Kammergericht:
Urteil vom 24. Februar 2004
Aktenzeichen: 5 U 273/03

(KG: Urteil v. 24.02.2004, Az.: 5 U 273/03)

Tenor

Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das Urteil der Kammer für Handelssachen 102 des Landgerichts Berlin vom 15. August 2003 geändert:

Die einstweilige Verfügung vom 2. Mai 2003 wird aufgehoben und der Antrag auf ihren Erlass zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Gründe

I. Das Landgericht hat am 2. Mai 2003 gegen die Antragsgegnerin antragsgemäß eine einstweilige Verfügung im Beschlusswege erlassen, mit der ihr unter Androhung der im Gesetz vorgesehenen Ordnungsmittel untersagt worden ist, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs auf ergangene und noch nicht bestandskräftige einstweilige Verfügungen zu verweisen und/oder verweisen zu lassen, ohne darauf hinzuweisen, dass es sich dabei um vorläufige Regelungen handelt, gegen die Rechtsmittel eingelegt werden können.

Auf den Widerspruch der Antragsgegnerin hat das Landgericht mit dem angefochtenen Urteil die einstweilige Verfügung bestätigt.

Auf die tatsächlichen Feststellungen des Urteils wird Bezug genommen.

Die Antragsgegnerin hat gegen das Urteil Berufung eingelegt.

Die Antragsgegnerin beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern, die einstweilige Verfügung vom 2. Mai 2003 aufzuheben und den Antrag auf ihren Erlass zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf die zwischen den Verfahrensbevollmächtigten der Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II. Die Berufung ist statthaft und in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden und somit zulässig. Sie ist in der Sache auch begründet.

1. Ein Unterlassungsanspruch der Antragstellerin ist aus keinem rechtlichen Grunde gegeben, insbesondere nicht aus § 1 UWG.

Das Landgericht hat zwar zutreffend und von der Berufung auch nicht gerügt angenommen, dass die Antragsgegnerin im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs gehandelt hat, indem sie das von der Antragstellerin beanstandete Schreiben vom 1. April 2003 an die T-O. I. AG (nachfolgend: T-O. ) zum Zwecke der Abmahnung wegen seitens der Antragsgegnerin als irreführend angesehenen Werbeaussagen versendet hat.

Die darin u.a. getätigte und für das hiesige Verfahren zum Anlass genommene Aussage:

€Auch das Landgericht Hamburg hat zwischenzeitlich in einem Verfahren gegen die D. T. bestätigt, dass es im Hinblick auf die Verfügbarkeit von T-DSL unzulässig ist, mit den Angaben €fast überall in Deutschland verfügbar€ und/oder €damit sind Sie fast überall superschnell im Internet€ zu werben (Aktenzeichen 315 O 7/03, Urteil vom 24.01.2003).€

stellt sich jedoch nicht deswegen als sittenwidrig dar, weil in dem Schreiben nicht zusätzlich darauf hingewiesen wird, dass es sich um eine vorläufige Regelung handelt, gegen die - unstreitig - noch Rechtsmittel eingelegt werden konnten und das daher noch nicht bestandkräftig gewesen ist. Die gegenteilige Auffassung lässt sich insbesondere nicht auf dem Urteil des Bundesgerichtshofs (GRUR 1995, 424 - Abnehmerverwarnung) stützen, auf das sich die Antragstellerin zur Rechtfertigung ihres Begehrens somit erfolglos beruft. Von der Antragsgegnerin wird nicht in Abrede gestellt, dass das zitierte Urteil für den vorliegenden Fall nicht unmittelbar einschlägig ist, da das streitgegenständliche Schreiben der Antragsgegnerin an die T-O. keine Abnehmerverwarnung enthielt, sondern eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung wegen irreführender Werbung. Die in dem zitierten Urteil des Bundesgerichtshofs aufgestellten Grundsätze zu Abnehmerverwarnung sind jedoch auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar. Insoweit ist zwar zutreffend, dass es als gegen die guten Sitten verstoßend angesehen worden ist, wenn ein Patentinhaber seinen rechtlichen Standpunkt gegenüber den Abnehmern des Gegners durch die Mitteilung eines (nicht rechtskräftigen) Urteils untermauert und nicht deutlich zum Ausdruck bringt, dass die Entscheidung einem Rechtsmittel unterliegt (aaO, S.426). Die Sittenwidrigkeit der Verwarnung im Sinne des § 1 UWG ist dort nicht aus der Übersendung des den Rechtsstandpunkt des Patentinhabers bekräftigenden Urteils - was ausdrücklich zur Warnung der gewerblichen Abnehmer des Gegners als tunlich angesehen worden ist (aaO, S. 425) - , sondern vielmehr aus der zu missbilligenden Form, nämlich aus dem Inhalt eines Rundschreibens, das in irreführender und sittenwidriger Art und Weise über den Stand des Patentverletzungsverfahrens berichtet hat, hergeleitet worden. Der Inhalt dieses Schreibens vermittelte einem nicht unbeachtlichen Teil der Adressaten den Eindruck, das Urteil sei rechtskräftig (vgl. LS 1 der Entscheidung aaO). Die Beurteilung einer derartigen, als Berühmung anzusehenden Handlung (BGH, aaO, AS. 426) als sittenwidrig ist wegen der besonderen Gefährlichkeit ihrer Folgen für den wahren Schutzrechtsinhaber gerechtfertigt. Ziel der Abnehmerverwarnung ist, die gewerblichen Abnehmer des Gegners von einem weiteren Bezug patentverletzender Gegenstände abzuhalten. Vermittelt die Information im Rahmen der Verwarnung einen falschen Eindruck vom Verfahrensstand, insbesondere über die Endgültigkeit des mitgeteilten Urteils, wird damit die Geneigtheit der Abnehmer, den Bezug bei dem angeblichen Patentverletzer zur Abwendung drohender Schadensersatzansprüche einzustellen, in unzulässiger Weise zulasten des Gegners beeinflusst.

