Landgericht Stuttgart:
Urteil vom 22. November 2007
Aktenzeichen: 17 O 560/07

(LG Stuttgart: Urteil v. 22.11.2007, Az.: 17 O 560/07)

Tenor

1. Der Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 13. September 2007 wird bestätigt.

2. Die weiteren Kosten des Verfahrens trägt die Verfügungsbeklagte.

Streitwert: EUR 100.000,00

Tatbestand

Die Parteien streiten um Rechte an der Messe ITeG.

Die ITeG ist eine Branchenmesse, die auf IT-Lösungen und Dienstleistungen im Gesundheitswesen spezialisiert ist. Dabei steht die Messe als solche im Vordergrund. Es findet allerdings auch ein begleitendes Fachprogramm statt, das Vorträge, Diskussionsrunden, Informationen und Fortbildungen enthält.

Mit Vertrag vom 22.08./04.09.2003 vereinbarten die Verfügungsklägerin und der V e.V., dessen Servicegesellschaft die Verfügungsbeklagte ist, die Messe ITeG Messe und Dialog gemeinsam durchzuführen. In § 7 des Vertrags wird neben einer Vertragsdauer bis 31.12.2009 (Ziffer 1) unter anderem geregelt, dass bei einer Kündigung alle Rechte an der weiteren Durchführung der Veranstaltung auf den anderen Vertragspartner übergehen (Ziffer 3), bei einer Kündigung aus wichtigem Grund jedoch die den Kündigungsgrund setzende Vertragspartei sämtliche Rechte an der ITeG verliert und diese dann dem Kündigenden zustehen (Ziffer 4).

Da der V e.V. aus steuerlichen Gründen im Jahr 2006 seine ITeG-Aktivitäten in die Verfügungsbeklagte ausgliederte, wurde zum 01.01.2006 ein Vertragspartnerwechsel zu dieser vollzogen. Verschiedene Vorschriften des Vertrags (Geheimhaltungs- und Wettbewerbsklauseln sowie die Schlussbestimmungen), nicht aber § 7, sollten auch im Verhältnis zum V e.V. weitergelten.

Nachdem die ITeG 2007 vom 17. - 19.04.2007 gemeinsam veranstaltet worden war, kündigte die Verfügungsbeklagte mit Schreiben vom 30.04.2007 den Vertrag mit der Verfügungsklägerin fristlos, hilfsweise ordentlich. Als Grund wurde im Kündigungsschreiben genannt, dass eine Fortsetzung des Vertrags für die Verfügungsbeklagte nicht zumutbar wäre, da eine Anpassung des Vertrags von der Verfügungsklägerin abgelehnt worden sei. Gleichzeitig wurde die Möglichkeit angesprochen, eine neue Vereinbarung zu schließen.

In der Folgezeit kam es zu verschiedenen Verhandlungen zwischen den Parteien. So legte die Verfügungsbeklagte im Juni 2007 den Entwurf eines neuen Kooperationsvertrags vor, woraufhin die Verfügungsklägerin am 28.06.2007 einen Gegenentwurf unterbreitete. Am 05.07.2007 lehnte die Verfügungsbeklagte den Gegenentwurf ab und teilte mit, dass eine Task-Force aus Mitgliedsunternehmen ihres Muttervereins das klägerische Konzept verfeinern würde. Die Verfügungsklägerin forderte die Verfügungsbeklagte daraufhin am 10.07.2007 zur Einhaltung des Vertrags auf und betonte, diesen weiterhin - ggf. mit den vorgeschlagenen Änderungen - erfüllen zu wollen.

