Bundespatentgericht:
Beschluss vom 14. November 2005
Aktenzeichen: 25 W (pat) 191/03

(BPatG: Beschluss v. 14.11.2005, Az.: 25 W (pat) 191/03)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Bezeichnung Internetkanzleiist am 26. Juli 2000 für

"Rechtsberatung und -vertretung, juristische Beratung über das Internet"

zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden.

Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts hat nach Beanstandung die Anmeldung mit Beschluss vom 10. Juni 2003 durch einen Beamten des höheren Dienstes zurückgewiesen. Auch wenn geringste Anforderungen an die Unterscheidungskraft gestellt würden, erfüllte die angemeldete Marke diese Bedingung nicht. Die Bezeichnung sei sprachüblich gebildet und wirke zumindest als Fachbezeichnung für eine Kanzlei, die sich des Internets als technische Unterstützung der angebotenen Dienstleistungen bediene. Dies werde bereits von einer Vielzahl von Kanzleien auf dem Gebiet der Rechts- und Steuerberatung so angeboten, wie sich mit Hilfe der Suchmaschine google belegen lasse. Auch die Ausführungen des Anmelders bestätigten dieses Verständnis. Der angemeldeten Bezeichnung fehle daher die erforderliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG. Ob auch die Eintragungshindernisse im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 2 und Nr 3 MarkenG entgegenstünden, könne offen bleiben.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders mit dem Antrag, den angegriffenen Beschluss der Markenstelle aufzuheben und die angemeldete Marke zur Eintragung zuzulassen.

Der angegriffene Beschluss beruhe auf einer zu strengen Praxis bei der Bewertung der Unterscheidungskraft, weswegen bereits der BGH eine Kurskorrektur der registerrechtlichen Amtspraxis angemahnt habe, der die Markenstelle offensichtlich nicht folgen wolle Unter Berücksichtigung der europäischen Markenrechts-Richtlinie reiche es aus, wenn einer Marke "irgendeine" Unterscheidungskraft zukomme. Dem werde die angemeldete Marke gerecht, weil sie die beanspruchten Dienstleistungen ihrer Herkunft nach unterscheidbar von den Dienstleistungen anderer Anbieter mache. Maßgeblich komme es dabei auf die Verkehrsauffassung an. Sei eine Marke markenfähig im Sinne des § 3 Abs 1 MarkenG, besitze sie im allgemeinen auch die konkrete Unterscheidungskraft für die angemeldeten Dienstleistungen, die nach der Begründung zum Markengesetz nur in seltenen und eindeutigen Fällen fehle (BT-Drucksache 12/6581 vom 14.1.1004, S. 70). So wende auch der BGH den Zurückweisungsgrund des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG auch bei zusammengesetzten Wortarke restriktiv an (BGH GRUR 1995, 408 - Protech), wobei ein aus zwei beschreibenden Abkürzungen zusammengesetztes Wort, das als solches nicht als bekannt nachweisbar sei, Unterscheidungskraft besitze. Dies müsse auch für die vorliegende Wortzusammensetzung bei entsprechender Benutzung unter Berücksichtigung der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen gelten, deren beschreibender Gehalt derzeit nicht nachweisbar sei. Hierbei handele es sich auch nicht um ein gebräuchliches deutsches Wort. Zwar könne das Wort "Kanzlei" nicht schutzbegründend wirken, weil es nicht geeignet sei, die Dienstleistungen des Anmelders von denen anderer Juristen zu unterscheiden. Die Dienstleistungen, die nicht von jedem beliebigen Rechtsberater erbracht werden könnten, würden jedoch spezifizierbar und unter der Bezeichnung "Internetkanzlei" dem Anmelder zugeordnet. Die Bezeichnung sei vom Anmelder geschaffen worden, um damit sämtliche Leistungen zu bezeichnen, die von ihm erbracht würden. Dass unter dieser im Deutschen nicht vorhandenen Bezeichnung grundsätzlich alle juristischen Leistungen, die im Internet angeboten würden, subsumiert würden, beruhe auf der Fehlvorstellung der Markenstelle. Es sei für die Schutzfähigkeit auch nicht erforderlich, dass die angemeldete Marke die Dienstleistungen des Anmelders von den Dienstleistungen anderer juristischer Kanzleien begrifflich unterscheide. Der Gesamtverkehr werde der angemeldeten Marke Unterscheidungskraft zumessen, da ihm bekannt sei, dass nicht nur eine Kanzlei entsprechende Dienstleistungen über das Internet anbiete. Gegen ein Freihaltungsbedürfnis spreche darüber hinaus § 23 Nr 2 MarkenG, der einer Monopolisierung beschreibender Angabe entgegen wirke. Aktuell sei auch kein Freihaltungsbedürfnis potentieller Mitbewerber ersichtlich, weil die angemeldete Marke die fraglichen Dienstleistungen nicht unmittelbar, sondern allenfalls mittelbar beschreibe (vgl BGH GRUR 1998, 465 - BONUS). Das Wort "Kanzlei" beschreibe insoweit nicht die Dienstleistungen, sondern nur die Herkunft des Produkts. Daher liege auch keine Beschreibung von Merkmalen des Produkts vor. Die angemeldete Marke sei auch kein allgemein anpreisender Begriff. Vielmehr nutze der Anmelder sie seit langem als Unternehmenskennzeichen. Selbst wenn die einzelnen Bestandteile nicht schutzfähig seien, ergebe sich doch aus der Kombination ein schutzfähiger Gesamtbegriff, der über die Summe der einzelnen Bestandteile hinausgehe. Schließlich stelle die angemeldete Marke auch keine Gattungsbezeichnung im Sinne des § 8 Abs 2 Nr 3 MarkenG dar, da sie nicht im allgemeinen Sprachgebrauch üblich geworden sei. Auch hier bilde § 23 Nr 2 MarkenG die Schranke, innerhalb derer auch andere Kanzleien die angemeldete Marke verwendeten. Diese Ausnahme könne sich jedoch nicht zu Lasten des Anmelders auswirken, der seit langem die Bezeichnung als Unternehmenskennzeichen verwende.

