Oberlandesgericht München:
Beschluss vom 12. Januar 2011
Aktenzeichen: 6 W 2399/10

(OLG München: Beschluss v. 12.01.2011, Az.: 6 W 2399/10)

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 25.8.2010 wird zurückgewiesen.

2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Wegen des Sachverhalts wird auf den angefochtenen Beschluss vom 25.8.2010 unter I. verwiesen, mit der der Antragstellerin nach übereinstimmender Erledigterklärung die Kosten des Verfahrens auferlegt wurden mit der Begründung, es lägen keine sicheren Erkenntnisse dahingehend vor, dass der Antragsgegner die behauptete Urheberrechtsverletzung - Vervielfältigung und Nutzung der Software m... O... -begangen habe.

In dem Gutachten (21 OH 14365/09) sei der Sachverständige zu dem Ergebnis gelangt, dass zwar auffällige Umstände festgestellt worden seien. Letztlich sei er aber keine sicheren Erkenntnisse betreffend das Vorhandensein des Programms m... O... auf Servern, die dem Antragsgegner zuzurechnen seien, zu gewinnen gewesen. Hinsichtlich der Datei lnfo.pl sei im Hinblick auf den widersprüchlichen Sachvertrag kein sicherer Schluss auf eine Urheberrechtsverletzung möglich. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der vom Antragsgegner eingeräumten vorübergehenden Speicherung der Software auf einem Server der Firma K... während seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der Antragstellerin. Dies stelle keine Verletzung der Rechte der Klägerin dar, denn werde der Sachvortrag des Antragsgegners unterstellt, habe es sich dabei lediglich um eine im Rahmen der Geschäftsführertätigkeit ordnungsgemäß vorgenommene Sicherung der Abläufe im Verhältnis der Antragstellerin zu ihren Kunden gehandelt. Die von der Antragstellerin vorgebrachten Zweifel reichten nicht aus, um von der Unrichtigkeit der eidesstattlichen Versicherung des Antragsgegners auszugehen. Diese Frage sei ohne eine - nach Erledigterklärung nicht mehr mögliche Beweisaufnahme - nicht zu klären. Für die weiteren von der Antragstellerin angeführten Indizien, wie etwa die E-Mail gemäß Anlage Ast 48a - kämen dieselben Überlegungen zum Tragen. Eine Veränderung der Sachlage gegenüber dem Zustand vor Durchführung des Beweissicherungsverfahrens sei nicht festzustellen. Eine Rechtsverletzung des Antragsgegners sei zwar einigermaßen wahrscheinlich, stehe aber nicht fest.

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit der sofortigen Beschwerde vom 7.9.2010, eingegangen am 9.9.2010.

Die Antragstellerin vertritt die Auffassung, dass bei der Kostenentscheidung materielle Besichtigungsfragen und materielle Verletzungsfragen nicht miteinander vermengt werden dürften. Für die Kostenfrage könne es nicht auf Feststellungen des Sachverständigen oder das tatsächliche Ergebnis der Besichtigung ankommen. Entscheidend sei allein, ob die Voraussetzungen des Besichtigungsanspruchs nach § 101a UrhG vorgelegen hätten. Dieser sei nicht davon abhängig, ob eine Verletzung von Rechten tatsächlich vorliege. Auch wenn sich eine Verletzung nicht bestätige, habe der Antragsteller nicht die Kosten des Besichtigungsverfahrens zu tragen. Der gegenteiligen Auffassung des Landgerichts sei nicht zu folgen. Die Kostentragungspflicht des Antragsgegners rechtfertige sich aus der Regelung des § 101a Abs. 5 UrhG. Denn der Antragsgegner habe die Möglichkeit, die Kosten des Verfügungsverfahrens gegebenenfalls als Schadensersatz in einem späteren Verfahren geltend zu machen, wenn und soweit sich eine Schadensersatz in einem späteren Verfahren geltend zu machen, wenn und soweit sich eine Rechtsverletzung nicht bestätigen sollte. Auch ein entgegenstehender Sachvortrag könne nichts an der Kostenlast des Antragsgegners ändern. Denn hierdurch könne die mutmaßliche Rechtsverletzung nicht verneint werden. Eine andere Sichtweise sei mit dem Sinn und Zweck der Durchsetzung des Besichtigungsanspruchs in einem Eilverfahren nicht zu verneinen. Die von der Antragstellerin vorgetragenen Verdachtsmomente seien auch weiterhin gegeben, wie auch das gegen den Antragsgegner eingeleitete Ermittlungsverfahren belege. Dass erhebliche Verdachtsmomente vorlägen, habe auch das Gericht bestätigt. Auf die vom Landgericht angeführten Argumente, wonach eine Rechtsverletzung nicht mit der erforderlichen Sicherheit angenommen werden könne, komme es im Rahmen der Kostenentscheidung jedoch nicht an.

