Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 2. September 2008
Aktenzeichen: 4a O 163/08

(LG Düsseldorf: Urteil v. 02.09.2008, Az.: 4a O 163/08)

Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 30.06.2008 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens werden der Ant-ragstellerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Antragstellerin darf die Zwangsvollstreckung der Antragsgegnerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Si-cherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Sicherheit kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand

Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerinnen wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents X (Verfügungspatent) im Wege eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Unterlassung in Anspruch. Die Antragstellerin ist eingetragene Inhaberin des Verfügungspatents, das am 05.06.2003 unter Inanspruchnahme einer US-Priorität vom 05.06.2002 angemeldet wurde. Der Hinweis auf die Erteilung des Verfügungspatents wurde am 21.05.2008 veröffentlicht. Das Patent steht in Kraft. Die Antragsgegnerin zu 1) hat gegen die Erteilung des Verfügungspatents mit Schriftsatz vom 12.08.2008 Einspruch eingelegt.

Das Verfügungspatent bezieht sich auf eine nichtwässrige elektrochemische Zelle mit verbesserter Energiedichte. Der von der Antragstellerin geltend gemachte Patentanspruch 1 des Verfügungspatents, dessen Verfahrenssprache englisch ist, lautet in der deutschen Übersetzung wie folgt:

1. Elektrochemische Zelle, die einen nichtwässrigen Elektrolyten, eine Anode und eine Kathodenbaugruppe umfasst, wobei der Elektrolyt ein Lösungsmittel umfasst, die Kathodenbaugruppe einen metallischen Kathodenstromabnehmer mit zwei Hauptflächen und einer Kathodenbeschichtung, die sich auf wenigstens einer der beiden Hauptflächen befindet, umfasst, wobei die Beschichtung Eisendisulfid umfasst, und die Anode metallisches Lithium umfasst, wobei das Anodezu-Kathode-Inputverhältnis kleiner oder gleich 1,0 ist, wobei das Anodezu-Kathode-Inputverhältnis wie folgt definiert ist:

Anodezu-Kathode-Inputverhältnis = Anodenkapazität pro 2,54 cm [lineares inch] / Kathodenkapazität pro 2,54 cm [lineares inch]

wobei die Anodenkapazität pro 2,54 cm [lineares inch] = (Foliendicke) x (Elektrodenüberlappungsbreite) x (2,54 cm) [1 lineares inch] x (Dichte der Lithiumfolie bei 20° C) x (Lithiumenergiedichte, 3861,7 mAh/g) und

die Kathodenkapazität pro 2,54 cm [lineares inch] = (endgültige Kathodenbeschichtungsdicke) x (Elektrodenüberlappungsbreite) x (2,54 cm) [1 inch] x (Dichte der Kathodentrockenmischung) x (Prozentsatz der endgültigen Kathodenpackung) x (Trockengewichtsprozent FeS2) x (prozentuale Reinheit FeS2) x (FeS2-Energiedichte, 893,58 mAh/g).

Der hilfsweise in Kombination mit dem Patentanspruch 1 geltend gemachte Unteranspruch 2 lautet in der deutschen Übersetzung:

2. Zelle gemäß Anspruch 1, wobei das metallische Lithium mit Aluminium legiert ist.

Die Antragsgegnerin zu 1) ist ein Unternehmen der Elektroindustrie. Die Antragsgegnerin zu 2) ist eine Tochter der X und vertreibt die konzerneigenen Produkte in der Bundesrepublik Deutschland. Sie wird im Internetauftritt der Antragsgegnerin zu 1) als zentrale Niederlassung des X in Deutschland angegeben. Die Antragsgegnerinnen vermarkten in ganz Europa und auch in Deutschland Batterien. In dem in deutscher Sprache verfassten Internetauftritt der Antragsgegnerin zu 1) werden unter der Rubrik "Produkte" unter anderem Batterien unter der Bezeichnung "X" (angegriffene Ausführungsform) ausgestellt. Auf der Seite mit den technischen Details dieser Batterie gibt es auch einen Link "Kaufen". Dieser Link führt zu "empfohlenen Geschäften", die verschiedene Produkte der Antragsgegnerinnen anbieten. Die angegriffene Ausführungsform wird jedoch in Deutschland nicht vertrieben. Die Antragstellerin erwarb in England eine angegriffene Ausführungsform, wie sie im Internetauftritt zu sehen ist. Eine Abbildung des von den Antragsgegnerinnen im Internet dargestellten Produkts wird nachfolgend gezeigt.

