Bundespatentgericht:
Beschluss vom 25. Mai 2000
Aktenzeichen: 25 W (pat) 32/00

(BPatG: Beschluss v. 25.05.2000, Az.: 25 W (pat) 32/00)

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 29. Oktober 1999 im Kostenpunkt aufgehoben.

2. Die Widersprechende trägt die Kosten des Widerspruchsverfahrens vor dem Deutschen Patentamt bzw Deutschen Patent- und Markenamt betreffend den Widerspruch aus der Marke 765 192 "HOECHST".

3. Die Widersprechende trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.

Die am 1. Oktober 1990 angemeldete Bezeichnung Hoemathym soll nach einer zuletzt vorgenommenen Einschränkung des Warenverzeichnisses noch für

"Pharmazeutische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege, nämlich thymianhaltige Präparate, nicht für die Behandlung von Erkrankungen im Magen-Darmbereich, und ausgenommen antibiotische Erzeugnisse"

in das Markenregister eingetragen werden. Die Bekanntmachung erfolgte am 30. November 1992.

Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der älteren, seit 1962 ua für

"Arzneimittel, chemische Erzeugnisse für Heilzwecke und Gesundheitspflege", pharmazeutische Drogen"

eingetragenen Marke 765 192 HOECHST.

Die Anmelderin hat im Verfahren vor dem Deutschen Patentamt beantragt, den Widerspruch zurückzuweisen und der Widersprechenden die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Die Widersprechende habe auch nach Kenntnis des Beschlusses des Bundespatentgerichts vom 3. Juli 1997 - 25 W (pat) 37/95 -, mit dem der Widerspruch aus "HOECHST" gegen die jüngere Marke "HOE" der Anmelderin rechtskräftig zurückgewiesen worden ist, ihren vorliegenden Widerspruch weiterverfolgt und damit die notwendige prozessuale Sorgfalt vermissen lassen.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluß vom 29. Oktober 1999 durch eine Beamtin des höheren Dienstes die Verwechslungsgefahr zwischen den Marken verneint, den Widerspruch zurückgewiesen und ausgesprochen, daß Kosten nicht auferlegt werden. Zur Begründung der Kostenentscheidung ist in den Gründen lediglich ausgeführt, daß eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen nicht veranlaßt sei (§ 63 Abs 1 MarkenG).

Hiergegen hat allein die Anmelderin - beschränkt auf die Kostenentscheidung - Beschwerde eingelegt und beantragt, die Kosten des Widerspruchsverfahrens der Widersprechenden aufzuerlegen.

Die mit Schriftsatz vom 25. Mai 1998 ausdrücklich beantragte Kostenentscheidung sei nicht begründet worden, so daß insoweit ein Begründungsmangel vorliege. Das Bundespatentgericht habe in seinem Beschluß vom 3. Juli 1997 ausführlich begründet, daß auch eine mittelbare Verwechslungsgefahr allein aufgrund der Übereinstimmung in der Buchstabenfolge "Hoe" ausgeschlossen sei, weil diese mangels Eigenständigkeit nicht als Stammbestandteil einer Markenserie in Betracht komme. Da sich diese Beurteilung lediglich auf die Widerspruchsmarke "HOECHST" beziehe, sei die Beschlußbegründung auf den vorliegenden Widerspruch voll übertragbar. Noch nach diesem Beschluß habe die Widersprechende mit Schreiben vom 8. Januar 1998 mitgeteilt, daß der Widerspruch weiterhin aufrechterhalten bleibe. Es entspreche daher der Billigkeit, der Widersprechenden die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Die Widersprechende hat sich zu der Beschwerde der Anmelderin nicht geäußert und auch keinen Antrag gestellt.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig, insbesondere auch unter Beschränkung auf die Kostenentscheidung des Beschlusses der Markenstelle statthaft (BPatGE 10, 311) sowie form- und fristgerecht eingelegt und hat auch in der Sache Erfolg.

