Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 28. Oktober 2008
Aktenzeichen: 10 O 43/08

(LG Düsseldorf: Urteil v. 28.10.2008, Az.: 10 O 43/08)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Ersatz des Schadens in Anspruch, der ihm durch Kauf und späteren Wiederverkauf von Aktien der Beklagten entstanden ist.

Die Beklagte ist ein Kreditinstitut in Form einer Aktiengesellschaft, deren Kunden hauptsächlich mittelständische Unternehmen aus Industrie, Handel und Dienstleistungsgewerbe sind. Im Geschäftsjahr ......#/......erzielte sie einen Konzernüberschuss von 180 Mio. € bei einer Bilanzsumme von 52,1 Milliarden €.

Am 20.7.2007 gab X als damaliger Vorstandssprecher der Beklagten eine Pressemitteilung ab, wegen deren Inhalt im einzelnen auf die Anlage K 2 (Bl. 7 GA) Bezug genommen wird. In den folgenden Tagen begann der Aktienkurs der Beklagten zu fallen. Daraufhin erwarb der Kläger in Kenntnis dieser Pressemitteilung ausweislich der als Anlage K 3 (Bl. 8 GA) beigefügten Effektenabrechnung am 27.07.2007 1000 Stück IKB-Aktien zum Gesamtbetrag von 22.007,57 €.

Am 30.7.2007 veröffentlichte die Beklagte eine Adhoc-Mitteilung und teilte unter anderem mit, die Krise des amerikanischen Hypothekenmarktes habe sich auch auf sie ausgewirkt, ihre Bonität sei in Frage gestellt worden, das prognostizierte Jahresergebnis werde deutlich niedriger ausfallen als 280 Millionen € und dass sie sich von X als Vorstand getrennt habe.

Daraufhin veräußerte der Kläger am 12.10.2007 die erworbenen Aktien (vgl. Effektenverkaufsabrechnung als Anlage K4, Bl. 9 GA), was in Folge des weiter gefallenen Kurses zu dem nunmehr im Wege der Klage geltend gemachten Verlust führte.

Der Kläger behauptet, dass die Beklagte mit Veröffentlichung der Pressemitteilung vorsätzlich unwahre Informationen bekannt gegeben und zugleich ebenfalls vorsätzlich Insiderinformationen nicht veröffentlicht habe. Die Beklagte habe ihr Engagement im US-Hypothekenmarkt gekannt; auf Basis dieses Engagements habe sie eine Gewinnangabe gemacht. Durch Leugnung des Engagements und die darauf aufbauende Schlussfolgerung der Nichtbetroffenheit von der Hypothekenkrise habe sie eine Insiderinformation nicht per Adhoc-Mitteilung veröffentlicht. Der Kläger behauptet, wer Gewinne aus einem Marktsegment ausgerechnet habe, habe auch die Verluste für den Fall der Marktdatenänderung (Hypothekenkrise) ausgerechnet. In der unterlassenen Adhoc-Mitteilung sei ein gemäß § 37 b WpHG zum Schadensersatz verpflichtendes Unterlassen zu sehen. Im Übrigen stelle die Leugnung des Engagements und die Verneinung des Verlustrisikos die Veröffentlichung einer unwahren Tatsache dar; dies erfülle den Tatbestand des § 37 c WpHG.

Mit seiner am 01.02.2008 bei Gericht eingegangenen Klage beantragt der Kläger,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 8.249,00 Euro nebst 5,0 % Zinsen über Basiszinssatz hieraus seit dem 27.07.2007 zu leisten.