Bei einem Strategie-Meeting beider Parteien am 25.07.2007 konnte keine Einigung erreicht werden. Die Geschäftsführerin der Verfügungsbeklagten bekräftigte in diesem Zusammenhang, dass die Messe entweder genau nach dem Konzept der Verfügungsbeklagten oder gar nicht fortzuführen sei. Am 27.07.2007 erhielt die Verfügungsklägerin eine E-Mail der Messe Berlin, derzufolge dieser mitgeteilt worden sei, dass der V den Vertrag mit der Verfügungsklägerin außerordentlich gekündigt habe und die unverbindlich reservierten Hallen in Berlin für die nächste ITeG-Messe übernehmen wolle. Aufgrund dieser Vorkommnisse kündigte die Verfügungsklägerin mit Schreiben vom 30.07.2007, zugegangen am 01.08.2007, ihrerseits den zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag fristlos.

Bereits mit Schreiben vom 19.07.2007 hatte die Verfügungsklägerin der Verfügungsbeklagten die Ausschüttung von EUR 280.543,59 aus der Abrechnung der ITeG 2007 angekündigt. Mit Schreiben vom 31.07.2007 verweigerte sie im Hinblick auf ihre fristlose Kündigung und etwaige Schäden die Ausbezahlung dieses Betrags. Daraufhin kündigte wiederum die Verfügungsbeklagte ihrerseits fristlos mit Schreiben vom 01.08.2007, zugegangen am 02.08.2007.

Die Verfügungsbeklagte plant nach der Trennung beider Parteien die Fortführung der ITeG-Reihe. Auf der Internetseite www.iteg-berlin.de wurde deshalb eine Messe mit der Bezeichnung ITeG 2008 angekündigt. Als Domaininhaberin und administrative Ansprechpartnerin führt die DENIC A H, also die Geschäftsführerin der Verfügungsbeklagten. Als Adresse wird allerdings zunächst V Service GmbH nebst der Adresse der Verfügungsbeklagten genannt. Im Impressum der Seite ist lediglich der V e.V. genannt.

Die Geschäftsführerin der Verfügungsbeklagten ist zugleich die Geschäftsführerin des V e.V. Der Verband residiert ebenso wie seine Service-GmbH unter derselben Adresse.

Eine Abmahnung durch die Verfügungsklägerin vom 28.08.2007 hat die Verfügungsbeklagte am 04.09.2007 zurückgewiesen.

Mit Vereinbarung vom 01./04.10.2007 hat die Universität Kassel der Verfügungsbeklagten eine ausschließliche Lizenz zur Nutzung der Marke ITeG für Industrieausstellungen eingeräumt. Für die Universität Kassel ist eine solche nationale Wortmarke seit dem 15.06.2005 mit Priorität vom 04.02.2005 unter anderem für Organisation und Veranstaltung von Kongressen, Workshops und Seminaren eingetragen.

Die Verfügungsklägerin behauptet, bei der ITeG handele es sich um die einzige auf IT-Lösungen und Dienstleistungen im Gesundheitswesen in Deutschland fokussierte Fachmesse; sie sei der Brachentreff.

Die Verfügungsklägerin ist der Auffassung, aufgrund ihrer wirksamen fristlosen Kündigung stünden ihr sämtliche Rechte an der Messe ITeG, insbesondere deren Werktitel, zu.

Die vorhergehende fristlose Kündigung der Verfügungsbeklagten sei demgegenüber unwirksam. Die Verfügungsklägerin behauptet, sie habe den geschlossenen Vertrag stets voll erfüllt. Die vereinbarte Gesamtstrategie sei umgesetzt worden, die Durchführung eines eigenständigen Kongresses sei nie vereinbart gewesen, ebenso wenig die Veranstaltung einer Gala. Das von der Verfügungsbeklagten im Sommer 2007 eingeforderte Gesamtkonzept sei zwischen den Parteien nie vereinbart worden.

Die Mitteilung an die Messe Berlin über die Kündigung des Vertrags zwischen den Parteien und die Übernahme der Hallen stamme aus dem Bereich der Verfügungsbeklagten. Sie ist der Auffassung, dass dies sowie die ultimative Drohung der Geschäftsführerin der Verfügungsbeklagten am 25.07.2007 einen schwerwiegenden Vertragsverstoß darstelle, der eine fristlose Kündigung rechtfertige.