Die Antragstellerin hat die angegriffene Ausführungsform durch Herrn X, einen Mitarbeiter der X., untersuchen lassen. X spülte die Batterie mit Methylenchlorid, um den Elektrolyten zu entnehmen. Die Analyse des Elektrolyten zeigte, dass die organischen Lösungsmittel 1,3-Dioxolan, 1,2-Dimethoxyethan und Diglyme vorhanden waren. Die Anode und die Kathode wurden aus der Batterie entfernt und erneut gewaschen, um rückständigen Elektrolyten zu entfernen Mit einer Röntgen-Beugung an einer kleinen Probe der Kathode wurde Eisendisulfid in der Probe nachgewiesen. Anschließend wurden aus der Kathode quadratzentimeter große Scheiben herausgeschnitten und mit Hilfe eines Helium-Pyknometers die "richtige Dichte" bestimmt. Außerdem wurden die einzelnen Scheiben gemessen und gewogen. Anschließend wurden die Scheiben in einer starken Säure in einer flüssigen Lösung aufgelöst und mittels Atomabsorptionsspektroskopie und induktiv gekoppelter Plasmaatomemissionsspektroskopie untersucht, wie viel Eisen, Lithium und Aluminium in den Scheiben enthalten ist. Aus der Anode wurden rechteckige Abschnitte geschnitten, vermessen und gewogen. Ein Abschnitt der Anode wurde ebenfalls in einer flüssigen Lösung mit einer starken Säure aufgelöst und mittels induktiv gekoppelter Plasmaatomemissionsspektroskopie analysiert. Es wurde eine geringe Menge Aluminium als Beimischung zum Lithium entdeckt. Wegen der weiteren Einzelheiten der vorgenommenen Untersuchung und der anschließenden Berechnungen wird auf den Untersuchungsbericht von X(Anlage ASt 11) und seinen ergänzenden Bericht (Anlage ASt 21, in deutscher Übersetzung als Anlage ASt 22) Bezug genommen.

Die Antragstellerin behauptet, das Anodezu-Kathode-Inputverhältnis der angegriffenen Ausführungsform betrage 0,9392. Sie ist der Ansicht, dieser Wert sei auf Grundlage der im Rahmen der Untersuchung durch X ermittelten Messergebnisse zutreffend berechnet worden. Das Verfügungspatent werde daher durch die angegriffene Ausführungsform wortsinngemäß verletzt.

Die Antragstellerin beantragt,

I. die Antragsgegnerinnen bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu insgesamt zwei Jahren, zu verurteilen, es zu unterlassen,

elektrochemische Zellen, die einen nichtwässrigen Elektrolyten, eine Anode und eine Kathodenbaugruppe umfassen,

in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,

wenn der Elektrolyt ein Lösungsmittel umfasst, die Kathodenbaugruppe einen metallischen Kathodenstromabnehmer mit zwei Hauptflächen und einer Kathodenbeschichtung, die sich auf wenigstens einer der beiden Hauptflächen befindet, umfasst, wobei die Beschichtung Eisendisulfid umfasst, und die Anode metallisches Lithium umfasst, wobei das Anodezu-Kathode-Inputverhältnis kleiner oder gleich 1,0 ist, wobei das Anodezu-Kathode-Inputverhältnis wie folgt definiert ist:

Anodezu-Kathode-Inputverhältnis = Anodenkapazität pro 2,54 cm [lineares inch] / Kathodenkapazität pro 2,54 cm [lineares inch]

wobei die Anodenkapazität pro 2,54 cm [lineares inch] = (Foliendicke) x (Elektrodenüberlappungsbreite) x (2,54 cm) [1 lineares inch] x (Dichte der Lithiumfolie bei 20° C) x (Lithiumenergiedichte, 3861,7 mAh/g) und

die Kathodenkapazität pro 2,54 cm [lineares inch] = (endgültige Kathodenbeschichtungsdicke) x (Elektrodenüberlappungsbreite) x (2,54 cm) [1 inch] x (Dichte der Kathodentrockenmischung) x (Prozentsatz der endgültigen Kathodenpackung) x (Trockengewichtsprozent FeS2) x (prozentuale Reinheit FeS2) x (FeS2-Energiedichte, 893,58 mAh/g)

II. hilfsweise die Antragsgegnerinnen nach vorstehendem Antrag zu I. zu verurteilen, wobei das metallische Lithium mit Aluminium legiert ist

