Verwaltungsgericht Köln:
Beschluss vom 19. November 2009
Aktenzeichen: 1 K 4341/02

(VG Köln: Beschluss v. 19.11.2009, Az.: 1 K 4341/02)

Tenor

Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat.

Der Bescheid der Regulierungsbehörde vom 11. April 2002 wird insoweit aufgehoben, als damit unter den Ziffern 1 a), 1 b), 1 d)da) Bereitstellungsentgelte, Kündigungsentgelte und Entgelte für die Bereitstellung zu besonderen Zeiten genehmigt werden.

Die Verfügung 14/2002 der Regulierungsbehörde wird insoweit aufgehoben, als sie die Klägerin betrifft und sich auf die unter a), b) und d)da) aufgeführten Bereitstellungsentgelte, Kündigungsentgelte und Entgelte für die Bereitstellung zu besonderen Zeiten bezieht.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens tragen die Beklagte und die Beigeladene die Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten der Klägerin je zur Hälfte; ihre eigenen außergerichtlichen Kosten tragen die Beklagte und die Beigeladene jeweils selbst.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Rechtsvorgängerin der Klägerin (Klägerin) ist ein überregionaler Betreiber von Telekommunikationsnetzen, über die unmittelbar angeschlossene Endkunden mit Telekommunikationsdienstleistungen versorgt werden. Am 30. September 1998 schloss sie mit der Beigeladenen einen Vertrag über den Zugang zu deren Teilnehmeranschlussleitungen (TAL), der zunächst durch eine Übergangsvereinbarung vom 28. März 2002 unbefristet verlängert, jedoch am 16. April 2003 mit Wirkung zum 01. Mai 2003 durch einen neuen Vertrag ersetzt wurde. Leistungsgegenstand sind die reguläre Bereitstellung und die Kündigung des TAL-Zugangs, die Voranfrage sowie die Bereitstellung dieses Zugangs zu besonderen Zeiten.

Nachdem die damalige Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (Regulierungsbehörde) zuletzt unter dem 30. März 2001 die Entgelte für diese Leistungen genehmigt hatte, beantragte die Beigeladene am 31. Januar 2002 ohne Anerkennung einer Rechtspflicht eine Anschlussgenehmigung.

Mit Beschluss (Bescheid) vom 11. April 2002 ( ), der Klägerin zugestellt am 17. April 2002, genehmigte die Regulierungsbehörde die einmaligen Bereitstellungsentgelte für 17 TAL-Zugangsvarianten (Ziffer 1 a), die entsprechenden Kündigungsentgelte (Ziffer 1 b) sowie die Entgelte für die Voranfrage (Ziffer 1 c) und für die Bereitstellung zu besonderen Zeiten (Ziffer 1 d). Außer bei den Bereitstellungs- und Kündigungsvarianten für "Glasfaser 1 Faser" und "Glasfaser 2 Fasern" sowie für jeweils fünf "OPAL"- und "ISIS"-Varianten verlaufen die TAL-Zugänge über Doppelader-Metallleitungen. Die Genehmigung ist auf § 39 1. Alternative Telekommunikationsgesetz (TKG) gestützt, beschränkt sich auf die damals bereits geschlossenen und die bis zum 2. Mai 2002 zu schließenden TAL-Zugangsverträge und ist bis längstens zum 30. Juni 2003 befristet.

Mit Verfügung 14/2002, die in dem am 02. Mai 2002 herausgegebenen Amtsblatt der Regulierungsbehörde (2002, S. 708) ohne Rechtsmittelbelehrung veröffentlicht wurde, stellte die Regulierungsbehörde ferner fest, dass die mit dem vorgenannten Bescheid genehmigten TAL-Entgelte ein Grundangebot im Sinne des § 6 Abs. 5 Netzzugangsverordnung (NZV) darstellten und daher gemäß § 6 Abs. 5 S. 2 NZV von einem Betreiber nach § 35 Abs. 1 TKG in seine Allgemeinen Geschäftsbedingungen aufzunehmen seien.

Die Klägerin hat am 17. Mai 2002 Klage zunächst gegen die vorgenannte Entgeltgenehmigung und am 07. Oktober 2002 auch gegen die Grundangebotsverfügung erhoben. Am 21. Oktober 2009 hat sie die Klage insoweit zurückgenommen, als diese sich zunächst auch auf das Entgelt für die Voranfrage bezogen hatte. Sie macht im Wesentlichen geltend: Die noch angefochtenen Entscheidungen seien entgegen § 79 Abs. 1 Satz 1 TKG nicht ordnungsgemäß begründet und beruhten auf einer den gesetzlichen Anforderungen des § 24 Abs. 1 TKG nicht entsprechenden Kostenprüfung. Die angesetzten Prozesszeiten beruhten auf einem Gutachten des Fraunhofer-Instituts, welches ausweislich des internen Prüfberichts der Fachabteilung der Regulierungsbehörde an gravierenden statistischen Mängeln leide. In Bezug auf das Schalten zu besonderen Zeiten lägen keine separaten Messungen der Prozesszeiten vor. Aus den ihr -der Klägerin- zugänglich gemachten geschwärzten Verwaltungsvorgängen sei nicht ersichtlich, ob und in welcher Weise die Regulierungsbehörde die den Prozesszeiten zugrunde liegenden Prozessabläufe auf Effizienz überprüft habe. Es sei daher davon auszugehen, dass die Angaben der Beigeladenen ungeprüft übernommen worden seien. Rechtswidrig sei ferner, dass mögliche Effizienzsteigerungen durch die Einführung einer elektronischen Schnittstelle nicht berücksichtigt worden seien. Auch seien durch eine Erhöhung des Fremdvergabeanteils weitere Kostensenkungen möglich gewesen. Zudem sei davon auszugehen, dass die Regulierungsbehörde die Gemeinkostenzuschläge nicht fehlerfrei ermittelt und nicht ordnungsgemäß auf ihre Vereinbarkeit mit dem Maßstab der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung (KeL) überprüft habe. Das ergebe sich daraus, dass die Beigeladene keine Dokumentation der gesamten Einzelkostenbasis zur Verfügung gestellt habe. Auch sei zweifelhaft, ob die Fakturierungskosten ausreichend belegt seien. Die Verfügung 14/2002 betreffe ihren TAL-Vertrag vom 16. April 2003, so dass sie - die Klägerin - klagebefugt sei. Die Verfügung sei auch aus den gleichen Gründen wie diejenigen der Entgeltgenehmigung rechtswidrig.

