Bundespatentgericht:
Beschluss vom 5. April 2001
Aktenzeichen: 34 W (pat) 51/99

(BPatG: Beschluss v. 05.04.2001, Az.: 34 W (pat) 51/99)

Tenor

Auf die Beschwerden der Einsprechenden wird der Beschluß der Patentabteilung 22 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 28. Juli 1999 aufgehoben und das Patent widerrufen.

Die Kostenanträge der Einsprechenden II, III und IV werden zurückgewiesen.

Gründe

I Mit dem angefochtenen Beschluß hat die Patentabteilung das Patent in vollem Umfang aufrechterhalten. Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Einsprechenden I.

Die Patentansprüche haben folgenden Wortlaut:

1. Palettenbehälter für Flüssigkeiten, mit einem Innenbehälter aus Kunststoff mit je einer verschließbaren Einfüll- und Auslaßöffnung und einem an dem Innenbehälter anliegenden Außenmantel aus Metall sowie einem als Palette ausgebildeten Boden, wobei die Palette zur Handhabung mittels Hubstapler, Regalbediengerät oder dgl. eingerichtet und als Bodenwanne zur formschlüssigen Aufnahme des Innenbehälters und zur wahlweisen Anbringung eines Blech- oder Gittermantels ausgebildet ist, der Boden des Innenbehälters als Ablaufboden mit einer mittigen, flachen Ablaufrinne gestaltet ist, die mit einem leichten Gefälle von der Behälterrückwand zu dem an der Vorderwand des Behälters angeordneten Entleerungsstutzen zum Anschluß eines Entnahmehahns verläuft, der dem Ablaufboden des Innenbehälters angepaßte Boden der Bodenwanne Versteifungssicken aufweist, deren Gründe in einer gemeinsamen, horizontalen Ebene liegen, an der Bodenwanne ausgestellte Eck- und Mittelfüße mit außenliegenden Positionierflächen befestigt sind, die flache Bodenwanne einen nach unten gezogenen äußeren Stützrand aufweist und mit einem flachen Unterrahmen zu einem Hohlkammerboden mit offenen Kammern und einem umlaufenden, äußeren, hohlen Stützkragen verbunden ist und die Bodenwanne mit dem Unterrahmen auf einem Palettenrahmen aus Metall, Holz oder Kunststoff befestigt ist, dadurch gekennzeichnet, daß die Bodenwanne (10) als Tiefziehteil aus Blech mit einem im Auslaufbereich (24) unter dem Entnahmehahn (5) des Innenbehälters (2) ausgeformten, vorne und nach oben offenen Mittelfuß (25) mit einem U-förmigen Querschnittsprofil ausgebildet ist.

2. Palettenbehälter nach Anspruch 1, gekennzeichnet durch einen von dem äußeren Stützrand (15) der Bodenwanne (10) abgewinkelten Randstreifen (21), der mit einer unter der Bodenwanne (10) befestigten Versteifungsstrebe (22) einen Unterrahmen (23) bildet.

Die Einsprechende I ist der Meinung, der Gegenstand des Anspruchs 1 sei durch die deutsche Patentschrift 42 06 945 vorweggenommen, zumindest aber nahegelegt durch eine Zusammenschau mit der deutschen Patentschrift 41 08 399 und/oder der deutschen Offenlegungsschrift 41 17 159.

Die Einsprechenden II, III und IV haben jeweils mit Schriftsatz vom 27. November 2000, eingegangen am 29. November 2000, ihren Beitritt zum Einspruchsbeschwerdeverfahren erklärt. Der Senat hat die Akten 21 O 12710/00 des Landgerichts München I beigezogen und festgestellt, daß gegen die Einsprechenden II und III am 12. September 2000 und gegen den Einsprechenden IV am 9. November 2000 Verletzungsklage erhoben worden ist. Auch die Einsprechenden II, III und IV sind der Ansicht, der Gegenstand des Patents sei im Hinblick auf die vorstehend genannten Schriften nicht patentfähig. Ergänzend verweisen sie auf die europäische Patentanmeldung 0 363 668 sowie auf ein unstreitig vor dem Anmeldetag des Patents veröffentlichtes Prospektblatt der Firma Schütz Werke GmbH & Co KG und behaupten, der patentgemäße Behälter sei vor dem Anmeldetag offenkundig vorbenutzt worden (Beweis durch Augenschein und Zeugen).

