Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. Dezember 2009
Aktenzeichen: 25 W (pat) 12/09

(BPatG: Beschluss v. 10.12.2009, Az.: 25 W (pat) 12/09)

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Widersprechenden werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patentund Markenamts vom 8. November 2005 und vom 19. Juli 2007 aufgehoben, soweit der Widerspruch hinsichtlich der Waren "diätetische Lebensmittel zur Gesundheitspflege sowie Nahrungsergänzungsmittel für medizinische Zwecke auf der Basis von Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen, entweder einzeln oder in Kombination, soweit in Klasse 5 enthalten, insbesondere zur Förderung des Haarwuchses und der Hautgesundheit; Diätgetränke, Diätnahrungsmittel, Salze und Öle für medizinische Zwecke, insbesondere zur Förderung des Haarwuchses und der Hautgesundheit; Vitaminpräparate, insbesondere zur Förderung des Haarwuchses und der Hautgesundheit; Heilkräutertees; medizinische Kräuter und Kräutertees; sämtliche vorgenannten Waren nicht zur Behandlung von oder unterstützenden Verwendung bei Rheuma-, Knochenund /oder Gelenkerkrankungen" zurückgewiesen worden ist. Wegen des Widerspruchs aus der Marke 1 070 812 wird die Löschung der Marke 304 66 276 für die vorgenannten Waren angeordnet.

2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Wortmarke Pretoxanist am 8. März 2005 unter der Nr. 304 66 276 in das beim Deutschen Patentund Markenamt geführte Markenregister für die folgenden Waren der Klassen 3, 5, 29, 30 und 32 eingetragen und am 8. April 2005 veröffentlicht worden:

"Klasse 3: Seifen, Parfümeriewaren, ätherische Öle, Mittel zur Körperund Schönheitspflege, Haarwässer, Zahnputzmittel;

Klasse 5: diätetische Lebensmittel zur Gesundheitspflege sowie Nahrungsergänzungsmittel für medizinische Zwecke auf der Basis von Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen, entweder einzeln oder in Kombination, soweit in Klasse 5 enthalten; Diätgetränke, Diätnahrungsmittel, Salze und Öle für medizinische Zwecke; Vitaminpräparate, Heilkräutertees; medizinische Kräuter und Kräutertees;

Klasse 29: diätetische Lebensmittel oder Nahrungsergänzungsmittel für nicht medizinische Zwecke auf der Basis von Eiweißen, Fetten, Fettsäuren, unter Beigabe von Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen, soweit in Klasse 29 enthalten; Molke;

Klasse 30: pflanzliche Aromastoffe, insbesondere für Getränke, ausgenommen ätherische Öle; diätetische Lebensmittel oder Nahrungsergänzungsmittel für nicht medizinische Zwecke auf der Basis von Kohlehydraten, Ballaststoffen, unter Beigabe von Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen, entweder einzeln oder in Kombination, soweit in Klasse 30 enthalten; Getreidepräparate; Getränke auf der Basis von Tee; nicht medizinische Kräutertees; natürliche Süßungsmittel; Traubenzucker für Nahrungszwecke;

Klasse 32: alkoholfreie Fruchtextrakte und Getränke, Fruchtgetränke, Molkegetränke; Präparate und Essenzen für die Zubereitung von Getränken; Sirupe, Brausetabletten und Brausepulver für Getränke; Mineralwässer, Gemüsesäfte."

Im Laufe des Beschwerdeverfahrens hat die Markeninhaberin und Beschwerdegegnerin das Warenverzeichnis mit Schriftsatz vom 8. Dezember 2009 in einer geänderten Fassung wie folgt eingereicht:

"Klasse 3: Seifen, Parfümeriewaren, ätherische Öle, Mittel zur Körperund Schönheitspflege, insbesondere nichtmedizinische Haartoniken und Hautpflegeprodukte, Haarwässer, Zahnputzmittel; sämtliche vorgenannten Waren nicht zur Behandlung von oder unterstützenden Verwendung bei Rheuma-, Knochenund/oder Gelenkerkrankungen;

