Oberlandesgericht München:
Beschluss vom 24. Mai 2012
Aktenzeichen: 31 Wx 553/11

(OLG München: Beschluss v. 24.05.2012, Az.: 31 Wx 553/11)

Tenor

I. Die Beschwerde der Antragsteller zu 3 und 4 gegen den Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 27. Oktober 2011 wird zurückgewiesen.

II. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 27. Oktober 2011 in Ziffer II des Tenors dahin abgeändert, dass die Antragsteller zu 1, 2, 3 und 4 zu je 1/4 die Gerichtskosten 1. Instanz tragen.

III. Der Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 27.10.2011 wird in Ziffer 5 des Tenors (Bekanntmachung) aufgehoben.

IV. Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragsteller zu 3 und 4 je zur Hälfte.

V. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 200.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsteller, ehemalige Aktionäre der G. AG, verlangen nach ihren erstinstanzlich gestellten Anträgen die gerichtliche Bestimmung einer höheren Barabfindung (Antragsteller zu 1 und 2) und Ausgleichszahlung (Antragsteller zu 1 - 4 ) aufgrund eines Beherrschungsvertrages.

Die G. AG hat am 27.9.2010 mit der Antragsgegnerin einen Beherrschungsvertrag geschlossen, dem die Hauptversammlung der G. AG am 12.11.2010 zugestimmt hat. Der Beherrschungsvertrag wurde am 21.12.2010 in das Handelsregister der beherrschten Gesellschaft unter lfd. Nr. 11 eingetragen, die Bekanntmachung der Eintragung erfolgte am 29.12.2010. Ebenfalls in der Hauptversammlung vom 12.11.2010 wurde die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre gegen Barabfindung gemäß § 327a ff. AktG auf die Antragsgegnerin als Hauptaktionärin beschlossen. Dieser Beschluss wurde ebenfalls am 21.12.2010 unter lfd. Nr. 10 in das Handelsregister der G. AG eingetragen. Mit Anträgen vom 24.3.2011 und vom 29.3.2011 haben die Antragsteller die gerichtliche Festsetzung einer angemessenen Barabfindung und Ausgleichszahlung verlangt. Mit Beschluss vom 27.10.2011 hat das Landgericht die Anträge als unzulässig zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Antragsteller zu 3 und 4. Die Antragsgegnerin wendet sich mit ihrer Beschwerde dagegen, dass das Landgericht ihr die Gerichtskosten auferlegt hat. Außerdem ist sie der Auffassung, dass eine Bekanntmachung der Entscheidung im Bundesanzeiger und in den Gesellschaftsblättern nicht erforderlich ist.

II.

Die Beschwerden der Antragsteller sind zulässig, jedoch nicht begründet. Das Landgericht hat ihre Anträge zu Recht als unzulässig verworfen, weil sie nicht antragsbefugt waren und ihnen außerdem das Rechtsschutzbedürfnis fehlte.

41. Nach § 3 Satz 1 Nr. 1 SpruchG sind in Spruchverfahren zur gerichtlichen Bestimmung des Ausgleichs und der Abfindung bei Unternehmensverträgen nur außenstehende Aktionäre antragsberechtigt; die Antragsberechtigung ist schon nach dem Wortlaut von § 3 S.2 SpruchG nur gegeben, wenn der Antragsteller zum Zeitpunkt der Antragstellung Anteilsinhaber ist (vgl. dazu die Gesetzesbegründung der Bundesregierung BT-Drs. 15/371, S.13 und Simon, SpruchG, München 2007, Rdn. 17 zu § 3 SpruchG; so auch OLG Stuttgart, AG 2011, 599 <600> m.w.N. für Anträge vor dem 01.09.2003). Zum Zeitpunkt der Antragstellung am 29.3.2011 waren die Antragsteller zu 3 und 4 jedoch nicht mehr Aktionäre der G. AG, weil ihre Aktien mit der Eintragung des Übertragungsbeschlusses gemäß § 327e Abs. 3 Satz 1 AktG am 21.12.2010 auf die Antragsgegnerin übergegangen waren.

2. Darüber hinaus fehlt den Antragstellern das Rechtsschutzbedürfnis; insofern wird auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Bezug genommen.

2.1 Die hiergegen gerichtete verfassungsrechtliche Argumentation der Antragsteller zu 3 und 4 verfängt dagegen nicht. Denn der Ausgleichsanspruch der Aktionäre des beherrschten Unternehmens ist kein durch Art. 14 I GG geschützter, aus der mitgliedschaftlichen Stellung des Aktionärs erwachsender Anspruch. Vielmehr handelt es sich nach BGH, NJW 2006, 3146, Rdn. 18 um einen schuldrechtlichen Anspruch gegen das herrschende Unternehmen. Dieser entsteht grundsätzlich erst mit dem Ende der auf ein Geschäftsjahr folgenden ordentlichen Hauptversammlung der abhängigen Gesellschaft, soweit im Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zu Gunsten der außenstehenden Aktionäre nichts anderes vereinbart ist (BGH, NZG 2011, 602 m.w.N.). Insoweit findet sich in Ziffer 3.2 des Beherrschungsvertrages vom 27.09.2010 die Regelung, dass ein solcher "etwaiger Ausgleich jeweils am ersten Bankarbeitstag nach der ordentlichen Hauptversammlung ... für das abgelaufene Geschäftsjahr fällig ist". Daraus ergibt sich jedenfalls keine "andere Vereinbarung" über die Entstehung des Abfindungsanspruchs (lt. OLG Stuttgart, AG 2011, 601 <602> sub I.2.B)bb)(2.2) m.w.N. fallen Entstehung und Fälligkeit des Ausgleichsanspruchs regelmäßig zusammen). Mithin hätte denknotwendig ein etwaiger Anspruch erst im Jahre 2011 entstehen können, zu diesem Zeitpunkt waren die Antragsteller zu 3 und 4 aber nicht mehr Aktionäre (vgl. schon oben II.1.)

