Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 16. Dezember 2011
Aktenzeichen: 6 U 150/11

(OLG Köln: Urteil v. 16.12.2011, Az.: 6 U 150/11)

Tenor

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 15.06.2011 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 84 O 63/11 - wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Gründe

Die Antragstellerin beanstandet die Aussagen "Doppelt so schnell wie normales DSL" in einer Flugblatt-, Faltblatt- und Plakatwerbung der Antragsgegnerin (Anlagen K 1 bis 3), "surfen Sie jetzt doppelt so schnell wie bei normalem DSL" in einem Werbebrief (Anlage K 4) und "Ja, ich will doppelt so schnell surfen wie bei normalem DSL" auf einer Antwortpostkarte (Anlage K 5) als irreführend. Das Landgericht hat seine antragsgemäß erlassene einstweilige Verfügung mit dem angefochtenen Urteil bestätigt.

Die dagegen gerichtete zulässige Berufung der Antragsgegnerin bleibt in der Sache ohne Erfolg. Zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen, denen der Senat beitritt und auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, hat das Landgericht die beanstandete (vergleichende) Werbung untersagt, weil sie zur Täuschung der angesprochenen Verbraucher geeignete Angaben über Produktmerkmale enthält (§ 5 Abs. 1 S. 1 und 2 Nr. 1 UWG). Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere Entscheidung.

Der Verfügungsantrag ist im Licht der neuesten höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Streitgegenstand in Wettbewerbs- und Kennzeichensachen (BGH, GRUR 2011, 521 = WRP 2011, 878 - TÜV I; GRUR 2011, 742 = WRP 2011, 873 - Leistungspakete im Preisvergleich; GRUR 2011, 1043 = WRP 2011, 1454 - TÜV II; vgl. dazu Teplitzky, GRUR 2011, 1091) hinreichend bestimmt - jedenfalls nachdem die Antragstellerin klargestellt hat, dass sie ihren Unterlassungsantrag nur hilfsweise auf eine Irreführung über die Verfügbarkeit des Angebots der Antragsgegnerin und in erster Linie auf den von ihr als einheitlichen Klagegrund beschriebenen Aspekt stützt, dass die konkrete Werbung den falschen Eindruck erwecke, die Antragsgegnerin könne ihren Internetkunden eine im Vergleich zur Antragstellerin und anderen (Telefon-) Netzbetreibern tatsächlich um 100 % schnellere Datenübertragung anbieten.

Dieser Vorwurf ist berechtigt. Ihm liegt zu Grunde, dass der Verbraucher unter "normalem DSL" im Sinne des in der konkreten Werbung überwiegend (Anlagen K 1 bis 3 und 5) blickfangmäßig herausgestellten Slogans die Produkte der "normalen DSL-Anbieter" verstehen wird, mit denen die Antragsgegnerin konkurriert; dass er darunter eine Internetverbindung verstehen soll, die beim "Download" Datenübertragungsraten bis zu 16.000 kbits/s zulässt, teilt ihm die Antragsgegnerin erst zu Beginn einer Fußnotenauflösung mit, die schon deshalb nicht am Blickfang teilhat, weil sich an der betreffenden Stelle keine Fußnote befindet. Es genügt nicht, dass sie der rot unterlegten Preisangabe nach der Angebotsbezeichnung "3play 32.000" in der unteren Hälfte der Werbung beigegeben ist, in deren oberer Hälfte der Slogan steht; auch aus der an dieser Stelle nicht einmal besonders auffälligen Angebotsbezeichnung allein werden die angesprochenen Verbraucher ohne besondere Vorkenntnisse nicht schließen, dass die Angabe "doppelt so schnell" sich nur auf die angebotene Übertra­gungsrate von 32.000 kbit/s statt 16.000 kbit/s beziehen soll.

Bei dem Werbebrief (Anlage K 4) befindet sich der angegriffene Satz an hervorgehobener Stelle zu Beginn des Fließtextes, ohne dass irgendeine Aufklärung über das von der Antragsgegnerin zugrundegelegte Verständnis von "normalem DSL" stattfindet, so dass die Adressaten die Auslobung erst recht als Vergleich mit den den Angeboten der Mitbewerber verstehen werden.

Zu beurteilen ist danach (in allen Fallgestaltungen) die Werbeaussage, dass der von der Antragsgegnerin angebotene Internetzugang eine doppelt so schnelle Datenübertragung (beim "Surfen" im Internet) ermögliche wie die DSL-Angebote ihrer Konkurrenten. Diese Aussage trifft nach dem unstreitigen Sachverhalt nicht zu:

Zum einen ermöglicht die angebotene Leistung schon ihrer Art nach keine doppelt so schnelle Datenübertragung wie alle in Betracht kommenden Konkurrenzangebote. Das "normale" Leistungsspektrum der Antragstellerin und anderer Netzbetreiber sieht nämlich DSL-Internetzugänge mit Übertragungsraten von mehr als 16.000 kbit/s vor; dass diese bei der Antragstellerin als "VDSL" (V = Very [High Speed]) bezeichnet werden, ist nicht entscheidend.

Hinzu kommt, dass der Vergleich beim "Upload" für die Antragsgegnerin noch ungünstiger ausfällt, weil etwa die Antragstellerin ihren Kunden hier Übertragungsraten bis zu 10 Mbit/s (10.000 kbit/s), die Antragsgegnerin bei dem beworbenen Angebot aber nur 1 Mbit/s (1.000 kbit/s) zur Verfügung stellt; unerheblich ist insofern, ob der vollmundige Werbevergleich auch versiertere Internetnutzer irreführt, die mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten beim "Herunterladen" und "Heraufladen" rechnen (vgl. zu einer anderen Werbeaussage den Senatsbeschluss vom 13.12.2011 - 6 W 274/11).

Zum anderen vermag die Antragsgegnerin ihren Kunden keineswegs zu gewährleisten, dass sie dank ihres Angebots stets doppelt so schnell im Internet "surfen" können wie DSL-Kunden mit 16.000-kbit/s-Zugang. Zwar darf ein Anbieter mit hohen Übertragungsraten innerhalb des eigenen Netzes auch dann werben, wenn der Kunde auf Grund externer Faktoren (geringere Leistungsfähigkeit des Rechners und der hausinternen Verkabelung oder des WLAN) nur einen Teil dieser Kapazität nutzen kann (vgl. BGH, GRUR 2010, 744 [Rn. 47] = WRP 2010, 1023 - Sondernewsletter). Dieser Grundsatz, den das Landgericht beachtet hat, erlaubt es dem Anbieter aber nicht, in einer vergleichenden Werbung ohne weitere Aufklärung den Eindruck zu erwecken, nach einem Wechsel zur Antragsgegnerin werde er doppelt so schnell im Internet kommunizieren können wie mit seinem unter den bisherigen Bedingungen einwandfrei funktionierenden DSL-Anschluss.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Das Urteil ist gemäß § 542 Abs. 2 ZPO mit seiner Verkündung rechtskräftig.






OLG Köln:
Urteil v. 16.12.2011
Az: 6 U 150/11


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