Landgericht Krefeld:
Urteil vom 22. September 2004
Aktenzeichen: 12 O 66/04

(LG Krefeld: Urteil v. 22.09.2004, Az.: 12 O 66/04)

Tenor

1. Die einstweilige Verfügung vom 14.06.2004 mit dem Unterlassungsgebot ihrer Ziff. 1.a) wird aufrechterhalten, jedoch mit der Maßgabe, daß der Antragsgegner richtigerweise G (nicht: G__) heißt, und mit der weiteren Maßgabe, daß das Unterlassungsgebot wie folgt neu formuliert wird:

Dem Antragsgegner wird untersagt, im geschäftlichen Verkehr, insbesondere im Internet, Filme mit der Altersfreigabe FSK 18 und insbesondere pornografischen Inhaltes zu vertreiben, ohne vorher die Volljährigkeit des Bestellers in ausreichender und in zweifelsfreier Weise verifiziert zu haben, was nicht gewährleistet werden kann durch das zuletzt von ihm verwandte Altersverifikationssystem "ueber 18.de".

2. Die Kosten des Verfahrens fallen dem Antragsgegner zur Last.

Tatbestand

Die Parteien sind Wettbewerber. Sie betreiben einen Versandhandel mit Filmen pornografischen Inhaltes und bieten ihren Leistungskatalog im Internet an, der Antragsteller unter www.mversand.de, der Antragsgegner (vergl.Bl. 7/8 d.A.) unter www.x___.com. Pornografische Inhalte dürfen Personen unter 18 Jahren nicht zugänglich gemacht werden (§ 184 Abs. 1 Nr. 1 StGB), nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 JMStV (Jugendmedienstaatsvertrag) auch nicht via Telemedien. Vielmehr ist beim Angebot über Telemedien sicherzustellen, daß die in Bildform angebotene Ware und die auf Bestellung ausgelieferten Filme nur Erwachsene als sog. geschlossene Benutzergruppe erreichen. Das hat zu geschehen quasi durch Verschlüsselung, indem dem Angebot vorgeschaltet wird ein Altersverifikationssystem (im folg. nur: AVS), das der Kunde, will er bestellen, zu überwinden hat.

Der Antragsteller benutz ein AVS "X-Check" einer Coolspot AG aus Düsseldorf. Es wendet an ein Post-Ident-Verfahren der Deutschen Post. Bei jeder Nutzung erfolgt ein durch einen Zentralrechner gesteuerter Authentifizierungsvorgang, für den der Kunde neben einer eigenen Software auch eine Hardware-Komponente - einen ID-Chip - und eine PIN-Nummer benötigt. Die KJM (Kommission für Jugendmedienschutz der Landesmedienanstalten) erachtet dieses AVS für hinreichend sicher (Presseerklärung vom 06.10.2003 Bl. 9 d.A.).

Der Antragsgegner verwendet ein AVS "über 18.de" in einer Version 2. Es stammt von einer Firma erodata. U.a. hat der Kunde, fragt er nach Pornografie nach, seine Personalausweis- oder Paßnummer mitzuteilen.

Erodata und Coolspot sind Wettbewerber und kämpfen augenscheinlich um die Vorherrschaft am deutschen Markt.

Der Antragsteller meint, das von dem Antragsgegner benutze AVS sei nicht hinreichend sicher, weil nicht auszuschliessen sei, daß ein Minderjähriger bestelle unter Verwendung des Personalausweises eines Erwachsenen. Er beanstandet überdies, daß der Antragsgegner bestellte Ware anders als er, der Antragsteller, nicht bloß ausliefere gegen "Einschreiben/eigenhändig".