II.

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg, da auch nach Auffassung des Senats der angemeldeten Bezeichnung die für eine Registrierung erforderliche Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG fehlt.

Unterscheidungskraft ist nach ständiger Rechtsprechung im Hinblick auf die Hauptfunktion der Marke, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten, die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (vgl zur st Rspr BGH GRUR 2003, 1050 - Cityservice; EuGH GRUR 2003, 58 - COMPANYLINE - zur GMV). Deshalb kann die Frage, ob ein Zeichen eine solche Unterscheidungskraft besitzt, nicht abstrakt ohne Berücksichtigung der Waren oder Dienstleistungen, die sie unterscheiden sollen, und ohne Einbeziehung der angesprochenen Verkehrskreise beurteilt werden.

Danach sind insbesondere solche Zeichen nicht unterscheidungskräftig, bei denen es sich - wie hier - für den Verkehr in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen ohne weiteres erkennbar um unmittelbar beschreibende Angaben im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG handelt (vgl EuGH GRUR 2004, 674 - Postkantoor). Allerdings kann auch sonstigen Zeichen, die dem Schutzhindernis als beschreibenden Angaben im Sinne des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG nicht unterfallen und auch nicht zu den allgemein gebräuchlichen Wörter der Alltagssprache zählen, jegliche Unterscheidungskraft fehlen (vgl EuGH GRUR 2004, 674 - Postkantoor; GRUR 2004, 680 - BIOMILD). Maßgebend ist allein, ob der Verkehr in der angemeldeten Bezeichnung einen Herkunftshinweis sieht oder nicht. Denn aus der Sicht des Verkehrs kann es zahlreiche - im Einzelfall zu untersuchende - Gründe geben, in einem Zeichen keinen herkunftsbezogenen Hinweis zu sehen - wie zB bei nur mittelbar beschreibenden Bezeichnungen bzw solchen mit lediglich assoziativer Verbindung zur Ware oder Dienstleistung oder Werbeschlagwörtern (vgl BPatG MarkenR 2002, 201, 205-207 - BerlinCard - mwH). Ein Eintragungshindernis kann sich daher auch daraus ergeben, dass die angesprochenen Verkehrskreise im Hinblick auf den möglichen Inhalt oder Gegenstand der jeweiligen Waren oder Dienstleistungen in dem beanspruchten Zeichen eine Sachinformation sehen (vgl BGH MarkenR 2002, 338 - Bar jeder Vernunft; MarkenR 2003, 148 - Winnetou; EuGH GRUR Int. 2001, 864 - CINE COMEDY; BPatG MarkenR 2002, 299 - OEKOLAND).

