Bundespatentgericht:
Urteil vom 14. August 2002
Aktenzeichen: 3 Ni 5/01

(BPatG: Urteil v. 14.08.2002, Az.: 3 Ni 5/01)

Tenor

Das Patent DD 287 104 wird im Umfang des Patentanspruchs 1 teilweise für nichtig erklärt. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Tatbestand

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 18. November 1988 angemeldeten Patents DD 287 104 (Streitpatent), für das die Prioritäten der amerikanischen Patentanmeldungen 122714 vom 18. November 1987, 139886 vom 30. Dezember 1987, 161072 vom 26. Februar 1988, 191263 vom 6. Mai 1988, 263584 vom 26. Oktober 1988 und 271450 vom 14. November 1988 in Anspruch genommen worden sind. Das Deutsche Patentamt hat das Streitpatent am 17. Oktober 1990 gemäß § 17 Abs 1 PatG DDR vom 27. Oktober 1983 und den Bestimmungen des Einigungsvertrages erteilt und am 14. Februar 1991 veröffentlicht. Das Streitpatent, das ein Immunoassay zum Nachweis eines HCV-Antigens und von Antikörpern, die gegen ein HCV-Antigen gerichtet sind, betrifft und in der erteilten Fassung 7 Patentansprüche umfasst, wurde durch das Urteil des 3. Senats des Bundespatentgerichts vom 19. Dezember 1995 dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass seine Patentansprüche folgende Fassung erhielten: " 1.Immunoassay zum Nachweis eines HCV-Antigens, dadurch gekennzeichnet, dass

(a)

eine Probe, die vermutlich ein HCV-Antigen enthält, mit einem Sondenantikörper, der gegen das nachzuweisende HCV-Antigen gerichtet ist, unter Bedingungen inkubiert wird, die die Bildung eines Antigen-Antikörper-Komplexes gestatten, und

(b)

ein Antigen-Antikörper-Komplex, der den Sondenantikörper enthält, nachgewiesen wird.

2. Immunoassay zum Nachweis von Antikörpern, die gegen ein HCV-Antigen gerichtet sind, dadurch gekennzeichnet, dass

(a)

eine Probe, die vermutlich Anti-HCV-Antikörper enthält, mit einem Sondenpolypeptid, das ein HCV-Epitop enthält, unter Bedingungen inkubiert wird, die die Bildung eines Antikörper-Antigen-Komplexes gestatten, und

(b)

der Antikörper-Antigen-Komplex, der das Sondenantigen enthält, nachgewiesen wird, wobei das Sondenpolypeptid ein HCV-Epitop umfasst, das in der HCV-cDNA-Sequenz gemäß Fig. 47 kodiert ist.

3.

Immunoassay nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, dass das Sondenpolypeptid an ein festes Substrat geknüpft ist.

4.

Immunoassay nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, dass das Sondenpolypeptid ein HCV-Epitop umfasst, das in einer HCVcDNA-Sequenz in ATCC-Nr. 40394, ATCC-Nr. 40388, ATCC-Nr. 40389, ATCC-Nr. 40390, ATCC-Nr. 40391, ATCC-Nr. 40514, ATCC-Nr. 40511, ATCC-Nr. 40512 oder ATCC-Nr. 40513 kodiert ist.

5.

Immunoassay nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, dass das Polypeptid ein Epitop von C 100-3 umfaßt.

6.

Immunoassay nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, dass das Polypeptid C 100-3 umfaßt."

Die Klägerin macht geltend, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig, weil die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart sei, dass ein Fachmann sie ausführen könne. Zur Begründung verweist sie auf die Anlagen K 1 bis K 26.

Die Klägerin beantragt, das Patent DD 287 104 für nichtig zu erklären.

Mit Schriftsatz vom 26. Juli 2002 erklärt die Beklagte, dass sie Patentanspruch 1 des Streitpatents nicht mehr verteidige.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, soweit sie sich gegen das Streitpatent im verteidigten Umfang richtet.

Sie tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und hält das Streitpatent unter Berufung auf die Anlagen B 1 bis B 25 für patentfähig.

Gründe

Die zulässige Klage erweist sich als teilweise begründet.

