Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. Mai 2000
Aktenzeichen: 29 W (pat) 75/99

(BPatG: Beschluss v. 10.05.2000, Az.: 29 W (pat) 75/99)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die für die Dienstleistungen "Betrieb von Technologiezentren; Ausbildung, Fort- und Weiterbildung, Erziehung, Unterricht; Veranstaltung und Durchführung von Seminaren; Veröffentlichung und Herausgabe von Büchern und Druckschriften; Marketing, Marktforschung und Marktanalyse; Organisation und Durchführung von Messen und Ausstellungen; Beratung bei der Organisation und Führung von Technologiezentren, vorgenannte Dienstleistung, soweit in Klasse 35 enthalten; Vermittlung des organisatorischen und betriebswirtschaftlichen Knowhows von Technologiezentren; Immobilienwesen, nämlich Erwerb, Anmietung und Vermietung von Immobilien; Information über Materialbearbeitung; Entwicklung von Programmen für die Datenverarbeitung, soweit in Klasse 42 enthalten; Dienstleistungen eines Ingenieurs; Forschung auf dem Gebiet der Verwertung von Altmaterial und Reststoffen; technische Beratung und gutachterliche Tätigkeit; Werkstoffprüfung" eingetragene Markesiehe Abb. 1 am Endeist unbeschränkt Widerspruch eingelegt worden aus der prioritätsälteren Marke Nr. 2068661 siehe Abb. 2 am Endedie für "Beratung, Erstellung von Analysen und Veranstaltung von Informations- und Schulungsseminaren auf dem Gebiet der Bearbeitung, Ausrüstung und Farbgebung von Textilien, insbesondere bei der Auswahl und dem Einsatz von Grundchemikalien, Farbstoffen und Hilfsmitteln hierfür" eingetragen ist.

Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patentamts hat den Widerspruch mit Beschluß vom 26. Oktober 1998 zurückgewiesen, weil keine Gefahr der Verwechslung der beiden Marken im Verkehr bestehe. Nach ihrer Auffassung kommen die Dienstleistungen der Marken sich bis zur Identität nahe. Dieser verwechslungsfördernde Umstand könne aber dahingestellt bleiben, weil in jedem Falle die Markenähnlichkeit fehle. Die Widerspruchsmarke sei kennzeichnungsschwach, weil sie an die Bezeichnung "ECOTEXTIL(IEN)", allenfalls an eine dementsprechende beschreibende Angabe angelehnt sei; im weiteren könne dahinstehen, ob "eco-", "ökologisch" oder "ökonomisch" bedeute. In ihren aus Rechtsgründen minimalen Schutzbereich falle die jüngere Marke ihrem Gesamteindruck nach nicht. Markenähnlichkeit bestehe aber auch dann nicht, wenn "ecotex" dem isolierten Teil "ECO TEXTIL" der jüng. Marke gegenüberstehe. Es bestehe auch keine assoziative Verwechslungsgefahr, da kein Assoziationen fördernder Stammbestandteil vorhanden sei; insbesondere "eco", aber auch "tex" eigneten sich hierzu nicht.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde macht die Widersprechende geltend, die Widerspruchsmarke sei nicht kennzeichnungsschwach; sie sei nicht an den Ausdruck "ECOTEXTIL(IEN)" angelehnt, was für die beanspruchten Dienstleistungen auch in der Sache nicht zutreffen könne. Zudem habe die Markenstelle keine Feststellungen zum beschreibenden Charakter dieses Worts getroffen. Der Bestandteil "Eco" sei unbestimmt, er bedeute nämlich zugleich "ökologisch" und "ökonomisch" und sei im Inland allenfalls als "Öko", nicht als "Eco" gebräuchlich. Beide Marken würden durch das graphisch hervorgehobene "Eco" markenmäßig geprägt, denn in der jüngeren Marke sei der Teil "Technologiezentrum" rein beschreibend und "tex" bzw. "TEXTIL" seien jedenfalls für maßgebliche Teile des Verkehrs an eine beschreibende Angabe entfernt angelehnt. Aber selbst bei Zugrundelegung des Gesamteindrucks der Marken "ecotex" und "ECO-TEXTIL" überwögen die Übereinstimmungen, insbesondere die Wortanfänge, zumal die jüngere Marke die Widerspruchsmarke identisch enthalte.