Die Klägerin beantragt,

1. den Bescheid der Regulierungsbehörde vom 11. April 2002 insoweit aufzuheben, als damit unter Ziffern 1 a), 1 b) und 1 d) Bereitstellungsentgelte, Kündigungsentgelte und Entgelte für die Bereitstellung zu besonderen Zeiten genehmigt werden,

2. die Verfügung 14/2002 der Regulierungsbehörde insoweit aufzuheben, als sie sich auf die mit dem vorgenannten Bescheid genehmigten Bereitstellungsentgelte, Kündigungsentgelte und Entgelte für die Bereitstellung zu besonderen Zeiten bezieht,

3. hilfsweise Beweis zu erheben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu ihrer Behauptung, dass die tatsächlichen Kosten der Beigeladenen bei der Kündigung einer TAL niedriger waren als von der Beklagten angenommen, insbesondere keine oder in geringerem Umfang physikalische Schaltarbeiten erforderlich waren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt im Wesentlichen vor: Der Klageantrag zu 1. sei unbegründet. Der formelle Einwand, der angefochtene Bescheid sei nicht ausreichend begründet, sei unberechtigt. Es reiche aus, dass in der ungeschwärzten Bescheidbegründung die nach Ansicht der Regulierungsbehörde entscheidungstragenden tatsächlichen und rechtlichen Fragen angesprochen seien und dass sie für die Beigeladene als Adressatin der Entgeltgenehmigung nachvollziehbar sei. Dazu bedürfe es nicht der Wiedergabe aller Einzelheiten des jeweiligen Kostenansatzes und der Kalkulation. Der Genehmigungsbescheid sei auch materiell rechtmäßig. Die Regulierungsbehörde habe den ihr zustehenden Beurteilungsspielraum nicht überschritten. Die Kostennachweise der Beigeladenen wiesen zwar Mängel auf. Diese seien jedoch nicht derart gravierend, dass sie keine Prüfung erlaubten. Auch habe die Regulierungsbehörde die Ansätze aus den Kostenunterlagen nicht einfach übernommen, sondern mehrfach ergänzende Informationen bei der Beigeladenen eingeholt, das Vorbringen der Wettbewerber berücksichtigt, eine Vor-Ort-Prüfung in einer Niederlassung der Beigeladenen durchgeführt und die WIK Consulting GmbH beauftragt, anhand der Unterlagen der Beigeladenen die effizienten Prozesszeiten zu ermitteln. Die Mängel der Kostenunterlagen der Beigeladenen hätten somit keinen Einfluss auf die Ermittlung der KeL gehabt. Im Übrigen wirke sich die Einräumung eines Beurteilungsspielraums dahin aus, dass die Regulierungsbehörde nicht verpflichtet sei, den Sachverhalt, insbesondere die Prozesszeiten und die Stundensätze der Beigeladenen, vollständig aufzuklären. Es reiche aus, dass die Prüfabteilung der Regulierungsbehörde unabhängig von dem fehlenden Nachweis jedenfalls die Plausibilität der Stundensatzangaben der Beigeladenen bestätigt habe. Was die Kosten der Fremdvergabe angehe, sei die Regulierungsbehörde zu Recht ohne Rücksicht auf regionale Besonderheiten von bundesweiten Durchschnittswerten ausgegangen, da sie auch die Entgelte bundesweit habe festlegen müssen. Der Vorwurf der unrichtigen Ermittlung der Fahrtzeiten zum Hauptverteiler (HVt) werde durch die Ausführungen auf Seite 27 bis 29 des ungeschwärzten Bescheids widerlegt. Die Angemessenheit der Gemeinkostenzuschläge ergebe sich aus den Ausführungen auf Seite 28 des ungeschwärzten Bescheids. Der Klageantrag zu 2. sei unzulässig, da die Klägerin nicht von der Erklärung zum Grundangebot betroffen sei und ihr somit die Klagebefugnis fehle.

Die Beigeladene beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, der Klageantrag zu 1. sei insoweit unzulässig, als die Klägerin die Verletzung von § 24 Abs. 1 TKG sowie §§ 2 und 3 TEntgV geltend mache. Dafür fehle es ihr an der Klagebefugnis, da diesen Vorschriften keine drittschützende Wirkung zukomme. Der Klageantrag zu 2. sei mangels Klagebefugnis insgesamt unzulässig, da die Erklärung zum Grundangebot keine über die Entgeltgenehmigung hinausgehende selbständige Beschwer für die Klägerin enthalte. Abgesehen davon sei der Klageantrag zu 1. auch unbegründet, da die angefochtene Entgeltgenehmigung - wie im Einzelnen umfangreich dargelegt wird - formell und materiell rechtmäßig sei.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der nach Maßgabe des Kammerbeschlusses vom 13. Juli 2009 i.d.F. vom 09. September 2009 beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Regulierungsbehörde verwiesen.