Die angemeldete Bezeichnung setzt sich aus den Begriffen "Internet" und "Kanzlei" zusammen, die jeweils für sich gesehen keinen Markenschutz beanspruchen können, was auch der Anmelder nicht verkennt. Aber auch die Kombination beider den angesprochenen Verkehrskreisen aus zahlreichen Wortzusammensetzungen bekannten Wörter ergibt keinen Gesamtbegriff mit einem eigenen schutzfähigen Charakter, denn auch in der Verbindung verliert die angemeldete Bezeichnung "Internetkanzlei" nicht den im Vordergrund stehenden und deutlich erkennbaren Sinngehalt, wonach es sich um eine Kanzlei handelt, die ihre Dienstleistungen über das Internet anbietet bzw erbringt. Die angemeldete Bezeichnung stellt auch keine vom üblichen Sprachgebrauch in ihrer Wortstruktur oder Semantik von einer Sachbezeichnung abweichende, ungewöhnliche Gesamtbezeichnung dar. Der Verbraucher hat deshalb keine Veranlassung, diese Wortkombination - auch wenn es sich um eine lexikalisch nicht nachweisbare Zusammensetzung handelt (vgl zB BGH GRUR 2001, 1151, 1552 - marktfrisch; Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl, § 8 Rdn 88 mwN) - als individualisierenden, betrieblichen Herkunftshinweis für die angemeldeten Dienstleistungen zu verstehen, auch wenn grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen ist und es zur Begründung der Unterscheidungskraft keiner eigentümlichen oder originellen Zeichenbildung oder eines Phantasieüberschusses bedarf (vgl BGH MarkenR 2000, 264, 265 - LOGO; EuG MarkenR 2002, 88 - EUROCOOL).

Selbst wenn entgegen der von der Markenstelle belegten tatsächlichen Verwendung des Wortes "Internetkanzlei" angenommen würde, es handele sich hierbei um eine neue, bisher nicht geläufige Wortzusammenstellung, führt dies allein nicht zu einer schutzbegründenden Unterscheidungskraft, wie der Anmelder meint. Der EuGH hat dazu in seiner Rechtsprechung wiederholt betont, dass die bloße Kombination von schutzunfähigen Bestandteilen selbst bei einer Wortneuschöpfung nicht zwangsläufig zur Eintragungsfähigkeit führt. Entscheidend sei vielmehr, ob der von der Wortkombination erweckte Eindruck in seiner Gesamtheit hinreichend weit von dem abweicht, der durch die bloße Zusammenstellung der Bestandteile entsteht und somit über die Summe dieser Bestandteile hinausgeht (vgl. zuletzt EuGH MarkenR 2004, 111, 115 - BIOMILD). Das ist aber bei der sprachüblichen Kombination der Begriffe "Internet" und "Kanzlei" nicht der Fall. Vielmehr ist der sachbezogene Aussagegehalt der Bezeichnung für die beanspruchten Dienstleistungen so deutlich und unmissverständlich, dass seine Funktion als sachbezogener Begriff nahe gelegt ist und die beteiligten Verkehrskreise in dem Zeichen lediglich einen Hinweis auf Gegenstand und Inhalt der hier fraglichen Dienstleistungen, nicht jedoch einen betrieblichen Herkunftshinweis erkennen. Die angemeldete Wortkombination benennt Inhalt und Gegenstand der beanspruchten Dienstleistungen, ohne dass durch die Zusammenfügung der Wörter der sachbezogene Charakter der Gesamtbezeichnung verloren geht. Beide Einzelbestandteile werden vielmehr entsprechend ihrem Sinngehalt verwendet und bilden auch in der Gesamtheit keinen neuen, über die bloße Kombination hinausgehenden Begriff, wie auch aus den von der Markenstelle dem angegriffenen Beschluss beigefügten Beispielen zu ersehen ist.