Die Widersprechende beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben unddie angegriffene Marke zu löschen Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigt den angefochtenen Beschluß und führt hierzu aus, auf die Ähnlichkeit der Dienstleistungen komme es wegen fehlender Markenähnlichkeit nicht an. Die Widerspruchsmarke sei als Kombination zweier beschreibender Elemente äußerst kennzeichnungsschwach; dabei sei im Hinblick auf "-tex" der Bestandteil "eco" als "ökologisch" und nicht als "ökonomisch" zu verstehen, denn letzteres ergäbe den unpassenden Sinn "wirtschaftliche Textilien". Die Interpretation "ökologisch" gebrauche auch die Widersprechende z.B. auf ihrer Website, in dieselbe Richtung deuteten daneben die äußerst zahlreichen Drittzeichen mit dem Bestandteil "Eco". Die Kennzeichnungskraft sei auch durch weitere, völlig identische "Ecotex"-Marken beeinträchtigt. Das Element "tex" sei ohnehin beschreibend, was die Widersprechende auch früher anerkannt habe. Bei dieser Sachlage sei der Schutzbereich der Widerspruchsmarke auf ihr konkretes Erscheinungsbild beschränkt, und der Verkehr achte auf kleinste Markenunterschiede. Die Widerspruchsmarke sei aber schriftbildlich in gängiger Weise gestaltet, während die jüngere Marke graphisch auffalle. Im übrigen wirkten beide Teile der Widerspruchsmarke gleichgewichtig, "eco" sei darin schriftbildlich und begrifflich nicht hervorgehoben. Ebenso sei "eco" in der jüngeren Marke in die Gesamtheit ihrer Merkmale eingebettet.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II.

Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig, in der Sache bleibt sie jedoch ohne Erfolg. Es besteht keine Gefahr von Verwechslungen der angegriffenen Marke mit der Widerspruchsmarke (§ 42 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG).

Nach der Auslegung von Art. 4 Abs. 1 Buchst. B der Markenrechtsrichtlinie durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften EuGH GRUR Int 1998, 56, 57 "Sabèl/Puma"), die für die Auslegung der in Umsetzung dieser Richtlinienbestimmung erlassenen Vorschrift des § 9 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG von maßgeblicher Bedeutung ist, ist die Frage der Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Zu den dabei maßgeblichen Umständen gehören insbesondere der Bekanntheitsgrad der Widerspruchsmarke, die gedankliche Verbindung, die das jüngere Zeichen zu ihr hervorrufen kann, sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den Marken und zwischen den damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen (vgl. Markenrechtsrichtlinie, 10. Erwägungsgrund). Bei der umfassenden Beurteilung ist hinsichtlich der Ähnlichkeit der Marken auf den Gesamteindruck abzustellen, den diese hervorrufen, wobei insbesondere die sie dominierenden und die sie unterscheidenden Elemente zu berücksichtigen sind. Hierbei kommt es entscheidend darauf an, wie die Marke auf den Durchschnittsverbraucher der jeweils in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen wirkt (vgl. BGH GRUR 1996, 198 "Springende Raubkatze"; BGHZ 131, 122, 124f. "Innovadiclophont"). Schließlich impliziert die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr eine gewisse Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen. So kann ein höherer Grad der Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen durch einen geringeren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (EuGH GRUR Int. 1998, 875, 876f. "Canon"; BGH GRUR 1999, 731 "Canon II"; GRUR 1999, 995, 997 "HONKA"). Nach diesen Grundsätzen besteht vorliegend keine rechtlich relevante Gefahr von Markenverwechslungen.