Die Antragsgegnerinnen beantragen,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen;

hilfsweise

1. die Vollziehung der Verfügung von einer zuvor zugunsten der Antragsgegnerinnen zu leistenden Sicherheit in Höhe von wenigstens 500.000,00 EUR für aus der Vollziehung resultierende Schäden und in Höhe von wenigstens 75.000,00 EUR zur Sicherung der Prozesskosten der beiden Instanzen des einstweiligen Verfügungsverfahrens abhängig zu machen;

2. den Antragsgegnerinnen zu gestatten, die Aufhebung der einstweiligen Verfügung durch Leistung einer Sicherheit zu bewirken;

3. der Antragstellerin eine kurze Frist zur Erhebung der Hauptsacheklage zu setzen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Hilfsanträge zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerinnen behaupten, das Anodezu-Kathode-Inputverhältnis der angegriffenen Ausführungsform sei größer als 1,0. Sie sind der Ansicht, durch die angegriffene Ausführungsform werde das Verfügungspatent nicht wortsinngemäß verletzt. Im Übrigen sei der Untersuchungsbericht X (Anlage Ast 11) für die Glaubhaftmachung einer Verletzung nicht geeignet. Er lasse nicht erkennen, mit welchen Messinstrumenten die Messungen im Einzelnen durchgeführt worden seien. Die einzelnen von der Antragstellerin durchgeführten Messungen seien mit Messfehlern und Ungenauigkeiten behaftet, die kumuliert zu einem Anodezu-Kathode-Inputverhältnis von größer 1 führten. Das Privatgutachten zeige nur die Endergebnisse, nicht aber die tatsächlich erzielten Messwerte an. Es sei nicht nachvollziehbar, wie die errechneten Endwerte zustande gekommen seien. Bei der Berechnung der Foliendicke der Anode sei der Aluminium-Anteil in der Anode nicht berücksichtigt worden. Die Antragstellerin gehe von der unzutreffenden Annahme aus, das in der Kathodenprobe enthaltene Eisen sei allein in der Form von Eisendisulfid gebunden gewesen.

Zudem sind die Antragsgegnerinnen der Auffassung, dass sich das Verfügungspatent im Einspruchsverfahren als nicht rechtsbeständig erweisen werde. Die geschützte Lehre sei nicht neu, außerdem beruhe der Verfügungspatentanspruch 1 auf einer unzulässigen Erweiterung.

Die Antragstellerin hat daraufhin die für die Untersuchung eingesetzten Messgeräte mitgeteilt (Anlage ASt 22) und im Übrigen zu den Einwänden der Antragsgegnerinnen Folgendes vorgetragen: die Analyse sei so durchgeführt worden, dass die Messungen möglichst genau die tatsächlichen Verhältnisse wiedergäben. Verfälschende Einflüsse und Messfehler seien möglichst ausgeschlossen worden. Der Aluminiumanteil in der Anode sei so gering, dass die Auswirkungen auf die Anodenkapazität minimal seien. Im Übrigen sei die rechnerisch ermittelte Anodenkapazität überhöht, weil bei der Berechnung das Gesamtgewicht der Anode dem Lithium zugerechnet worden sei. Entladungsvorgänge vor der Untersuchung seien so weit wie möglich ausgeschlossen worden. Im Übrigen seien etwaige Entladungsvorgänge dadurch berücksichtigt worden, dass das gesamte Lithium in der Batterie - also auch das an der Kathode angesammelte Lithium - in die Berechnungen eingeflossen sei. Mit der Röntgenbeugungsanalyse seien keine anderen Eisen enthaltenden Arten gefunden worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrags beider Parteien wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig, aber sowohl mit dem Hauptantrag, als auch mit dem Hilfsantrag unbegründet.

Der Hauptantrag ist unbegründet.

Die Antragstellerin hat einen Verfügungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Sie hat gegen die Antragsgegnerinnen keinen Anspruch aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 1 PatG auf Unterlassung des Vertriebs der angegriffenen Ausführungsform. Es ist nicht schlüssig dargelegt, dass die angegriffene Ausführungsform von der Lehre des Verfügungspatentanspruchs wortsinngemäß Gebrauch macht.

I.

Das Verfügungspatent schützt im Patentanspruch 1 eine elektrochemische Zelle mit Lithium als aktivem Anodenmaterial und Eisendisulfid oder Pyrit - die Verfügungspatentschrift verwendet beide Begriff synonym - als aktivem Kathodenmaterial.

