höchstzugkraftdehnung in dieser Richtung höchstens 35 % beträgt und der eine Porosität von mindestens 25 besitzt."

Hinter der Zahl 25 fehlt hier das Prozentzeichen aufgrund eines Fehlers bei der Drucklegung der Patentschrift.

Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 hat folgenden Wortlaut:

"Vliesstoff aus faserbildenden Polymeren mit einer Dicke von kleiner gleich 30 µm, der chemisch und/oder thermisch gebunden ist, dessen Höchstzugkraft in mindestens einer Richtung mindestens 15 N / 5 cm und dessen Höchstzugkraftdehnung in dieser Richtung höchstens 35 % beträgt und der eine Porosität von mindestens 25 % besitzt."

Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2 hat folgenden Wortlaut:

"Vliesstoff mit einer Dicke von kleiner gleich 20 µm, der chemisch und/oder thermisch gebunden ist, dessen Höchstzugkraft in mindestens einer Richtung mindestens 15 N / 5 cm und dessen Höchstzugkraftdehnung in dieser Richtung höchstens 35 % beträgt und der eine Porosität von mindestens 25 % besitzt."

Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 3 hat folgenden Wortlaut:

"Vliesstoff aus faserbildenden Polymeren mit einer Dicke von kleiner gleich 20 µm, der chemisch und/oder thermisch gebunden ist, dessen Höchstzugkraft in mindestens einer Richtung mindestens 15 N / 5 cm und dessen Höchstzugkraftdehnung in dieser Richtung höchstens 35 % beträgt und der eine Porosität von mindestens 25 % besitzt."

Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 4 hat folgenden Wortlaut:

"Vliesstoff aus faserbildenden Polymeren mit einer Dicke von kleiner gleich 20 µm, der chemisch und/oder thermisch gebunden ist, dessen Höchstzugkraft in mindestens einer Richtung mindestens 20 N / 5 cm und dessen Höchstzugkraftdehnung in dieser Richtung höchstens 25 % beträgt und der eine Porosität von mindestens 25 % besitzt."

Wegen des Wortlauts der jeweils auf die Ansprüche 1 rückbezogenen Ansprüche und wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte verwiesen.

II.

Der zulässige Einspruch ist begründet.

Das angefochtene Patent betrifft ultradünne, poröse und gleichzeitig mechanisch stabile Vliesstoffe, deren Herstellung und deren Verwendung beispielsweise als Separatoren für elektrochemische Zellen, wie für Akkumulatoren, Batterien oder Brennstoffzellen, sowie für Speicher für elektrische Energie, wie Super-Kondensatoren (vgl. Abs. [0001] der Patentschrift).

Derzeitige Alternativ-Materialien sind Papiere, die aber aufgrund ihrer hohen Dichte eine nur geringe Porosität aufweisen und daher besonders für Anwendungen, die ein offenes Material benötigen, ausscheiden. Weitere Alternativ-Materialien sind Membranen, die aber hinsichtlich der einzusetzenden Polymeren limitiert sind und in der Regel nur eine geringe Porosität von < 25 % sowie kleine Porendurchmesser von < 0,5 µm aufweisen. Mit den an sich bekannten Vliesstoff-Produkten konnte bisher eine Dicke < 20 µm nicht erreicht werden (vgl. Abs. [0004] der Patentschrift).

Die Patentinhaberin hat sich die Aufgabe gestellt einen ultradünnen und gleichzeitig mechanisch stabilen Vliesstoff mit hoher Porosität bereitzustellen (vgl. Abs. [0029] der Patentschrift). Eine weitere Aufgabe der Erfindung ist die Bereitstellung eines Vliesstoffes mit den oben definierten Eigenschaften sowie mit einer definierten Porenstruktur (vgl. Abs. [0030] der Patentschrift). Eine weitere Aufgabe der Erfindung ist die Bereitstellung eines ultradünnen Vliesstoffes, der sowohl ausreichend mechanisch stabil ist, um ohne den Einsatz von Hilfsmitteln, wie Trägerfolien verarbeitet werden zu können, und der als Separatormaterial in elektrochemischen Zellen eingesetzt werden kann (vgl. Abs. [0031] der Patentschrift).

