Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. Juni 2003
Aktenzeichen: 20 W (pat) 21/02

(BPatG: Beschluss v. 30.06.2003, Az.: 20 W (pat) 21/02)

Tenor

Der Beschluß des Patentamts vom 30. November 2001 wird aufgehoben und das Patent erteilt.

Bezeichnung: Verfahren und Meßanordnung zum Bestimmen des Niveaus, der Trübung und des Schaumanteils der Lauge in einer automatisch steuerbaren Wasch- oder Geschirrspülmaschine.

Anmeldetag: 10. Dezember 1993 Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:

Patentansprüche 1-5, 9 Seiten Beschreibung, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung, 2 Blatt ursprüngliche Zeichnungen (Figuren 1-6).

Gründe

I Das Patentamt - Prüfungsstelle für Klasse G 01 F - hat die Anmeldung durch Beschluß vom 30. November 2001 wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit zurückgewiesen.

Die Anmelderin beantragt, wie in der Beschlußformel ausgesprochen.

Die Patentansprüche 1, 2 und 3 lauten:

"1. Verfahren zum Bestimmen des Niveaus und der Trübung und/oder des Schaumanteils oder zum Bestimmen der Trübung und/oder des Schaumanteils der in einem Behälter (1) des Laugensystems einer automatisch steuerbaren Wasch- oder Geschirrspülmaschine befindlichen Lauge mittels einer einzigen Meßanordnung (2, 3), wobei mittels der Meßanordnung (2, 3) ein oder mehrere optische Strahlenbündel (9) auf die Oberfläche der Lauge unter je einem Einfallwinkel von größer 0¡ und kleiner 90¡ gerichtet werden und die Reflexionen mittels eines Empfängerschirmes (4) der Meßanordnung (2, 3) hinsichtlich ihrer Sende- und/oder Empfangsorte und ihrer Dämpfung und/oder ihrer Streuung bzw. hinsichtlich ihrer Dämpfung und /oder ihrer Streuung bestimmt werden."

"2. Meßanordnung zum Bestimmen des Niveaus und der Trübung und/oder des Schaumanteils oder zum Bestimmen der Trübung und/oder des Schaumanteils der in einem Behälter (1) des Laugensystems einer automatisch steuerbaren Wasch- oder Geschirrspülmaschine befindlichen Lauge, wobei ein Strahlenbündel (9) eines über dem maximalen Betriebsniveau der Lauge angeordneten optischen Senders (2) in einem Einfallwinkel größer 0¡ und kleiner 90¡ auf die Oberfläche der Lauge gerichtet ist, im Bereich der möglichen Reflexstrahlen mehrere optische Empfänger (4) angeordnet sind, und wobei mit einer elektronischen Auswerteschaltung die Reflexstrahlen hinsichtlich ihrer Empfangsorte, ihrer Dämpfung und ihrer Streuung bestimmbar sind."

"3. Meßanordnung zum Bestimmen des Niveaus und der Trübung und/oder des Schaumanteils oder zum Bestimmen der Trübung und/oder des Schaumanteils der in einem Behälter (1) des Laugensystems einer automatisch steuerbaren Wasch- oder Geschirrspülmaschine befindlichen Lauge, wobei eine Mehrzahl von Strahlenbündeln mehrerer, über dem maximalen Betriebsniveau der Lauge angeordneter optischer Sender (13) in je einem Einfallwinkel größer 0¡ und kleiner 90¡ zeitlich gestaffelt auf die Oberfläche der Lauge gerichtet sind, im Bereich aller möglichen Reflexstrahlen mindestens ein optischer Empfänger (14) angeordnet ist, und wobei mit einer elektronischen Auswerteschaltung die Reflexstrahlen hinsichtlich ihrer Sendeorte, ihrer Dämpfung und ihrer Streuung bestimmbar sind."

Wegen der Unteransprüche 4 und 5 wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Folgende Entgegenhaltungen sind in Betracht gezogen:

(1) DE-OS 19 57 422,

(2) DE 29 48 295 C2,

(3) DE 29 27 449 A1,

(4) EP 0 393 311 A1 und

(5) EP 0 278 239 A1.

Zur Begründung ihres Antrags führt die Anmelderin im wesentlichen aus, daß sowohl die alternativ beanspruchten Gegenstände des Anspruchs 1 wie auch die Gegenstände der Ansprüche 2 und 3 gegenüber diesem Stand der Technik neu und auch nicht nahegelegt seien. Insbesondere würden ein Verfahren und Meßanordnungen geschaffen, bei denen das Niveau, die Trübung und der Schaumanteil der Lauge in einer automatisch steuerbaren Wasch- oder Geschirrspülmaschine ohne großen Aufwand bestimmbar seien.