In der Beschreibung des Verfügungspatents wird ausgeführt, dass ein elektrochemisches Element aus einer negativen Lithium-Anode und einer positiven Eisendisulfid-Kathode theoretisch als hochenergetisches Element bekannt ist. Der Grund dafür liegt darin, dass Lithium die niedrigste Dichte aller Metalle und eine volumetrische Energiedichte von 2026 Milliampere-Stunden/Kubikzentimeter (mAh/cm³) beziehungsweise gravimetrisch von 3861,7 Milliampere-Stunden/Gramm (mAh/g) hat. Pyrit hingegen bietet vorteilhafte Energiechancen, weil es einer Reduktion von vier Elektronen unterliegt und eine Energiedichte von 4307 mAh/cm³ (volumetrisch) beziehungsweise 893,58 mAh/g (gravimetrisch) hat.

Um eine kommerziell verwertbare Zelle mit diesem speziellen elektrochemischen Element herzustellen, muss dass innere Zellvolumen effizient verwendet werden, weil das elektrochemische System bei der Entladung zu Reaktionsprodukten führt, die mit einer Volumenzunahme verbunden sind. Dabei nimmt mit der Zunahme der Entladungseffizienz auch das Volumen zu, dem mit einem entsprechenden Hohlraum in der Zelle Rechnung getragen werden muss.

Wird die Energiedichte der Zelle durch eine Erhöhung der Dichte der Kathode verbessert, steht aufgrund der erhöhten Kathodendichte weniger Hohlraum zur Aufnahme der Reaktionsprodukte zur Verfügung. Außerdem führt eine höhere Kathodendichte zu einer Zunahme der Kalandrierkraft, die auf das beschichtete Elektrodeneinsatzmaterial wirkt und zu einem Strecken des als Kathodenstromabnehmer dienenden Metallfoliensubstrats führt. Dadurch kann die Gleichmäßigkeit der Beschichtung beeinträchtigt werden, bis hin zur Ablösung der gesamten Beschichtung vom Substrat.

In der Verfügungspatentschrift wird weiter ausgeführt, dass die Verwendung einer Lithiummetallfolie als Anode ausreichend leitfähig ist, um einen diskreten Anoden-Stromabnehmer zu vermeiden. Dadurch kann das Volumen der Zelle möglichst von nichtreaktiven Zellkomponenten freigehalten werden. Allerdings hat die Lithiumfolie nur eine geringe Zugfestigkeit, was beim Streckvorgang zu einer reduzierten Anodenkapazität bis hin zur Unterbrechung der Lithiumanode führen kann. Im Stand der Technik, so die Verfügungspatentschrift, wird unter anderem die Verwendung dickerer Lithiumfolien, separater Anoden-Stromabnehmer und Lithiumanoden mit Bereichen eines reduzierten oder nichtionischen Transports vorgeschlagen. In der Verfügungspatentschrift wird daran als nachteilig angesehen, dass eine solche Lösung zu einem Anodenübergewicht in der Zelle führt und nicht effizient und volumetrisch befriedigend ist. Außerdem sei die Verwendung von überschüssigem Lithium in der Zelle kostspielig, da Lithium teuer sei.

Weiterhin führt die Verfügungspatentschrift zum Stand der Technik aus, dass in der Druckschrift X eine elektrochemische Zelle mit einer Eisendisulfid enthaltenden Kathode mit einer speziellen Dicke und eine Lithiumanode mit einer speziellen Dicke offenbart werde.

Dem Verfügungspatent liegt vor diesem Hintergrund das Problem zu Grunde, eine nichtwässrige Lithium/Eisendisulfid-Zelle mit einer erhöhten Energiedichte und Entladungseffizienz zu schaffen, die die Volumenzunahme durch die während des Entladungsvorgangs erzeugten Reaktionsprodukte aufnimmt. Zudem soll sie eine dichte Kathode mit guter Haftung am Stromabnehmer-Substrat aufweisen, ohne dass die Gleichmäßigkeit der Kathoden-Beschichtungsschicht geopfert wird. Schließlich soll das Anodenzu-Kathoden-Zellengleichgewicht reduziert werden, ohne die Integrität der Anode zu opfern.