Klasse 5: diätetische Lebensmittel zur Gesundheitspflege sowie Nahrungsergänzungsmittel für medizinische Zwecke auf der Basis von Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen, entweder einzeln oder in Kombination, soweit in Klasse 5 enthalten, insbesondere zur Förderung des Haarwuchses und der Hautgesundheit; Diätgetränke, Diätnahrungsmittel, Salze und Öle für medizinische Zwecke, insbesondere zur Förderung des Haarwuchses und der Hautgesundheit; Vitaminpräparate, insbesondere zur Förderung des Haarwuchses und der Hautgesundheit, Heilkräutertees; medizinische Kräuter und Kräutertees; sämtliche vorgenannten Waren nicht zur Behandlung von oder unterstützenden Verwendung bei Rheuma-, Knochenund/oder Gelenkerkrankungen; Sirupe, Brausetabletten und Brausepulver für Getränke; Mineralwässer, Gemüsesäfte;

Klasse 29: diätetische Lebensmittel oder Nahrungsergänzungsmittel für nicht medizinische Zwecke auf der Basis von Eiweißen, Fetten, Fettsäuren, unter Beigabe von Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen, soweit in Klasse 29 enthalten; Molke; sämtliche vorgenannten Waren nicht zur Behandlung von oder unterstützenden Verwendung bei Rheuma-, Knochenund/oder Gelenkerkrankungen;

Klasse 30: pflanzliche Aromastoffe, insbesondere für Getränke, ausgenommen ätherische Öle; diätetische Lebensmittel oder Nahrungsergänzungsmittel für nicht medizinische Zwecke auf der Basis von Kohlehydraten, Ballaststoffen, unter Beigabe von Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen, entweder einzeln oder in Kombination, soweit in Klasse 30 enthalten; Getreidepräparate; Getränke auf der Basis von Tee; nicht medizinische Kräutertees; natürliche Süßungsmittel; Traubenzucker für Nahrungszwecke; sämtliche vorgenannten Waren nicht zur Behandlung von oder unterstützenden Verwendung bei Rheuma-, Knochenund/oder Gelenkerkrankungen;

Klasse 32: alkoholfreie Fruchtextrakte und Getränke, Fruchtgetränke, Molkegetränke; Präparate und Essenzen für die Zubereitung von Getränken; Sirupe, Brausetabletten und Brausepulver für Getränke; Mineralwässer, Gemüsesäfte; sämtliche vorgenannten Waren nicht zur Behandlung von oder unterstützenden Verwendung bei Rheuma-, Knochenund/oder Gelenkerkrankungen."

Die Inhaberin der im Jahre 1984 angemeldeten und eingetragenen Wortmarke PROTAXON, die beim Deutschen Patentund Markenamt unter der Nr. 1 070 812 für die folgenden Waren der Klasse 5 "Arzneimittel, nämlich Antirheumatica" registriert ist, hat dagegen Widerspruch erhoben.

Die Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patentund Markenamts hat den Widerspruch mit zwei Beschlüssen vom 8. November 2005 und vom 19. Juli 2007, von denen der Letztgenannte im Erinnerungsverfahren ergangen ist, zurückgewiesen.

Die Markenstelle ist der Auffassung, dass sich beide Marken auf teilweise ähnlichen und wirtschaftlich nahe stehenden Waren begegneten. Sie wichen jedoch in prägnanter Weise voneinander ab. In phonetischer Hinsicht bestünden erhebliche Unterschiede. Aufgrund der unterschiedlichen Vokalfolge habe die angegriffene Marke ein gegenüber der Widerspruchsmarke deutlich abweichendes Klangbild. Diese Unterschiede blieben auch bei nur flüchtiger Aufnahme oder Wiedergabe der Marken nicht unbemerkt. Diese Unterschiede zögen sich jeweils über die gesamte Wortlänge, so dass, egal ob sich die Aufmerksamkeit des Verkehrs auf den Zeichenbeginn, die -mitte oder das -ende richte, er jeweils eine Abweichung erkenne. Zudem sei zu berücksichtigen, dass der Verkehr beim Kauf von Antirheumatika eine überdurchschnittliche Aufmerksamkeit aufwende und die Unterschiede leicht bemerken werde. Auch aus anderen Gesichtspunkten sei keine Verwechslungsgefahr gegeben.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden.