Gründe

Das Verfahren ist gemäß § 92 Abs.3 VwGO einzustellen, soweit die Klägerin die Klage teilweise - in Bezug auf die Genehmigung der Entgelte für die Voranfrage - zurückgenommen hat.

Im Übrigen ist die Klage im tenorierten Umfang zulässig und begründet.

1. Die Zulässigkeit des Klageantrags zu 1. scheitert weder insgesamt noch teilweise an der nach § 42 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) erforderlichen Klagebefugnis. Die Klägerin kann geltend machen, durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten verletzt zu sein. Die in Rede stehende Entgeltgenehmigung gestaltet gemäß §§ 39 und 29 Abs. 2 Telekommunikationsgesetz vom 25. Juli 1996, BGBl. I S. 1120, (TKG 1996) unmittelbar die zwischen der Klägerin und der Beigeladenen bestehenden privatrechtlichen Vereinbarungen über die Gewährung des TAL-Zugangs, so dass das vom Grundgesetz gewährleistete Recht verletzt sein kann, den Inhalt von vertraglichen Vereinbarungen mit der Gegenseite frei von staatlicher Bindung auszuhandeln,

so zur vergleichbaren Situation bei Zusammenschaltungsentgelten: BVerwG, Beschluss vom 13. Dezember 2006 -6 C 23.05-, Buchholz 442.066 § 24 TKG Nr. 2, Randnummer (Rn.) 15.

2. Der Klageantrag zu 1. ist auch im Wesentlichen begründet. Der angefochtene Teil des Bescheids vom 11. April 2002 ist insoweit, als er die Entgeltgenehmigungen unter Ziffern 1 a, 1 b und 1 d)da) betrifft, rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die Frage der Rechtmäßigkeit beurteilt sich vorrangig nach den unmittelbar anwendbaren Vorschriften des Europäischen Gemeinschaftsrechts. Einschlägig ist neben den Bestimmungen des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) insbesondere die am 02. Januar 2001 in Kraft getretene Verordnung (EG) Nr. 2887/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2000 über den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss, ABl. EG Nr. L 336, S. 4 (Verordnung 2887/2000). Außerdem sind die Bestimmungen des nationalen Rechts zu beachten. Danach ist gemäß § 39 1. Alternative i.V.m. § 27 Abs. 3 TKG 1996 die Genehmigung der Entgelte für die Gewährung eines Netzzugangs nach § 35 zu versagen, wenn die Entgelte den Anforderungen des § 24 Abs. 2 Nr. 1 nach Maßgabe des Absatzes 2 oder offenkundig den Anforderungen des § 24 Abs. 2 Nr. 2 oder 3 nicht entsprechen oder wenn sie mit diesem Gesetz, d.h. dem TKG 1996, oder anderen Rechtsvorschriften nicht in Einklang stehen.

2.1 Die Genehmigung der Bereitstellungsentgelte, der Kündigungsentgelte und der Entgelte für die Bereitstellung zu besonderen Zeiten -Ziffer 1 d)da)- verstößt gegen Art. 3 Abs. 3 Verordnung 2887/2000, soweit sie sich auf Doppelader-Metallleitungen bezieht; im Übrigen (Glasfaser 1 Faser und 2 Fasern, OPAL- und ISIS-Leitungen) verletzt sie § 24 Abs. 2 Nr. 1 TKG 1996.

2.1.1 Nach Art. 3 Abs. 3 Verordnung 2887/2000 müssen sich - unbeschadet der hier nicht einschlägigen Regelung in Art. 4 Abs. 4 - die von gemeldeten Betreibern in Rechnung gestellten Preise für den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss und zu zugehörigen Einrichtungen an den Kosten orientieren.

Die Beigeladene ist - wie unter den Beteiligten unumstritten - wegen ihrer beträchtlichen Marktmacht gemeldeter Betreiber gemäß Art. 2 lit. a Verordnung 2887/2000.

Unter einem Teilnehmeranschluss ist nach Art. 2 lit. c Verordnung 2887/2000 die physische Doppelader-Metallleitung zu verstehen, die den Netzabschlusspunkt am Standort des Teilnehmers mit dem HVt oder einer entsprechenden Einrichtung des öffentlichen Telefonnetzes verbindet. Darunter fallen alle in Rede stehenden Leistungen, soweit sie sich nicht auf die "Glasfaser 1 Faser", "Glasfaser 2 Fasern" oder eine der OPAL- und ISIS-Leitungsvarianten beziehen.

Die Teilnehmeranschlüsse sind ferner i.S.d. Art. 2 lit. e Verordnung 2887/2000 entbündelt, und zwar in der Form der vollständigen Entbündelung nach Art. 2 lit. f Verordnung 2887/2000, das heißt durch die Ermöglichung der Nutzung des gesamten Frequenzspektrums der Doppelader-Metallleitung.