Auf am 11.06.2004 eingegangenen Antrag des Antragstellers, in dem der Familienname G des Antragsgegner fälschlich mit G... angegeben war, hat die Kammer im Beschlußwege dem Antragsgegner, benannt als N. G., unter Androhung der Zwangsmittel des § 890 ZPO am 14.06.2004 durch einstweilige Verfügung untersagt,

im geschäftlichen Verkehr, insbesondere im Internet,

Filme mit der Altersfreigabe FSK 18 und insbesondere

pornografischen Inhalts im Wege des Versandhandels zu

vertreiben,

a) ohne vorher die Volljährigkeit des Bestellers in

ausreichender und in zweifelsfreier Weise verifi-

ziert zu haben, etwa unter Verwendung des Alters-

verifikationssystems X-Check der Firma Coolspot AG

aus Düsseldorf,

b) ohne sicher zu stellen, daß zwischen dem Bestel-

ler/Erwerber und dem Empfänger der versandten

(nicht: verwandten) Medien Personalidentität be-

steht, indem er etwa bestellte Filme nur auslie-

fert gegen Einschreiben/eigenhändig.

Nach Widerspruch des Antragsgegners beantragt der Antragsteller,

a) primär:

die ergangene einstweilige Verfügung zu bestätigen,

b) hilfsweise (auf Hinweis):

die Sache zuständigkeitshalber zu verweisen an

das Landgericht Mannheim, Kammer für Handels-

sachen, soweit es angeht den Unterlassungsantrag

zu Ziffer 2. seiner Antragsschrift,

während der Antragsgegner beantragt,

den Antrag des Antragstellers auf Erlaß einer einst-

weiligen Verfügung unter Aufhebung des Beschlusses

vom 14.06.2004 zurückzuweisen.

Der Antragsgegner meint, die Sache sei nicht dringlich. Denn der Antragsteller sei nur vorgeschobener Strohmann der Firma Coolspot, die seit jeher wisse um den Einsatz des AVS "über 18.de" durch ihn. Der Antragsgegner hält das AVS "über 18.de" in seiner 2. Version für hinreichend sicher. Die von dem Antragsteller für die gegenteilige Ansicht angeführte Entscheidung des Kammergerichts Berlin Bl. 11 ff sei nicht einschlägig, weil sie sich befasse mit der älteren, von ihm nicht verwandten Version 1 der AVS "über 18.de". Die jüngere 2. Version sei entschieden sicherer, und zwar aus folgenden Gründen:

a)

Der Nutzer muß auf der Internetseite http:wwwüber18de zunächst die Nummer seines Personalausweises oder seines Reisepasses sowie die Postleitzahl am Ausstellungsort der Papiere eingeben.

b)

Hat der Erziehungsberechtigte auf dem Computer, über den der Minderjährige zu bestellen versucht, den sog. ICRA-Filter aufgespielt, scheitert der Zugriff auf das "über 18.de-Tor von vorneherein. Die ICRA-Software ist kostenfrei erhältlich, so daß davon ausgegangen werden könne, daß eine signifikante Zahl von Erziehungsberechtigten sie auf ihren Computern aufgespielt habe.

c)

Überdies bietet über18.de den Eltern minderjähriger Kinder die Möglichkeit, die eigenen Ausweisnummern sperren zu lassen.

d)

Nach Überprüfung der Richtigkeit der Personalausweis- bzw. Passnummer überprüft das System auch den Gleichlauf von Behördenkennzahl in der mitgeteilten Ausweisnummer und der eingegebenen Postleitzahl; bei fehlender Übereinstimmung wird der Nutzer ausgeschlossen, in eine Blacklist aufgenommen und gesperrt.

e)

Bei Stimmigkeit der eingegebenen Daten sind vom Nutzer emailadresse und gewähltes Passwort einzugeben. Erst danach und nach Akzeptanz der zu dem AVS "über 18.de" gehörenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen erhält der Nutzer an die von ihm angegebene email-Adresse die UserID, mit der er unter seinem individuellen Passwort bestellt.

f)

Zusätzliche Sicherheit gewähre die von ihm eingesetzte Version 2 des AVS "über 18.de" dadurch, daß der Nutzer zusätzlich auch noch angeben muß Bankverbindung und Kontonummer bzw. Kreditkartennummer. Auch diese Angabe wird überprüft. Ist sie nicht stimmig, wird der Nutzer wie unter d) in die Blacklist aufgenommen und gesperrt.

g)

Nach den dem AVS "über 18.de" zugehörigen Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist der Nutzer zur sachlichrichtigen Angabe aller Daten sowie dazu verpflichtet, seine Zugangsdaten sicher aufzubewahren und sie Minderjährigen nicht zugänglich zu machen.