Die Einsprechenden beantragen, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Die Einsprechenden II, III und IV beantragen ferner, die Kosten des Einspruchsbeschwerdeverfahrens der Patentinhaberin aufzuerlegen.

Die Patentinhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie bestreitet die offenkundige Vorbenutzung des Patentgegenstandes und ist der Auffassung, durch den aufgedeckten druckschriftlichen Stand der Technik werde der patentgemäße Palettenbehälter weder vorweggenommen noch nahegelegt.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akten verwiesen.

II Die zulässige Beschwerde der Einsprechenden I hat Erfolg.

Die Einsprechenden II, III und IV haben durch ihre fristgerechten und auch sonst zulässigen Beitritte, die auch noch im Beschwerdeverfahren möglich sind, eine Verfahrensstellung als Einsprechende erlangt (Senat in BPatGE 34, 95).

Der Einspruch und die Beitritte der Einsprechenden II, III und IV erfüllen auch die in PatG § 59 Abs. 1 aufgestellten Zulässigkeitsvoraussetzungen.

Zum Verständnis der Lehre des Patentanspruchs 1 teilt der Senat zugunsten der Patentinhaberin deren Auffassung, wonach die kennzeichnenden Maßnahmen des Anspruchs 1 im Hinblick auf Spalte 1, Zeilen 64 f der Patentschrift nur so verstanden werden können, daß die Bodenwanne (10) mit dem im Auslaufbereich (24) ausgeformten Mittelfuß (25) einstückig als Tiefziehteil aus Blech ausgebildet ist.

Es kann dahinstehen, ob der so verstandene Palettenbehälter vor dem Anmeldetag des Patents offenkundig vorbenutzt worden ist, denn er ergibt sich nach Überzeugung des Senats für den Fachmann - einen Diplomingenieur (FH) für Maschinenbau - in naheliegender Weise unter Berücksichtigung seines vorauszusetzenden Fachwissens durch die Zusammenschau der deutschen Patentschriften 42 06 945 und 41 08 399.

Zum patentgemäßen Palettenbehälter bildet die deutsche Patentschrift 42 06 945 den nächstkommenden Stand der Technik. Bei dem durch diese Schrift vorbekannten Palettenbehälter sind sämtliche Merkmale des Oberbegriffs des Patentanspruchs 1 verwirklicht, was auch die Patentinhaberin nicht bestritten hat, zumal mit den ursprünglich eingereichten Unterlagen zunächst ein Zusatzpatent zum Patent 42 06 945 beantragt worden war.

Zutreffend hat die Einsprechende I auf Seite 4 ihrer Beschwerdebegründung ausgeführt, daß die deutsche Patentschrift 42 06 945 zusätzlich auch noch die kennzeichnenden Merkmale des angegriffenen Anspruchs 1 offenbart, wonacha) die Bodenwanne als Tiefziehteil aus Blech ausgebildet ist, b) im Auslaufbereich unter dem Entnahmehahn des Innenbehälters ein Mittelfuß angeformt ist undc) dieser Mittelfuß vorne und nach oben offen ist und ein U-förmiges Querschnittsprofil aufweist.

Der patentgemäße Palettenbehälter unterscheidet sich deshalb von dem vorbekannten Palettenbehälter lediglich dadurch, daß die an sich als Tiefziehteil aus Blech bekannte Bodenwanne mit dem an sich bekannten Mittelfuß einstückig ausgebildet ist, während bei dem vorbekannten Palettenbehälter dieser Mittelfuß durch Verschweißen oder Verschrauben am Behälter befestigt ist (vgl Sp 3, Z 60 f der DE 42 06 945 C1). Die den Patentgegenstand vom vorbekannten Behälter unterscheidende Maßnahme ist dazu bestimmt und auch geeignet, die Stabilität der Bodenwanne des vorbekannten Behälters zu erhöhen und ihre Herstellung zu vereinfachen (vgl Sp 1, Z 55 bis 58 der Patentschrift).

Die Verbesserung der Stabilität vorbekannter Gegenstände und die Vereinfachung ihrer Herstellung gehören zu den fachüblichen Bemühungen des hier einschlägigen Fachmannes, so daß die dem Patent zugrunde gelegte Aufgabe keinen Beitrag zur erfinderischen Tätigkeit leisten kann.