Dies soll durch den Verfügungspatentanspruch 1 erreicht werden, dessen Merkmale wie folgt gegliedert werden können:

1. Die elektrochemische Zelle umfasst

1.1 einen nichtwässrigen Elektrolyten,

1.2 eine Anode und

1.3 eine Kathodenbaugruppe;

2. der Elektrolyt umfasst ein Lösungsmittel;

3. die Kathodenbaugruppe umfasst

3.1 einen metallischen Kathodenstromabnehmer mit zwei Hauptflächen und

3.2 einer Kathodenbeschichtung, die sich auf wenigstens einer der beiden Hauptflächen befindet,

3.2.1 wobei die Beschichtung Eisendisulfid umfasst;

4. die Anode umfasst metallisches Lithium,

5. das Anodezu-Kathode-Inputverhältnis ist kleiner oder gleich 1,0,

5.1 wobei das Anodezu-Kathode-Inputverhältnis wie folgt definiert ist:

Anodezu-Kathode-Inputverhältnis = Anodenkapazität pro 2,54 cm [lineares inch] / Kathodenkapazität pro 2,54 cm [lineares inch]

wobei die Anodenkapazität pro 2,54 cm [lineares inch] = (Foliendicke) x (Elektrodenüberlappungsbreite) x (2,54 cm) [1 lineares inch] x (Dichte der Lithiumfolie bei 20° C) x (Lithiumenergiedichte, 3861,7 mAh/g) und

die Kathodenkapazität pro 2,54 cm [lineares inch] = (endgültige Kathodenbeschichtungsdicke) x (Elektrodenüberlappungsbreite) x (2,54 cm) [1 inch] x (Dichte der Kathodentrockenmischung) x (Prozentsatz der endgültigen Kathodenpackung) x (Trockengewichtsprozent FeS2) x (prozentuale Reinheit FeS2) x (FeS2-Energiedichte, 893,58 mAh/g).

II.

Der Verfügungspatentanspruch beschreibt eine elektrochemische Zelle, die drei Bestandteile aufweist, nämlich eine Kathodenbaugruppe, eine Anode und einen nichtwässrigen Elektrolyten. Für die Kathodenbaugruppe wird näher ausgeführt, dass sie einen metallischen Kathodenstromabnehmer mit zwei Hauptflächen und eine Beschichtung umfasst, die Eisendisulfid enthält. Die Anode soll metallisches Lithium enthalten, der Elektrolyt soll Lösungsmittel umfassen. Die erfindungsgemäße elektrochemische Zelle zeichnet sich in Abgrenzung zum Stand der Technik dadurch aus, dass sie ein Anodezu-Kathode-Inputverhältnis von kleiner als oder gleich 1,0 aufweist. Im Verfügungspatentanspruch ist im Einzelnen vorgegeben, wie dieses Verhältnis zu bestimmen ist. Zusätzliche Definitionen und Anhaltspunkte bietet die Beschreibung des Verfügungspatents.

1. Die Antragstellerin hat nicht schlüssig dargelegt, dass die angegriffene Ausführungsform ein Anodezu-Kathode-Inputverhältnis kleiner als oder gleich 1,0 aufweist. Sie hat zwar vorgetragen, das Anodezu-Kathode-Inputverhältnis betrage 0,9392. Auf das Bestreiten der Antragsgegnerinnen hat sie jedoch ihren Vortrag nicht hinreichend konkretisiert. Es war Sache der Antragstellerin, die Berechnung des Anodezu-Kathode-Inputverhältnisses zunächst durch die Angabe der Messwerte und der darauf aufbauenden Berechnungen konkret darzulegen. Die Antragsgegnerinnen durften sich entgegen der Ansicht der Antragstellerin in zulässiger Weise auf ein einfaches Bestreiten des gegnerischen Vortrags beschränken.

a) Der Umfang der jeweils erforderlichen Substantiierung des Sachvortrages lässt sich nur aus dem Wechselspiel von Vortrag und Gegenvortrag bestimmen, wobei die Ergänzung und Aufgliederung des Sachvortrages bei hinreichendem Gegenvortrag immer zunächst Sache der darlegungs- und beweispflichtigen Partei ist (BGH NJW 1991, 3196 m.w.N.). Die Pflicht zur Substantiierung findet ihre Grenze in dem subjektiven Wissen der Parteien und der Zumutbarkeit weiterer Ausführungen. Gegenüber einer Tatsachenbehauptung der darlegungspflichtigen Partei genügt auf Seiten der anderen Partei im Regelfall das "einfache" Bestreiten. Anderes gilt nur, wenn lediglich diese Partei die wesentlichen Tatsachen kennt, während die darlegungspflichtige Partei außerhalb des eigentlichen Geschehensablaufs steht (BGH NJW 1995, 3311, 3312 m.w.N.).