Das AVS "über 18.de" sei nach allem hinreichend sicher und gesetzeskonform. Überdies:

Auf Rechtsbruch habe er sich nicht einzustellen. Der potentielle Nutzer verpflichte sich mit Akzeptanz der zum AVS "über 18.de" gehörigen AGB zur sachlichrichtigen Angabe aller Daten. Mißbrauch sei - sofern überhaupt möglich - nur denkbar bei Verstoß gegen diese Pflicht. Keinesfalls habe er sich, wie es § 1 UWG a.F. und unverändert auch § 3 UWG n.F. verlangten, i.S. der Rechtsprechung (BGH GRUR 1991, 768, 769) "bewußt und planmäßig" über die Vorschrift des § 4 Abs. 2 S. 2 JMStV hinweggesetzt, lägen doch mehrere Gutachten vor, aus denen sich ergebe, daß das AVS "über 18.de" ausreichend sicher sei. Schließlich sei ungewiß, ob Pornografie sich überhaupt auf die Entwicklung Jugendlicher nachteilig auswirke. Auch sei zu bedenken, daß über das Internet unschwer auf ausländische Anbieter Zugriff genommen werden könne, die außerhalb des Geltungsbereiches des JMStV lägen.

Verfehlt sei der Tenor der erlassenen einstweiligen Verfügung, soweit dort im Ausspruch unter a) Werbung gemacht werde für das vermeintlich sicherere System der Firma Coolspot.

Die Kammer hat im Termin vom 15.09.2004 das Verfahren, soweit es den Unterlassungsantrag unter Ziffer 2. der Antragsschrift (= Ziff. 1.b) der erlassenen einstweiligen Verfügung) angeht, abgetrennt. Die abgetrennte Sache trägt das Az. 12 O 102/94 LG Krefeld. Hier - in diesem Ursprungsverfahren - ist nur noch zu entscheiden über die Anträge zu Ziffern 1. und 3. der Antragsschrift.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Gründe

Die erlassene einstweilige Verfügung war - bei Richtigstellung des Familiennamens des Antragsgegners und geringfügiger Änderung der Formulierung - zu bestätigen, soweit es das Unterlassungsgebot unter ihrer Ziff. 1.a) und die Androhung der Zwangsmittel des § 890 ZPO angeht. Im übrigen ist durch die Kammer nicht zu entscheiden.

I.

Es geht nur um den Ausspruch unter 1.a) der erlassenen einstweiligen Verfügung nebst zugehöriger Strafandrohung bzw. nur um das begehrte Verbot gemäß Ziffern. 1. und 3. der Antragsschrift des Antragstellers vom 11.06.2004. Denn im übrigen ist die Kammer örtlich unzuständig, so daß die Sache im übrigen zu verweisen war, wie sich aus dem heute verkündeten Beschluß in der Sache 12 O 102/04 LG Krefeld ergibt.

II.

Das UWG ist in seiner Neufassung mit Verkündung in Nr. 32 des Bundesgesetzblattes I. in Kraft getreten ohne Übergangsvorschrift. Das führt dazu, daß altes und neues Recht anzuwenden ist. Altes Recht ist anzuwenden, weil Gesetze keine Rückwirkung haben und die Zuwiderhandlung, auf die der Antragsteller abhebt, noch fällt in die Zeit, als das UWG a.F. galt. Neues Recht ist anzuwenden deshalb, weil ein in die Zukunft weisendes Verbot ausgesprochen werden soll, für das nur Raum ist, wenn auch nach geltendem neuen UWG eine Zuwiderhandlung vorgelegen hätte.

III.

Das Verfahren ist zulässig.

1.