Bei seiner Suche nach Lösungen der vorstehend genannten Aufgabe wird der Fachmann die deutsche Patentschrift 41 08 399 nicht außer Acht lassen können, zumal diese Schrift bereits auf dem Titelblatt der deutschen Patentschrift 42 06 945, von der der patentgemäße Behälter ausgeht, genannt wird. Die deutsche Patentschrift 41 08 399 lehrt den Fachmann, an der als Tiefziehteil aus Blech gefertigten Bodenwanne 5 eines Palettenbehälters 1 im Auslaufbereich des Innenbehälters 2 ein zusätzliches Bauteil (Haube 25) in der Weise anzubringen, daß es entweder als gesondertes Teil angeschweißt oder einteilig an die Bodenwanne 5 angeformt wird (vgl Sp 4, Z 31 bis 36 der DE 41 08 399 C1). Letzteres bedeutet für den Fachmann nichts anderes als die Herstellung der Bodenwanne 5 als Tiefziehteil aus Blech, an der die Haube 25 einteilig angeformt ist. Er erkennt ohne weiteres Nachdenken, daß durch diese Ausbildungsform der Bodenwanne gegenüber der Alternative des Anschweißens die Stabilität der Bodenwanne erhöht und ihrer Herstellung auch vereinfacht werden kann. Überträgt er diesen Lösungsgedanken (einteilige Ausbildung eines Bauteils mit der Bodenwanne im Auslaufbereich an Stelle des Anschweißens eines gesonderten Bauteils) auf den Mittelfuß im Auslaufbereich des Palettenbehälters nach der DE 42 06 945 C1, so hält er den Gegenstand nach Anspruch 1 des Streitpatents in Händen.

Schwierigkeiten oder technische Fehlvorstellungen, die der Fachmann bei einer derartigen Übertragung zu überwinden hätte, sind für den Senat nicht erkennbar.

Dabei verkennt der Senat nicht, daß bei dem in der DE 41 08 399 C1 beschriebenen Ausführungsbeispiel die Mittelfüße angeschweißt oder angeschraubt sein sollen (vgl Sp 4, Z 49 bis 51 der DE 41 08 399 C1), denn es wird am Ende der Figurenbeschreibung ausdrücklich erwähnt (vgl Sp 6, Z 6 bis 9), daß in Abänderung des vorbeschriebenen Palettenbehälters die Bodenwanne auch als Preßteil mit ausgeformten Mittelfüßen hergestellt werden kann, was auch ein deutlicher Hinweis in Richtung der beanspruchten Lösung ist. Zwar soll diese Bodenwanne mit angeformten Mittelfüßen als Preßteil aus einer Kunststoffplatte hergestellt werden und nicht aus Blech wie beim Patentgegenstand, die Auffassung der Patentinhaberin, diese Textstelle könne in keiner Weise zur Ausbildung der streitpatentgemäßen Bodenwanne anregen, weil die Kunststoffplatte heiß gepreßt werden müsse, während die Blechplatinen zur Herstellung der streitpatentgemäßen Bodenwanne kalt verformt würden, vermag sich der Senat dennoch nicht anzuschließen. Zum einen wird eine Heißverformung nicht ausdrücklich in der DE 41 08 399 C1 erwähnt, und es gibt auch Kunststoffplatten, die sich unter Umgebungstemperatur verpressen lassen, zum anderen ist die Herstellung der streitpatentgemäßen Bodenwanne ohne jeden vernünftigen Zweifel auch durch Tiefziehen bei erhöhten Temperaturen möglich, zumal das Streitpatent für das zu verwendende Blech keinerlei Materialangaben enthält.

Auch die Auffassung der Patentabteilung im angefochtenen Beschluß, es könne nicht als naheliegend angesehen werden, den patentgemäßen Mittelfuß einfach aus dem Blech für die Bodenwanne beim Tiefziehen der Verstärkungsrillen und -sicken mit auszuformen, da der Mittelfuß die Rillen oder Sicken in Verformungsrichtung um wenigstens eine Größenordnung überschreite und deshalb die beanspruchte Lösung mit der Überwindung erheblicher Widerstände aus der Fachwelt verbunden gewesen sei, hält der Senat für unzutreffend, weil das Blechmaterial für die tiefgezogene Bodenwanne 10 des Behälters nach der deutschen Patentschrift 42 06 945 für die Bildung des Stützkragens 24 in etwa dem gleichen Maße verformt werden muß wie beim Mittelfuß 25 des Behälters nach dem Streitpatent.