Sie hält an ihrer Auffassung, es sei zwischen den beiden Marken Verwechslungsgefahr gegeben, fest. Die für die angegriffene Marke registrierten Waren lägen in einem engen Ähnlichkeitsbereich zu denjenigen der Widerspruchsmarke, insbesondere im Bereich der Klasse 5. Hier handele es sich um pharmazeutische Produkte, die von Arzneimitteln häufig nicht klar abgegrenzt würden und auch bei den Inhaltsstoffen Überschneidungen aufwiesen. Die weiteren Waren der Klassen 29, 30 und 32 könnten ergänzend bei der Behandlung rheumatischer Erkrankungen eingesetzt werden. Im Übrigen sei ein mittlerer Grad der Warenähnlichkeit gegeben. Beide Marken seien hochgradig ähnlich aufgrund der gleichen Anzahl an Buchstaben und Silben des gleichen Sprechrhythmus und der gleichen Betonung, eines identischen Konsonantengerüsts und durch eine sehr ähnliche Vokalfolge (Verwendung der Vokale "a" und "o"). Es handele sich um vergleichsweise lange Zeichen ohne erkennbaren Sinngehalt. Weder in klanglicher noch in schriftbildlicher Hinsicht könnten die Zeichen sicher auseinandergehalten werden. Die Unterschiede bei der Vokalfolge reichten nicht aus. Die für die Widerspruchsmarke registrierten Antirheumatica unterlägen keiner Rezeptpflicht, so dass auch nicht von einer überdurchschnittlich gesteigerten Aufmerksamkeit des Verbrauchers auszugehen sei. Da die Abweichungen bei der Vokalfolge nur marginal seien, die Verbraucher sich häufig nicht an die genaue Reihenfolge der einzelnen Elemente der Marken erinnerten und die in den Marken ausgetauschten Vokale "a" und "o" den klangstarken Konsonanten "x" umrahmten, könne eine Verwechslungsgefahr nicht ausgeschlossen werden. Auch der bildliche und klangliche Unterschied bei den Anfangssilben könne dem nicht entgegenwirken.

Ferner hat die Widersprechende auf die Nichtbenutzungseinrede der Markeninhaberin Benutzungsunterlagen vorgelegt, und zwar eine eidesstattliche Versicherung der Leiterin ihrer Marketingabteilung und weitere Unterlagen (Verpackungsmuster, Gebrauchsinformationen, Fachinformationen, Rechnungen). Danach habe die Widersprechende mit der Widerspruchsmarke Medikamente zur Behandlung von akuten und chronischen Gelenkentzündungen gekennzeichnet und zwar mit "Protaxon" und "Protaxon forte". In den Jahren 2002 bis 2008 habe sie zwischen ... und ... Einheiten dieser Medikamente verkauft und hierbei Umsätze zwischen ... € und ... € erzielt.

Die Widersprechende beantragt, den Beschluss vom 19. Juli 2007 aufzuheben und die Marke 304 66 276 zu löschen.

Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie bestreitet die Benutzung der Widerspruchsmarke. Im Übrigen ist sie der Auffassung, dass keine Verwechslungsgefahr gegeben sei. Begrifflich lägen deutliche Unterschiede vor. Die Vorsilbe "Pro" der angegriffenen Marke sei in der Bedeutung "für" allgemein bekannt, während die Vorsilbe "Pre" mit dem Bedeutungsgehalt "vor" wahrgenommen werde. Die Vorsilben würden auch als solche wahrgenommen und führten zu einem Unterschied bei den besonders bedeutsamen Anfangssilben. Zudem weise die in der angegriffenen Marke enthaltene Buchstabenfolge "tox" auf den Wortstamm "Gift" hin (Toxin, toxisch etc.), was insbesondere im medizinischen und kosmetischen Bereich gängig und bekannt sei. Die Auffassung der Widersprechenden, dass der Konsonant "x" besonders auffällig sei, sei unzutreffend. Die Markenlandschaft werde mit Marken, die ein "x" enthielten, "überschwemmt". Insoweit sei keine optische oder akustische Auffälligkeit gegeben. Sie geht ferner davon aus, dass es sich bei "Protaxon" um ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel handele. Eine enge Warenähnlichkeit sei nicht gegeben, da nicht ersichtlich sei, dass die Lebensund Nahrungsergänzungsmittel, für die die angegriffene Marke registriert sei, bei der Behandlung derselben Krankheiten neben den Antirheumatika der Widersprechende benutzt werden. Die Produkte der angegriffenen Marke stammten nicht aus Betrieben, die hochspezifische Therapeutika herstellten. Sie würden auch nicht über Apotheken vertrieben, da Apotheker diese nicht in ihr Sortiment übernähmen. Vorsorglich beantragt sie aber die Aufnahme eines Disclaimers in das Warenverzeichnis der angegriffenen Marke, und zwar am Ende der Angabe einer jeden Klasse wie folgt: ".., sämtliche vorgenannten Waren nicht zur Behandlung von oder unterstützenden Verwendung bei Rheuma-, Knochenund/oder Gelenkerkrankungen."

Darüber hinaus hat sie das Warenverzeichnis für die angegriffene Marke -wie bereits dargelegt - in einer weiteren, geänderten Fassung eingereicht.

Im Übrigen hält die Markeninhaberin auch auf die von der Widersprechende eingereichten Benutzungsunterlagen ihre Nichtbenutzungseinrede aufrecht, da sie diese Unterlagen für nicht ausreichend erachtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die verfahrensgegenständlichen Beschlüsse der Markenstelle sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten, das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 10. Dezember 2009 und den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig und teilweise begründet. Hinsichtlich der in Ziff. 1 des Tenors genannten Waren ist wegen der Ähnlichkeit der verfahrensgegenständlichen Marken Verwechslungsgefahr gegeben (§§ 9 Abs. 1 Nr. 2, 42 MarkenG). Im Übrigen ist die Beschwerde jedoch unbegründet, weil zwischen den verfahrensgegenständlichen Marken hinsichtlich der weiteren Waren der angegriffenen Marke keine Verwechslungsgefahr besteht.

Das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (EuGH GRUR 2006, 237, 238 -PI-CASSO; GRUR 1998, 387, 389 f. -Sabèl/Puma). Ihre Beurteilung bemisst sich nach der Identität oder Ähnlichkeit der Waren, der Identität oder Ähnlichkeit der Marken und dem Schutzumfang der Widerspruchsmarke. Diese Faktoren sind zwar für sich gesehen voneinander unabhängig, bestimmen aber in ihrer Wechselwirkung den Rechtsbegriff der Verwechslungsgefahr (vgl. BGH/GRUR 2008, 258 - INTERCONNECT/T-InterConnect; BGH/MarkenR 2009, 399 - Augsburger Puppenkiste; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., § 9, Rdnr. 32).

1.