Auf das als Ausschließungspatent nach § 17 Abs 1 Patentgesetz der DDR in der Fassung vom 27. Oktober 1983 beim ehemaligen Amt für Erfindungsund Patentwesen der DDR am 18. November 1988 angemeldete und vom Deutschen Patentamt am 14. Februar 1991 erteilte Streitpatent ist nach § 5 Satz 2 ErstrG das Patentgesetz 1981 (PatG) anzuwenden. Nur soweit die Voraussetzungen der Schutzfähigkeit oder der Schutzdauer des Streitpatents betroffen wären, kämen nach Maßgabe der Anlage I Kapitel III Sachgebiet E Abschnitt II Nr. 1 § 3 Abs 1 Einigungsvertrag vom 31. August 1990 weiterhin die am Anmeldetag geltenden Rechtsvorschriften des Patentgesetzes der ehemaligen DDR in Betracht (s amtl. Begründung zum ErstrG BlPMZ 1992, S. 213, 223, 224).

Das Streitpatent war bereits insoweit für nichtig zu erklären, als es die Beklagte im Hinblick auf Patentanspruch 1 nicht in dem mit Nichtigkeitsurteil vom 19. Dezember 1995 als rechtsbeständig erklärten Umfang verteidigt. Die Beschränkung ist zulässig, weil weder der Schutzbereich noch der Schutzumfang des Streitpatents erweitert werden.

Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der mangelnden Offenbarung unter dem Gesichtspunkt der Ausführbarkeit führt im übrigen zur Zurückweisung der Klage, §§ 81 Abs 1, 21 Abs1,22 Abs 1Nr 2 PatG. I.

1.

Das Streitpatent betrifft einen Immunoassay zum Nachweis eines HCV-Antigens. Spezifische Nachweisund Screeningverfahren für den Nachweis einer Non A - Non B-Hepatitis (NANBH) bzw von entsprechend kontaminiertem Blut oder Blutprodukten haben große Bedeutung insbesondere für die Transfusionsmedizin. NANBH ist überwiegend für die Posttransfusionshepatitis verantwortlich und kann zu einer chronischen Leberschädigung führen. Sowohl die Behandlung von Patienten als auch die Vermeidung von Übertragung der NANBH erfordern zuverlässige diagnostische und prognostische Mittel zum Nachweis von Nukleinsäuren, Antigenen und Antikörpern, die mit dem NANBH-Virus im Zusammenhang stehen. Darüber hinaus besteht Bedarf an wirksamen Vakzinen und immuntherapeutischen Mitteln zur Vorbeugung und/oder Behandlung der Krankheit. Trotz dieser Bedürfnisse war es nicht gelungen, Antikörper oder Viren zu isolieren, so dass immunologische Testverfahren nicht zur Verfügung standen.

2.

Aufgabe des Streitpatents ist es, neuartige diagnostische DNA-Fragmente, diagnostische Proteine, diagnostische Antiköper und Schutzantigene sowie Antikörper gegen HC-Viren zur Verfügung zu stellen, um die Häufigkeit von Hepatitis-Infektionen nach Transfusionen zu verringern. Eingeschlossen sind dabei auch Immunoassays zum Nachweis der HCV-Antigens und zum Nachweis von Antikörpern, die gegen ein HCV-Antigen gerichtet sind.

3.

Zur Lösung beschreibt Patentanspruch 2 ein Immunoassay zum Nachweis von Antikörpern, die gegen ein HCV-Antigen gerichtet sind, wobei A. eine Probe, A. 1. die vermutlich Anti-HCV-Antikörper enthält, B. mit einem Sondenpolypeptid inkubiert wird, B. 1. das ein HCV-Epitop umfasst, B. 2. das in der HCV-cDNA-Sequenz gemäß Figur 47 kodiert ist, C. unter Bedingungen, C. 1. die die Bildung eines Antikörper-Antigen-Komplexes gestatten, D. der Antikörper-Antigen-Komplex nachgewiesen wird.

II.

Soweit der Gegenstand des Streitpatents durch die von der Patentinhaberin nunmehr noch verteidigten Patentansprüche 2 bis 6 bestimmt wird, offenbart das Streitpatent die Erfindung so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen kann. Denn mit den im Streitpatent beschriebenen Arbeitsweisen ist es ohne weiteres möglich, einen Immunoassay mit den Merkmalen dieser Patentansprüche zum Nachweis von Anti-HCV-Antikörpern durchzuführen.