Maßgeblicher Fachmann zur Lösung dieser Aufgaben ist ein Fachhochschulingenieur der Fachrichtung Textiltechnik mit langjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der Vliesstoffherstellung.

1. Auslegung des Begriffs "Vliesstoff"

Die Einsprechende ist der Auffassung, nach Anspruch 1 sei nicht ausschließlich ein Vliesstoff beansprucht, sondern auch ein Verbund aus einem Vliesstoff mit einem weiteren Material, welcher die gemäß Anspruch 1 geforderten Eigenschaften erfüllt. Im Übrigen seien Papiere auch Vliesstoffe.

Diese Auffassung der Einsprechenden teilt der Senat nicht, da im Anspruch 1 ausschließlich von einem Vliesstoff die Rede ist und sich in der streitigen Patentschrift keine Hinweise finden lassen, die darauf deuten würden, dass auch ein Verbundwerkstoff oder ein Papier unter diesen Begriff fallen könnte.

Da die Patentschrift dem Fachmann keine Definition für den beanspruchten Vliesstoff an die Hand gibt, ist dieser Begriff nach der Norm auszulegen. Nach Abschnitt 3 der einschlägigen DIN-EN 29 029 ist u. a. Papier von Vliesstoff ausgenommen. Ein nach dem hydrodynamischen Prinzip hergestelltes Material ist nur dann als Vliesstoff zu betrachten, wenn

"a) mehr als 50% der Masse seines faserartigen Bestandteiles aus Fasern (ausgenommen chemisch aufgeschlossener pflanzlicher Fasern) mit einem Verhältnis von Länge zu Durchmesser (Schlankheitsgrad) von mehr als 300 besteht; oder wenn die in a) genannten Bedingungen nicht zutreffen, dann b) wenn die folgenden Bedingungen erfüllt werden:

1) mehr als 30% der Masse seines faserartigen Gehaltes aus Fasern (ausgenommen chemisch aufgeschlossener pflanzlicher Fasern) mit einem Verhältnis von Länge zu Durchmesser (Schlankheitsgrad) von mehr als 300 besteht und 2) seine Dichte geringer ist als 0,40 g / cm3.

Diese Definition greift beispielsweise auch das Fachbuch "Vliesstoffe" auf (vgl. hierzu D10.1 insb. S. 2 le. Abs. des Abschnitts o.1 Definition des Begriffes "Vliesstoff").

2. Ausführbarkeit (§ 21 , Abs. 1, Nr. 2 PatG)

Der Widerrufsgrund der mangelnden Ausführbarkeit ist nicht gegeben. Die Ansicht der Einsprechenden, der im Anspruch 1 angegebenen Porosität von mindestens 25 % widerspreche die Berechnungsformel in Absatz [0050] der Patentschrift, trifft offenbar nicht zu. Denn der Fachmann wird zur Bestimmung der prozentualen Porosität selbstverständlich die Dichte des porösen Körpers zu der des dichten Körpers in Relation setzt (vgl. hierzu auch beispielsweise D8, S. 29, Abs. 4.). Im vorliegenden Fall berechnet sich folglich die Porosität unter Bezugnahme auf das Verhältnis von Flächengewicht durch Dicke des Vlieses zu der Dichte des Faserstoffes (z. B. Polymers).

3. Mangelnde Patentfähigkeit (§ 21, Abs. 1, Nr. 1 PatG)

Hauptantrag:

Der Vliesstoff gemäß Anspruch 1 beruht gegenüber dem Stand der Technik nicht auf erfinderischer Tätigkeit. In den Beispielen 56 und 57 von D8 handelt es sich um einen Vliesstoff.