b) Nach diesen Grundsätzen hat die Antragstellerin nicht hinreichend konkret dargelegt, dass die angegriffene Ausführungsform ein Anodezu-Kathode-Inputverhältnis kleiner oder gleich 1,0 hat. Die mit der Darlegung einer Patentverletzung belastete Antragstellerin hat als Anodezu-Kathode-Inputverhältnis der angegriffenen Ausführungsform einen Wert von 0,9392 angegeben. Die Antragsgegnerinnen haben diesen Wert bestritten und ein Anodezu-Kathode-Inputverhältnis größer 1,0 behauptet. Die Antragstellerin hat zur Substantiierung ihrer Behauptung den Untersuchungsbericht X (Anlage ASt 11) einschließlich einer ergänzenden Stellungnahme (ASt 21 und 22) vorgelegt. In dem Bericht werden der Ablauf der an der angegriffenen Ausführungsform durchgeführten Untersuchung und die Berechnungen dargestellt, mit denen die im Verfügungspatentanspruch genannten Faktoren zur Bestimmung des Anodezu-Kathode-Inputverhältnisses berechnet werden. Auf Grundlage dieser Faktoren wird das Anodezu-Kathode-Inputverhältnis der angegriffenen Ausführungsform nach Maßgabe der im Verfügungspatentanspruch genannten Formel errechnet. Laut Untersuchungsbericht hat das Anodezu-Kathode-Inputverhältnis einen Wert von 0,9392, was von den Antragsgegnerinnen bestritten wird.

c) Der auf den Untersuchungsbericht X und die ergänzende Stellungnahme gestützte Vortrag der Antragstellerin genügt nicht für eine hinreichend substantiierte Darlegung eines Anodezu-Kathode-Inputverhältnisses kleiner oder gleich 1,0. Weder für das Gericht, noch für die Antragsgegnerinnen war auf Grundlage des gegnerischen Vortrags überprüfbar, wie der Wert von 0,9392 ermittelt wurde, weil die Antragstellerin nicht die Messergebnisse dargelegt hat, die Ausgangspunkt und Grundlage der gesamten Berechnungen und des letztlich angegebenen Anodezu-Kathode-Inputverhältnisses sind. Darauf haben die Antragsgegnerinnen in zutreffender Weise hingewiesen. Ihr einfaches Bestreiten des angegebenen Anodezu-Kathode-Inputverhältnisses ist in dieser Hinsicht ausreichend.

aa) Der Untersuchungsbericht X stellt im Einzelnen dar, wie die Untersuchung der angegriffenen Ausführungsform erfolgte. Dem Bericht lässt sich zumindest mittelbar entnehmen, dass die Größe der abgeschnittenen Kathodenscheiben - darunter die Dicke der Scheiben - gemessen wurde. Ebenso wurde die Masse und die "richtige Dichte" der Kathodenscheiben bestimmt (Rn 10-11 der Anlage ASt 11). Nach Auflösung der Kathodenscheiben wurde die Menge an Eisen, Aluminium und Lithium, die in einer Probe der Kathodenscheiben enthalten ist, ermittelt (Rn 12 der Anlage ASt 11). Auch die Anodenscheiben wurden hinsichtlich Länge, Breite und Masse gemessen (Rn 14 der Anlage ASt 11), anschließend die Menge an Lithium und Aluminium in einer Anoden-Probe mittels induktiv gekoppelter Plasmaatomemissionsspektroskopie bestimmt (Rn 15 der Anlage ASt 11). Die Antragstellerin trägt jedoch nicht vor, welche Werte sie konkret gemessen hat. In den weiteren Abschnitten des Untersuchungsberichts X wird dargestellt, wie mit Hilfe der gemessenen, aber unbekannten Werte die einzelnen, im Verfügungspatentanspruch angegebenen Faktoren zur Bestimmung des Anodezu-Kathode-Inputverhältnisses berechnet werden (Rn 17-27 der Anlage ASt 11). Lediglich die Ergebnisse dieser Berechnungen und das letztlich ermittelte Anodezu-Kathode-Inputverhältnis werden mitgeteilt.