Nach Auffassung des Senats bot der Streitfall Anlaß, der Widersprechenden aus Billigkeitsgründen die Kosten des Widerspruchsverfahrens vor dem Deutschen Patentamt bzw Deutschen Patent- und Markenamt aufzuerlegen, § 63 Abs 1 Satz 1 MarkenG. Zwar rechtfertigt allein der Umstand, daß hier eine Verwechslungsgefahr zu verneinen war und die Widersprechende insoweit unterliegt, noch keine Kostenauferlegung (vgl Althammer/Ströbele, MarkenG, 5. Aufl, § 71 Rdn 17). Jedoch können - abweichend von dem Grundsatz, daß im Widerspruchsverfahren grundsätzlich jeder Beteiligte seiner Kosten selbst zu tragen hat - einem Beteiligten Kosten auferlegt werden, wenn dies der Billigkeit entspricht (vgl BGH GRUR 1972, 600 "Lewapur"). Der Billigkeit entspricht eine Kostenauferlegung in aller Regel dann, wenn besondere Umstände gegeben sind, insbesondere ein Verhalten eines Beteiligten vorliegt, das mit der bei der Wahrung von Rechten zu fordernden prozessualen Sorgfalt nicht zu vereinbaren ist. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die Einlegung eines Widerspruchs oder eines Rechtsbehelfs oder Rechtsmittels von vornherein keine oder jedenfalls nur eine geringe Aussicht auf Erfolg bot, so daß bei der erforderlichen objektiven Abwägung der Erfolgsaussichten durch den betreffenden Verfahrensbeteiligten dieser wegen der erkennbar geringen Aussichten von der Einlegung hätte absehen müssen (BGH aaO, BPatGE 33, 47, 52, 53 "Cedrapin/Heparin Azuchemie" mwN). Diese Voraussetzungen sind nach den hier vorliegenden Gesamtumständen erfüllt.

Die Widersprechende hätte bei der gebotenen Abwägung bereits zum Zeitpunkt der Einlegung ihres - im übrigen zu keiner Zeit näher begründeten - Widerspruchs im Februar 1993 die Aussichtslosigkeit dieses Rechtsbehelfs erkennen können und müssen. Die dennoch erfolgte Einlegung des Widerspruchs stellt eine Verletzung der prozessualen Sorgfaltspflichten der Widersprechenden dar, die es rechtfertigt, ihr insoweit die Kosten des patentamtlichen Widerspruchsverfahrens aus Billigkeitsgründen aufzuerlegen. Nach Auffassung des Senats durfte die in markenrechtlichen Angelegenheiten als nicht unerfahren anzusehende Widersprechende schon zum damaligen Zeitpunkt bei der gebotenen sorgfältigen Prüfung der Erfolgsaussichten des Widerspruchs nicht davon ausgehen, daß zwischen den Bezeichnungen "Hoemathym" und "HOECHST" eine klangliche, schriftbildliche oder eine Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt der Serienmarke bejaht werden würde. Die Bejahung einer unmittelbaren Verwechslungsgefahr kam nicht in Betracht, weil sich die Vergleichsbezeichnungen in fast allen für die Beurteilung des klanglichen und schriftbildlichen Gesamteindrucks wesentlichen Kriterien offensichtlich unterscheiden. Die Widersprechende durfte angesichts der jahrzehntelangen ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundespatentgerichts zur mittelbaren Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt der Markenserie (vgl Althammer/Ströbele, aaO, § 9 Rdn 180 mwN), wonach hierfür in erster Linie ein eigenständig hervortretender Wortstamm erforderlich ist, auch nicht davon ausgehen, daß diese Voraussetzung im Hinblick auf die Buchstabenfolge "HOE-" der Widerspruchsmarke "HOECHST" als erfüllt angesehen werden würde. Sie hätte vielmehr ohne weiteres erkennen müssen und können, daß es sich bei "HOE" - insbesondere wegen der üblichen Silbentrennung - um eine unselbständige Lautfolge innerhalb des Kennzeichens "HOECHST" handelt, der als solcher die nötige Eigenschaft als Stammbestandteil einer Markenserie der Widersprechenden gerade nicht zukommt (vgl hierzu Althammer/Ströbele, aaO, Rdn 185 mwN).