Die Widersprechende hat die Benutzung der Widerspruchsmarke glaubhaft gemacht, und zwar in Bezug auf Arzneimittel zur Behandlung von akuten und chronischen rheumatischen Erkrankungen, Reizzuständen bei degenerativen Gelenkund Wirbelsäulenerkrankungen, entzündlichen weichteilrheumatischen Erkrankungen und schmerzhaften Schwellungen oder Entzündungen nach Verletzungen. Die eingereichten Unterlagen sind insoweit ausreichend, da sie eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine solche Benutzung der Widerspruchsmarke in dem nach § 43 Abs. 1 Satz 1 und 2 MarkenG relevanten Zeitraum belegen (§§ 43 Abs. 1, 82 Abs. 1 MarkenG, 294 ZPO). Die Widersprechende hat in der eidesstattlichen Versicherung der Leiterin ihrer Marketingabteilung vom 20. Mai 2009 den Vertrieb des Arzneimittels "Protaxon" bzw. "Protaxon forte" und damit erzielter Umsätze in einem erheblichen Umfang für die Jahre 2002 -2008 glaubhaft gemacht, was durch vorgelegte Rechnungen gestützt wird. Ferner hat sie Prospektmaterial mit Verpackungsabbildungen vorgelegt. Diese Abbildungen stimmen wiederum überein mit Verpackungsmustern, die sich dem vorgenannten Zeitraum zuordnen lassen. Zwar ist das Zeichen "Protaxon" hier meist mit dem Zusatz "forte" verwendet worden. Dies steht der Bejahung der Benutzung der Widerspruchsmarke aber nicht entgegen, da es sich um einen üblichen, die Wirksamkeit oder Wirksamkeitsstufe des Präparats beschreibenden Zusatz handelt. Das Präparat "Protaxon", für das insoweit eine Benutzung glaubhaft gemacht wurde, ist der Hauptgruppe 5 -Analgetika, Antirheumatika der Roten Liste zuzuordnen. Die Glaubhaftmachung der Benutzung der Widerspruchsmarke ist im Übrigen nicht auf rezeptpflichtige Präparate beschränkt. Für die Abgrenzung kommt es vorrangig auf den Zweck und die Bestimmung der jeweiligen Waren und Dienstleistungen an, d. h. bei Arzneimitteln vorrangig auf die identische therapeutische Indikation und nicht auf andere Gemeinsamkeiten wie Darreichungsformen oder Rezeptpflichtigkeit (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., § 26, Rdnr. 166 m. w. N.).

2.

Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte ist bei der Widerspruchsmarke von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft auszugehen.

3.

Für die folgenden Waren der Widerspruchsmarke weist die angegriffene Marke keinen ausreichenden Abstand auf: "Diätetische Lebensmittel zur Gesundheitspflege sowie Nahrungsergänzungsmittel für medizinische Zwecke auf der Basis von Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen, entwedereinzeln oder in Kombination, soweit in Klasse 5 enthalten, insbesondere zur Förderung des Haarwuchses und der Hautgesundheit; Diätgetränke, Diätnahrungsmittel, Salze und Öle für medizinische Zwecke, insbesondere zur Förderung des Haarwuchses und der Hautgesundheit; Vitaminpräparate, insbesondere zur Förderung des Haarwuchses und der Hautgesundheit; Heilkräutertees; medizinische Kräuter und Kräutertees; sämtliche vorgenannten Waren nicht zur Behandlung von oder unterstützenden Verwendung bei Rheuma-, Knochenund /oder Gelenkerkrankungen."

a) Diese Waren weisen eine enge Ähnlichkeit zu den "Arzneimitteln, nämlich Antirheumatika" auf, für die die Widerspruchsmarke registriert ist, und für die die Widersprechende auch eine rechtserhaltende Benutzung glaubhaft gemacht hat. Zwar ist Rheuma keine einheitliche Krankheit, sondern ein Oberbegriff für ca. ... einzelne Erkrankungen, die sehr un terschiedlich sein können (vgl. http://www.rheumaonline.de/krankheitsbilder/wasistrheuma/). Insoweit kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass es eine spezifische "Rheuma-Diät" gibt (vgl. http://www.rheumaonline.de/az/e/ernaehrungbeirheuma.html). Abhängig von der jeweiligen Diagnose können aber spezielle Ernährungsempfehlungen in Betracht kommen, so z. B. bei Gicht, einer Stoffwechselkrankheit (vgl. http://www.rheumaonline.de/az/e/ernaehrungbeirheuma.html). Dann kommen auch zur Behandlung oder Linderung einer solchen Krankheit speziell zubereitete diätetische Lebensmittel, Diätgetränke, Diätnahrungsmittel und Nahrungsergänzungsmittel, Vitaminpräparate und Heilkräutertees in Betracht, bei denen entsprechende Salze, Öle und Kräuter verwendet werden. Bei solchen für den speziellen medizinischen Zweck der Behandlung und Linderung einer rheumatischen Krankheit hergestellten diätetischen Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel liegt es für die hier maßgeblichen Verkehrskreise, insbesondere die Endverbraucher nahe, davon auszugehen, dass sie in einem gemeinsamen betrieblichen Verantwortungsbereich produziert, auf gleichen Vertriebswegen in den Verkehr gebracht und in gleichen Vertriebsstätten angeboten werden.