Die Antragstellerin beantragt,

den angefochtenen Beschluss aufzuheben und dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Der Antragsgegner beantrage,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Der Antragsgegner verteidigt die angegriffene Entscheidung (Schriftsatz vom 27.9.2010). Habe die Besichtigung keine Klarheit über die Verletzungsfrage erbracht, habe die Antragstellerin die Kosten des Verfahrens zu tragen. Zudem habe es weder bei Erlass der einstweiligen Verfügung einen nachvollziehbaren Verdacht für eine Urheberrechtsverletzung gegeben, noch bestehe ein solcher heute. Dies gelte bereits deshalb, weil es auf Seiten der Antragstellerin an der insofern erforderlichen Aktivlegitimation mangele. Sie sei nicht Inhaberin von ausschließlichen Nutzungsrechten an dem Programm "m... O...".

Das Landgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 22.10.2010 nicht abgeholfen. Zwar genüge für das Bestehen eines Besichtigungsanspruchs, dass eine hinreichende Wahrscheinlichkeit einer Rechtsverletzung bestehe. Bei einer Kostenentscheidung nach §91 a ZPO erscheine es jedoch nicht gerechtfertigt, bei einem sich nicht erhärtenden Verdacht das Ausgangsrisiko des Besichtigungsverfahrens dem Antragsgegner aufzuerlegen. Dies gelte jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden, in denen unsichere Verdachtsmomente am unteren des Rand § 101a UrhG auch nach der Besichtigung unsicher geblieben seien.

II.

11Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 91a Abs. 2, § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft und, da form- und fristgerecht eingelegt, auch zulässig. In der Sache bleibt sie ohne Erfolg. Das Landgericht hat mit eingehender und zutreffender Begründung ausgeführt, dass die Belastung der Antragstellerin mit den Kosten des Verfahrens billigem Ermessen im Sinne von §91a Abs. 1 Satz 1 ZPO entspricht.

1. Die Beurteilung des Landgerichts, das in dem Verfahren 21 OH 14365/09 (vgl. hierzu auch den Beschluss des Senats vom 11.3.2010 - 6 W 610/10) eingeholte Sachverständigengutachten habe den Vorwurf der Urheberrechtsverletzung nicht bestätigt, wird von der Beschwerde nicht in Zweifel gezogen.

2. Entgegen der Auffassung der Beschwerde ist für die Kostentragung nicht allein darauf abzustellen, ob die Voraussetzungen für den Erlass der Besichtigungsanordnung und der Duldungsverfügung vorlagen. Auf die strittige Frage der Aktivlegitimation der Antragstellerin - Inhaberschaft von ausschließlichen Nutzungsrechten an der Software m... O... - kommt es deshalb nicht an.

a. Wie vom Landgericht zutreffend ausgeführt, wird in Fällen, in denen das Gutachten - wie vorliegend - keine Klarheit hinsichtlich der Verletzungsfrage gebracht hat, die Auffassung vertreten, dass dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens nicht aufzuerlegen sind. Dies wird damit begründet, dass die Duldungsverfügung die im Rahmen des selbständigen Beweisverfahrens getroffene Besichtigungsanordnung nur begleite und die Kosten des Beweisverfahrens nur erstattet verlangt werden könnten, wenn der Antragsteller in einem nachfolgenden Verletzungsverfahren obsiege. Dies gelte auch, wenn, wovon das Landgericht ausgegangen ist, von einer Wahrscheinlichkeit einer Urheberrechtsverletzung auszugehen ist (Schulte/Kühnen, PatG, 8. Aufl., § 140c Rn. 72; ders. Mitt. 2009, 216, 217 re. Sp.; Kühnen/Geschke, Die Durchsetzung von Patenten in der Praxis, 4. Aufl., Rdn. 458; ebenso Schramm/Oldekop, Der Patentverletzungsprozess, 6. Aufl., Kap. 9 Rn. 181).