1. Gegenstand des Patentanspruchs 2 ist ein diagnostisches Untersuchungsverfahren, das als Arbeitsverfahren innerhalb der Kategorie Verfahrenspatent einzuordnen ist (vgl Schulte, PatG, 6. Aufl, § 1, Rdnr 149 bis 152). Substrat in dem angegriffenen Arbeitsverfahren ist eine Probe, die möglicherweise Anti-HCV-Antikörper enthält (Merkmale A bzw. A.1). In einem ersten Verfahrensschritt soll diese Probe mit einem Polypeptid als Sonde bzw. Reagenz inkubiert werden, das ein in der HCV-cDNA-Sequenz gemäß Fig. 47 kodiertes HCV-Epitop umfasst (Merkmale B, B.1 bzw. B.2), und zwar unter Bedingungen, die die Bildung eines Antikörper-Antigen-Komplexes gestatten (Merkmale C bzw. C.1). In einem zweiten Verfahrensschritt soll der ggf. gebildete Antikörper-Antigen-Komplex nachgewiesen (Merkmal D) und damit ein analytischer Messwert ermittelt werden. Bei den Merkmalen A bzw. A.1 sowie C bis D sowie davon umfassten Verfahrensschritten handelt es sich um dem durchschnittlichen Fachwissen zuzurechnende Arbeitsweisen, zu deren Anwendung auf potentielle, Anti-HCV-Antikörper enthaltende Proben sich in der Beschreibung des Streitpatents zudem ausreichende Erläuterungen finden, und zwar sowohl als Festphasen-Radioimmunoassay als auch in Form eines ELISA-Tests (vgl StrP S 33 ff. IV.D., inbes S 34 bis S 36 IV.D.3., S 38 bis 39 IV.G., sowie S 41 bis 49 IV.I.). Der essentielle Schritt des angegriffenen Verfahrens, auf den das Vorbringen der Klägerin zur mangelnden Ausführbarkeit im wesentlichen abzielt, wird durch die Merkmale B bis B.2 definiert. Hierzu offenbart die Beschreibung des Streitpatents mit dem Polypeptid C100-3 sowie den Polypeptiden der Klone 5-1-1 und 81 drei verschiedene Sondenpolypeptide, die mit Seren von NANBH-Patienten (HCV-Patienten) und/oder mit gereinigten Anti-NANBH-Antikörpern (Anti-HCV-Antikörper) als Proben einen Antikörper-Antigen-Komplex bilden, der auch nachgewiesen wird (vgl StrP S 34 bis 36 IV.D.3, insbes Tab 1, S 38 bis 39 IV.G, sowie S 41 ff IV.I). Die somit festgestellte Fähigkeit dieser Peptide (Antigene) zur Bildung eines Komplexes mit Anti-HCV-Antikörpern impliziert in jedem dieser Peptide (Antigene) wenigstens ein Epitop (antigene Determinante), das für die Bindung an den Antikörper verantwortlich ist. Insofern, als die cDNA-Sequenz jedes dieser Polypeptide von der HCV-cDNA-Sequenz gemäß Figur 47 des Streitpatents umfasst wird, muß auch das Epitop zwangsläufig in der HCV-cDNA-Sequenz gemäß Figur 47 kodiert sein.

Somit sind jedenfalls bei Einsatz bereits eines dieser drei konkreten Polypeptide, zB dem in zahlreichen, von der Beklagten vorgebrachten nachveröffentlichten und somit gutachtlich zu wertenden Druckschriften besonders hervorgehobenen C1003, sämtliche Verfahrensschritte so deutlich und vollständig offenbart, dass der Fachmann einen Immunoassay zum Nachweis von Anti-HCV-Antikörpern auch tatsächlich ausführen kann.

Demgegenüber bringt die Klägerin vor, dass zum einen im Streitpatent keine geeigneten Proben zur Verfügung stünden, um den selektiven, spezifischen und reproduzierbaren Nachweis von Hepatitis C Viren zu führen, und zum anderen ein Durchschnittsfachmann zum Anmeldezeitpunkt nicht in der Lage gewesen sei, ein entsprechendes Sondenpolypeptid mit den Merkmalen B, B.1, B.2 ohne unzumutbaren Aufwand und ohne erfinderisches Zutun bereitzustellen (vgl zB Ss d Kl v 2. August 2002, S 4 bis 19). Insbesondere könne mit den Serumpanels des Streitpatents auch nicht festgestellt werden, ob Polypeptide der Fig. 47 ein HCV-Epitop aufweisen (vgl Ss d Kl v 2. August 2002 S 10 Abs 1 bis 2), und ob weitere, von C100-3 verschiedene Polypeptide, die sich aus anderen Sequenzbereichen der Fig. 47 als jenem des Klons C100 herleiten lassen, HCV-Epitope enthalten, zumal in der Beschreibung des Streitpatents weder der Begriff "HCV-Epitop" klar definiert noch irgendein Epitop als solches durch seine spezifische Aminosäuresequenz beschrieben sei (vgl Ss d Kl v 2. August 2002 S 5 Abs 3 sowie S 16 Abs 3). Zudem scheitere wegen fehlender geeigneter Proben auch die experimentelle Ermittlung solcher Epitope durch Anwendung der sog. PepScan-Methode, worauf die Beklagte ua die Ausführbarkeit in der beanspruchten Breite stütze, die aber nicht in der Patentschrift zitiert werde, sodass der beanspruchte Gegenstand nicht über die gesamte Anspruchsbreite offenbart und somit auch nicht nacharbeitbar sei (vgl Ss d Kl v 2. August 2002 S 7 bis 9 Punkt 3).