Die Zahlungsverweigerung hinsichtlich der Einnahmen aus der ITeG 2007 sei aufgrund eines Zurückbehaltungsrechts wegen der zu erwartenden Mehrkosten für die ITeG 2008, Einnahmeausfällen und anfallenden Rechtsanwaltsgebühren gerechtfertigt.

Die Verfügungsklägerin behauptet, aufgrund der engen Verbindung zwischen der Verfügungsbeklagten und dem V e.V. müsse davon ausgegangen werden, dass hinsichtlich der Äußerungen auf der Homepage auch die Verfügungsbeklagte gehandelt habe.

Mit Beschluss vom 13.09.2007 hat die erkennende Kammer die Verfügungsbeklagte unter Ordnungsmittelandrohung verurteilt, es zu unterlassen, eine nicht von der M GmbH veranstaltete Messe bzw. einen Branchentreffpunkt unter der Bezeichnung ITeG zu bewerben und/oder eine Messe bzw. einen Branchentreffpunkt unter der Bezeichnung ITeG zu veranstalten bzw. durch Dritte veranstalten zu lassen.

Zuvor hatte die Verfügungsklägerin Ziff. 3 ihres ursprünglichen Antrags, der auch die Bewerbung einer nicht von ihr veranstalteten Messe bzw. eines Branchentreffpunkts als Fortsetzung früherer ITeG-Veranstaltungen untersagen sollte, zurückgenommen.

Die Verfügungsklägerin beantragt,

die einstweilige Verfügung zu bestätigen.

Die Verfügungsbeklagte beantragt

die einstweilige Verfügung aufzuheben und die auf ihren Erlass gerichteten Anträge zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, ein Werktitelschutz für die Messe ITeG komme nicht in Betracht.

Die Verfügungsbeklagte behauptet, bei der ITeG handele es sich nahezu ausschließlich um eine Verkaufsmesse. Neben ihr existiere eine weitere Branchenmesse namens Medica.

Ihrer Auffassung nach ist die fristlose Kündigung vom 30.04.2007 wirksam. Sie behauptet, die Verfügungsklägerin habe wesentliche Vertragspflichten verletzt, insbesondere die Gesamtstrategie, die die Entwicklung und Umsetzung eines innovativen Branchentreffs beinhaltete, nicht umgesetzt. Insbesondere habe die Verfügungsklägerin trotz entsprechender Zusicherung keinen in die Veranstaltung integrierten Kongress und keine Galaveranstaltung durchgeführt. Aufgrund der negativen Reaktion namhafter Aussteller habe sie umgehend Maßnahmen einleiten müssen.

Die Verfügungsbeklagte behauptet, ihre Geschäftsführerin habe nie einen Zweifel daran gelassen, dass sie die fristlose Kündigung der Verfügungsbeklagten als wirksam erachte.

Sie ist der Auffassung, die fristlose Kündigung der Verfügungsklägerin sei mangels Kündigungsgrundes unwirksam. Außerdem seien seit deren fristloser Kündigung bereits drei Monate vergangen gewesen.

Demgegenüber sei auch ihre zweite fristlose Kündigung aufgrund der Zahlungsverweigerung der Verfügungsklägerin wirksam.

Die Verfügungsbeklagte behauptet, für die Domain www.iteg-berlin.de sei lediglich der V e.V. verantwortlich, wie sich schon aus dem Impressum ergebe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze und deren Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die einstweilige Verfügung war zu bestätigen.

A.

Die nach teilweiser Rücknahme verbliebenen Unterlassungsanträge sind zulässig und begründet. Die Ansprüche stehen der Verfügungsklägerin gemäß §§ 15 IV, 5 III MarkenG zu.

I.

Die Verfügungsklägerin kann sich gegenüber der Verfügungsbeklagten auf einen Werktitelschutz an der Bezeichnung ITeG berufen.