b) Hiervon ausgehend ist bei den vorgenannten Waren zur Verneinung einer Verwechslungsgefahr zu fordern, dass die angegriffene Marke zur Widerspruchsmarke einen hinreichend deutlichen Abstand einhält. Dem wird die Marke 304 66 276 jedoch nicht gerecht. Bereits in klanglicher Hinsicht weist sie relevante Ähnlichkeiten mit der Widerspruchsmarke auf. Identisch sind die Anzahl der Silben, der Sprachrhythmus, die Konsonantenfolge und der Vokalbestand, wobei beide Markenwörter in den jeweils letzten Silben die Vokale "a" und "o" enthalten. Diese Vokale sind zwar "über Kreuz" eingestellt. Auch unterscheiden sich beide Marken in dem Schlußvokal der Anfangssilbe, nämlich "o" in der Widerspruchsmarke und "e" in der angegriffenen Marke. Wenn auch davon auszugehen ist, dass die beteiligten Verkehrskreise, insbesondere die Endverbraucher, gerade bei Waren, die der Wiederherstellung und/oder dem Erhalt der Gesundheit dienen, besondere, erhöhte Aufmerksamkeit an den Tag legen, kommen sich beide Marken bei einer Gesamtbetrachtung sprachlich und klanglich aufgrund der eingangs dargestellten Gemeinsamkeiten doch so nahe, dass ungeachtet von den vorhandenen Unterschieden beim Klangbild angesichts der vorhandenen Übereinstimmungen ein hinreichend sicheres Auseinanderhalten der Markenwörter nicht mehr gewährleistet ist. Eine markenrechtlich relevante klangliche Ähnlichkeit kann nach alledem nicht in Frage gestellt werden.

Auch schriftbildlich weisen die verfahrensgegenständlichen Marken erkennbare Gemeinsamkeiten auf, wie gleiche Oberund Unterlängen und die gleiche Konsonantenfolge "Pr - t - x -n". Die Unterschiede bei den zwischengestellten Vokalen sind zwar schriftbildlich merkbar, führen jedoch nicht dazu, dass die gegenüber stehenden Marken vom Schriftbild her sich deutlich voneinander abheben.

Begrifflich handelt es sich bei beiden Markenwörtern um Phantasiebegriffe. Zwar kann "Pro" als Synonym von "für" aber auch als Abkürzung von "Prophylaxe" (Beckers, Abkürzungslexikon für medizinische Begriffe, 5. Aufl., 2002, S. 363) insbesondere von den Fachkreisen erkannt werden, während die Vorsilbe "pre" eher auf "Prä" und damit das Synonym für "vor" hindeutet. Die weitere Silbe "tox" in der angegriffenen Marke weist zudem auf "toxisch" oder "toxikologisch" hin (Beckers, Abkürzungslexikon für medizinische Begriffe, 5. Aufl., 2002, S. 445) - dies allerdings in der Wortmitte und nicht hervorgehoben -, während vergleichbare sachbezogene Anklänge in der Widerspruchsmarke nicht enthalten sind. Das ändert jedoch nichts daran, dass bei einer Gesamtbetrachtung beide Marken insgesamt eine Phantasiebezeichnung darstellen. Den verfahrensgegenständlichen Marken als ganzes kann keine bestimmte Begrifflichkeit zugrunde gelegt werden, so dass sie auch keinen ausgeprägten unterschiedlichen Sinngehalt aufweisen, der die Verwechslungsgefahr in relevantem Umfang mindern könnte.

c) Bei einer Abwägung der engen Ähnlichkeit der in Ziff. 1 des Tenors genannten Waren, mit den Waren der Widerspruchsmarke (s. o. a) und den klanglichen und schriftbildlichen Ähnlichkeiten der verfahrensgegenständlichen Marken (s. o. b) einerseits und den klanglichen und schriftbildlichen Unterschieden andererseits, ist vor allem mit Blick auf die klangliche Ähnlichkeit, bei der ein Vertauschen der in der jeweils zweiten und dritten Silbe enthaltenen Vokale "a" und "o" leicht möglich erscheint, das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr im Sinne der §§ 9 Abs. 1 Nr. 2, 42 MarkenG bereits zu bejahen.