Der Klägerin ist zwar insofern beizutreten, als im Streitpatent weder die Struktur eines HCV-spezifischen Epitops konkret offenbart ist noch unter den zahlreichen, in der Beschreibungseinleitung zitierten und damit Bezug genommenen Arbeitsweisen des Standes der Technik ein Zitat betreffend die Pepscan-Methode enthalten ist. Im vorliegenden Fall kommt es jedoch nach Auffassung des Senats nicht darauf an, ob die nachträgliche uneingeschränkte Einbeziehung von nach dem Stand der Technik allgemein bekannten Maßnahmen, zu denen nach Ausführungen der Beklagten auch die Pepscan-Methode zähle, den Offenbarungserfordernissen genügt (vgl hierzu auch BPatGE 28,6) und ob unter Zuhilfenahme der Pepscan-Methode der beanspruchte Gegenstand bezüglich der Ermittlung weiterer geeigneter Sondenpolypeptide so deutlich und vollständig offenbart ist, dass ein Fachmann die Erfindung über die gesamte Anspruchsbreite ohne unzumutbaren Aufwand und ohne erfinderisches Zutun ausführen kann. Denn nach aktueller höchstrichterlicher Rechtsprechung ist bereits die Offenbarung eines gangbaren Weges zur Ausführung der Erfindung ausreichend, vor allem dann, wenn ein bestimmtes Verfahren erstmals der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt wird, wobei eine unangemessene Breite der Patentansprüche allein jedenfalls kein Nichtigkeitsgrund ist (vgl BGH "Taxol" GRUR 2001, 813).

Dieser Sachverhalt liegt hier vor. Ein immundiagnostisches Verfahren zum Nachweis von Antikörpern, die gegen ein HCV-Antigen gerichtet sind, mittels Sondenpolypeptiden bzw. antigenen Polypeptiden war vor dem Prioritätstag des Streitpatents nach den Ausführungen der Beklagten nicht bekannt. Die Klägerin kann dies auch nicht in Abrede stellen, da sie kein betreffendes vorveröffentlichtes Material vorgelegt hat. Ebenso ist im Streitpatent wenigstens ein gangbarer Weg zur Durchführung eines Immunoassays zum Nachweis von Anti-HCV-Antikörpern insofern in ausführbarer Weise offenbart, als mit dem Sondenpolypeptid C100-3 ein Reagenz zur Verfügung gestellt wird, das sämtlichen Merkmalen des Patentanspruchs 2 genügt und das darüber hinaus auch in der Praxis eine gewisse Bedeutung erlangt hat (vgl zB Entgegenhaltungen B12 Eur.J. Gastroenterology & Hepatology 3 (1991)597-602 oder B14 N.Engl.J.Med. 325(1991)1325-1329). Dem kann sich offenbar die Klägerin jedenfalls insoweit anschließen, als sie in dem etwa 360 Aminosäuren aus der HCVcDNA-bzw. der entsprechenden Polypeptidsequenz der Fig. 47 aufweisenden Polypeptid des Klons C100 das Vorhandensein einer antigenen Determinante bzw. eines Epitops als gegeben ansieht (vgl Ss d Kl v 2. August 2002, S 5 Abs 1 und Abs 3), was im Falle einer geeigneten Probe wiederum die Bildung und den Nachweis eines Antikörper-Antigen-Komplexes impliziert. Unbeachtlich ist nach Ansicht des Senats, dass das Epitop als solches nicht konkret durch eine besondere Abfolge von Aminosäuren beschrieben ist. Demzufolge kann auch nicht festgestellt werden, ob es sich bei dem Epitop des Sondenpolypeptids aus dem Klon C100 um ein HCV-Epitop handelt, dessen Sequenz, wie die Klägerin in Abrede stellt, "einzigartig" für HCV-Proteine ist, folglich nirgendwo sonst auftreten wird und somit den Nachweis aller gegenwärtigen und zukünftigen Genotypen von HCV über die dagegen gebildeten Antikörper ermöglicht (vgl Ss d Kl v2. August 2002 S4 Abs 3 iVm S15le Abs und S 16 Abs 1).