Dass die beanspruchten Dienstleistungen ihrem Inhalt nach nicht näher spezifiziert sind, führt nicht zu einer unter Umständen schutzbegründenden Schutzfähigkeit, denn die mit einer eher verallgemeinernden Aussage einhergehende Unbestimmtheit einer Angabe steht einem Verständnis der hier in Frage stehenden Bezeichnung als bloße Sachangabe ebenso wenig entgegen wie die etwaige Unkenntnis der durch den Begriff repräsentierten tatsächlichen Inhalte (vgl BGH MarkenR 2000, 330 - Bücher für eine bessere Welt). Insoweit stellt die angemeldete Wortkombination eine Bezeichnung dar, bei der die Leistungen einer auf juristischen Gebieten tätigen Kanzlei mit Hilfe des Internets erbracht werden.

Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass eine rein beschreibende Verwendung der angemeldeten Bezeichnung den Mitbewerbern nach § 23 Nr 2 MarkenG unbenommen bleibe. Nach der Rechtsprechung des EuGH dient die entsprechende Vorschrift des Art 6 Abs 1 b) der Markenrechts-Richtlinie der zusätzlichen Sicherung zugunsten der Mitbewerber bei der Verwendung beschreibender Angaben und beseitigt nicht das entsprechende Eintragungshindernis, worunter nicht nur freihaltungsbedürftige, sondern auch nicht unterscheidungskräftige Angaben fallen, soweit sie eine beschreibende Bedeutung haben (vgl GRUR 1999, 723 - Chiemsee; MarkenR 2003, 227 - Orange; Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl, § 23, Rdnr 20 ff mwN).

Schließlich ist es ohne Belang, ob der Anmelder als Erster ein neues Modell für die Beratung und Vertretung von Mandanten über das Internet entwickelt hat und ob hierfür ein anderes gewerbliches Schutzrecht zur Verfügung stünde oder nicht. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die wirtschaftliche Nutzung dieses Konzepts erschwert wird, wenn die gewählte Bezeichnung nicht als Marke eingetragen werden kann. Andererseits muss eine Marke im Gegensatz zu den echten Leistungsschutzrechten nicht irgendwie erfinderisch und nicht einmal neu sein. Maßgeblich ist nur, dass ihr keine Schutzhindernisse entgegenstehen (vgl BPatG PAVIS PROMA 25 W(pat) 138/01 - TELEKANZLEI; 25 W (pat) 002/02 - INTERNET-KOMMENTAR). Bestehende Hindernisse nach § 8 Abs 2 Nr 1 - 3 MarkenG könnten zwar im Wege der Verkehrsdurchsetzung überwunden werden. Hierfür hat der Anmelder allerdings nichts vorgetragen.

Aufgrund der vorgenannten Feststellungen bestehen auch erhebliche Anhaltspunkte dafür, dass das angemeldete Zeichen in Bezug auf die hier maßgeblichen Dienstleistungen eine beschreibende Angabe im Sinne des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG darstellt, an der ein berechtigtes Allgemeininteresse an der Freihaltung besteht. Einer abschließenden Entscheidung bedarf es aber im Hinblick darauf, dass das Zeichen bereits keine ursprüngliche Unterscheidungskraft iS von § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG aufweist, insoweit nicht.

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Az: 25 W (pat) 191/03


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