Bei der Prüfung, ob das jeweilige Entgelt dem mithin gemäß Art. 249 Abs. 2 EGV unmittelbar geltenden Erfordernis der Kostenorientierung entspricht, steht der Regulierungsbehörde ein Beurteilungsspielraum zu. Zwar spricht der EuGH

Urteil vom 24. April 2008, C-55/06, (http://curia.europa.eu/jurisp/) Rn. 155 bis 159,

von "weit reichenden Befugnissen". Der Sinnzusammenhang, in dem die darauf bezogenen Urteilsausführungen und die entsprechenden Vorlagefragen des erkennenden Gerichts im Verfahren 1 K 3427/01 stehen, macht jedoch deutlich, dass mit der Formulierung "weit reichende Befugnisse" das gemeint ist, was im innerstaatlichen Recht unter dem Begriff Beurteilungsspielraum verstanden wird,

so auch: Ladeur, K&R 2009, 299 (302); ähnlich Kühling, a.a.O., S. 244, der von einem "Spielraum" spricht.

Dieses Verständnis wird dadurch bestätigt, dass im vorgenannten EuGH-Urteil an anderer Stelle,

a.a.O., Rn. 44 und 116,

ohne weiteres von "Ermessen"

vgl. zu diesem Begriff aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht: Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, 2. Aufl., S. 280, 281

bei der regulierungsbehördlichen Festlegung der Berechnungsgrundlagen von Kostenbestandteilen die Rede ist. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH,

vgl.: Urteile vom 11. Juli 1985, 42/845, Slg. 1985, 2545, Rn. 34, vom 17. November 1987, 142/84, Slg. 1987, 4487, Rn. 62, vom 2. Oktober 2003, C-194/99 P, (http://curia.europa.eu/jurisp/) Rn. 78,

hat behördliches Ermessen bei komplexen wirtschaftlichen Gegebenheiten zur Folge, dass das Gericht die Überprüfung - vergleichbar dem Prüfungsprogramm bei behördlichen Beurteilungsspielräumen nach innerstaatlichem Recht - darauf zu beschränken hat, ob die Verfahrensvorschriften eingehalten worden sind, ob die Begründung ausreichend ist, ob der Sachverhalt zutreffend festgestellt worden ist und ob keine offensichtlich fehlerhafte Würdigung des Sachverhalts und kein Ermessensmissbrauch vorliegen. Zwar befasst sich das Urteil des EuGH vom 24. April 2008 nur mit Anschaffungs- und Herstellungskosten. Doch spricht nichts dagegen, dass die darin entwickelten Maßstäbe der Kostenorientierung auch für einmalige Kosten der Leistungserbringung gelten.

Entgegen der Auffassung der Beklagten kann nicht angenommen werden, dass die Formulierung "weit reichende Befugnisse" bedeutet, dass die gerichtliche Kontrolle noch weiter zurückzuführen ist als dies nach der vorerwähnten ständigen Rechtsprechung des EuGH zum Ermessen bei komplexen wirtschaftlichen Gegebenheiten ohnehin geboten ist. Insbesondere folgt daraus, dass der EuGH in seinem Urteil vom 24. April 2008

C-55/06, a.a.O., Rn. 155 und 156

die "weit reichenden Befugnisse" der Regulierungsbehörde u.a. auf die "Ermittlung" der Kosten und auf deren "Berechnungsgrundlage" erstreckt hat, nicht, dass das Kriterium "zutreffend" nur eine eingeschränkte gerichtliche Prüfung der Richtigkeit der Sachverhaltsfeststellung erfordert. Es ist bereits zweifelhaft, ob sich die vom EuGH verwendeten Begriffe "Ermittlung" und "Berechnungsgrundlage" auf die Sachverhaltsfeststellung beschränken, oder ob sie sich - wofür aus Sicht der Kammer weitaus mehr spricht - im Hinblick auf den notwendigen Zusammenhang mit dem Begriff der Kosten hauptsächlich auf wertende Prüfungsschritte beziehen. Jedenfalls führte die von der Regulierungsbehörde sogar für die Sachverhaltsfeststellung in Anspruch genommene Kontrollfreiheit praktisch dazu, dass die von telekommunikationsrechtlichen Entgeltgenehmigungen Betroffenen nicht einmal den - auch - nach dem Gemeinschaftsrecht bei weit reichendem behördlichen Ermessen üblichen gerichtlichen Minimal-Rechtsschutz erhielten. Dies widerspräche der im vorerwähnten Urteil des EuGH an anderer Stelle

a.a.O., Rn. 168, 170, 178

aufgestellten Forderung, wonach das vom Drittbetroffenen angerufene nationale Gericht sicherzustellen hat, dass die mit dem Kostenmaßstab nach Art. 3 Abs. 3 Verordnung 2887/2000 verbundenen materiellen Anforderungen tatsächlich eingehalten werden.