1. Bei der Messe ITeG handelt es sich um ein vergleichbares Werk i.S.d. § 5 III MarkenG.

Nach der zutreffenden herrschenden Meinung kommt ein Werktitelschutz für Messen wie auch für andere Veranstaltungen grundsätzlich in Betracht (Fezer, 3. Aufl., § 5 MarkenG, Rn. 154k; Ingerl/Rohnke, 2. Aufl., § 5 MarkenG, Rn. 76; a.A. Deutsch/Ellerbrock, Titelschutz, 2. Aufl., Rn. 48). Zur konkreten Schutzfähigkeit bedarf es aber der Erfüllung weiterer Voraussetzungen, die eine Veranstaltung erst anderen in § 5 III MarkenG genannten Werken vergleichbar machen und in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung herausgearbeitet worden sind.

Zwar hat der BGH (GRUR 1989, 626 - Festival Europäischer Musik) unter Geltung des § 16 I UWG a.F. entschieden, dass ein so bezeichnetes Festival kein besonders bezeichnungsfähiges Werk, sondern nur eine Form der Dienstleistung sei. Jedoch hat er auch schon unter Geltung der alten Rechtslage in dieser Entscheidung ausgeführt, dass ausnahmsweise dann eine Schutzfähigkeit in Betracht komme, wenn eine Veranstaltung ein individuelles Ereignis darstelle oder als eine einheitliche, in ihrer Gesamtheit bezeichnungsfähige Reihe oder Serie erscheine.

Beides trifft auf den vorliegenden Fall zu: Bei der ITeG handelt es sich um eine von maximal zwei Messen auf dem Gebiet der IT-Lösungen und -Dienstleistungen im Gesundheitssektor mit einer von Anfang an dreistelligen Zahl an Ausstellern und vierstelligen Zahl an Fachbesuchern. Sie kombiniert die reine Ausstellung von Messeständen mit einem begleitenden Fachprogramm; es gibt ein eigenes Logo und einen begleitenden Katalog. Damit tritt die Messe mitsamt ihrer Bezeichnung nach außen als ein besonderes, thematisch eng umgrenztes Gebilde auf, das dem angesprochenen Fachpublikum als Inbegriff verschiedener kombinierter Inhalte gegenübertritt. Die Einheitlichkeit wird durch die klare Fokussierung auf eine bestimmte Thematik gewahrt. Eine Wiederholung der Messe war von Anfang an geplant und wurde seit 2004 auch durchgeführt.

Schon nach der Festival Europäischer Musik-Entscheidung des BGH ist damit jedenfalls eine Messe wie die vorliegende werktitelschutzfähig. Dem hat sich das OLG Düsseldorf für einen im Wesentlichen vergleichbaren Fall angeschlossen (LG Düsseldorf, WRP 1996, 156 - Paracelsus-Messe). Wie im dortigen Fall handelt es sich auch bei der ITeG um eine wiederkehrende Messeveranstaltung mit bestimmter Themenstellung, die ein von vornherein festgelegtes Messeprogramm hat und sich interessierten Kreisen als organisatorische Einheit darstellt.

Eine (solche) Messe ist demzufolge mehr als das bloße körperliche Vorhandensein von Messeständen, vielmehr steckt dahinter eine thematische Idee, die - etwa durch den Messekatalog, das begleitende Messeprogramm, die Auswahl und Anordnung der Aussteller etc. - visuell, organisatorisch und inhaltlich aufbereitet wird und sich so den angesprochenen Verkehrskreisen präsentiert; mithin handelt es sich um ein immaterielles Arbeitsergebnis, das einer gewissen geistigen Umsetzung zur Erschließung seiner Gesamtheit bedarf (vgl. BGHZ 121, 157 - Zappel-Fisch). Mit anderen Worten stellt die Messe ITeG eine gedankliche Leistung mit kommunikativem Inhalt (Ströbele/Hacker, 8. Aufl., § 5 MarkenG, Rn. 75) dar.

