Landgericht Arnsberg:
Urteil vom 6. April 2006
Aktenzeichen: 8 O 10/06

(LG Arnsberg: Urteil v. 06.04.2006, Az.: 8 O 10/06)

Tenor

hat die Kammer für Handelssachen des Landgerichts Arnsberg auf die mündliche Verhandlung vom 02. März 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht als Vorsitzenden

für R e c h t erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zur Dauer von 6 Monaten, zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr, zu Zwecken der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren- oder Dienstleistungen des eigenen oder eines fremden Unternehmens anzukündigen,

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und/oder solchermaßen beworbene Aktionen durchzuführen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu voll-streckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger ist eine Wettbewerbsvereinigung im Sinne des § 8 III Nr. 2 UWG. Die Beklagte repariert gewerblich Kraftfahrzeuge.

Die Beklagte warb am 27.09.2005 in der Zeitung "Z." mit folgender Werbeanzeige:

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Der Kläger beanstandete die Werbung als unter anderem nach §§ 3, 4 Ziffer 11 UWG in Verbindung mit § 263 StGB wettbewerbswidrig. Er hat die Beklagte deswegen unter dem 20.10.2005 vergeblich abgemahnt und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert.

Der Kläger meint, die Werbung der Beklagten sei unlauter, weil sie dazu "diene, eine etwaige Selbstbeteiligung im Rahmen einer Kaskoversicherung zu umgehen bzw. dem Kunden einen Vorteil zu verschaffen, der auf Kosten des Versicherers gewährt wird, aber über den tatsächlichen entstandenen Schaden, bzw. dessen Höhe, getäuscht wird."

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zur Dauer von 6 Monaten, zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr, zu Zwecken der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren- oder Dienstleistungen des eigenen oder eines fremden Unternehmens anzukündigen,

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Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, ihre Werbung sei lauter. Sie macht dafür geltend:

Die fragliche Werbung für die Reparatur von Hagelschlagschäden sei nicht mit der entsprechenden Werbung für die Reparatur von Kfz-Scheibenschäden vergleichbar, die nach §§ 3, 4 Ziffer 11 UWG in Verbindung § 263 StGB unlauter sei. Bei Hagelschlagreparaturen stünden die Kosten dafür immer vorher fest, weil - so die Behauptung der Beklagten - vorher immer auf Veranlassung der eintrittspflichtigen Versicherungen, z. B. der A. - und der B. Versicherung entsprechende Gutachten eingeholt würden. Damit bestünde für alle Beteiligten, das reparierende Unternehmen, den Auftraggeber und dessen Versicherung Klarheit über den Reparaturpreis. Eine Aufspaltung dieses Preises in einen tatsächlich von dem Auftraggeber zu zahlenden Reparaturpreis und einen für seine Abrechnung mit der Versicherung, dem maßgeblichen Grund für die Unlauterkeit der Wettbewerbswidrigkeit der Glasreparaturwerbung mit Selbstbeteiligungsvergütung bei der entsprechenden Werbung für Hagelschlagreparaturen scheidet damit aus.

Dazu komme, dass Versicherer, z. B. die genannten, ihren Versicherungsnehmern Selbstbeteiligung von 150,00 € erlassen, wenn sie Hagelschlagreparaturen bei "Vertragsunternehmen" der Versicherung durchführen lassen. Ihre beanstandete Werbung korrespondiere damit.

Danach scheide eine Täuschung der Versicherungswirtschaft und die Förderung eines Betruges zu deren Lasten durch die beanstandete Werbung aus, weil der zu zahlende Reparaturpreis objektiv durch das zuvor eingeholte Gutachten feststehe und sie, die Beklagte, dem Kunden den Rabatt von 150,00 € aus ihrem Gewinn bezahlen müsse. Wirtschaftlich sei es gleich, ob die Versicherung auf die Anrechnung des Selbstbehaltes gegenüber ihrem Versicherungsnehmer verzichte, oder ob sie, die Beklagte, dem Versicherungsnehmer als ihrem Kunden bei Erteilung eines Reparaturauftrages einen Rabatt in Höhe des Selbstbehaltes gewähre.

Gründe

Die Klage ist begründet.

Der Kläger kann von der Beklagten gem. § 8 I, III Nr. 2, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 263 StGB die begehrte Unterlassung verlangen.

Die Beklagte wirbt unlauter. Sie bietet mit der beanstandeten Werbung potentiellen Kunden mit der Barvergütung für Hagelschlagreparaturaufträgen bei Kaskoabwicklung ab 1.000,00 € Schaden die Möglichkeit, ihre eintrittspflichtige Versicherung bei der Schadensregulierung zu deren Lasten über die Höhe der tatsächlich angefallenen Reparaturkosten zu täuschen.