Im vorliegenden Fall ist der gerichtliche Prüfungsumfang im Sinne der oben zitierten ständigen Rechtsprechung des EuGH eingeschränkt, da von der Regulierungsbehörde komplexe wirtschaftliche Gegebenheiten zu berücksichtigen sind. Die Ermittlung der Kosten, die im Rahmen des Großunternehmens der Beigeladenen auf einzelne Leistungen wie das Bereitstellen der TAL und das Rückgängigmachen dieser Leistung infolge Kündigung entfallen, sowie deren Beurteilung anhand des Kostenmaßstabs erfordern umfangreiche und schwierige betriebswirtschaftliche Überlegungen. Es geht dabei um Produkt- und Angebotskosten, die sich, soweit größtenteils (Bescheid S. 24) Eigenleistungen angesprochen sind, aus der Multiplikation von Prozesszeiten und Stundensätzen sowie einer Erhöhung um Gemeinkostenzuschläge (Bescheid S. 22) ergeben. Die damit - jenseits der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts - verbundenen Fragen lassen sich nicht durch Sachverständigenbeweis eindeutig und zweifelsfrei beantworten. Vielmehr zeigen die Ausführungen in der Stellungnahme des Fachreferats der Regulierungsbehörde vom 31. Januar 2002 - Prüfbericht - (Ordner 17, S. 6296 bis 6454), dass Probleme aufgeworfen werden und zu lösen sind, die über allgemein anerkannte ökonomische Erkenntnisse im Rechnungswesen hinausgehen. Auch ein auf diesem Gebiet ansonsten wissenschaftlich und praktisch besonders versierter Sachverständiger beträte hier gleichsam unsicheres Gelände und wäre u.a. auf weder normativ noch fachlich hinreichend bestimmte regulatorische Wertungsvorgaben angewiesen. Das gilt insbesondere für die Stundensätze, bei denen nicht nur reine Personalkosten, sondern zusätzlich Abschreibungen, Zinsen und Sachkosten ressortbezogen zu prüfen sind (Ordner 2, S. 380; Ordner 6, S. 1807 bis 1809; Ordner 17, S. 6322 bis 6324). Abgesehen davon ist ausweislich des Prüfberichts (Ordner 17, S. 6322 bis 6324) eigentlich auch ein auf das Unternehmen bezogener Gesamtkostenabgleich vorzunehmen. Um so schwieriger wird eine sachgerechte Ermittlung und Berechnung derart zusammengesetzter Stundensätze anhand des Maßstabs der Kostenorientierung, wenn, wie der Prüfbericht belegt (Ordner 17, S. 6309, 6324), die für einen Kostennachweis notwendige Gesamtschau nicht möglich ist, weil die Beigeladene nicht über eine in das Gesamtrechenwerk ihres Unternehmens integrierte Kostenträgerrechnung verfügt.

Obwohl der angefochtene Bescheid keine Ausführungen darüber enthält, welche Stundensätze den jeweils genehmigten Entgelten zugrunde liegen, kann allerdings nicht angenommen werden, dass er bereits wegen nicht ausreichender Begründung rechtswidrig ist. Der Umfang der gemeinschaftsrechtlichen Begründungspflicht für Einzelakte orientiert sich am sachkundigen Beteiligten,

vgl.: Schwarze, a.a.O., S. 1358, 1359.

Für einen solchen Beteiligten muss selbst bei der Lektüre des in Bezug auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse geschwärzten Entgeltgenehmigungsbescheids mangels anderweitiger Anhaltspunkte klar sein, dass die Regulierungsbehörde - wie diese im Übrigen auch auf Anfrage des Gerichts bestätigt hat - die Stundensatzberechnungen der Beigeladenen übernommen hat. Denn im Bescheid werden nur Abzüge und Korrekturen bei den Fremdvergabekosten, den Zeitansätzen, den Fahrzeiten zum HVt und den Gemeinkosten erwähnt (Bescheid S. 24 bis 29). Wollte man unter diesen Umständen die Wiedergabe auch nur der Ergebnisse der Stundensatzberechnungen im Bescheid verlangen, würden die Begründungsanforderungen überspannt, zumal die Begründungspflicht hauptsächlich dem Adressaten der hoheitlichen Maßnahme und nicht dem lediglich Drittbetroffenen dient,

vgl.: Schwarze, a.a.O., S. 1350.

Beurteilungsfehlerhaft und damit rechtswidrig ist aber, dass die Regulierungsbehörde mit der Verwertung und Anerkennung der Stundensatzberechnungen sowie der darin enthaltenen Gemeinkostenzuschläge der Beigeladenen von einem nicht "zutreffend festgestellten Sachverhalt" ausgegangen ist. Dieses EuGH-Prüfkriterium deckt sich inhaltlich mit dem vom Bundesverwaltungsgericht bei anerkannten Beurteilungsspielräumen in ständiger Rechtsprechung,

vgl. u.a. Urteil vom 02. April 2008 -6 C 15.07-, juris, Rn. 21; Wolff, in Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, Großkommentar, 2. Aufl., Rn. 356 zu § 114,

vertretenen Erfordernis vollständiger und zutreffender Ermittlung des erheblichen Sachverhalts.

Zwar hat die Regulierungsbehörde die Kritik aus dem Prüfbericht an der Gemeinkosten- und Stundensatzermittlung teilweise wiedergegeben (Bescheid S. 23). Sie hat aber die Ansätze und Berechnungen der Beigeladenen übernommen, obwohl damit ausweislich des Prüfberichts (Ordner 17, S. 6324, 6332) zum einen die Stundensätze "aus fachlicher Sicht nicht nachgewiesen" sind. Zum anderen fehlen bei den Gemeinkostenzuschlagssätzen die schriftlichen Nachweise der zugrunde liegenden Einzelkosten je Kostenstelle, welche aber "aus Sicht der Fachseite absolut notwendig" sind, um die sachgerechte Zuordnung der Gemeinkostenverteilung zu gewährleisten. Die Einzelheiten der Begründung (Ordner 17, S. 6326 bis 6328, 6332) stellen, wie im Beschluss der Kammer vom 13. Juli 2009 i.d.F. vom 09. September 2009 dargelegt, schützenswerte Geschäftsgeheimnisse der Beigeladenen dar und dürfen daher in dieser Urteilsbegründung nicht offenbart werden.

