Bundespatentgericht:
Beschluss vom 21. Januar 2008
Aktenzeichen: 11 W (pat) 33/04

(BPatG: Beschluss v. 21.01.2008, Az.: 11 W (pat) 33/04)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse D01H des Deutschen Patent- und Markenamts vom 1. März 2004 aufgehoben und das Patent mitdem Patentanspruch vom 21. Januar 2008, der Beschreibung Seiten 1 bis 3 vom 21. Januar 2008 in Verbindung mit Seite 4 Zeile 5 bis Seite 18 der ursprünglichen Unterlagen sowieden ursprünglich eingereichten Zeichnungen Figuren 1 bis 4 erteilt.

Gründe

I.

Die Prüfungsstelle für Klasse D01H des Deutschen Patent- und Markenamts hat durch Beschluss vom 1. März 2004 die am 2. Februar 1994 eingereichte Patentanmeldung mit der Bezeichnung

"Verfahren zum Beeinflussen der Drehzahl eines OE-Spinnrotors während eines automatischen Anspinnens"

gemäß § 48 PatG zurückgewiesen.

Zum Stand der Technik sind von der Prüfungsstelle die Druckschriften

(1) DE 27 08 936 A1

(2) DE 21 16 953 A

(3) DE 39 42 402 A1 und von der Anmelderin beschreibungseinleitend auch die

(4) DE 25 44 209 A1 genannt worden.

Mit Beschluss vom 1. März 2004 ist die Patentanmeldung DE 44 03 120 mit der Begründung zurückgewiesen worden, dass die Gegenstände der Ansprüche 1 bis 5 vom 21. Januar 2002 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhten. Zu Anspruch 6 wurde nichts ausgesagt.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.

Sie hat in der mündlichen Verhandlung einen einzigen neuen Patentanspruch und neue Beschreibungsseiten 1 bis 3 vorgelegt, welche die Seiten 1 bis 3 und die Zeilen 1 bis 4 der Seite 4 ersetzen. Sie begründet ihre Beschwerde damit, dass aus dem genannten Stand der Technik keine Anregungen zu entnehmen seien, die zum Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 führen würden.

Die Anmelderin beantragt, den angegriffenen Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts aufzuheben und das Patent mit dem Patentanspruch vom 21. Januar 2008, der angepassten Beschreibung vom 21. Januar 2008 sowie den ursprünglich eingereichten Zeichnungen Figuren 1 bis 4 zu erteilen.

Der geltende Anspruch lautet:

OE-Rotorspinnmaschine mit einem Tangentialriemenantrieb für die Spinnrotoren einer Vielzahl von Spinnaggregaten, die jeweils eine Rotorbremse aufweisen, und mit einem verfahrbaren, einem anzuspinnenden Spinnaggregat zustellbaren Anspinngerät, das mit einem gemeinsamen Betätigungsmechanismus zum Ankoppeln des Spinnrotors des anzuspinnenden Spinnaggregats an den mit Betriebsgeschwindigkeit weiter laufenden Tangentialriemen sowie zum Betätigen der Rotorbremse des anzuspinnenden Spinnaggregats ausgerüstet ist und das den Anspinnvorgang ausführt, bevor der Spinnrotor seine Betriebsdrehzahl erreicht, dadurch gekennzeichnet, dass das Anspinngerät (21) mit einer an eine Einrichtung (47, 98, 99) zum Erfassen der Ist-Drehzahl des Spinnrotors (11) des anzuspinnenden Spinnaggregats (1) anschließbaren und die Ist-Drehzahl mit einer für das Anspinnen geeigneten Soll-Drehzahl vergleichenden Auswerteeinrichtung (49) versehen ist, die zum Regeln der Drehzahl des Spinnrotors auf die Soll-Drehzahl bei Abweichung zwischen Ist-Drehzahl und Soll-Drehzahl Kommandos zum intermittierenden Betätigen der Rotorbremse (66) erzeugt, wobei während des Regelns der Drehzahl der Verstellweg des gemeinsamen Betätigungsmechanismus derart bemessen ist, dass die Ankopplung des Tangentialriemens (59) erhalten bleibt.

Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, bei einer OE-Rotorspinnmaschine mit Tangentialriemenantrieb für die Spinnrotoren eine möglichst genau definierte Anspinndrehzahl für eine wählbare Zeitspanne für das Durchführen eines Anspinnens an einem einzelnen Spinnaggregat zur Verfügung zu stellen (vgl. Seite 2, letzter Absatz der Beschreibung vom 21. Januar 2008).