II 1. Die geltenden Ansprüche sind zulässig. Sie sind auf Verfahren und auf Meßanordnungen gerichtet mit aus den ursprünglichen Patentansprüchen 1, 2 und 3 entnehmbaren Merkmalen, unter Hinzunahme von Merkmalen, die sich als zur Erfindung gehörend aus der Beschreibung, insbesondere aus Seite 3, erster Absatz, und den Seiten 4 bis 9 der ursprünglich eingereichten Unterlagen ergeben.

2. Stand der Technik Mit der aus Druckschrift (1) als bekannt entnehmbaren Meßanordnung und dem entsprechenden Meßverfahren wird der Spülvorgang einer Waschmaschine überwacht hinsichtlich der Beendigung und der Vollkommenheit des Spülens, vgl Seite 25 Anspruch 1, Seite 2 drittletzter Absatz bis Seite 3 1. Absatz. Die Überwachung geschieht mit einer optischen Meßanordnung, die in einem Probenbehälter 7 angeordnet ist, Seite 3 2. Absatz. Der Probenbehälter 7, vgl die Figuren 1, 2 und 10 und Seite 4 letzter Absatz bis Seite 6 2. Absatz, Seite 23 2. Absatz bis Ende der Beschreibung Seite 24, weist ein Leuchtelement 8, zB eine Glühlampe, und ein lichtempfindliches Element 9, zB eine CdS-Zelle, auf, die vertikal gegenüberliegend und abgeschirmt vom Umgebungslicht angeordnet sind, Seite 5 3. Absatz. Je nach - von der Waschmittelkonzentration abhängenden - Anteil und Gestalt der Luftblasen in dem Probenbehälter ändert sich die Menge des von dem Leuchtelement auf das lichtempfindliche Element fallenden Lichts, dh, die Lichtdurchlässigkeit des Spülwassers in dem Probenbehälter wird gemessen (Fig 3, S 5 le Abs bis S 6 2. Abs, S 18 le Satz). Bei einer zweiten Ausführungsform gemäß Figur 10 ist eine Zweigleitung C in einen Ablaufschlauch 4 und ein anderer Leitungs-Teil D vorgesehen, der einen Teil des Überlaufs durch den Probenbehälter führt (S 23 2. Abs 1. Satz). Diese Maßnahme soll eine zuverlässige Arbeitsweise der Waschmaschine, selbst bei sich ändernder Wasserzufuhrmenge sicherstellen (S 24, 1. und le Satz). Die optische Meßanordnung selbst und das zugehörige Meßverfahren bleiben dabei unverändert. Zur Bestimmung des Laugenniveaus ist ein separater Wasserpegelschalter S4 vorgesehen, zu dessen Ausführung keine näheren Angaben gemacht sind (zB S 9 5. Satz, S 14 2. Abs 1. Satz). Eine Messung von von der Oberfläche der Lauge ausgehenden Reflexionen resp möglicher Reflexstrahlen ist aus der Druckschrift (1) nicht entnehmbar.

Nach Druckschrift (2), vgl Anspruch 1, Figur 1 und Spalte 3 Zeile 56 bis Spalte 4 Zeile 31, wird die Beschickungsoberfläche 1 eines Schachtofens (Hochofens) optisch überwacht hinsichtlich des Füllstands (Niveau) und der Temperatur (letztere mittels Pyrometer 6). Die Überwachung des Füllstands erfolgt durch eine optische Entfernungsmessung mittels eines Laser (5)- Strahles, der über unbewegliche Spiegel 8, 9, 10 und einen beweglichen Spiegel 11 auf die Beschickungsoberfläche gerichtet ist und von dort in eine TV-Kamera 19 als Empfänger reflektiert wird. Der Füllstand - Koordinaten XYZ des Punktes 14 - ergibt sich aus der Geometrie der Sender/Empfängeranordnung, der Winkelstellung des beweglichen Spiegels 11 und den Koordinaten X' und Y' des Bildes 24 des Punktes 14 auf der lichtempfindlichen Oberfläche der TV-Kamera 19 (Sp 4 Z 16-23). In der Ausführungsform nach Figur 2 ist die Empfängeranordnung ein Fotovervielfacher 26, das Meßprinzip ändert sich dadurch nicht (Sp 4 Z 32-49). Eine Messung der Reflexionen resp der möglichen Reflexstrahlen hinsichtlich ihrer Dämpfung und/oder ihrer Streuung ist in Druckschrift (2) nicht beschrieben.