Aus den in D8 offenbarten Faserlängen der fibrillierten organischen Fasern von 0,3 bis 2 mm und dem Faserdurchmesser von 1 µm lässt sich nämlich ein Schlankheitsgrad von mehr als 300 errechnen (vgl. Anspruch 1 und 2); der Vliesstoff des Beispiels 56 der D8 weist einen Anteil an fibrillierten organischen Fasern von 40% auf, und aus dem angegeben Flächengewicht des Nassvlieses von 15 g / m2 und der Dicke von 43 µm ist eine Dichte von 0,035 g / cm3 zu errechnen (vgl. S. 77 und 78).

Diese Eigenschaften fallen folglich unter den Begriff "Vliesstoff" nach der Norm (vgl. (1) Ziff. 3, Anm. 1b)).

Der Einwand der Patentinhaberin, die im Beispiel 56 der D8 zur Vliesstoffherstellung verwendeten fibrillierte Fasern würden zu Pulpe, dem Ausgangsmaterial der Papierherstellung führen, kann nicht durchgreifen, da im Beispiel 56 die Herstellung eines Nassvlieses mit einem Anteil von 40% fibrillierter organischer Fasern beschrieben ist.

In diesem Zusammenhang ist auch der auf S. 39, Abs. 1 verwendete Begriff "Gewebe" zu beurteilen, der aus fachmännischer Sicht bei der Bildung eines Nassvlieses unzutreffend gewählt ist. Dass das Nassvlies nach D8 beispielsweise auf einer Papiermaschine hergestellt wird, ist für das erzielte Produkt patentrechtlich nicht ausschlaggebend.

Der nach dem Verfahren gemäß Beispiel 56 hergestellte Vliesstoff des Beispiels 57 weist nach dem Kalandern eine Dicke von 30 µm auf.

Die Auffassung der Patentinhaberin, dass die im Beispiel 57 offenbarte Dicke nicht mit der des streitigen Patentgegenstandes vergleichbar sei, da die beanspruchte Dicke nach der DIN-EN 20 534 zu ermitteln sei, das Verfahren, nach dem die Dicke in Beispiel 57 ermittelt wurde, aber nicht bekannt sei, vermag nicht zu überzeugen. Denn es ist davon auszugehen, dass der Fachmann die Normen zur Bestimmung der Dicke von Vliesstoffen kennt, und es gibt auch keine Anhaltspunkte, dass die Dicke nicht nach den Vorschriften der DIN-EN 20 534 oder zumindest äquivalenten Methoden ermittelt wurde. Sollte eine andere Meßmethode angewandt worden sein, so sind die sich daraus ergebenden geringfügigen Abweichungen gegenüber denen gemäß DIN-EN 20 534 ermittelten Werten zu vernachlässigen, da diese im Streubereich der Messwerte zu erwarten sind.

Das Merkmal, dass der Vliesstoff thermisch gebunden ist, lässt sich entgegen den Bedenken der Patentinhaberin, dass die thermische Bindung des bekannten Vliesstoffes nicht sicher offenbart sei, aus der D8 herleiten. So wird bei dem in Beispiel 56 der D8 dargestellten Herstellverfahren eines Separators das Nassvlies einer thermischen Behandlung unterworfen, um einen Separator für z. B. eine elektrochemische Vorrichtung zu erhalten. Hierzu ist in der Beschreibung, Seite 30, letzter Absatz, weiter ausgeführt, dass die thermische Behandlung, welcher der Separator unterworfen wird, dazu führt, dass ein Teil der organischen Fasern erweicht und geschmolzen und mit anderen Fasern oder sich selbst verschmolzen wird.