d) Hieran ändert auch der von der Markeninhaberin in das Warenverzeichnis eingefügt Disclaimer "sämtliche vorgenannten Waren nicht zur Behandlung von oder unterstützenden Verwendung bei Rheuma-, Knochenund /oder Gelenkerkrankungen" nichts.

Fraglich erscheint bereits, ob mit Blick auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (GRUR 2004, 674 -"Postkantoor", dort Rdnr. 114 -17, insbes. Rdnr. 115) Disclaimer, die dazu führen (sollen), dass die fraglichen Waren und Dienstleistungen ein bestimmtes Merkmal nicht aufweisen, zulässig sind. Dies kann hier jedoch letztlich dahingestellt bleiben. Anders als die Festlegung auf einen konkret bestimmten, abschließend und "positiv" formulierten "Indikationsbereich" führt der hier von der Markeninhaberin vorgebrachte Disclaimer, durch den ein spezieller "Indikationsbereich" mit einer "negativen" Formulierung ausgenommen werden soll, nicht zu einem relevanten Warenabstand. Denn die relevante Ähnlichkeit der gegenüberstehenden Waren als solcher insbesondere mit Blick auf ihre Verwendungsund Einsatzzwecke, Vertriebswege und Erbringungsstätten wird durch diesen Disclaimer nicht beseitigt.

e) Auch die weitere - sprachliche -Einschränkung "insbesondere zur Förderung des Haarwuchses und der Hautgesundheit, Heilkräutertees", die die Markeninhaberin in das Verzeichnis der Waren der Klasse 5, für die die Widerspruchsmarke registriert ist, eingefügt hat, führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn hierdurch werden nur beispielhaft Anwendungen dieser Waren umschrieben, ohne das sich hierdurch eine rechtlich relevante Einschränkung in Bezug auf diese Waren ergibt.

4. Hinsichtlich der übrigen, den Klassen 3, 29, 30 und 32 zugeordneten Waren der angegriffenen Marke weist diese noch einen hinreichenden Abstand zu der Widerspruchsmarke auf, so dass eine Verwechslungsgefahr im Sinne der §§ 9 Abs. 1 Nr. 2, 42 MarkenG insoweit nicht zu bejahen ist.

a) Soweit es um die Waren der Klassen 29, 30 und 32 geht, handelt es sich um teilweise diätetische Lebensmittel, Nahrungsergänzungsmittel, Getränke und Zutaten bzw. Essenzen für deren Zubereitung. Es handelt sich hierbei aber - anders als bei den in Ziffer 1 des Tenors genannten Lebensmitteln und Nahrungsergänzungsmitteln -nicht um solche für medizinische Zwecke. Zwar kann, wie ausgeführt (s. o. 3. a), die Ernährung bei rheumatischen Krankheiten und Beschwerden eine Rolle spielen. Insoweit besteht allerdings keine vergleichbare Nähe zu den Waren der Widerspruchsmarke wie bei den im Tenor genannten Waren der Klasse 5. Angesichts der ebenfalls bereits dargelegten Unterschiedlichkeit der unter den Oberbegriff "Rheuma" fallenden Krankheiten und Beschwerden, die auch durch die Indikation des Präparats "Protaxon" -gemäß der "Roten Liste" für "entzündliche rheumatische Erkrankungen und Reizzustände degenerativer rheumatischer Erkrankungen, Myositis, Ischias, Zerrungen, Prellungen, Verstauchungen, Gichtanfall" - verdeutlicht wird, gibt es - wie ebenfalls bereits ausgeführt - keine spezifische "Rheuma-Diät". Vielmehr kommen Ernährungsempfehlungen in Betracht, die je nach dem spezifischen Krankheitsbild unterschiedlich ausfallen und unterschiedlich wirksam sein können. Dann kommt aber auch eine große Spannweite unterschiedlicher Lebensmittel, Nahrungsergänzungsmittel und Getränke in Betracht. Dabei ist es dann aber auch in einem weitaus geringeren Umfang als bei den in Ziff. 1 des Tenors genannten Waren der Klasse 5 für den Verkehr nahe liegend, dass diese - gerade nicht für medizinische Zwecke hergestellten - Lebensmittel, Nahrungsergänzungsmittel und Getränke in einem gemeinsamen betrieblichen Verantwortungsbereich produziert, auf gleichen Vertriebswegen in den Verkehr gebracht und in gleichen Vertriebsstätten angeboten werden. Insoweit kann dann allenfalls noch von einer mittleren Warenähnlichkeit ausgegangen werden.