Die Kammer ist, soweit es den Unterlassungsantrag unter Ziff. 1.a) des Beschlusses vom 14.06.2004 bzw. unter Ziff. 1. der Antragsschrift angeht, örtlich zuständig. Das folgt aus § 24 Abs. 2 S. 1 UWG a.F. i.V.m. § 261 ZPO, aber auch aus § 14 Abs. 2 S 1 UWG n.F..

a)

Das UWG in seiner alten Fassung sah in § 24 Abs. 2 S. 1 den "fliegenden Gerichtstand" des Begehungsortes vor, schränkte aber in § 24 Abs. 2 S. 2 dahin ein, daß das für Klagen, die von den in § 13 Abs. 2 Nr. 1 - 4 genannten Gewerbetreibenden, Verbänden oder Kammern erhoben werden, nur gelte, wenn der Beklagte im Inland weder eine gewerbliche Niederlassung noch seinen Wohnsitz habe. Jedoch galt diese Einschränkung für den unmittelbar Verletzten nicht (Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., UWG § 24 RdNr. 1.b). Der Antragsteller ist unmittelbar Verletzter. Denn beide Parteien vertreiben die nämliche Ware und wenden sich im Internet an denselben Kundenkreis. Zwar richtet sich das Tun des Antragsgegners nicht gezielt gegen den Antragsteller. Aber es reicht aus der Vorwurf, daß sich der Antragsgegner durch Rechtsbruch einen Vorteil zu seinen, des Antragsteller, Lasten verschaffe (vergl. Baumbach-Hefermehl, aaO, UWG § 13 RdNr. 19). War aber die Kammer im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit, die bei einstweiligen Verfügungen zurückbezogen wird auf den Eingang der Antragsschrift bei Gericht (Zöller, ZPO, 23. Aufl, § 261 RdNr. 2), hier also auf den 11.06.2004, nach § 24 Abs. 2 S. 1 UWG a.F. zuständig, folgt aus § 261 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, daß die erst im Juli 2004 in Kraft getretene Änderung des UWG hieran nichts mehr ändern kann.

b)

Überdies gilt gemäß § 14 Abs. 2 S. 1 UWG n.F. weiterhin und erst recht vorliegend der sog. fliegende Gerichtsstand des Begehungsortes. Sein Anwendungsbereich ist vom Gesetzgeber erweitert worden, denn die frühere Einschränkung des § 24 Abs. 2 S. 2 UWG a.F. gilt nach § 14 Abs. 2 S. 2 UWG n.F. nicht mehr für die Klage, die, so hier, ein "Mitbewerber" i.S.v. § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG n.F. erhebt.

2.

Die Kammer ist auch sachlich zuständig. Sie hält nämlich, wie im Einzelnen weiter unten auszuführen sein wird, daran fest, daß die Sache dem Streitwert nach vor das Landgericht gehört, weil dieser entgegen der Ansicht des Antragsgegners den Betrag von 5.000 € des § 23 Nr. 1 GVG deutlich übersteigt.

Nach neuem Recht (§ 12 Abs. 2 UWG) bedarf es der Darlegung und Glaubhaftmachung der in den §§ 935 und 940 ZPO bezeichneten Voraussetzungen nicht mehr. Ob das über die Aussagen des § 25 UWG a.F. hinausführt, mag offen bleiben. Denn jedenfalls ist dessen Dringlichkeitsvermutung nicht widerlegt. Zwar liegt die Annahme nicht fern, daß die eigentlichen Auftraggeber der beiderseitigen Prozeßbevollmächtigten die Firmen Coolspot und Erodata sind, die seit jeher darum wissen, welche Versandhändler pornografischer Schriften in Deutschland welches AVS nutzt. Aber das ist letztlich nur eine Mutmaßung. Unwiderlegt ist die Darstellung des Antragstellers, der glaubhaft macht, selbst als Wettbewerber betroffen zu sein, aus eigenem Antrieb zu handeln und erst am 26.05.2004 entdeckt zu haben, daß der Antragsgegner beim Angebot der von ihm gehandelten pornografischen Schriften/Filme im Internet das AVS "über 18.de" nutzt.