Schließlich führt auch das Argument der Patentinhaberin, der Mittelfuß des patentgemäßen Behälters habe eine Napfform, die besonders schwierig im Tiefziehverfahren herzustellen sei, zu keiner anderen Beurteilung der Patentfähigkeit. Zum einen ist die Napfform zwar in Figur 4 des Streitpatents offenbart, sie ist aber nicht Bestandteil des Anspruchs 1 geworden. Dieser besagt lediglich, daß der Mittelfuß 25 vorne und nach oben offen sowie mit einem U-förmigen Querschnittsprofil ausgebildet sein muß. Der Mittelfuß nach Anspruch 1 des Streitpatents kann daher auch nach hinten offen sein und nicht die in Figur 4 dargestellte Napfform aufweisen. Mit Merkmalen, die nicht obligatorischer Bestandteil eines Patentanspruchs geworden sind, läßt sich aber nicht die Patentfähigkeit von dessen Gegenstand begründen. Zum anderen ist der Senat der Auffassung, daß auch die Herstellung der in Figur 4 gezeigten Napfform dem Fachmann im Rahmen fachüblichen Handelns möglich ist. Es wurde deshalb von einer senatsseitigen Anregung abgesehen, die Form des Mittelfußes 25 im Anspruch 1 auf eine Napfform zu beschränken.

Der Patentanspruch 1 hat aus den vorstehenden Erwägungen keinen Bestand.

Gleiches gilt für den Patentanspruch 2, dessen Kennzeichen eine Maßnahme betrifft, die ebenfalls aus der deutschen Patentschrift 42 06 945 bekannt ist, vgl dort Fig 6 linke Hälfte (Unterrahmen 22) mit zugehöriger Beschreibung.

Bei dieser Sachlage kommt es auf die von den Einsprechenden II, III und IV geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung durch die Patentinhaberin selbst nicht an. Der Senat konnte ihr nicht mehr nachgehen. Das war auch nicht durch die gestellten Kostenanträge der Einsprechenden veranlaßt. Zwar stützen sich diese auf strafrechtlich relevantes Verhalten der Patentinhaberin in Form der Patenterschleichung bzw. arglistiges Betreiben des Einspruchsverfahrens. Ein solches wäre aber - da von der Patentinhaberin in Abrede gestellt - im Wege einer Beweisaufnahme (und zwar nicht nur im Weg einer Inaugenscheinnahme des Behälters, sondern erst durch Zeugenvernehmung) festzustellen gewesen. Eine solche nur durch den Kostenantrag veranlaßte Beweisaufnahme in einem Nebenverfahren verbietet sich aber. Es ist vielmehr auf den Verfahrensstand abzustellen, der erreicht ist, wenn die Hauptsache zur Endentscheidung reif ist. Dieser Grundsatz hat beispielsweise in ZPO § 91 a seinen Niederschlag gefunden, der bei Erledigung der Hauptsache eine Billigkeitsentscheidung über die Kosten am "bisherigen Sach- und Streitstand" mißt. Soweit sich die Einsprechende auf die unveröffentlichte Entscheidung des Bundespatentgerichts 12 W (pat) 80/86, zitiert bei Keukenschrijver in Busse, PatG, 5. Aufl., § 80 Rdn. 20 stützt, ist diese Entscheidung nicht einschlägig. Es handelte sich in diesem Fall um eine eigene schriftliche Vorveröffentlichung des Patentinhabers, die unstreitig war und keine Beweisaufnahme veranlaßt hat.

Die gestellten Kostenanträge waren zurückzuweisen. Von einem Verhalten der Patentinhaberin, das es billig gemacht hätte, ihr die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen, kann der Senat nicht ausgehen. Dazu wären weitere Feststellungen im Wege einer Beweisaufnahme nötig gewesen, die sich aber - wie ausgeführt - verbieten.

Der von dem Einsprechenden IV angeregten Zulassung der Rechtsbeschwerde zum Kostenantrag konnte nicht entsprochen werden, weil die Kostenentscheidung allein unanfechtbar ist (BGH GRUR 1967, 94 - Stute; Keukenschrijver in Busse, PatG, 5. Aufl, § 100 Rdn. 11).

Ulrich Hövelmann Barton Ihsen Mü/Wel 13.08.2001






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Beschluss v. 05.04.2001
Az: 34 W (pat) 51/99


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