bb) Die Darstellung des Untersuchungsablaufs und der vorgenommenen Berechnungen tragen zur substantiierten Darlegung des Anodezu-Kathode-Inputverhältnisses nichts bei, wenn die tatsächlichen Messergebnisse der Untersuchung nicht angegeben werden. Zwar lässt sich anhand des Untersuchungsberichts nachvollziehen, welche Berechnungen seitens der Antragstellerin durchgeführt wurden, um das Anodezu-Kathode-Inputverhältnis der angegriffenen Ausführungsform zu bestimmen. Um Tatsachenvortrag handelt es sich dabei jedoch nicht. Der Vortrag der Antragstellerin stellt lediglich eine abstrakte Darstellung von Formeln dar, die in sich zutreffend sein mögen, aber ohne Angabe der Messwerte als Ausgangspunkt der Berechnungen quasi "in der Luft hängen". Die tatsächliche Grundlage für die Behauptung der Antragstellerin, das Anodezu-Kathode-Inputverhältnis betrage 0,9392, bilden allein die im Rahmen der Untersuchung ermittelten Messergebnisse. Ohne deren Angabe ist weder für die Kammer, noch für die Antragsgegnerinnen in nachvollziehbarer Weise überprüfbar, wie die Antragstellerin zu dem von ihr angegebene Wert von 0,9392 gelangt ist.

Gleiches gilt für die Darstellung des Untersuchungsablaufs. Die Antragstellerin mag zwar eine wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Analyse der angegriffenen Ausführungsform durchgeführt haben. Ohne die Angabe der Messergebnisse fehlt den nachfolgenden Berechnungen mit der abschließenden rechnerischen Bestimmung des Anodezu-Kathode-Inputverhältnisses jedoch eine nachprüfbare Anbindung an die durchgeführte Untersuchung. Die Art und Weise, wie die Untersuchung durchgeführt wurde, stellt keine Darlegung des Anodezu-Kathode-Inputverhältnisses dar. Anhand der Untersuchungsbedingungen ist zwar erkennbar, ob die Untersuchungsergebnisse im Rahmen des technisch Möglichen fehlerfrei zustande gekommen sind. Außerdem ermöglichen sie es, die Untersuchung unter denselben Bedingungen zu wiederholen und die ermittelten Ergebnisse zu überprüfen. Das gilt jedoch nicht, wenn die Untersuchungsergebnisse gar nicht bekannt sind. Für die Antragsgegnerinnen besteht daher kein Anlass, die Analyse der angegriffenen Ausführungsform anhand eigener Untersuchungen nachzuvollziehen, wenn die tatsächlich von der Antragstellerin gemessenen Werte nicht mitgeteilt werden.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der ergänzenden Stellungnahme X (Anlage ASt 21 und 22). Darin wird nur mitgeteilt, dass die Anodenabschnitte ungefähr 15 cm² groß und ungefähr 0,1 g schwer waren (Rn 5 der Anlage ASt 22). Diesen Angaben fehlt die Genauigkeit, um die von der Antragstellerin durchgeführten Berechnungen nachvollziehen zu können. Im Übrigen sind die Angaben unvollständig.

cc) Im Hinblick auf diesen begrenzten Tatsachenvortrag der Antragsgegnerin zum Anodezu-Kathode-Inputverhältnis der angegriffenen Ausführungsform durften sich die Antragsgegnerinnen auf ein einfaches Bestreiten des gegnerischen Vortrags beschränken. Ohne nachvollziehbare Darlegung der Messergebnisse seitens der Antragstellerin waren die Antragsgegnerinnen nicht gehalten, ihr Bestreiten näher zu substantiieren und konkrete Angaben zum Anodezu-Kathode-Inputverhältnis aufgrund eigener Untersuchungen oder Produktangaben ihrer Lieferanten zu machen. Der Ausnahmetatbestand, dass die nicht darlegungspflichtige Partei ihr Bestreiten konkretisieren muss, wenn sie die wesentlichen Tatsachen kennt und die darlegungspflichtige Partei außerhalb des eigentlichen Geschehensablaufs steht, ist vorliegend nicht erfüllt. Denn die Antragstellerin hatte die Untersuchungen bereits durchgeführt und es wäre ohne weiteres möglich gewesen, die ihr bekannten Messergebnisse vorzutragen und dadurch ihren bisherigen Vortrag zu konkretisieren. Es ist nicht erkennbar, dass für die Darlegung der Messergebnisse irgendwelche triftigen Hinderungsgründe vorgelegen haben.