´

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie behauptet zunächst, dass sie ihr Engagement am amerikanischen Hypothekenmarkt gerade nicht verschwiegen habe und verweist diesbezüglich auf die Pressemitteilung vom 20.07.2007 (Anlage K2, Bl. 7 GA). Sie behauptet weiter, der Kläger habe schon die erforderliche Kausalität zwischen der Kaufentscheidung und den angeblich falschen - tatsächlich nach dem damaligen Kenntnisstand aber richtigen - Informationen nicht dargetan. Sein Investitionsverhalten spreche deutlich dafür, dass er bewusst entgegen dem Markttrend habe spekulieren wollen. Jedenfalls sei der völlige Zusammenbruch des Marktes für Wertpapiere, die strukturierte Forderungsportfolios verbriefen, für die Beklagte zum damaligen Zeitpunkt nicht vorhersehbar gewesen. Im Einklang mit der gesamten Branche habe die Beklagte das Risiko für sehr gering gehalten und auf hohe Ratings der zugrunde liegenden Forderungen geachtet. Sie macht geltend, auch etliche andere Bankhäuser, vor allem die amerikanische Citigroup, seien von der Krise massiv betroffen. Sie behauptet, der Beklagte zu 2) habe gerade vor verfrühter Euphorie gewarnt. Mit der Presseerklärung vom 20.7.2007 habe die Beklagte aus ihrer Sicht unzutreffende Gerüchte ausräumen wollen. Die Schieflage der Beklagten sei erst nach dem 27.7.2007 entstanden, als ihre Handelspartner Kreditlinien gekündigt hätten und der ABCP-Markt zusammengebrochen sei. Einen derartigen Zusammenbruch eines Marktes habe es nie zuvor gegeben.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze und der zur Gerichtsakte gereichten Anlagen Bezug genommen.

Gründe

I.

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Kläger kann unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt von der Beklagten Ersatz des durch den Erwerb und anschließenden Wiederverkauf der in Rede stehenden Aktien entstandenen Schadens verlangen.

1.

Ein Schadensersatzanspruch des Klägers aus § 826 BGB scheitert daran, dass er nicht nachvollziehbar dargelegt hat, dass ein - unterstelltes - vorsätzliches und sittenwidriges Handeln der Beklagten bzw. ihrer Organe, welches sie sich zurechnen lassen müsste, den Schaden adäquat kausal verursacht hat. Dazu bringt der Kläger lediglich vor, er habe auf die inhaltlich falsche Presseerklärung vom 20.07.2007 vertraut. Angaben zur Willensbildung des Klägers fehlen völlig. Das erscheint nicht schlüssig. Die Anforderungen an eine hinreichende Darlegung zur Kausalität in einem solchen Fall sind höher, wie die Rechtsprechung des BGH zeigt:

Hiernach muss im Rahmen der Informationsdeliktshaftung gemäß § 826 BGB der Nachweis des konkreten Kausalzusammenhangs zwischen einer fehlerhaften Adhoc-Mitteilung und der individuellen Anlageentscheidung auch dann geführt werden, wenn die Kapitalmarktinformation vielfältig und extrem unseriös gewesen ist (BGH II ZR 173/05, Urt. v. 04.06.2007 mwN).

Die Anlageentscheidung eines potentiellen Aktienerwerbers stellt einen durch vielfältige rationale und irrationale Faktoren, insbesondere teils durch spekulative Elemente beeinflussten, sinnlich nicht wahrnehmbaren Willensentschluss dar, für den es grundsätzlich keinen Anscheinsbeweis für sicher bestimmbare Verhaltensweisen von Menschen in bestimmten Lebenslagen gibt. (BGH aaO).

Das bedeutet, dass der Kläger vorliegend nachvollziehbar darzulegen hatte, dass die Pressemitteilung vom 20.7.2007 die Ursache für die Anlageentscheidung bildete. Daran fehlt es. Der Kläger hat seine Anlageentscheidung überhaupt nicht in einer nachvollziehbaren Weise erläutert, die es der Kammer ermöglicht, die dafür tragenden Elemente nachzuvollziehen. Vor diesem Hintergrund lässt es sich nicht beurteilen, auf welche Weise der Kläger seine Anlageentscheidung getroffen hat und ob die Pressemitteilung vom 20.7.2007 überhaupt in irgendeiner Weise dafür ursächlich geworden ist. Darauf hat bereits die Beklagte in ihrer Klageerwiderung vom 16.06.2008, dort S.15, ausführlich hingewiesen, ohne dass die Kläger dem in hinreichend substantiierter Form entgegen getreten sind. Sie haben lediglich in allgemeiner Form darauf verwiesen, dass die Pressemiteilung den Zweck gehabt habe, das Vertrauen in die Beklagte zu stärken und damit einen erheblichen Kaufreiz dargestellt habe.

2.