Die Höchstzugkraft des aus Beispiel 57 bekannten Vliesstoffes beträgt in mindestens einer Richtung mindestens 15 N / 5 cm. Denn nach Umrechnung des in Tabelle 1 (S. 111 der D8) für das Beispiel 57 angegebenen Wertes für die Höchstzugkraft von 3,5 kg / 5 cm mit Hilfe der Erdbeschleunigung von 9,81 m / sec2 ergibt sich ein Wert für die Höchstzugkraft des bekannten Vliesstoffes von 34,34 N / 5 cm.

Nach dem Kalandern weist der nach dem Verfahren gemäß Beispiel 56 hergestellte Vliesstoff des Beispiels 57 eine Porosität von 65,7% auf.

Zusammenfassend ist aus der D8, insbesondere Beispiel 57, ein Vliesstoff mit einer Dicke von 30 µm bekannt, der thermisch gebunden ist, dessen Höchstzugkraft in mindestens einer Richtung mindestens 15 N / 5 cm beträgt und der eine Porosität von mindestens 25% besitzt.

Ein Wert für die Höchstzugkraftdehnung in der Richtung in der auch die Höchstzugkraft ermittelt wird, ist in der D8 nicht angegeben. Dem im Anspruch 1 genannten Wert für die Höchstzugkraftdehnung von höchstens 35% kommt jedoch keine erfinderische Bedeutung zu.

So ist dem Fachmann aus der D11, insbesondere Anspruch 5, bekannt, dass ein als Separator verwendeter Vliesstoff eine bleibende Dehnung höchstens zwischen 1 und 30%, bevorzugt zwischen 1 und 10% bei einer wiederholten Belastung von 200 N / 5 cm aufweist. Obwohl diesen Werten für die Dehnung keine Dickenangabe für das dortige textile Flächengebilde zugeordnet ist, weiß der Fachmann dennoch aus der D11 insbesondere S. 5, letzter Abs., dass es wichtig ist, den Wert für die bleibende Dehnung unter Betriebsbedingungen für den als Separator verwendeten Vliesstoff zu limitieren um dessen Separatoreigenschaften zu erhalten. Es ist daher naheliegend bei der Herstellung des aus der D8, Beispiel 57, bekannten Vliesstoffes, diese bekannten Werte für die Höchstzugkraftdehnung auch bei geringerer Belastung und besonders bei der angestrebten geringen Dicke des Vliesstoffes einzuhalten.

Im Übrigen lehrt das Diagramm c in Abb. S. 17 von D9, dass insbesondere bei Nassvliesstoffen die Höchstzugkraftdehnung unter 10% beträgt.

Ein Wert von unter 35% für die Höchstzugkraftdehnung in Richtung der Höchstzugkraft wird dem Fachmann somit nahegelegt, so dass zumindest die Variante des thermisch gebundenen Vliesstoffes des mit dem Hauptantrag verteidigten Anspruchs 1 des angefochten Patents nicht als Ergebnis einer erfinderischen Tätigkeit anzusehen ist.

Hilfsantrag 1:

Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag 1 unterscheidet sich vom Anspruch 1 nach dem Hauptantrag durch die Festlegung, dass der Vliesstoff aus faserbildenden Polymeren besteht. Ein derartiger Vliesstoff ist mangels erfinderischer Tätigkeit ebenfalls nicht patentfähig.

