Bundespatentgericht:
Beschluss vom 3. Dezember 2009
Aktenzeichen: 25 W (pat) 203/09

(BPatG: Beschluss v. 03.12.2009, Az.: 25 W (pat) 203/09)

Tenor

1.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

2.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Einsicht in die Akten der beim Deutschen Patentund Markenamt unter der Nr. 300 91 273.0 geführten Anmeldung der Wortmarke "KINDERNOTHILFE".

Der Antragsgegner und Beschwerdeführer hat diese Markenanmeldung für diverse Dienstleistungen der Klasse 42 am 23. Oktober 2000 eingereicht; das diesbezügliche Verfahren ist noch nicht abgeschlossen. Mit Schreiben vom 29. Mai 2009 hat der Beschwerdeführer gegen den Antragsteller und Beschwerdegegner Kennzeichenrechte in Bezug auf das Wort "Kindernothilfe" geltend gemacht, das er seit 1960 als Vereinsnamen führe. Der Beschwerdegegner hat am 23. Juni 2009 Einsicht in die Akten der o. g. Markenanmeldung beantragt. Der Beschwerdeführer hat diesem Antrag widersprochen. Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patentund Markenamts hat durch eine Beamtin des höheren Dienstes dem Antrag auf Akteneinsicht mit Beschluss vom 6. August 2008 stattgegeben.

Die Markenstelle ist der Auffassung, dass der Beschwerdegegner ein berechtigtes Interesse an der beantragten Akteneinsicht glaubhaft gemacht habe. Das Schreiben des Beschwerdeführers vom 29. Mai 2009 an den Beschwerdegegner sei keine bloße Berechtigungsanfrage, sondern stelle eine Abmahnung dar. Der Beschwerdeführer habe expressis verbis erklärt, dass er die Benutzung des Begriffes "Kindernothilfe" durch den Beschwerdegegner "nicht tolerieren" könne, und damit zu erkennen gegeben, er wolle sein behauptetes Recht geltend machen und auch durchsetzen. Für das künftige Verhalten des Beschwerdegegners sei die Kenntnis der Markenakte erforderlich, auch wenn die Markenanmeldung noch nicht zur Eintragung geführt habe. Jedenfalls könnten sich zur Schutzfähigkeit und damit zur weiteren freien Verwendbarkeit des Begriffs "Kindernothilfe" wichtige Erkenntnisse ergeben. Vorrangige eigene Rechte habe der Beschwerdeführer nicht dargetan.

Hiergegen richtet sich die vom Beschwerdeführer am 19. August 2009 erhobene Beschwerde.

Er ist der Auffassung, dass der Beschwerdegegner kein berechtigtes Interesse an der Einsicht in die Akten der Markenanmeldung 300 91 273.0 habe. Bei dem Schreiben vom 29. Mai 2009 handele es sich nur um eine Berechtigungsanfrage, nicht um eine Abmahnung. Zudem habe der Beschwerdeführer nicht behauptet, die Anmeldemarke 300 91 273.0 sei für ihn eingetragen worden; er stütze seine Rechte gegenüber dem Beschwerdegegner nicht auf Markenrechte. Er berufe sich gegen den Beschwerdegegner vielmehr ausschließlich auf Namensrechte an dem Vereinsnamen "Kindernothilfe". Auf die Markenanmeldung komme es hier gar nicht an, denn -würde die angemeldete Marke eingetragen -ändere sich an den namensrechtlichen Ansprüchen des Beschwerdeführers nichts; die Rechtsposition des Beschwerdegegners würde sich nur noch weiter verschlechtern. Da es mithin nicht um Markenrechte gehe, benötige der Beschwerdegegner die beantragte Akteneinsicht nicht für die Prüfung der Sachund Rechtslage, zumal er, der Beschwerdeführer, dem Beschwerdegegner ein Verkehrsgutachten zum Bekanntheitsgrad der Bezeichnung "Kindernothilfe" bereits zugänglich gemacht habe. Der Beschwerdeführer habe daher Anspruch darauf, dass die Markenakte bis zum Abschluss des Eintragungsverfahrens geheim bleibe, zumal er gegenüber dem Beschwerdegegner vorrangige Rechte auf informationelle Selbstbestimmung habe. Im Übrigen könne der Verfahrensstand zur Markenanmeldung 300 91 273.0 dem frei zugänglichen Markenregister entnommen werden.