Bei einer nur noch mittleren Warenähnlichkeit ist im vorliegenden Fall entsprechend der eingangs genannten Wechselwirkung zwischen Warenund Markenähnlichkeit die Gefahr von Verwechslungen einschließlich der Gefahr, dass die verfahrensgegenständlichen Marken gedanklich in Verbindung gebracht werden, differenziert zu beurteilen. Wie ausgeführt (s. o. 2. b), weisen die verfahrensgegenständlichen Marken trotz einer Reihe von Gemeinsamkeiten in klanglicher und schriftbildlicher Hinsicht Unterschiede auf, und zwar bei der Reihung der in den Markenwörtern enthaltenen Vokale. Damit ergeben sich auch Unterschiede beim Klangbild. Diese Unterschiede reichen zwar bei einer Gesamtabwägung nicht aus, um eine Verwechslungsgefahr bei sehr enger Warenähnlichkeit ausschließen zu können. Anders sieht es jedoch bei Waren aus, bei denen -wie vorstehend bereits ausgeführt -ein deutlicher Warenabstand gegeben ist. Dann genügen auch bereits geringere klangliche und schriftbildliche Abweichungen, um einen ausreichenden Markenabstand herzustellen. Mit Blick auf die Unterschiede in der üblicherweise stärker beachteten Anfangssilbe - "Pre" anstelle "Pro" - und die unterschiedliche weitere Lautund Buchstabenfolge bei den Vokalen sind insoweit die Unterschiede zwischen den verfahrensgegenständlichen Marken als noch ausreichend zu erachten.

b) Dies gilt auch für die "Seifen, Parfümeriewaren, ätherische Öle, Mittel zur Körperund Schönheitspflege, Haarwässer, Zahnputzmittel" der Klasse 3, für die die angegriffene Marke registriert ist. Zwar kommen - etwa bei der Behandlung von Psoriasis - insbesondere auch Seifen, Mittel zur Körperund Schönheitspflege und Haarwässer in Betracht, die bei rheumatischen Krankheitsbildern und Beschwerden besonders geeignet sind. Ähnlich wie bei den vorgenannten Lebensund Nahrungsmitteln liegt es jedoch bei der bloßen Eignung solcher Produkte für die Anwendung bei rheumatischen Krankheiten für den Verkehr nicht in gleicher Weise wie bei den in Ziff. 1 des Tenors genannten Waren der Klasse 5 nahe, davon auszugehen, dass Sie mit spezifischen Arzneimitteln für die Behandlung von rheumatischen Krankheiten, mit Antirheumatica, eine gemeinsame betriebliche Herkunft haben. Die Entscheidung BPatG/PAVIS PROMA 26 W (pat) 12/04 - DOMA/Dona steht zu diesem Ergebnis nicht in Widerspruch, da dort eine weitaus engere, an eine Identität heranreichende Markenähnlichkeit vorlag.

Nach alledem war der Beschwerde in dem in Ziff. 1 des Tenors genannten Umfang stattzugeben. Im Übrigen blieb die Beschwerde aber ohne Erfolg.

5. Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bestand kein Anlass (§ 71 Abs. 1 MarkenG.

Knoll Bayer Metternich Hu






BPatG:
Beschluss v. 10.12.2009
Az: 25 W (pat) 12/09


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