Die Kritik im Prüfbericht kann auch nicht mit der in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Erwägung relativiert werden, dass die Verfasser (Referat 113 der Regulierungsbehörde) damals von unrealistischen Idealvorstellungen ausgegangen seien und es für die gerichtliche Beurteilung der Genehmigungsentscheidung allein auf die Auffassung der gemäß § 73 TKG 1996 zuständigen Beschlusskammer ankomme. Das Gericht hat keinen sachlichen Anhalt dafür, dass die Ausführungen im Prüfbericht zu den im vorliegenden Zusammenhang allein erheblichen Stundensätzen fachlich falsch wären. Dafür ist auch in der mündlichen Verhandlung nichts Konkretes vorgetragen worden. Wenn aber die Beschlusskammer der Regulierungsbehörde in kostenrechnerisch schwierigen Fragen der behördeninternen Fachabteilung einen Prüfauftrag erteilt, dann muss sie im Bescheid zumindest näher darlegen, warum sie von dem daraufhin erstellten Prüfbericht abweicht, und begründen, worauf ihre - angeblich - bessere Sachkunde beruht,

vgl. Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, 7. Aufl., Rn. 7 zu § 26; Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, 10. Aufl., Rn. 29 zu § 26.

Das ist aber nicht erfolgt.

2.1.2 Soweit sich die Entgeltgenehmigung auf die Varianten Glasfaser 1 Faser und Glasfaser 2 Fasern sowie auf OPAL- und ISIS-Leitungen (Glasfaserleitungen) bezieht, verletzt sie § 24 Abs. 2 Nr. 1 TKG 1996.

Nach dieser Vorschrift dürfen Entgelte keine Aufschläge enthalten, die nur aufgrund der marktbeherrschenden Stellung nach § 19 GWB eines Anbieters auf dem jeweiligen Markt der Telekommunikation durchsetzbar sind. Ob Aufschläge vorliegen, beurteilt sich aus gesetzessystematischen Gründen nach § 24 Abs. 1 Satz 1 TKG 1996,

vgl. zur vergleichbaren Problematik im Rahmen des § 30 Abs. 4 TKG 1996: BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2002 -6 C 8.01-, Buchholz 442.066 § 30 TKG Nr. 1 .

Aufschläge sind somit anzunehmen, wenn die Entgelte so hoch sind, dass sie sich nicht mehr an den KeL orientieren. Dieser Maßstab wird in § 3 Abs. 2 Telekommunikations-Entgeltregulierungsverordnung vom 1. Oktober 1996, BGBl. I S. 1492, (TEntgV) abschließend dahingehend bestimmt, dass sich die KeL aus den langfristigen zusätzlichen Kosten der Leistungsbereitstellung und einem angemessenen Zuschlag für leistungsmengenneutrale Gemeinkosten, jeweils einschließlich einer angemessenen Verzinsung des eingesetzten Kapitals ergeben, soweit diese Kosten jeweils für die Leistungsbereitstellung notwendig sind. Ob und inwieweit sich die Entgelte an den KeL orientieren, hat die Regulierungsbehörde gemäß § 3 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 und 2 TEntgV anhand der vom beantragenden Unternehmen vorzulegenden Kostennachweise zu prüfen. Im Rahmen dieser Prüfung soll sie zusätzlich insbesondere Preise und Kosten solcher Unternehmen als Vergleich heranziehen, die entsprechende Leistungen auf vergleichbaren Märkten im Wettbewerb anbieten, § 3 Abs. 3 Satz 1 TEntgV.

Diese Anforderungen unterscheiden sich inhaltlich nicht von dem oben unter 2.1.1 im Rahmen von Art 3 Abs. 3 Verordnung 2887/2000 zugrunde gelegten Maßstab der Kostenorientierung. Denn wie der EuGH,

Urteil vom 24. April 2008, C-55/06, a.a.O., Rn. 145, 149,

entschieden hat, stellen § 24 TKG 1996 sowie die §§ 2 und 3 TEntgV eine detaillierte Anwendung des Grundsatzes der Kostenorientierung dar und setzen diesen Grundsatz unter Wahrung des Gemeinschaftsrechts um. Hinzu kommt, dass das nationale Recht trotz der Regelung in Art. 1 Abs. 4 Verordnung 2887/2000 nicht vom gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der Kostenorientierung mit der Folge seiner Unanwendbarkeit abweichen darf,

so EuGH, Urteil vom 24. April 2008, C-55/06, a.a.O., Rn. 140 bis 150.

Somit schlägt das, was der EuGH in Auslegung dieses gemeinschaftsrechtlichen Maßstabes entschieden hat, auf die - soweit erforderlich - gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung der entsprechenden nationalen Rechtsvorschriften durch. Im Hinblick auf den Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts bedeutet dies, dass der nationale KeL-Maßstab - ungeachtet der Kommentierung zum Zusatzmerkmal effizient - inhaltlich mit dem gemeinschaftsrechtlichen Maßstab der Kostenorientierung übereinstimmen muss. Es ist somit von einem jedenfalls gemeinschaftsrechtlich veranlassten Beurteilungsspielraum der Regulierungsbehörde auszugehen, so dass dahingestellt bleiben kann, ob sich die demzufolge gebotene Einschränkung des gerichtlichen Prüfungsprogramms nach Maßgabe der EuGH-Rechtsprechung dem im maßgeblichen Zeitpunkt geltenden innerstaatlichen Telekommunikationsrecht auch ohne entsprechende ausdrückliche Normierung entnehmen ließe,

generell bejahend für den Bereich der telekommunikationsrechtlichen Entgeltprüfung: Koenig/Braun, MMR 2001, 563 (566 bis 568); Manssen, Telekommunikations- und Multimediarecht, Kommentar, Bd. 1, Rn. 8 zu § 24 und Rn. 30 zu § 27; Spoerr, in Trute/Spoerr/Bosch, Telekommunikationsgesetz mit FTEG, Kommentar, 1. Aufl., Rn. 54 bis 61 zu § 24; Trute, in: Festgabe 50 Jahre Bundesverwaltungsgericht, S. 857 (860 bis 863); verneinend: OVG NRW, Beschluss vom 19. August 2005 -13 A 1521/03-; v. Danwitz, DVBl 2003, 1405; für das TKG 2004 offen lassend, aber in der Tendenz wohl verneinend: BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2009 - 6 C 19.08 -, amtl. Abdruck Rn. 21.