Ob es dabei nach der neueren Rechtsprechung des BGH überhaupt noch auf die Notwendigkeit eines gedanklichen Umsetzungsprozesses ankommt oder ob das Vorhandensein einer eigenständigen geistigen Leistung genügt (; BGHZ 135, 278 - PowerPoint; BGH, GRUR 1997, 902 - FTOS; BGH, GRUR 2005, 1703 - FACTS II), kann offenbleiben, da beide Kriterien vorliegend erfüllt werden.

Jedenfalls zeigt gerade die FACTS II-Entscheidung, in der der BGH selbst einem Warenkatalog im Interesse eines umfassenden Immaterialgüterrechtsschutzes Werktitelschutz zugebilligt hat, da dieser in Auswahl, Zusammenstellung und Präsentation regelmäßig eine eigenständige geistige Leistung darstelle, dass die Formulierung einer nur ausnahmsweisen Schutzfähigkeit in der Festival Europäischer Musik-Entscheidung unter der heutigen Rechtslage nach dem Markengesetz nicht restringierend zu verstehen ist. Vielmehr war diese Formulierung der alten Rechtslage geschuldet, nach deren Wortlaut eine Schutzfähigkeit anderer als Druckschriften allenfalls in entsprechender Anwendung und damit per se nur ausnahmsweise in Betracht kam.

2. Eine Benutzungsaufnahme des Werktitels liegt seit dem Jahr 2004 vor. An dessen Kennzeichnungskraft bestehen keinerlei Zweifel.

3. Die Verfügungsklägerin ist auch Inhaberin der Werktitelrechte an der Messe. § 7 Ziff. 4 der auf die Verfügungsbeklagte übergeleiteten Vereinbarung ist jedenfalls so zu verstehen, dass mit dem Übergang aller Rechte bei fristloser Kündigung subjektive Ausschließlichkeitsrechte, wozu Werktitelrechte zählen, gemeint sein sollten.

a) Offen bleiben kann, wer ursprünglich Inhaber des Werktitelrechts war.

b) Denn dieses ist aufgrund wirksamer fristloser Kündigung der Verfügungsklägerin am 30.07.2007 auf diese übergegangen.

aa) Ein Übergang auf die Verfügungsbeklagte aufgrund deren fristloser Kündigung am 30.04.2007 fand nicht statt, da keine wirksame fristlose Kündigung des Vertrags erfolgte.

(1) § 7 Ziff. 4 des Vertrags spricht ausdrücklich davon, dass die Vertragspartei, die den Kündigungsgrund gesetzt hat, sämtliche Rechte an der Messe verliert. Spätestens daraus erschließt sich, dass nicht eine fristlose Kündigung an sich, sondern nur eine begründete - mithin wirksame - fristlose Kündigung zum Übergang der Rechte führen kann.

(2) Die fristlose Kündigung durch die Verfügungsbeklagte am 30.04.2007 war jedoch nicht wirksam. Dabei kann ihr Vortrag hinsichtlich der Nichtdurchführung eines geschuldeten begleitenden Kongresses sowie einer Gala unterstellt werden, wenngleich insbesondere die Ausführungen der Geschäftsführerin der Beklagten im Kündigungsschreiben selbst eher gegen das Vorhandensein tragfähiger Gründe für eine fristlose Kündigung sprechen. Denn sogar wenn die Verfügungsklägerin eine vertragliche Verpflichtung zur Durchführung eines innovativen Branchentreffs nicht durchgeführt, insbesondere keinen begleitenden Kongress und keine Gala veranstaltet haben sollte und dies einen wichtigen Grund dargestellt hätte, hätte die Verfügungsbeklagte jedenfalls nicht ohne den erfolgslosen Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist fristlos kündigen dürfen (§ 314 II BGB). Eine solche wurde aber nicht gesetzt, obwohl es sich bei den angeblichen Versäumnissen der Verfügungsklägerin um schlichte Vertragsverletzungen handelte.