IV.

Es besteht auch der verfolgte Unterlassungsanspruch.

Die Parteien sind Wettbewerber, der Antragsteller ggf. der unmittelbar Verletzte. Der von ihm geltend gemachte Unterlassungsanspruch folgt aus §§ 1, 13 Abs. 1 Nr. 1 UWG a.F. bzw. aus §§ 3, 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG n.F..

1.

Die Kammer folgt dem Antragsgegner nicht darin, daß es um komplizierte technische, nur dem Sachverständigenbeweis zugängliche Zusammenhänge gehe, deren Klärung einem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben müsse, weil eine ausreichende Glaubhaftmachung auf Seiten des Antragstellers zwangsläufig fehle. In tatsächlicher Hinsicht - nur tatsächliche Zusammenhänge sind glaubhaft zu machen - ist das gesamte Geschehen unstreitig. Fraglich und schwierig mag allenfalls die rechtliche Bewertung sein. Das ist für die Frage, ob auf bloße Glaubhaftmachung im Wege der einstweiligen Verfügung entschieden werden kann, ohne Belang.

2.

Die Kammer folgt dem Antragsgegner auch nicht darin, daß dem Unterlassungsantrag schon deshalb nicht entsprochen werden könne, weil dieser zu ungenau und weit gefaßt sei. Der Antragsteller hat sich nicht darauf beschränkt, in seinem Antrag nur den Gesetzeswortlaut zu wiederholen. Dort (§ 4 Abs. 2 JMStV) heißt es lediglich, es müsse "sichergestellt" sein, daß pornografische Werke "nur Erwachsenen zugänglich gemacht werden (geschlossene Benutzergruppe)". Der Antragsteller hat den vom Gesetzgeber verwandten Begriff des Sicherstellens weiter konkretisiert mit dem Halbsatz "ohne vorher die Volljährigkeit des Bestellers/Erwerbers in ausreichender und zweifelsfreier Weise verifiziert zu haben". Das reicht als Konkretisierung aus. Zwar soll sich der Antrag auf die konkrete Verletzungshandlung beziehen, hier also auf die Verwendung des AVS über 18.de beim Angebot pornografischer Ware via Internet. Aber Verallgemeinerungen sind zulässig, solange in ihnen nur, wie hier durch den Antragsteller geschehen, das Charekteristische der konkreten Verletzungshandlung zutreffend zum Ausdruck gebracht wird (Baumbach-Hefermehl, aaO, UWG Einl. RdNr. 462).

Die Kammer hat, ohne daß dies beantragt war, in dem angefochtenen Beschluß durch den Halbsatz

"etwa unter Verwendung des Altersverifikationssystems

X-Check der Firma Coolspot AG aus Düsseldorf"

eine weitere Konkretisierung vorgenommen, indem sie herausgestellt hat, daß das System X-Check anders als das vom Antragsgegner genutzte System es ermögliche, in ausreichender und zweifelsfreier Weise die Volljährigkeit des Bestellers zu verifizieren. Zu Recht beanstandet der Antragsgegner dies. Die Kammer läßt den Zusatz deshalb entfallen. Sie konkretisiert stattdessen weiterhin, indem sie hinzusetzt, daß das zuletzt vom Antragsgegner genutzte System "über 18.de" die gebotene hinreichend sichere Altersverifizierung nicht ermöglicht.

3.