Der Versicherungsnehmer hat bei einer Schadensversicherung gegen den Versicherer nur einen Anspruch darauf, dass der Schadensregulierung die tatsächlich angefallenen und nicht etwa höhere in Rechnung gestellte Reparaturkosten zugrunde gelegt werden. Der tatsächliche Reparaturpreis für einen "1.000,00 € Schaden bei Kasko-Abwicklung" beträgt nach der Werbung der Beklagten 850,00 € (1.000,00 € abzüglich 150,00 € Barvergütung für die Auftragserteilung). Dass die Beklagte später in der Reparaturrechnung die Reparatur dieses "1.000,00 €-Schadens" auch mit 1.000,00 € berechnet, ändert daran nichts. Aus der maßgeblichen Sicht desjenigen, um dessen Reparaturauftrag geworben wird, ist nur der Betrag maßgeblich, den er tatsächlich für die Reparatur aufzuwenden hat. Für ihn ist es aber im Verhältnis zu demjenigen, den er mit der Reparatur beauftragt, ein und das selbe, ob er von jenem 150,00 € bar und eine Rechnung mit einem entsprechenden höheren Reparaturpreis erhält oder keine Barvergütung und eine Reparaturrechnung über nur 850,00 €. Für die eintrittspflichtige Versicherung des Auftraggebers ist dagegen wesentlich, ob die ihr vorgelegte Reparaturrechnung den tatsächlichen oder einen um die Barvergütung von 150,00 € erhöhten Reparaturpreis ausweist. Sie läuft im letzten Fall Gefahr, in dem berechneten Reparaturpreis den für ihre Eintrittspflicht maßgeblichen tatsächlichen Reparaturpreis zu sehen, den geltend gemachten Schaden danach zu hoch zu ihren Lasten zu regulieren und damit dem Versicherungsnehmer einen Vermögensvorteil zu gewähren, auf den er keinen Anspruch hat.

Diese Gefahr besteht nur dann nicht, wenn die Rechnung, was hier ausscheidet, auch die Barvergütung für die Auftragserteilung als Nachlass auf den Reparaturpreis ausweist oder wenn die jeweilige Versicherung aus anderen Gründen den jeweiligen tatsächlichen Reparaturpreis kennt. Die Beklagte behauptet dazu, alle eintrittspflichtigen Versicherungen würden bei allen kaskoabzuwickelnden Hagelschlagschäden über 1.000,00 € zunächst ein Sachverständigengutachten über die Höhe der Reparaturkosten einholen lassen und hätten deshalb bei der Regulierung Kenntnis von den tatsächlich anfallenden Reparaturkosten.

Das Gericht ist dieser Behauptung nicht mit einer Beweisaufnahme nachgegangen. Sie geht offensichtlich zu weit und ist zudem unsubstantiiert. Die Werbung der Beklagten richtet sich an jedermann in ihrem Verbreitungsbereich, mag er sich dort ständig aufhalten oder nur vorübergehend. Das können In- und Ausländer sein. Sie können bei in- und ausländischen Unternehmen mit ihren Fahrzeugen versichert sein. Der Kreis der betroffenen Versicherungen ist damit auch nicht nur einigermaßen zuverlässig eingrenzbar. Dazu kommt, dass es allgemein und gerichtsbekannt zumindest Ausnahmen von der nach der Beklagtenbehautpung allgemeinen Übung gibt, dass Versicherungen vor der Reparatur der fraglichen Hagelschäden den Reparaturpreis gutachterlich feststellen lassen. Danach reicht es zur Konkretisierung der offensichtlich zu weitgehenden Behauptung der Beklagten nicht aus, mit der A. - und B. Versicherung zwei einschlägige Versicherungen zu nennen und auf die Möglichkeit weiterer Benennungen hinzuweisen.

Zu der Argumentation der Beklagten ist im übrigen auch zu sehen, dass eine vorherige Begutachtung nicht zwingend dazu führen muss, dass der danach kalkulierte, oftmals tatsächlich nur geschätzte Reparaturaufwand den später anfallenden Reparaturbetrag genau trifft.

Nach alle dem vermag das Gericht die strittige Werbung nicht anders als die entsprechende Werbung in den Glasschadensfällen nur als unlauter zu werten.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 ZPO und die über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 ff. ZPO.






LG Arnsberg:
Urteil v. 06.04.2006
Az: 8 O 10/06


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