Der Beschwerdeführer beantragt, 1.

den Beschluss vom 6. August 2009, mit dem der Antrag des Beschwerdegegners auf Akteneinsicht gewährt wurde, aufzuheben;

2.

den Antrag auf Akteneinsicht des Beschwerdegegners zurückzuweisen.

Der Beschwerdegegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Beschwerdegegner ist der Auffassung, dass der Beschwerdeführer im Schreiben vom 29. Mai 2009 ihm die Verletzung kennzeichenrechtlicher Rechte an der Bezeichnung "Kindernothilfe" vorgeworfen und sich insoweit nicht auf die Geltendmachung von Namensrechten beschränkt habe. Damit gehe es auch um Markenrechte. Die Rechtsposition des Beschwerdegegners werde erheblich verändert, wenn die angemeldete Marke eingetragen werde. Der Beschwerdeführer habe im Anschreiben vom 29. Mai 2009 auch eine Abgrenzungsvereinbarung vorgeschlagen. Zur Abklärung des Rechtsverhältnisses zwischen den Parteien benötige der Beschwerdegegner die beantragte Akteneinsicht; hiervon sei sein weiteres Verhalten gegenüber dem Beschwerdeführer abhängig.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die verfahrensgegenständlichen Beschlüsse der Markenstelle, auf die Schriftsätze der Beteiligten, das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 3. Dezember 2009 und den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Der Beschwerdegegner hat Anspruch auf Einsicht in die Akten der Markenanmeldung 300 91 273.0, da er hierfür ein berechtigtes Interesse glaubhaft gemacht hat (§ 62 Abs. 1 MarkenG).

1. Ein berechtigtes Interesse an der Einsicht in die Akten angemeldeter Marken ist regelmäßig anzunehmen, wenn die Kenntnis der Akten für das künftige Verhalten des Antragstellers bei der Wahrung und Verteidigung von Rechten bestimmend sein kann, wobei nicht nur rechtliche, sondern auch tatsächliche, wirtschaftliche Interessen genügen können (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., § 62, Rdnr. 2). Ein solches berechtigtes Interesse ist zugunsten des Beschwerdegegners hier gegeben.

Unerheblich ist insoweit, ob es sich bei dem Schreiben des Beschwerdeführers vom 29. Mai 2009 um eine Berechtigungsanfrage oder bereits um eine Abmahnung handelt. Berechtigungsanfragen können, wenn keine frühzeitige gütliche Einigung zustande kommt, die Vorstufe zu weiteren rechtlichen Schritten darstellen. Der Beschwerdeführer hat hierbei deutlich gemacht, dass er Kennzeichenrechte an der Bezeichnung "Kindernothilfe" geltend macht. Der Beschwerdegegner kann nicht damit rechnen, dass der Beschwerdeführer die Angelegenheit auf sich beruhen lässt, wenn die von ihm vorgeschlagene Abgrenzungsvereinbarung nicht zustande kommen sollte; ein Rechtsstreit kann für den Fall des Scheiterns einer solchen Vereinbarung keinesfalls ausgeschlossen werden, sondern ist schon nach dem Wortlaut des Schreibens vom 29. Mai 2009 in diesem Fall zu erwarten.

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem Schreiben vom 29. Mai 2009 -jedenfalls vom Horizont eines objektiven Empfängers her -nicht, dass der Beschwerdeführer ausschließlich namensrechtliche Ansprüche gegen den Beschwerdegegner geltend machen will. Zwar hebt der Beschwerdeführer in diesem Schreiben eingangs seinen Vereinsnamen und dessen Benutzung hervor und erwähnt die beim Deutschen Patentund Markenamt anhängige Markenanmeldung nicht. Allerdings macht er in dem weiteren Text des Anschreibens kennzeichenrechtliche Rechte geltend, wobei er sich auch auf das für das Verfahren der Markenanmeldung 300 91 273.0 erhobene Verkehrsgutachten bezieht und dieses dem Beschwerdegegner in Anlage zu dem Schreiben vom 29. Mai 2009 übersendet. Schließlich bietet er an, eine Abgrenzungsvereinbarung zu erarbeiten, damit "diese Angelegenheit abschließend geregelt werden kann" (S. 2 letzter Absatz des Schreibens vom 29. Mai 2009).