Die Dienstleistungen der Widerspruchsmarke sind mit den Ausbildungs-, Informations-, und Beratungsdienstleistungen der angegriffenen Marke teilweise identisch. Im Ausgangspunkt ist daher ein deutlicher Markenabstand erforderlich. Im Übrigen treffen allerdings teils weniger ähnliche, teils sogar unähnliche Dienstleistungen (insbesondere der Klasse 36) aufeinander, so daß im letzteren Fall eine Verwechslungsgefahr schon aus diesem Grund ausscheidet. Die Dienstleistungen der Widerspruchsmarke wenden sich ausschließlich an Fachleute des Textilwesens, die üblicherweise über Marken auf ihrem Fachgebiet gut unterrichtet sind und neuen Kennzeichnungen mit größerer Aufmerksamkeit begegnen als das breite Publikum, so daß insoweit schon geringere Markenunterschiede bemerkt werden.

Ebenfalls verwechslungsmindernd wirkt sich die geringe Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke aus. Sie ist aus zwei Abkürzungen mit beschreibenden Anklängen zusammengesetzt. So versteht der inländische Verkehr die weit verbreitete Silbe "eco", abgeleitet von dem englischen Parallelbegriff, ohne weiteres als "ökologisch" (vgl. Duden-Oxford, Großwörterbuch Englisch, 1999, zum Stichwort "eco"). Daneben ist die Bedeutung "ökonomisch" möglich; die Dienstleistungen der Widerspruchsmarke geben hierzu keine eindeutige Interpretationshilfe, zumal vor allem Aspekte der Ökologie, aber auch der Ökonomie ein wichtiges Thema der Textil-Informations-Dienstleistungen der Marke sind. So verbleibt insofern eine gewisse Mehrdeutigkeit. Auf das Textilgebiet verweist der Bestandteil "tex" der Widerspruchsmarke deutlich. Gleichwohl eignet dieser Verkürzung noch ein Rest von Phantasie, zumal "tex" auch eine Maßeinheit im Textilwesen bezeichnet (s. z.B. Duden, Wörterbuch der Abkürzungen, 3. Aufl., zum Stichwort "tex"). Somit legen beide Markenteile "eco" und "tex" zwar nahe, daß die Dienstleistungen der Widerspruchsmarke i.e.L. ökologische Aspekte bei Textilien zum Gegenstand haben. Die Kombination aus beiden Wortverkürzungen verschafft der Marke aber noch eine, wenn auch geringe, kennzeichnende Wirkung. Unter Berücksichtigung der vorgenannten Faktoren sind an den Abstand der Marken allenfalls mittlere Anforderungen zu stellen, denen die angegriffene Marke gerecht wird.

Bei der Beurteilung der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr ist grundsätzlich auf den Gesamteindruck der gegenüberstehenden Marken abzustellen (st. Rspr., vgl. BGH BlPMZ 1997, 28 f. "Joy"-"Foot-Joy"; Mitt. 1996, 285 f. "Sali Toft"), der hier schon deshalb deutlich verschieden ist, weil der aus zwei Wortteilen zusammengesetzten Widerspruchsmarke eine aus drei Wortteilen gebildete Marke gegenübersteht, deren Bestandteile zudem bildlich deutlich anders angeordnet und in unterschiedlichen Schriftgrößen und -schnitten ausgebildet sind. Bei vollständiger Betrachtung oder Benennung der Marken sind die klanglichen, bildlichen und begrifflichen Unterschiede unverkennbar und schließen eine Verwechslungsgefahr aus.