Zu weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die Beschwerde der Anmelderin ist begründet.

Der geltende Anspruch ist zulässig, da er sich aus den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen herleitet. Hierbei sind die Merkmale des Oberbegriffs in ihrer Merkmalsreihenfolge an folgenden Stellen der ursprünglichen Unterlagen offenbart: S. 4, le. Abs.; Anspruch 5; S. 14, vorle. Abs.; S. 15, vorle. Abs. und S. 16, vorle. Abs. sowie Anspruch 1. Die Merkmale des kennzeichnenden Teils des Anspruchs sind in ihrer Merkmalsreihenfolge an folgenden Stellen offenbart: S. 17, 3. Abs.; S. 18, Z. 2; S. 9, 2. Abs. und S. 18, le. Abs. i. V. m. S. 14, 4. Abs.

Die Beschreibung ist den geltenden Anspruchsfassungen angepasst und redaktionell überarbeitet worden.

Die OE-Rotorspinnmaschine nach dem geltenden Anspruch ist offensichtlich gewerblich anwendbar. Sie ist gegenüber dem Stand der Technik auch neu und beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Der mit der Lösung der angegebenen Aufgabe betraute Fachmann ist ein Diplom-Ingenieur (FH) der Fachrichtung Maschinenbau mit Erfahrung in Entwicklung und Betrieb von OE-Spinnmaschinen, der zumindest über Grundkenntnisse der Steuerungs- und Regelungstechnik verfügt.

Die im Prüfungsverfahren genannten Entgegenhaltungen offenbaren allesamt keine die Ist-Drehzahl mit einer für das Anspinnen geeigneten Soll-Drehzahl vergleichende Auswerteeinrichtung, die zum Regeln der Drehzahl des Spinnrotors auf die Soll-Drehzahl bei Abweichung zwischen Ist-Drehzahl und Soll-Drehzahl Kommandos zum intermittierenden Betätigen der Rotorbremse erzeugt, weshalb die OE-Spinnmaschine gemäß dem geltenden Anspruch neu ist.

Auch geben die im Verfahren genannten Entgegenhaltungen dem Fachmann keine Anregung, um ohne erfinderische Tätigkeit zum Gegenstand des Anspruchs zu gelangen.

In der nächstkommenden Entgegenhaltung (1) ist offenbart, beim OE-Rotorspinnmaschinen den Zeitraum zwischen der Faserzuspeisung und dem Anspinnen insbesondere dadurch zu verlängern, dass der Spinnrotor beim Hochlaufen aus dem Stillstand bei Erreichen der Anspinndrehzahl eine gewisse Zeit gebremst wird, um die Anspinndrehzahl zu halten (vgl. Figur 4 sowie die Seiten 18 und 19), was der Fachmann als steuern der Drehzahl ansieht. Die hierzu verwendeten Bremsen sollen sehr genau dosierbar sein und insbesondere berührungslos arbeiten (vgl. Seite 19, 1. Absatz). Da diese Bremsen an keiner Stelle im Zusammenhang mit dem Stillsetzen des Rotors erwähnt werden, jedoch eine übliche Rotorbremse beschrieben wird, die mit dem Abhebemechanismus der Andrückrolle gekoppelt ist, geht der Fachmann davon aus, dass die Bremsen, die das Hochlaufen der Spinnrotoren beeinflussen sollen, zusätzliche Bremsen sind. Dies wird auch durch die Beschreibung gestützt, denn auf S. 21, 3. Abs. steht dass "ein Elektromagnet 92 angeordnet, der, vorzugsweise geschaltet durch das verfahrbare Wartungsgerät 52, nur während der Anlaufphase des Spinnrotors 7 zugeschaltet wird" und auf S. 22, 1. Abs. steht "der Elektromagnet 97 wird nur beim Anlaufen des Spinnrotors 7 betätigt, während seine Polschuhe 98 in der übrigen Zeit mit den Polschuhen 96 nicht in Berührung sind".