Der geltend gemachte Anspruch lässt sich im Weiteren nicht aus § 823 Abs.2 BGB i.V.m. § 400 AktG herleiten. Die als Anlage K 2 vorgelegte Presseerklärung stellt, worauf die Beklagte zu Recht hinweisen, keine dem Tatbestand des § 400 AktG unterfallende Darstellung dar. Solches sind Berichte jeder Art, in denen der Vermögensstand der Gesellschaft so umfassend wiedergegeben wird, dass sie ein Gesamtbild über die wirtschaftliche M des Unternehmens ermöglichen und den Eindruck der Vollständigkeit erwecken (Kropff in Münchner Kommentar zum Aktiengesetz, 2.Auflage 2006, § 400 AktG Rdn.21). Diesen Voraussetzungen genügt die Erklärung vom 20.7.2007 erkennbar nicht, schon weil sie nicht den Eindruck der Vollständigkeit erweckt. Wie sich aus der Mitteilung ein Gesamtbild über die wirtschaftliche M der Beklagten ergeben soll, erschließt sich ebenfalls nicht, da nur zu einzelnen Punkten der geschäftlichen Tätigkeit Angaben enthalten sind.

Des weiteren ist auch im Rahmen dieser Anspruchsgrundlage die Kausalität für das Bestehen des Anspruchs Voraussetzung; insoweit kann auf die vorstehenden Ausführungen zu § 826 BGB Bezug genommen werden.

3.

Die Klage ist letztlich nicht nach § 37 b WpHG begründet. An Hand der Darlegung der Parteien lässt sich nicht feststellen, dass die Beklagte durch die für sie handelnden Organe sie unmittelbar betreffende Insiderinformationen nicht unverzüglich veröffentlicht hat. Die Beklagte hat im einzelnen dargetan, dass die ihre wirtschaftliche Existenz, nämlich ihre Bonität bedrohende M, erst am 27.7.2007 eingetreten ist, was sie am frühen Morgen des 30.7.2007 und damit im Hinblick auf das dazwischen liegende Wochenende unverzüglich veröffentlicht hat. Erst zu diesem Zeitpunkt war erkennbar, dass die Beklagte sich wegen Sperrung ihrer eigenen Kreditlinien nicht mehr refinanzieren konnte und dadurch ihre Existenz gefährdet war. Auf die ausführliche Darstellung in der Klageerwiderung der Beklagten, dort S.10-12, wird Bezug genommen. Demgegenüber hat der Kläger nicht nachvollziehbar dargetan, welche Insiderinformation die Beklagte am 20.7.2007 hätte publizieren müssen, es aber gleichwohl unterlassen hat. Die Beklagte hat im einzelnen dargelegt, dass die sogenannte Subprime-Krise nach ihrem Kenntnisstand am 20.7.2007 sie lediglich im einstelligen Millionenbereich betraf und dass sie aus diesen Gründen nicht mit einem völligen Zusammenbruch des die Refinanzierung betreffenden ABCP-Marktes gerechnet hat und auch nicht rechnen konnte. Aus der in solchen Fällen aus einer exante-Sicht zu überprüfenden Wahrscheinlichkeitsbetrachtung ergab sich nicht eine erhöhte Wahrscheinlichkeit (vgl. dazu Assmann in Assmann-Schneider, Wertpapierhandelsgesetz, 4. Auflage 2006, § 13 Rdn.26, 25) für den Eintritt des zukünftigen Umstandes. Danach lässt sich ein vorsätzliches oder grob fahrlässiges Fehlverhalten im T des § 37 b WpHG vorliegend nicht feststellen. Demgegenüber stellt es eine Insiderinformation nicht dar, dass der Handel im US-amerikanischen Immobilienmarkt, speziell mit Kreditforderungen, risikobelastet war. Das ist bereits seit Jahren Gegenstand der Berichterstattung in der Presse und anderen Medien und damit allgemein bekannt (vgl. Assmann in Assmann-Schneider, WpHG, § 13 Rdn.75).

Die Beweislast - und damit auch die Darlegungslast - dafür, dass eine Insiderinformation nicht oder nicht rechtzeitig veröffentlicht wird, obliegt dem Anspruchsteller und damit den Klägern (vgl. Sethe in Assmann-Schneider, WpHG, §§ 37 b, 37 c Rdn.42). Dem genügen die Ausführungen der Klägerseite nicht. Sie erschöpfen sich in der allgemeinen Behauptung, die Beklagte habe gewusst, dass ihre Angaben am 20.7.2007 falsch waren, und dass stattdessen der wirtschaftliche Zusammenbruch bereits zu diesem Zeitpunkt absehbar war.

II.

Die prozessualen Nebenentscheidungen rechtfertigen sich aus §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.






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