Dadurch, daß er das AVS "über 18.de" nutzt statt des Systems X-Check der Coolspot AG, das der Antragsteller verwendet, hat sich der Antragsgegner im Wettbewerb einen erheblichen Vorteil verschafft. Denn "über 18.de" ist aus Sicht des Nutzers, um ein Neuwort zu verwenden, leichter zu "handeln". Denn bei X-Check findet Anwendung das Post-Indent-Verfahren der Deutschen Post AG. Sie stellt eine sog. facetoface-Kontrolle an. D.h. der Interessent erhält ID-Chip und Pin-Nr., die er benötigt, um bestellen zu können, erst, nachdem er dem Zusteller der Post an der Haustür nachgewiesen hat, daß er als derjenige, der den ID-Chip entgegennehmen will (Empfänger), identisch ist mit dem volljährigen Besteller, an den der ID-Chip ausgegeben werden soll. Das stellt für den Besteller eine psychologische Hemmschwelle dar. Nicht jeder "outet" sich gerne gegenüber dem Briefträger, indem er zu erkennen gibt, daß er Pornografie nachfragt. Hingegen ist bei "über 18.de" die Hemmschwelle denkbar gering. Man kommuniziert lediglich via Internet mit einem anonymen Gegenüber. Das fällt leicht.

4.

Den dargestellten Vorteil verschafft sich der Antragsgegner i.S. v. § 1 UWG a.F. bzw. i.S.v. §§ 3, 4 Nr. 11 UWG neue Fassung auf unlautere Weise, nämlich durch Rechtsbruch.

a)

Zu § 1 UWG war seit jeher anerkannt, daß Wettbewerb unlauter ist, soweit sich der Wettbewerber durch Verletzung wertbezogener Normen einen Vorteil zu verschaffen sucht (vergl. Baumbach-Hefermehl, aaO, UWG § 1 RdNrn. 613 ff). Das gilt unverändert nach §§ 3, 4 Nr. 11 UWG n.F.. Vor allem ist § 4 JMStV i.S.v. § 4 Nr. 11 UWG n.F. eine Norm, die "auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Martteilnehmer das Marktverhalten zu regeln".

b)

Mit dem Antragsteller ist davon auszugehen, daß das AVS "über 18.de" eine hinreichend sichere Altersverifizierung nicht ermöglicht und deshalb die Anforderungen, die der Gesetzgeber in § 4 Abs. 2 S. 2 JMStV mit dem Begriff des "Sicherstellens" erhebt, nicht erfüllt.

"Über 18.de" ist nicht hinreichend sicher, weil es durch Jugendliche unschwer umgangen werden kann. Z.B.:

Benutzt Vater Max Müller senior das Internet arglos, ohne je auch nur daran gedacht zu haben, via Internet Pornografie zu ordern, ist er deshalb auch erst gar nicht auf die Idee gekommen, das Filtersystem ICRA aufzuspielen oder seine Ausweisnummer sperren zu lassen, ist es seinem gleichnamigen - oft ist es üblich, dem erstgeborenen männlichen Nachkommen den Vornamen des Vaters zu geben - Sohn Max Müller junior, 14 jährig, schon ausgestattet mit eigenem Konto, ohne weiteres möglich, unter Eingabe der Personalausweisnummer seines Vaters, die er sich leicht beschaffen kann, und unter Eingabe der eigenen Kontonummer bei dem Antragsgegner pornografische Werke zu ordern, ohne daß dies dem Vater auffallen muß.

c)

Der Gesetzesverstoß ist nicht deshalb irrelevant, weil es zu ihm nicht kommen würde, wäre der nachfragende Jugendliche ehrlich und würde er, wie es die AGB der erodata verlangen, nur sachlichrichtige Daten eingeben. Der Gesetzgeber war sich, als er in § 4 Abs. 2 S. 2 JMStV den Anbietern aufgab, es sei sicher zu stellen, daß das Angebot nur Erwachsene erreicht, bewußt, daß Jugendliche geneigt sein können, mit wahrheitswidrigen Angaben sich den Zugang zur Pornografie zu erschleichen. Sicher ist folglich nur ein AVS, daß den Zugriff Jugendlicher auf Pornografie auch dann hinreichend sicher ausschließt, wenn diese böswillig sind und unwahre Daten eingeben.

d)