2.2 Deshalb besteht auch kein weitergehender Ausgleichsanspruch gegenüber der Antragsgegnerin. Denn die von dieser infolge der zwangsweisen Anteilsübernahme zu Lasten der Minderheitsaktionäre nach §§ 327a ff AktG zu zahlende und ggf. im Verfahren nach § 1 Nr.3 SpruchG zu überprüfende Abfindung muss angemessen sein und die Verhältnisse der Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlussfassung der Hauptversammlung berücksichtigen, die die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre beschließt. Wenn die Abfindung für die Übertragung nach dem Börsenkurs bemessen ist, sind die zu erwartenden Erträge wie bei einer freiwilligen Veräußerung im Börsenwert enthalten und damit im Abfindungsanspruch abgegolten. Das Gleiche gilt, wenn die Abfindung nach der Ertragswertmethode als Barwert der künftigen Erträge ermittelt wird (so ausdrücklich BGH, NZG 2011, 701, Rdn. 24). Damit ist entgegen der Auffassung der Antragsteller zu 3 und 4 dem Anspruch der (Minderheits-)Aktionäre auf "keine geringere als die volle Abfindung" (Schriftsatz Antragstellervertreter zu 3 und 4 vom 07.03.2012, S.5) Genüge getan. Ebensowenig lässt sich ein Verstoß gegen Art. 3 GG feststellen. Denn infolge der an der Stellung der dividendenberechtigten Aktionäre orientierten Bemessung der Abfindung fehlt es schon an der behaupteten entschädigungslosen Entziehung des Anspruches auf Ausgleichszahlung. Daraus ergibt sich im Übrigen auch, dass der Barwert der festen Ausgleichszahlungen bei - wie hier - identischem Stichtag nicht höher sein kann als die nach §§ 327a ff AktG zu zahlende Abfindung. Infolgedessen fehlt es ebenso an der von dem Antragsteller zu 3 und 4 zuletzt im Schriftsatz vom 18.05.2012 behaupteten Vorgreiflichkeit der gerichtlichen Bestimmung einer höheren Barabfindung und Ausgleichszahlung aufgrund des Beherrschungsvertrages. Der Minderheitsaktionär hat auch nicht das von den Antragsgegnerinnen zu 3 und 4 ins Feld geführte Wahlrecht, dem Hauptaktionär die Aktien "entweder aufgrund der einen oder anderen Maßnahme anzudienen" (Schriftsatz Antragstellervertreter zu 3 und 4 vom 07.03.2012, S.5/6). Insbesondere das dort angeführte Andienungsrecht nach § 305 Abs.4 AktG besteht schon deshalb nicht, weil die Aktien der Minderheitsaktionäre - wie bereits dargestellt - mit Eintragung des Übertragungsbeschlusses im Handelsregister auf die Antragsgegnerin übergegangen sind.

III.

8Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin hat der Senat den Antragstellern zu 1 bis 4 unter Abänderung der diesbezüglichen Entscheidung des Landgerichts die Gerichtskosten des Verfahrens erster Instanz auferlegt (§ 15 Abs.2 S.2 SpruchG). Denn diese konnten bereits dem Wortlaut von § 3 Satz 1 Nr. 1 SpruchG entnehmen, dass ihnen für das vorliegende Verfahren die Antragsberechtigung von vornherein fehlte. Insoweit erfolgte die Antragstellung am 24.03. und 29.03.2011 gänzlich unreflektiert, auch wenn die Antragsteller zu 3 und 4 meinen, die offensichtlich unzulässigen Anträge nicht "unbekümmert oder ins Blaue hinein gestellt" zu haben (Schriftsatz Antragstellervertreter zu 3 und 4 vom 07.03.2012, S.1). Entsprechendes gilt für die Entscheidung des Senats, dass die Antragsstellerinnen zu 3 und 4 die Gerichtskosten im Beschwerdeverfahren zu tragen haben. Für das Beschwerdeverfahren hat der Senat wie bereits das Landgericht für das erstinstanzliche Verfahren den Mindestgeschäftswert in Ansatz gebracht (§ 15 Abs.1 S.2 und 4 SpruchG). Daraus erhellt auch, dass der Antrag auf Festsetzung unterschiedlicher Geschäftswerte für das Ausgleichs- und Abfindungsbegehren keinen Erfolg haben kann, zumal auch die Antragsteller zu 3 und 4 ausweislich S.3 der Antragsschrift vom 29.03.2012 "um gerichtliche Festsetzung der angemessenen Barabfindung und der angemessenen Gesamtdividende aufgrund des Unternehmensvertrags" gebeten haben. Der Beschluss des Landgerichts ist nicht zu veröffentlichen, weil er keine sachliche Entscheidung über die Anträge enthält (vgl. dazu Simon, aaO, Rdn. 5 zu § 14 SpruchG).






OLG München:
Beschluss v. 24.05.2012
Az: 31 Wx 553/11


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