Allerdings kann ausnahmsweise einem Zeichenbestandteil eine besondere, eine Kombinationsmarke prägende Wirkung beigemessen werden und dann eine Verwechslungsgefahr auf die Ähnlichkeit dieses Bestandteils mit einer anderen Bezeichnung gestützt werden. Dies kommt in Betracht, wenn ein Markenelement den Gesamteindruck der Marke prägt oder wesentlich mitbestimmt (BGH GRUR 1976, 353, 354 "COLORBOY"; GRUR 1996, 198, 200 "Springende Raubkatze"; BPatG GRUR 1996, 406, 407 "JUWEL"). Die Feststellung der prägenden Wirkung eines Markenteils darf indessen auch bei komplex aufgebauten Marken, wie etwa vorliegend die jüngere Marke, nicht mit Blick auf die Gegenmarke erfolgen, da diese Wirkung sich allein aus der Struktur der betreffenden Marke selbst ergibt (BGH GRUR 1996, 198, 199 "Springende Raubkatze"; GRUR 2000, 233, 234 "RAUSCH/ELFI RAUCH").

In der jüngeren Marke kommt allenfalls der Bestandteil "eco" als markenprägend in Betracht. Er ist jedenfalls schriftbildlich deutlich herausgehoben und bietet sich aus dem weiteren Grund noch am ehesten zur Benennung der Marke an, weil der Verkehr hierfür die glatt beschreibenden Begriffe und in der Schriftgröße stark zurücktretenden "Technologiezentrum" und "TEXTIL" vermeiden wird. Dies gilt auch für die Kombination "eco/TEX". Ist schon "TEXTIL" zur (Mit-)Kennzeichnung ungeeignet, so hat der Verkehr erst recht keinen Anlaß, neben "eco" daraus den Bestandteil "tex" durch zusätzliche Gedankenarbeit herauszuarbeiten und ihm damit eine - ohnehin nur geringfügige - kennzeichnende Wirkung beizulegen. Es handelt sich vorliegend daher nicht um den Fall, daß ein Markenteil in der Gegenmarke vollständig enthalten ist und die angefügte Endung branchenüblich ist (wie etwa im Falle BGH GRUR 1998, 924 "salvent/Salventerol").

Auch der als Gemeinsamkeit der Marken schließlich in Betracht kommende Bestandteil "eco" verursacht keine Verwechslungsgefahr. Er vermag zwar, wie die Widersprechende zutreffend geltend macht, die jüngere Marke zu prägen, dies jedoch, wie oben zur Widerspruchsmarke ausgeführt, nur auf der Grundlage geringer Kennzeichnungskraft. Dem Bestandteil "eco" der Widerspruchsmarke fehlt indessen diese prägende Wirkung. Wie oben ausgeführt, ist die Widerspruchsmarke aus zwei nur schwach kennzeichnenden Bestandteilen zusammengesetzt. Der prägende Charakter eines Markenbestandteils hängt jedoch von dessen Kennzeichnungskraft ab, so daß kennzeichnungsschwachen Elementen die Eignung fehlt, eine Marke zu prägen. Auch genügt es für die Annahme einer kollisionsbegründend prägenden Eigenständigkeit des Markenelements nicht, daß dieses den anderen Markenelementen an Kennzeichnungskraft bloß gleichwertig ist (BGH a.a.O., "RAUSCH/ELFI RAUCH"). Der Verkehr wird daher die Widerspruchsmarke regelmäßig in Gänze mit "ecotex" wiedergeben, so daß - gerade im Hinblick auf die Kennzeichnungsschwäche beider Vergleichsmarken - die Markenunterschiede auch in klanglicher Hinsicht noch ausreichend zu Tage treten und Verwechslungen ausschließen.

Bei dieser Sachlage ergeben sich auch keine Anhaltspunkte für eine assoziative Verwechslungsgefahr. Zum einen fehlt der Widerspruchsmarke ein Wortelement, das sich als kennzeichnungskräftiger Stammbestandteil einer Markenserie eignet, zum anderen weisen die Vergleichsmarken keine übereinstimmende Serienstruktur auf.

Zu einer Auferlegung von Kosten gem. § 71 MarkenG besteht keine Veranlassung.

Dr. Vogel von Falckenstein Friehe-Wich Guth Fa Abb. 1 http://agora/bpatgkollision/docs/29W(pat)75-99.1.3.gif Abb. 2 http://agora/bpatgkollision/docs/29W(pat)75-99.2.3.gif






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