Dem Fachmann für Textiltechnik sind Vliesstoffe aus faserbildenden Polymeren bekannt. So offenbart D8 z. B. in Anspruch 4 bzw. S. 17, Abs. 2 einen Vliesstoff, der aus fibrillierten organischen Fasern besteht, die zumindest teilweise als flüssigkristalline Polymerfasern vorliegen. Wie aus den Beispielen 51, 52 und 53 der D8 hervorgeht, liegt allen dreien dasselbe Nassvlies mit derartigen Polymerfasern zugrunde. Durch unterschiedliches Kalandern kann dieses Nassvlies offensichtlich auf eine Dicke von 70 µm, 50 µm oder 45 µm gebracht werden. Was einerseits mit einer nur geringfügigen Abnahme der Porosität, nämlich von 76,9% auf 63,2%, und andererseits einer gewissen Zunahme in der Höchstzugkraft einhergeht, wie der Tabelle 1 auf S. 111 der D8 zu entnehmen ist. Die Höchstzugkraft für den Vliesstoff gemäß Beispiel 53 beträgt danach 5,2 kg / 50 mm, was einem Wert von 51,01 N / 50 mm entspricht. Diese Beispiele zeigen dem Fachmann, dass die Dicke des Vliesstoffes in einem weiten Bereich durch entsprechendes Kalandern des Nassvlieses bei nur geringer Einschränkung der Porosität und ohne Verlust der Höchstzugkraft einstellbar ist. Es ist für den Fachmann daher nahe liegend, dass er bei Bedarf durch entsprechendes Kalandern des aus Beispiel 51 bekannten Nassvlieses auch eine Dicke von 30 µm, wie aus Beispiel 57 bekannt, erreichen kann, und der Vliesstoff mit einer Höchstzugkraft und Porosität immer noch Werte aufweist, die über den patentgemäßen Werten von mindestens 15 N / 5 cm bzw. mindestens 25% liegen. Die thermische Bindung des Vliesstoffes folgt aus dem im Beispiel 51 beschriebenen Herstellungsschritt, wonach das Nassvlies einer thermischen Behandlung zu unterwerfen ist, in Verbindung mit der Beschreibung, z. B. Seite 30, letzter Absatz.

Bezüglich der Höchstzugkraftdehnung gelten hier dieselben Argumente, wie sie bereits zum Anspruch 1 gemäß Hauptantrag dargelegt wurden.

Hiernach gelangt der Fachmann ohne erfinderische Tätigkeit ebenfalls zumindest zu einer Variante (thermische Bindung) der Gegenstände des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 1. Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 ist somit nicht schutzfähig.

Hilfsantrag 2:

Der Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag 2 unterscheidet sich vom Anspruch 1 nach dem Hauptantrag durch die Festlegung, dass der Vliesstoff eine Dicke von kleiner gleich 20 µm aufweist. Auch ein derartiger Vliesstoff ist mangels erfinderischer Tätigkeit nicht patentfähig.

Für die aus der D8 bekannten Vliesstoffe ist es gemäß der Beschreibung (S. 39, letzter Abs. bis S. 40, 1. Abs.) im Hinblick auf ihre Verwendung als Separatoren in elektrochemischen Vorrichtungen und den damit einhergehenden Forderungen an ihre physikalischen Eigenschaften empfehlenswert, kleine Wert für die Dicke vorzusehen. Hierzu werden Werte für die Dicke des Nassvlieses empfohlen, die sich in einem Bereich von 10 bis 200 µm besonders bevorzugt von 20 bis 100 µm bzw. von 20 bis 70 µm bewegen sollen. Somit wird ein unterer Wert für die Dicke eines der bekannten Nassvliese von 20 µm besonders empfohlen. Da sich die Dicke des aus den Beispielen 56 und 57 bekannten Nassvlieses in einem weiten Bereich nur durch Kalandern einstellen lässt, ohne dass es dabei zu einer Verminderung der Höchstzugkraft (s. Tabelle 1, 3,5 kg / 50 mm, entspricht 34,34 N / 50 mm) oder einer größeren Einbuße bei der Porosität kommt (s. S. 78, erster und zweiter Abs., Abnahme des Hohlraumanteils von 76,1% auf 65,7%), ist zu erwarten, dass bei einer Verringerung der Dicke des aus Beispiel 57 bekannten Nassvlieses von 30 µm auf 20 µm die Werte für die Höchstzugkraft und Porosität immer noch deutlich über den patentgemäßen Werten von 15 N / 5 cm bzw. 25% liegen werden.

Zur Höchstzugkraftdehnung gelten auch hier dieselben Argumente, wie sie bereits zum Anspruch 1 gemäß Hauptantrag dargelegt wurden.