Unter diesen Umständen wird zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die obigen (2.1.1) Ausführungen, wonach die Regulierungsbehörde bezüglich der Stundensätze von einem nicht zutreffend festgestellten Sachverhalt ausgegangen ist, verwiesen.

2.1.3 Dagegen lässt sich nicht argumentieren, es müsse gerechtfertigt sein, die Stundensatzangaben der Beigeladenen zu übernehmen, weil die Regulierungsbehörde infolge ihrer gegen eine Antragsablehnung nach § 2 Abs. 3 TEntgV getroffenen Verfahrensentscheidung sowie im Hinblick auf das Fehlen belastbarer Daten und mit Rücksicht auf die maximal 10-wöchige Entscheidungsfrist (§ 28 Abs. 2 TKG 1996) keine andere Wahl gehabt habe. Diese Umstände befreien nämlich nicht von den oben genannten normativen Anforderungen und ändern nichts an dem Beurteilungsfehler der unzutreffenden Sachverhaltsfeststellung. Entgegen der von der Beklagten und der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung vertretenen Auffassung enthält § 2 Abs. 3 TEntgV nur die Ermächtigung, im Falle nicht vollständiger Kostennachweise den Entgeltantrag abzulehnen. Macht die Regulierungsbehörde davon keinen Gebrauch, so folgt weder aus dieser Vorschrift noch aus sonstigem Regulierungsrecht, dass die Entgeltgenehmigung zu Lasten des Betroffenen geringeren materiellen Anforderungen an die Kosten- bzw. KeL-Orientierung genügen darf als bei einer den Anforderungen des § 2 Abs. 1 und 2 TEntgV entsprechenden regulären Entgeltprüfung.

Ebenso wenig lässt sich einwenden, die Stundensatz-Annahmen beruhten deshalb auf zutreffend festgestelltem Sachverhalt, weil sie aufgrund von hinreichend genauen Schätzungen plausibel seien. Abgesehen davon, dass sich der Bescheidbegründung nichts für derartige durch die Beschlusskammer oder in deren Auftrag vorgenommene Schätzungen entnehmen lässt, folgt aus der oben wiedergegebenen Kritik im Prüfbericht, dass es auch an der Darlegung nachvollziehbarer Schätzungsgrundlagen fehlt.

Im Übrigen würde der Kosten- und KeL-Maßstab unterlaufen, wenn anstelle von dem Nachweispflichtigen möglichen konkreten Sachverhaltsfeststellungen bloße Schätzungen als Entscheidungsgrundlage zu Lasten der Drittbetroffenen herangezogen werden könnten. Vielmehr hat das Verwaltungsgericht trotz der weit reichenden Befugnisse der Regulierungsbehörde sicherzustellen, dass die mit dem Kosten- und KeL-Maßstab verbundenen materiellen Anforderungen tatsächlich eingehalten werden,

so EuGH, Urteil vom 24. April 2008, C-55/06, a.a.O., Rn. 170.

Dies wäre aber nicht gewährleistet, wenn die tatsächlichen Entscheidungsgrundlagen nur geschätzt würden, obwohl sie - wie hier - durch die Beigeladene im strengeren Sinne hätten nachgewiesen werden können.

2.1.4 Unter diesen Umständen kann auf sich beruhen, ob in Bezug auf die Produkt- und Angebotskosten weitere Sachverhaltsfehler vorliegen. Denn schon allein die nicht zutreffend festgestellten Stundensätze führen zur Rechtswidrigkeit der Genehmigung der in Rede stehenden einmaligen Entgelte.

Ebenso wenig kommt es somit darauf an, ob wegen der Nichtberücksichtigung einer elektronischer Schnittstelle und eines "HVt-Karussells" eine offensichtlich fehlerhafte Würdigung des Sachverhalts oder Ermessensmissbrauch vorliegt. 2.1.5 Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, im Rahmen des vorliegenden Anfechtungsrechtsstreits den für die Beurteilung der Stundensätze zutreffenden Sachverhalt feststellen zu lassen. Dies liefe nämlich nicht nur darauf hinaus, in unzulässiger Weise die gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 TKG 1996 erforderliche Begründung des angefochtenen Verwaltungsakts in einem wesentlichen Punkt von Amts wegen auszutauschen. Es wäre auch nicht mit dem Grundsatz vereinbar, dass im Anfechtungsrechtsstreit von der im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung bestehenden Sachlage auszugehen ist, wofür hier zudem spricht, dass die telekommunikationsrechtliche Entgeltgenehmigung auf einem gemäß §§ 73 bis 75 TKG 1996 formalisierten Beschlusskammerverfahren beruht,

vgl.: VG Köln, Urteile vom 21. Februar 2002 -1 K 5694/98-, vom 31. Juli 2003 -1 K 2182/01- und vom 26. März 2009 -1 K 5114/07-.