Unter diesen Umständen ist im übrigen die - mit Eingabe vom 8. Januar 1998 noch ausdrücklich erklärte - Aufrechterhaltung des Widerspruchs nach der Entscheidung vom 3. Juli 1997 in der Beschwerdesache 25 W (pat) 37/95, in dem die Verwechslungsgefahr zwischen der auch hier verfahrensgegenständlichen Widerspruchsmarke "HOECHST" und der angemeldeten Marke "HOE" verneint worden ist, nicht mehr nachvollziehbar. Denn in jener Entscheidung hat der Senat eingehend dargelegt und begründet, daß eine unmittelbare, vor allem aber auch eine Verwechslungsgefahr unter dem Aspekt der Serienmarke aus den og Erwägungen zu verneinen ist. Hinzu kommt, daß der Senat dabei von Warenidentität, allgemeinen Verkehrskreisen und einer überdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und damit von im Hinblick auf die Beurteilung der Verwechslungsgefahr insgesamt für die Widersprechende schon äußerst günstigen Umständen ausgegangen ist und im vorliegenden Verfahren insoweit jedenfalls keine vergleichsweise noch vorteilhaftere Ausgangssituation vorliegt. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß es gerade der Sinn der Einführung der warenzeichenrechtlichen bzw nunmehr markenrechtlichen Kostenvorschriften ist, daß Anmelder und Widersprechende in jedem Stadium des Verfahrens sorgfältig prüfen sollen, ob ihre Rechtsverfolgung (noch) sinnvoll und gerechtfertigt ist (BPatGE 33, 47, 53 - Cedrapin/Heparin Azuchemie; BPatG Mitt 1976, 99 reSp).

Schließlich hat die Widersprechende nach Auffassung des Senats auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen, § 71 Abs 1 Satz 1 MarkenG. Zwar gilt für das Beschwerdeverfahren ebenso die Regel, daß jeder Beteiligte grundsätzlich seine Kosten selbst zu tragen hat (§ 71 Abs 1 Satz 2 MarkenG), jedoch entspricht es ua in Fällen, die eine isolierte Kostenentscheidung zum Gegenstand haben, regelmäßig der Billigkeit, den Verfahrensausgang mitzuberücksichtigen und der im Endergebnis unterlegenen Partei - hier der Widersprechenden - die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen (vgl BPatG Mitt 1973, 215, 217; 1976, 99, 100; 1984, 177, 178; Busse/Starck, WarenzeichenG, 6. Aufl, § 13 Rdn 30).

Nach alledem war der angefochtene Beschluß der Markenstelle hinsichtlich der Kostenentscheidung aufzuheben. Die für die Zurückweisung des Kostenantrags der Anmelderin von der Markenstelle allein genannte Begründung, daß eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen nicht veranlaßt sei (§ 63 Abs 1 MarkenG), ist ungenügend und stellt einen wesentlichen Verfahrensmangel im Sinne von § 70 Abs 3 Nr 2 MarkenG dar (vgl Althammer/Ströbele, aaO, § 70 Rdn 8). Für eine Zurückverweisung der Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt bestand jedoch kein Anlaß, zumal dies nicht beantragt ist und im Hinblick auf die verhältnismäßig lange Dauer des seit Februar 1993 anhängigen Widerspruchsverfahrens auch aus Gründen der damit verbundenen weiteren Verfahrensverzögerung nicht sachdienlich erscheint (vgl dazu Althammer/Ströbele, aaO, § 70 Rdn 6).

Knoll Engels Brandt Pü






BPatG:
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