Die Patentfähigkeit zumindest einer Variante (thermische Bindung) der Gegenstände des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 kann somit gleichfalls nicht anerkannt werden.

Hilfsantrag 3:

Der Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag 3 unterscheidet sich vom Anspruch 1 nach dem Hauptantrag durch die Festlegung, dass der Vliesstoff aus faserbildenden Polymeren besteht und eine Dicke von kleiner gleich 20 µm aufweist. Auch ein solcher Vliesstoff ist mangels erfinderischer Tätigkeit nicht patentfähig.

Dieser Anspruch beinhaltet somit die nach den Hilfsanträgen 1 und 2 zur weiteren Abgrenzung geänderten Merkmale.

Diese ergeben sich in nahe liegender Weise aus den Druckschriften D8 und D11; um Wiederholungen zu vermeiden, wird auf die beiden voranstehenden Abschnitte des Beschlusses verwiesen. Gegenüber dem Stand der Technik ist kein weitergehender technischer Überschuss und in der Summe der Merkmale auch kein synergistischer Effekt erkennbar. Vielmehr entfaltet jedes der wie aufgezeigt bekannten Merkmale seine bekannte Wirkung in aggregativer Weise für sich.

Auch gelten bezüglich der Werte für die Höchstzugkraftdehnung wiederum dieselben Argumente, wie sie bereits zum Anspruch 1 gemäß Hauptantrag dargelegt wurden.

Somit ist zumindest eine Variante (thermische Bindung) der Gegenstände der mit dem Hilfsantrag 3 verteidigte Anspruch 1 des angefochtenen Patents nicht als Ergebnis einer erfinderischen Tätigkeit anzusehen.

Hilfsantrag 4:

Der Vliesstoff gemäß Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag 4 ist ebenfalls nicht patentfähig, weil auch sein Gegenstand nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht.

Der Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag 4 unterscheidet sich vom Anspruch 1 nach dem Hauptantrag durch die Festlegung, dass der Vliesstoff aus faserbildenden Polymeren besteht, eine Dicke von kleiner gleich 20 µm aufweist, die Höchstzugkraft mindestens 20 N / 5 cm und die Höchstzugkraftdehnung höchstens 25% beträgt. Er umfasst demnach die Änderungen nach dem Hilfsantrag 3 und definiert zudem eine größere Höchstzugkraftuntergrenze und eine geringere Obergrenze der Höchstzugkraftdehnung.

Wie bereits ausgeführt wurde, sind diese Merkmale aus den Druckschriften D8 und D11 heraus nahegelegt.

Dieselben Argumente bezüglich der Begrenzung der Werte für die Höchstzugkraftdehnung, wie sie bereits zum Anspruch 1 gemäß Hauptantrag dargelegt wurden, gelten auch bezüglich eines kleineren Wertes von unter 25%. Er wird dem Fachmann aufgrund der Angabe des bevorzugten Prozentbereiches für die Höchstzugkraftdehnung von 1 bis 10% im Anspruch 5 der D11 nahegelegt.

Der Fachmann gelangt hiernach ebenfalls ohne erfinderische Tätigkeit zumindest zu einer Variante (thermische Bindung) der Gegenstände des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 4. Der Vliesstoff nach Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 ist daher auch nicht patentfähig, so dass der Anspruch 1 ebenfalls keinen Bestand hat.

Den jeweils rückbezogenen Ansprüchen nach Hauptund Hilfsanträgen ist nach Fortfall des jeweiligen Anspruchs 1 die Grundlage entzogen. Eigenständige ein Patent begründende Merkmale sind ohnehin nicht enthalten.

Das Patent ist somit zu widerrufen.

Dr. W. Maier v. Zglinitzki Dr. Fritze Fetterroll Me






BPatG:
Beschluss v. 13.08.2009
Az: 11 W (pat) 315/06


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