Die Ausführungen des Antragsgegners, daß Pornografie der Entwicklung des Jugendlichen nicht unbedingt schade und deshalb bei teleologischer Interpretation oder dergleichen die Anforderungen an den Begriff des Sicherstellens in § 4 Abs. 2 S. 2 JMStV richtigerweise nicht so hoch sein dürften, wie es das Kammergericht seinerzeit in seiner Entscheidung vom 26.04.2004 (Bl. 18 ff d.A.) angenommen hat, sind befremdlich. Der Antragsgegner bietet nicht Soft-Pornos an, die für die Entwicklung des Jugendlichen unschädlich sein mögen, sondern ausgesprochene harte Ware, etwa soweit man Pornografie des Musters "Brutal" anwählen kann oder Filme wie "Extrem Arschficken".

e)

§ 4 Abs. 2 S. 2 JMStV ist nicht deshalb unbeachtlich, weil es, so richtig der Antragsgegner, über Internet unschwer möglich sein mag, auf ausländische Anbieter Zugriff zu nehmen, die den Einschränkungen des JMStV nicht unterliegen. Es liegt in der Natur der Sache, daß die Macht des deutschen Gesetzgebers an der Landesgrenze endet. Gleichwohl sind seine Gesetze in Deutschland zu beachten, mag das auch zwischen deutschem und ausländischen Anbieter zu einer Wettbewerbsverzerrung zu Gunsten des letzteren führen. Im übrigen bleibt zu hoffen, daß auch in anderen Ländern demnächst Vorschriften erlassen werden, die dem des § 4 Abs. 2 S.2 JMStV vergleichbar sind.

f)

Schließlich hat sich der Antragsgegner auch bewußt und planmäßig über das Gesetz hinweg gesetzt. Sichere Systeme sind am Markt. Er muß sich klug machen über die Risiken seiner Branche. Spätestens nach der Pressemitteilung der KJM Bl. 9 d.A. vom 06.10.2003 hätte es sich ihm aufdrängen müssen, daß "über 18.de" nicht hinrechend sicher ist. Daß er zahlreiche Gutachten beibringt, die dem AVS "über 18.de" bescheinigen, absolut gesetzeskonform zu sein, führt nicht zu einem anderen Urteil. Die Gutachten belegen nur die alte Weisheit, daß Privatgutachter nach dem Motto "Wes´ Brot ich fress, des´ Lied ich sing" üblicherweise zu dem Ergebnis gelangen, das ihrem Auftraggeber wünschenswert erscheint.

V.

Mit der Bestätigung des Unterlassungsgebotes unter Ziff. 1.a) des Beschlusses vom 14.06.2004 war auch zu bestätigen die aaO unter Ziff. 2. erfolgte Androhung der Zwangsmittel des § 890 ZPO.

VI.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Einer Entscheidung zur Vollstreckbarkeit bedarf es nicht.

VII.

Das Angriffsinteresse des Antragstellers wird nicht bestimmt von Einnahmen, die ihm entgehen, weil der Antragsgegner auch Jugendliche mit Pornografie bedient. Dann läge das Angriffsinteresse des Antragstellers nur im moralisch/erzieherischen Bereich, den das UWG nicht im Auge hat, und es wäre anzusetzen mit o €. Sondern das Angriffsinteresse des Antragstellers wird, wie oben unter Abschnitt IV. 3. dargelegt, bestimmt durch die Mehreinnahmen, die ihm ggf. möglich sind, wenn der Antragsgegner ebenfalls ein hinreichend sicheres AVS mit facetoface Kontrolle verwendet, sich also des Vorteils begibt, den das AVS "über 18.de" ihm bietet und der darin besteht, daß er Kunden "abfischt", die Pornografie zwar gerne konsumieren, aber eine facetoface-Kontrolle, bei der sie sich zu outen hätten, scheuen. Deshalb setzt die Kammer den Streitwert des Verfahrens unverändert an mit

15.000,00 €,

davon 10.000 € entfallend auf den Antrag unter Ziff. 1. und 5.000 € entfallend auf den Antrag unter Ziff. 2. der Antragsschrift.






LG Krefeld:
Urteil v. 22.09.2004
Az: 12 O 66/04


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