Dagegen bringt die Klägerin in der mündlichen Verhandlung des weiteren vor, die BGH-Entscheidung "Taxol" sei auf den Gegenstand des Streitpatents nicht anwendbar, da ihr ein völlig anderer Sachverhalt zugrunde liege. Beim Gegenstand des Streitpatents handele es sich nicht wie im Fall "Taxol" um ein chemisches Syntheseverfahren, sondern um ein diagnostisches Untersuchungsverfahren. Während bei "Taxol" aufgrund konkret offenbarter Edukte und Produkte ein Syntheseweg vom Edukt zum Produkt eindeutig vorgegeben und somit offenbart sei, fehle im Streitpatent die für den Ausgang des Nachweisverfahrens entscheidende Offenbarung derjenigen Reagenzien, welche aufgrund einer besonderen Struktur bzw. Aminosäuresequenz zum HCV-Nachweis geeignet seien. Auf den vorliegenden Fall sei nach Ansicht der Klägerin vielmehr die BGH-Entscheidung "Antigene-Nachweis" anwendbar.

Der Senat kann der Auffassung der Klägerin nur insoweit folgen, als es sich beim Gegenstand des Streitpatents nicht um ein chemisches Syntheseverfahren, sondern um ein diagnostisches Verfahren handelt, bei dem Reagenz und Probe, sieht man von der Bezugnahme auf die HCV-cDNA-Sequenz gemäß Fig. 47 ab, anders als die Edukte und Produkte im Fall "Taxol", nicht durch konkrete stoffliche Parameter, sondern durch Funktionsangaben definiert sind. Dies ist jedoch hier unbeachtlich, weil durch das Polypeptid C100-3, wie bereits vorstehend näher ausgeführt, in Analogie zu "Taxol" wenigstens ein gangbarer Weg zum erstmaligen Nachweis von Anti-HCV-Antikörpern eröffnet wird.

Was den von der Klägerin dagegen als vergleichbar erachteten Fall entsprechend der BGH-Entscheidung "Antigene-Nachweis" anbelangt, so handelt es sich dabei um einen Immunoassay zum Nachweis von Antigenen mit einem fluoreszierenden, für das jeweilige Antigen spezifischen Antikörper, wobei die fluoreszierende Markierung durch ein an den Antikörper konjugiertes fluoreszierendes SelteneErde-Chelat bewirkt wird. Anders als im Fall des Immunoassays gemäß vorliegendem Streitpatent existierten aber im Fall "Antigene-Nachweis" im Stand der Technik bereits einerseits Antikörpertests mit Fluoreszenzmarkierung und andererseits Seltene-Erde-Chelate, die - wie der gerichtliche Sachverständige feststellte - allerdings ebenso wie die anspruchsgemäßen Chelatbildner nicht zu wasserstabilen und daher nicht zu als Immunoassay geeigneten fluoreszierend markierten Antikörpern führten, sodass durch die Erfindung kein einziges, mit einiger Zuverlässigkeit arbeitendes und daher in der Praxis brauchbares immunologisches Untersuchungsverfahren offenbart worden war (vgl BGH "Antigene-Nachweis" BlPMZ 1992, 308-311, insbes S 310 li Sp Abs 1 le Satz iVm le Abs).

2. Auch ein Immunoassay gemäß Patentanspruch 2, der durch sämtliche Merkmale jeweils eines der echten Unteransprüche 3 bis 6 weiter ausgestaltet ist, erfüllt die zuvor an die Ausführbarkeit gestellten Anforderungen. Die Unteransprüche 3 bis 6 haben demzufolge ebenfalls Bestand. Dabei ist wegen der "Taxol"-Entscheidung unbeachtlich, dass, wie die Klägerin unter Bezugnahme auf die in der mündlichen Verhandlung auszugsweise überreichte nachveröffentlichte Entgegenhaltung K26 US 6 027 729 vorbringt, zumindest das Verfahren gemäß Patentanspruch 4 in der gesamten beanspruchten Breite schon insofern nicht ausführbar sei, als die beiden Sondenpolypeptide C12f und C35f, die in den HCV-cDNA Sequenzen in ATCC 40514 bzw. ATCC 40511 kodiert sind, mit allen als Probe eingesetzten Sera von HCV-Patienten negative Ergebnisse im betreffenden Immunoassay lieferten (vgl aaO Fig 65 iVm Streitpatent Tab S 27 Korrelation Klon vs ATCC).

III.

Die Kostenentscheidung ergeht auf Grund von § 84 Abs 2 PatG iVm § 92 Abs 1 Satz 2 ZPO.

Hellebrand Dr. Niklas Sredl Dr. Feuerlein Dr. Egerer Pr






BPatG:
Urteil v. 14.08.2002
Az: 3 Ni 5/01


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