2.1.6 Die Klägerin wird durch die Rechtswidrigkeit der Entgeltgenehmigung schließlich in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Es entspricht der Interessenlage eines regulierten Unternehmens und ist nach den Erfahrungen der Kammer nicht selten, dass derartige Unternehmen ihre Kosten zu hoch veranschlagen. Es ist somit anzunehmen, dass Stundensatzfeststellungen, die den oben genannten Anforderungen entsprächen, zumindest teilweise niedriger ausfielen, als die in den Antragsunterlagen angegebenen und von der Regulierungsbehörde ungekürzt übernommenen Stundensätze.

Abgesehen davon ist die Kammer der Auffassung, dass für das Erfordernis der Rechtsverletzung bereits die bloße Möglichkeit eines niedrigeren Entgelts ausreicht.

Unter diesen Umständen kommt es auf die im hilfsweise gestellten Antrag zu 3. genannten Beweisthemen für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits nicht an.

3. Der Klageantrag zu 1. ist allerdings unbegründet, soweit die angefochtene Genehmigung unter Ziffer 1 d)db) Entgelte betrifft, die für die Bereitstellung des TAL-Zugangs im Rahmen von Projekten zu besonderen Zeiten erhoben werden.

Insoweit hat die Regulierungsbehörde keine festen Preise, sondern eine Abrechnung nach Aufwand entsprechend den AGB-Stundensätzen gemäß der AGB-Preisliste "Sonstige Dienstleistungen" der Beigeladenen genehmigt. Wie im Bescheid (S. 36) zutreffend ausgeführt wird, ist eine solche Abrechnung verursachungsgerecht. Der jeweilige Aufwand ist dem Auftraggeber in ausreichend detaillierter, überprüfungsfähiger Form darzulegen. Anhaltspunkte dafür, dass die von Fall zu Fall einschlägigen Positionen der AGB-Preisliste nicht kosten- oder KeL-orientiert wären, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung wurde von der Beklagten bestätigt, dass diese AGB-Stundensätze nicht Gegenstand der Prüfung im Genehmigungsverfahren waren.

4. Der Klageantrag zu 2. ist zulässig und im Wesentlichen begründet.

Er ist statthaft, da es sich bei der Erklärung zum Grundangebot um einen Verwaltungsakt handelt,

so: BVerwG, Teilurteil vom 13. Dezember 2006 -6 C 23.05-, Buchholz 442.066 § 24 TKG Nr. 3 .

Die Klägerin hat auch nicht die Klagefrist versäumt. Denn mangels einer der Veröffentlichung des Grundangebots vom 02. Mai 2002 beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung gilt gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO die Ein-Jahres-Frist, so dass die am 07. Oktober 2002 zusätzlich gegen die Grundangebotserklärung erhobene Klage nicht verfristet ist.

In dem für die Sachentscheidungsvoraussetzungen maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung

vgl.: BVerwG, Urteil vom 12. März 2008 -9 A 3.06-, BVerwGE 130, 299 ff, und Beschluss vom 16. Dezember 1992 -7 B 180.92-, Buchholz 316 § 76 VwVfG Nr. 7; Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 16. Aufl., Vorb. § 40 Rn. 11

fehlt der Klägerin auch nicht die Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO). Sie ist nämlich von diesem Verwaltungsakt betroffen. Zwar bezieht sich die Erklärung zum Grundangebot nur auf künftige Zusammenschaltungsverhältnisse,

so: BVerwG, Teilurteil vom 13. Dezember 2006 -6 C 23.05-, a.a.O. .

Doch ist zu berücksichtigen, dass die Geltung der eigentlich bis zum 30. Juni 2003 gültige Entgeltgenehmigung wegen ihres Einzelvertragsbezugs

vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Juli 2003 -6 C 19.02-, Buchholz 442.066 § 39 TKG Nr. 1

schon vorher mit dem Inkrafttreten des zum 01. Mai 2003 zwischen der Klägerin und der Beigeladenen geschlossenen neuen TAL-Zugangsvertrags endete. Erst mit Bescheid vom 30. Juni 2003 erteilte die Regulierungsbehörde ab dem 01. Juli 2003 eine neue einzelvertragsbezogene Entgeltgenehmigung, so dass die Klägerin in dem Zeitraum zwischen dem 01. Mai 2003 und dem 30. Juni 2003 von der in Rede stehenden Grundangebotserklärung unmittelbar betroffen war.

Der Antrag zu 2. ist in dem angefochtenen Umfang auch in der Sache aus den gleichen Gründen wie der Antrag zu 1. im Wesentlichen, d.h. mit Ausnahme des Entgelts unter Ziffer 1 d)db), erfolgreich. Allerdings ist der Aufhebungstenor auf die Klägerin zu beschränken, da die Grundangebotserklärung gegenüber anderen Betroffenen bestandskräftig ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1 und 3, 159 Satz 1 VwGO. Soweit die Klage teilweise zurückgenommen und teilweise abgewiesen wurde, führt dies nicht zu einer entsprechenden Kostenverteilung, da die Klägerin - gemessen am Streitwert - nur einen kleinen Teil zurückgenommen hat bzw. nur zu einem geringen Teil unterlegen ist, § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 709 Satz 1 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache ausgelaufenes Recht betrifft, was ihrer grundsätzlichen Bedeutung entgegensteht, und das Urteil nicht von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht, § 135 S. 3 i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO.






VG Köln:
Beschluss v. 19.11.2009
Az: 1 K 4341/02


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/f4bd8b676e57/VG-Koeln_Beschluss_vom_19-November-2009_Az_1-K-4341-02




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