Gründe für das Entfallen des Abmahnerfordernisses sind nicht ersichtlich. Eine - ausreichend bemessene - Fristsetzung mit klar benannten Mängeln wäre der Verfügungsbeklagten vielmehr - auch wenn sich manche Messeteilnehmer beschwert haben sollten - ohne Weiteres möglich gewesen. Immerhin war die ITeG 2007 erst seit weniger als zwei Wochen überhaupt beendet und stand die nächste Messe erst in einem knappen Jahr an. Die Umstände des Falles legen es daher eher nahe, dass die fristlose Kündigung für die Verfügungsbeklagte das Vehikel sein sollte, eine möglichst günstige Vertragsanpassung zu erreichen.

bb) Demgegenüber ist die fristlose Kündigung durch die Verfügungsklägerin vom 30.07.2007 wirksam.

(1) Die Geschäftsführerin der Verfügungsbeklagten hat bei der gemeinsamen Besprechung am 25.07.2007 ultimativ Veränderungen am - nach dem o.g. fortbestehenden - Vertrag verlangt; anderenfalls werde die Messe nicht fortgeführt. Auch wenn sie bereits schon zuvor auf die ihrer Auffassung nach wirksame fristlose Kündigung hingewiesen hat, hat sie dies doch immer mit der Möglichkeit weiterer Verhandlungen über eine Vertragsanpassung verknüpft. Durch die ultimative Forderung einer Vertragsanpassung bei gleicher Drohung mit einem faktischen Ende der gemeinsamen Messe hatte die Situation eine neue Qualität erreicht. Auch wenn die Geschäftsführerin der Beklagten subjektiv von der Wirksamkeit der Kündigung ausgegangen sein mag, hatte diese objektive komplette Weigerung der Fortsetzung der Zusammenarbeit für die Verfügungsklägerin, die ihrerseits - zu Recht - von einem Fortbestand des Vertrags ausging, den Eindruck einer schwerwiegenden Vertragsuntreue. Damit lag ein wichtiger Kündigungsgrund vor. Da die Weigerung der weiteren Zusammenarbeit zugleich eine (umfassende) ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung darstellt, bedurfte es gem. §§ 314 II 2 i.V.m. 323 II Nr. 1 BGB keiner Abmahnung.

(2) Hinzu kommt der Versuch der Verfügungsbeklagten, bereits ohne Information der Verfügungsklägerin die Hallen für die nächste Messe in Berlin umzubuchen. Ein solcher Versuch steht nach Auffassung der Kammer mit der im einstweiligen Verfügungsverfahren genügenden ganz überwiegenden Wahrscheinlichkeit fest (vgl. § 294 ZPO). Zwar ist der Ursprung der Information der Messe Berlin zur Umbuchung nicht genau zu ermitteln. Nach dem Umständen des Falles kann es aber niemand anderes als die Verfügungsbeklagte gewesen sein, die eine solche Information an die Berliner Messe hätte weiterleiten können. Dritte hätten an der Umbuchung (auf den V e.V. bzw. dessen Service-GmbH) kein Interesse gehabt. Ob nun der Ursprung bei der Verfügungsbeklagten selbst oder aber bei ihrem Mutterverein lag, ist angesichts der engen personellen, räumlichen und sachlichen Verknüpfung beider irrelevant.

Das Verhalten der (versuchten) Umbuchung der Hallen tritt neben den Ausführungen am 25.07.2007 als weitere Torpedierung der an sich geschuldeten Fortsetzung der gemeinsamen Durchführung hinzu und begründet damit erst recht einen wirksamen Kündigungsgrund, der auch durch eine Abmahnung nicht mehr zu ändern gewesen wäre. Bei einem solch irreparablen Vertrauensverlust ist eine fristlose Kündigung ohne Abmahnung gerechtfertigt (MüKo-Gaier, 5. Aufl., § 314 BGB, Rn. 17).

cc) Auf die Wirksamkeit der nachfolgenden fristlosen Kündigung der Verfügungsbeklagten vom 01.08.2007 kommt es damit nicht mehr an.