Vor diesem Hintergrund musste der Beschwerdegegner nicht davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer die Angelegenheit nur unter namensrechtlichen Gesichtspunkten beund verhandelt sehen wollte. Wer allgemein "kennzeichenrechtliche" Rechte geltend macht und eine "abschließende" Lösung -sei es durch eine gütliche Einigung in Form einer Abgrenzungsvereinbarung, sei es ggf. durch einen Rechtsstreit, der nach dem objektiven Inhalt des Schreibens vom 29. Mai 2009 für den Fall des Scheiterns einer solchen Vereinbarung zweifelsohne droht -herbeiführen will, gibt dem Empfänger Anlass, sich insoweit nicht nur zur namensrechtlichen Rechtslage, sondern auch in Bezug auf weitere mögliche Ansprüche aus anderen Rechtsgründen, insbesondere auch des Markenrechts, zu vergewissern. Insbesondere hat der Beschwerdegegner ein berechtigtes Interesse, für sein weiteres Vorgehen zu klären, was Gegenstand einer möglichen Abgrenzungsvereinbarung sein soll und was nicht. Ist -wie hier auf Seiten des Beschwerdeführers -eine Markenanmeldung in Bezug auf den streitigen Begriff anhängig, so bezieht sich dieses Interesse auch auf den Stand des diesbezüglichen Verfahrens beim Deutschen Patentund Markenamt einschließlich der Tatsachen, Umstände und deren Bewertung, die für die Schutzvoraussetzungen, aber auch für den Schutzumfang des Rechts, mit dem er möglicherweise konfrontiert wird, relevant sind. Insoweit kann der Beschwerdegegner nicht nur auf das öffentliche Markenregister verwiesen werden. Vielmehr ist bei der o. g. Sachlage anzuerkennen, dass der Beschwerdegegner sich insbesondere auch über den Stand der Erfolgsaussichten der vom Beschwerdeführer getätigten Markenanmeldung informieren können muss. Denn dies kann sein künftiges Verhalten bei den weiteren Verhandlungen mit dem Beschwerdeführer und seiner ggf. erforderlichen weiteren Verteidigung gegen mögliche weitere Schritte des Beschwerdeführers beeinflussen.

Demgegenüber kann der Beschwerdeführer keine überwiegenden Interessen geltend machen. Er hat zwar mit dem Schreiben vom 29. Mai 2009 durchaus in berechtigter Wahrnehmung eigener Interessen gegenüber dem Beschwerdegegner gehandelt, aber -wie ausgeführt -dem Beschwerdegegner Anlass gegeben, sich auch in Bezug auf mögliche Markenrechte des Beschwerdeführers zu vergewissern, um seine Interessen sachgerecht wahrnehmen zu können. Umstände, Tatsachen und ihre Bewertung, die für die Begründung des gegen jedermann geltenden Markenschutzes und die Definition von dessen Umfang relevant sind, sind vor diesem Hintergrund keine Angelegenheit mehr, die nur das Verhältnis Beschwerdeführer -Patentamt betreffen, sondern können auch für das Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten, jedenfalls für das weitere Verhalten des Beschwerdegegners von Belang sein.

Auch aus der Regelung des § 67 Abs. 2 MarkenG, wonach die mündlichen Verhandlungen über Beschwerden betreffend Marken, deren Eintragung (noch) nicht veröffentlicht ist, nicht öffentlich sind, folgt nichts anderes. Die Frage der Zulassung der -allgemeinen -Öffentlichkeit zu mündlichen Verhandlungen ist von der Frage, ob im Einzelfall ein individuelles berechtigtes Interesse des jeweiligen Antragstellers an der Akteneinsicht nach § 62 Abs. 1 MarkenG besteht, zu trennen. Insbesondere ändert sich nichts daran, anhand der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalles und der widerstreitenden Interessen zu beurteilen, ob ein solches berechtigtes Interesse an einer Akteneinsicht gegeben ist. Dies ist -wie ausgeführt -hier der Fall.

Die Beschwerde musste nach alledem erfolglos bleiben.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens waren dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (§ 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG). In Nebenverfahren, zu denen auch Verfahren über die Akteneinsicht gehören, entspricht es der Billigkeit, die Kosten dem unterlegenen Beteiligten aufzuerlegen (vgl. BPatGE 3, 23 ff.; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., § 71, Rdnr. 17).

Bayer Merzbach Metternich Hu






BPatG:
Beschluss v. 03.12.2009
Az: 25 W (pat) 203/09


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