Aus der Druckschrift (1) erhält der Fachmann somit bei der gestellten Aufgabe keinen Hinweis auf die erfindungsgemäße Lösung, denn dazu müsste er statt einer Steuerung eine Regelung vorsehen und zum Bremsen des Rotors bei Erreichen der Anspinndrehzahl die vorhandene Rotorbremse verwenden, obwohl zu diesem Zweck eigens eine zusätzliche Bremse vorgesehen ist. Aber auch die Verwendung der vorhandenen Rotorbremse würde nicht zum erfindungsgemäßen Lösung führen, denn es ist in (1) weder offenbart noch angeregt, dass der Betätigungsmechanismus der Bremse derart bemessen ist, dass die Ankopplung des Tangentialriemens beim Regeln der Drehzahl erhalten bleibt. Vielmehr ist dort zur Wirkung der Rotorbremse beschrieben, dass "die Aufnahme 20 des Bremshebels 15 nach unten gedrückt wird, wodurch sich die Bremsbacke 14 gegen den Rotorschaft 8 angelegt hat und wodurch weiterhin der Tangentialriemen 9 vom Rotorschaft 8 abgehoben wurde" (s. dort S. 10, 3. Abs.).

Auch erhält der Fachmann durch (1) keine Anregung zum Regeln der Drehzahl des Spinnrotors, die Rotorbremse intermittierend zu betätigen, denn es ist in (1) lediglich offenbart, die Bremse kurzzeitig zu betätigen (vgl. S. 18, 2. Abs.) oder die Bremsdauer frei zu wählen (vgl. S. 19, 1. Abs.).

Die Druckschrift (2) offenbart zur Beeinflussung der Drehzahl des Spinnrotors beim Hochlaufen drehzahlgeregelte Einzelantriebe. Da hierbei auf eine Rotorbremse verzichtet werden kann, die auch das An- oder Abkoppeln an den Tangentialriemen bewirkt, ist aus (2) auch keine Anregung zu entnehmen, zur beanspruchten Lehre des geltenden Anspruchs zu gelangen.

In der Entgegenhaltung (3) ist ein Betätigungsmechanismus der Rotorbremse beschrieben, der beim Hochlaufen des Rotors über die Andrückrolle eine zusätzlich Andrückkraft auf den Tangentialriemen ausübt, wodurch die im Normalbetrieb auf die Andrückrolle wirkende Blattfeder schwächer ausgelegt werden kann. Da dort im Zusammenhang mit dem Anspinnvorgang keinerlei Offenbarungen zu einer drehzahlregelnden Vorrichtung zu entnehmen sind, erhält der Fachmann aus dieser Schrift keine Hinweise, die zur patentgemäßen Lösung führen.

Aus der Druckschrift (4) sind ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens bekannt, bei dem der Start des Anspinnprogramms vom überwachten Anlaufverhalten des Spinnrotors abhängt, wobei insbesondere die Drehzahl des Rotors gemessen wird und bei einer vorgegebenen Drehzahl das Anspinnprogramm gestartet wird. Da dort keinerlei Einfluss auf die Drehzahlen des Rotors ausgeübt wird, sondern lediglich die Drehzahlen gemessen werden, ist für den Fachmann keinerlei Anregung vorhanden, eine möglichst genau definierte Anspinndrehzahl für eine wählbare Zeitspanne beim Anspinnen zur Verfügung zu stellen.

Somit ist die Lehre nach dem geltenden Anspruch weder einzeln noch durch eine Zusammenschau des nächstkommenden Stands der Technik nach (1) mit einer der übrigen Entgegenhaltungen nahegelegt, denn keine der Druckschriften gibt Hinweise darauf, eine die Ist-Drehzahl mit einer für das Anspinnen geeigneten Soll-Drehzahl vergleichbare Auswerteeinrichtung vorzusehen, die zum Regeln der Drehzahl des Spinnrotors auf die Soll-Drehzahl bei Abweichung zwischen Ist-Drehzahl und Soll-Drehzahl Kommandos zum intermittierenden Betätigen der Rotorbremse erzeugt. Dies gilt insbesondere für eine Zusammenschau mit den Schriften (3) oder (4), da der Anspinnvorgang nach diesem Stand der Technik während des ungebremsten Hochlaufens des Rotors erfolgt.

Eine Kombination der Entgegenhaltungen (1) und (2) ergäbe beispielsweise eine Lösung aus Einzelantrieben der Spinnrotoren, wobei auf eine Rotorbremse nach dem geltenden Anspruch verzichtet werden müsste.

Weil somit die beanspruchte OE-Rotorspinnmaschine gegenüber dem Stand der Technik und dem beim Fachmann vorauszusetzenden Wissen und Können auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, ist der Gegenstand des geltenden Anspruchs patentfähig.

Dr. Maier Harrerv. Zglinitzki Rothe Bb






BPatG:
Beschluss v. 21.01.2008
Az: 11 W (pat) 33/04


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