b. Demgegenüber verweist die Antragstellerin auf die Entscheidung des OLG Frankfurt MMR 2006, 820, 822 und auf Zöllner, GRUR-Prax 2010, 74 wonach für die Kostenentscheidung maßgeblich sei, ob zum Zeitpunkt des Erlasses der Besichtigungsanordnung deren tatbestandlichen Voraussetzungen - hinreichende Wahrscheinlichkeit für eine Schutzrechtsverletzung - vorlagen oder nicht. Auch Müller-Stoy (Nachweis und Besichtigung des Verletzungsgegenstandes im deutschen Patentrecht, 2008, Rn. 283 f) sieht keine Rechtfertigung dafür, dass eine Kostenerstattungspflicht des Antragsgegners nur dann eingreifen solle, wenn eine Schutzrechtsverletzung vorliege und zwar unabhängig davon, ob die Voraussetzungen für die Geltendmachung eines Besichtigungsanspruches vorlagen oder nicht (ebenso Formm/Nordemann/Czychowski, UrhG, 10. Aufl., § 101a Rn. 34 a.E.).

c. Zu der Kostenverteilung nach § 91a bei übereinstimmender Erledigterklärung einer Duldungsverfügung hat der Senat im Beschluss vom 19.3.2010 - 6 W 832/10 (veröffentlicht in InstGE 12, 186 Tz. 26) die Auffassung vertreten, dass bei der Kostenentscheidung auch das Ergebnis der Besichtigung zu berücksichtigen ist. Hieran ist festzuhalten.

17Auch wenn, worauf das Landgericht im Nichtabhilfebeschluss bereits zutreffend hingewiesen hat, für den Erlass einer Besichtigungsanordnung nebst Duldungsverfügung vom Antragsteller nur eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für eine Schutzrechtsverletzung darzutun ist, lässt sich daraus nicht der Grundsatz herleiten, dass auch im Rahmen der nach billigem Ermessen zu treffenden Kostenentscheidung nur zu prüfen ist, ob die einstweilige Verfügung nach dem Sachstand ihres Erlasses sachlich gerechtfertigt war oder nicht. Die Durchsetzung eines Besichtigungsanspruchs dient keinem "Selbstzweck". Vielmehr handelt es sich dabei um einen Hilfsanspruch zur Ermöglichung der Durchsetzung von Ansprüchen wegen Schutzrechtsverletzung (vgl. BGH GRUR 2002, 1046, 1047 unter II.1 - Faxkarte; ebenso WRP 2010, 902 zur Frage der Streitwertbemessung unter Hinweis auf den Hilfscharakter des Anspruchs), sodass die Berücksichtigung des Ergebnisses des Besichtigungsverfahrens, nämlich ob es zum Nachweis einer Schutzrechtsverletzungsverletzung brauchbare Ergebnisse gebracht hat, nicht als sachwidrige Vermengung der Voraussetzungen des Besichtigungsverfahrens mit der Verletzungsfrage angesehen werden kann. Dies wird auch durch die Regelung des selbständigen Beweisverfahrens (Besichtigungsanordnung) belegt. Eine Kostentragungspflicht kann der Antragsteller eines Besichtigungsverfahrens insoweit nur dann erreichen, wenn er in einem nachfolgenden Verfahren den Nachweis einer Schutzrechtsverletzung erbringen kann, worauf die oben unter a) genannte Auffassung maßgeblich abstellt.

d. Der Senat hat im Beschluss vom 19.3.2010 (aaO) auch ausgeführt, dass sich eine gegenteilige Beurteilung auch nicht aus der Regelung zur Schadensersatzpflicht (§ 101a Abs. 5 UrhG) herleiten lässt. Hierauf wird verwiesen.

3. Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

4. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren entspricht den in erster Instanz angefallenen Verfahrenskosten, die, da bezifferbar, keiner Festsetzung bedürfen.

5. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde bei Kostenentscheidungen nach § 91a ZPO kommt nicht in Betracht; in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes scheidet sie gemäß § 574 Abs. 1 Satz 2, § 542 Abs. 2 ZPO ohnehin aus.






OLG München:
Beschluss v. 12.01.2011
Az: 6 W 2399/10


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/eba7bfe7dd96/OLG-Muenchen_Beschluss_vom_12-Januar-2011_Az_6-W-2399-10




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share