3. Damit steht fest, dass sich die Verfügungsklägerin gegenüber der Verfügungsbeklagten auf einen Werktitelschutz an der Bezeichnung ITeG berufen und deshalb die Unterlassung der Benutzung dieser Bezeichnung für eine nicht von ihr veranstaltete Messe bzw. einen Branchentreffpunkt verlangen kann. Ob sich ein solcher Unterlassungsanspruch auch ohne Rücksicht auf das Bestehen eines Werktitelschutzes unmittelbar aus der (schuldrechtlichen) Vereinbarung selbst, insbesondere dem mit § 7 Ziff. 4 verfolgten Zweck ergeben könnte, kann vorliegend daher offen bleiben.

4. Die Verfügungsbeklagte ist als Domaininhaberin und administrative Ansprechpartnerin (vgl. OLG Stuttgart, MMR 2004, 38) passiv legitimiert. Auch wenn der DENIC-Eintrag unter diesen Funktionen zunächst nur die Geschäftsführerin der Verfügungsbeklagten anführt, so zeigt doch die ausdrückliche Benennung der Verfügungsbeklagten und die Angabe von deren Adresse, dass die Geschäftsführerin die Anmeldung nur in Ausfüllung dieser Tätigkeit und für die Verfügungsbeklagte vorgenommen hat.

5. Die Verfügungsbeklagte kann der Verfügungsklägerin nicht gem. § 6 MarkenG ältere Markenrechte an der Bezeichnung ITeG entgegenhalten.

a) Allerdings können erworbene Kennzeichenrechte Dritter grundsätzlich kennzeichenrechtlichen Ansprüchen gem. § 986 I BGB analog entgegen gehalten werden, sofern der in Anspruch genommene von dem Dritten schuldrechtlich zur Benutzung ermächtigt wurde (BGH, GRUR 1993, 574 - Decker). Dies ist nicht schon deshalb rechtsmissbräuchlich, wenn diese Rechte zur bloßen Anspruchsabwehr erworben werden (BGH, GRUR 2002, 967 - Hotel Adlon).

b) Jedoch ist das entsprechende Markenrecht prioritätsjünger. Es kann nur die Priorität des 04.02.2005 in Anspruch nehmen, während der der Verfügungsklägerin zustehende Werktitel bereits seit 2004 in Benutzung ist. Jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden, in denen die Benutzung von vornherein auf mehrere Male angelegt ist, entsteht der Werktitelschutz aber bereits mit Ingebrauchnahme des Titels (ohne diese Einschränkung Ströbele/Hacker, a.a.O., Rn. 80).

6. Die Verfügungsbeklagte hat die Bezeichnung ITeG ohne Zustimmung der Verfügungsklägerin im geschäftlichen Verkehr titelmäßig verwendet.

7. An der Verwechslungsgefahr bestehen angesichts der Titel- und Werkidentität keine Zweifel.

8. Eine etwaige Wiederholungsgefahr wurde mangels Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung nicht ausgeräumt. Soweit es an einer Wiederholungsgefahr im Hinblick auf die tatsächliche Veranstaltung einer solchen Messe fehlen sollte, begründet jedenfalls deren Bewerbung eine ausreichende Erstbegehungsgefahr.

III.

Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der weiteren Kosten des Verfahrens auf § 91 ZPO. Eine Änderung der ursprünglichen Kostenentscheidung, bei der die teilweise Antragsrücknahme gem. § 269 III 2 ZPO mit einem Fünftel zu bewerten war, ist nicht veranlasst.

Einer gesonderten Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit bedarf es nicht.






LG Stuttgart:
Urteil v. 22.11.2007
Az: 17 O 560/07


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