dd) Mit der ergänzenden Stellungnahme des Herrn X und dem darauf gestützten Sachvortrag ist die Antragstellerin auch auf Einwendungen der Antragsgegnerinnen im Hinblick auf die verwendeten Messgeräte, die Behandlung der Probe vor und während der Untersuchung, die Berücksichtigung von Messfehlern und Entladungsvorgängen eingegangen. Auch wenn die Antragstellerin durch diesen Vortrag die von den Antragsgegnerinnen vorgebrachten Einwände ganz oder teilweise entkräftet hat, stellt dieser Vortrag nicht die erforderliche Konkretisierung des Anodezu-Kathode-Inputverhältnisses dar. Denn der ergänzende Vortrag der Antragsgegnerinnen betrifft lediglich die Art und Weise, wie die angegriffene Ausführungsform untersucht wurde. Dies stellt jedoch keine substantiierte Darlegung des Anodezu-Kathode-Inputverhältnisses dar.

2. Weiterhin fehlt es an einer schlüssigen Darlegung des Anodezu-Kathode-Inputverhältnisses, weil unklar ist, ob der Aluminium-Anteil in der Anode bei den Berechnungen des Anodezu-Kathode-Inputverhältnisses berücksichtigt wurde und wie sich eine mögliche Vernachlässigung des Aluminium-Anteils auf den Wert des Anodezu-Kathode-Inputverhältnisses auswirkt.

Die Antragsgegnerinnen haben darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin bei der Bestimmung der Foliendicke der Anode den Gewichtsanteil von Aluminium in der Anode vernachlässigt habe, obwohl Aluminium ein fünffach höheres spezifisches Gewicht als Lithium habe. Die Antragstellerin hat darauf erwidert, dass der Aluminium-Anteil so gering sei, dass die Auswirkungen einer Vernachlässigung des Aluminium-Anteils minimal seien. Tatsächlich werde der Wert der Anodenkapazität bei einer Vernachlässigung des Aluminium-Anteils erhöht, weil bei der Berechnung das Gesamtgewicht der Anode und nicht nur das Gewicht des enthaltenen Lithiums berücksichtigt worden sei (vgl. Rn 6 der Anlage ASt 22). Abgesehen davon, dass die Antragstellerin nicht dargelegt hat, in welchem Ausmaß sich die Vernachlässigung des Aluminiumanteils auf die Bestimmung des Anodezu-Kathode-Inputverhältnisses auswirkt, widerspricht dieser Vortrag den Ausführungen in der Stellungnahme X (Anlage ASt 11) und begründet insofern durchgreifende Zweifel an der Schlüssigkeit des Antragstellervortrags. In der Stellungnahme X wird ausgeführt, dass das Gesamtgewicht von Lithium, das mit Hilfe der Plasmaatomemissionsspektroskopie bestimmt wurde, zusammenaddiert, flächenmäßig vereinheitlicht und durch die bekannte Dichte von Lithium geteilt wurde, um die Foliendicke der Anode zu bestimmen (Rn 17 der Anlage ASt 11). Hinsichtlich der Berechnung der Foliendicke der Anode ist keine Rede davon, das Gesamtgewicht der Anode - also einschließlich Aluminium - heranzuziehen. Bei einer Vernachlässigung des Aluminium-Anteils ergibt sich jedoch rechnerisch eine geringere Foliendicke und infolgedessen eine geringere Anodenkapazität (vgl. Rn 18 der Anlage ASt 11) als die angegriffene Ausführungsform tatsächlich aufweist. Wie groß die Abweichung zwischen dem rechnerischen und dem tatsächlichen Wert ist, kann ohne Angabe der Messergebnisse nicht nachvollzogen werden.

Da der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung keinen Erfolg hat, war über den Hilfsantrag zu entscheiden.

Der Hilfsantrag ist ebenfalls unbegründet.

Die Antragstellerin hat einen Verfügungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Ein Unterlassungsanspruch aus Art. 64 Abs. 1, § 139 Abs. 1 PatG besteht nicht, weil die Antragstellerin nicht schlüssig dargelegt hat, dass das Anodezu-Kathode-Inputverhältnis der angegriffene Ausführungsform kleiner als oder gleich 1,0 ist. Zur Begründung wird auf die Ausführungen im Abschnitt A Bezug genommen. Es macht insofern keinen Unterschied, dass nach dem Verfügungspatentanspruch 1 in Kombination mit dem Patentanspruch 2 die Anode aus einer Legierung von metallischem Lithium mit Aluminium besteht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO.

Streitwert: 1.000.000,00 EUR






LG Düsseldorf:
Urteil v. 02.09.2008
Az: 4a O 163/08


Link zum Urteil:
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