Eine solche Konstellation ist mit dem hier vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar. Es ist weder nachvollziehbar vorgetragen noch glaubhaft gemacht, dass der Antragstellerin ein irgendwie gearteter Schaden - analog dem wahren Patentrechtsinhaber - durch die angebliche unzulässige Beeinflussung der T-O. - diese analog dem Abnehmer bei Abnehmerverwarnungen - in dem Abmahnschreiben durch die Mitteilung eines gegen die Antragstellerin erwirkten Urteil vor dem Landgericht Hamburg entstehen könnte, vor dem letztere gemäß § 1 UWG zu schützen wäre. Selbst wenn man dies aber anders sehen wollte, ist der Unterlassungsanspruch aus § 1 UWG nicht gerechtfertigt. Jedenfalls angesichts der Umstände des vorliegenden Einzelfalles erweist sich die Erwähnung des gegen die Antragstellerin erstrittenen Urteils gegenüber der T-O. nicht als sittenwidrig. In dem beanstandeten Schreiben findet sie als letztes von insgesamt vier Argumenten Erwähnung, mit der die Antragsgegnerin gegenüber der T-O. ihren Rechtsstandpunkt im Rahmen der ausgesprochenen Abmahnung untermauert hat. Bei Beachtung dieses Sinnzusammenhangs und der gewählten Formulierung ist die Erwähnung des zur Rede stehenden Urteils wie ein reines Rechtsprechungszitat anzusehen und daher wettbewerbsrechtlich unbedenklich wie grundsätzlich jede andere zitierte Entscheidung.

Dieser Auffassung steht auch nicht das Urteil des Landgerichts Berlin (NJWE-WettbR 1996, 228) entgegen. Dieses Urteil betrifft die Übersendung einer einstweiligen Verfügung an einen Dritten, um diesen zu veranlassen, weiteren - behaupteten - Schutzrechtsverletzungen eines Wettbewerbers entgegenzuwirken. Insoweit hat das dortige Gericht die Berühmung als tatsächliche Behauptung angesehen. Im Unterschied dazu ist vorliegend die Erwähnung des Urteils des Landgerichts Hamburg nicht als Behauptung einer Tatsache anzusehen, sondern als Hinweis darauf, dass das Landgericht Hamburg die Rechtsauffassung der Antragsgegnerin in einem anderen, wenn auch parallel liegenden Fall geteilt hat. Dass die konkrete Erwähnung des Namens der Antragstellerin etwa eine Bloßstellung oder Diskreditierung darstellen würde, hat die Antragstellerin, die an der abgemahnten T-O. unstreitig 70% der Anteile hält, selbst nicht geltend gemacht. Insoweit geht ihr Hinweis auf die Entscheidung des OLG München (WRP 1996, 236, 237 - Computer-Fachzeitschrift) fehl, weil es dort um eine Presseveröffentlichung ging, die geeignet war, die dortige Antragstellerin in subtiler Form bloßzustellen. Auch aus der von der Antragstellerin angezogenen Entscheidung des OLG Köln (ZIP 2002 , 1885) lässt sich für den vorliegenden Fall nichts herleiten, weil es dort - anders als hier - um die Frage der Störerhaftung bei Einschaltung der Presse und deren Veröffentlichungen ging.

2. Soweit sich die Antragstellerin darauf beruft, es bestehe Erstbegehungsgefahr im Hinblick auf die Veröffentlichung der hier zur Frage stehenden Entscheidung des Landgerichts Hamburg auch gegenüber dritten Wettbewerbern, kann dahinstehen, ob ein solches Verhalten als ein Verstoß gegen die guten Sitten im Wettbewerb gemäß § 1 UWG anzusehen wäre. Ungeachtet der Frage, ob die Antragstellerin das Vorbringen, auf das sie sich zur Begründung der Erstbegehungsgefahr bezieht, ordnungsgemäß in den vorliegenden Prozess eingebracht hat, weil entsprechende Behauptungen innerhalb eines Antragsschriftsatzes gemäß § 890 ZPO der Antragstellerin aufgestellt worden sind, verhilft dies dem Begehren der Antragstellerin nicht zum Erfolg. Jedenfalls hat sie die von ihr in Bezug genommenen Behauptungen nicht mit den im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gemäß § 920 Abs.2 ZPO erforderlichen Mitteln gemäß § 294 ZPO glaubhaft gemacht.

3. Ein Verstoß gegen § 3 UWG kommt ebenfalls nicht in Betracht, weil der vorliegende Sachverhalt keinen Fall der irreführenden Werbung im Sinne dieser Vorschrift darstellt.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs.1 ZPO.






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Urteil v. 24.02.2004
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