Die Druckschrift (3) ist mit einem optoelektronischen Flüssigkeitsdetektor befaßt (Fig 1, S 6 Z 31 bis S 7 Z 10). Bei Vorhandensein von Flüssigkeit löst die Vorrichtung aufgrund des von der Flüssigkeitsoberfläche (Niveau) reflektierten Lichtstrahls Alarm aus (Fig 2 und 3, S 7 Z 12-32). Auch die Druckschrift (3) enthält keinen Hinweis darauf, eine Messung von Reflexionen resp möglicher Reflexstrahlen hinsichtlich ihrer Dämpfung und/oder ihrer Streuung vorzusehen, und es wird nicht die Lage des Niveaus bestimmt, sondern das bloße Vorhandensein einer Flüssigkeit.

Die Entgegenhaltungen (4) und (5) gehen nicht über den Inhalt der Druckschrift (1) hinaus bzw liegen weiter ab und haben im Beschwerdeverfahren keine Rolle gespielt. Sie bringen auch hinsichtlich der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit keine neuen Gesichtspunkte.

3. Neuheit Die - zweifelsfrei gewerblich anwendbaren - Gegenstände des Patentanspruchs 1 sind neu, denn keine der Entgegenhaltungen zeigt, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, alle Merkmale.

4. Erfinderische Tätigkeit Es mag sein, daß der hier zuständige Fachmann, ein Physiker oder Hochschul-Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit Schwerpunkt Meßtechnik und mehrjähriger Berufserfahrung in der Entwicklung von Wasch- oder Geschirrspülmaschinen, ausgehend von der sich ihm in der Praxis stellenden Aufgabe, die für den Wasch- oder Spülvorgang relevanten Parameter ohne großen Aufwand bestimmbar zu machen, in Betracht zieht, das aus (1) bekannte Verfahren zur Bestimmung der Lichtdurchlässigkeit des Spülwassers (Lauge) zu verbessern.

Bei den aus (1) als bekannt entnehmbaren Verfahren werden die Trübung und/oder der Schaumanteil der Lauge anhand der Dämpfung und/oder der Streuung des die Lauge in einem Meßbehälter durchstrahlenden Lichts gemessen. Das Niveau der Lauge wird mittels eines zusätzlichen Wasserpegelschalters gemessen. Die solcherart bekannten und an sich bewährten Verfahren lassen allerdings keine Veranlassung erkennen, die den Fachmann dazu bewegen könnte, von den dort praktizierten Verfahren zur Bestimmung des Niveaus, der Trübung und des Schaumanteils grundsätzlich abzugehen, insbesondere die Durchlicht-Messung der Lauge aufzugeben.

Auch wenn der Fachmann aus allgemeinen Erwägungen heraus, zB um die aus (1) bekannten Meßverfahren zu vereinfachen, in Betracht zöge, für die Bestimmung der Trübung und/oder des Schaumanteils der Lauge einerseits und für die Bestimmung des Laugenniveaus andererseits ein einziges optisches Verfahren zu verwenden und die Bestimmung aller dieser Parameter mit einer einzigen Meßanordnung durchzuführen, würde der Fachmann das ihm nach (1) vertraute Verfahren der Durchlicht-Messung beibehalten, für eine Messung mittels Auflicht bieten die Verfahren nach (1) keine Veranlassung.

Selbst wenn der Fachmann das aus Druckschrift (2) bekannte Verfahren für eine Niveau-Bestimmung in Anschlag brächte, würde ihm dieses zwar die Lehre vermitteln, für die Niveaubestimmung eine Meßanordnung vorzusehen, bei der ein oder mehrere optische Strahlenbündel auf die Oberfläche der Lauge unter je einem Einfallswinkel von größer 0¡ und kleiner 90¡ gerichtet werden und die Reflexionen mittels eines Empfängers hinsichtlich ihrer Sende- und/oder Empfangsorte bestimmt werden. Jedoch würde dieses Verfahren zur Niveau-Bestimmung nach (2) dem Fachmann noch keine Anregung dafür vermitteln, die Reflexionen nicht nur hinsichtlich ihrer Sende- und/oder Empfangsorte, sondern auch hinsichtlich ihrer Dämpfung und/oder ihrer Streuung zu bestimmen. Die in (2) weiter beschriebene Temperaturmessung der Beschickungsoberfläche erfolgt mittels eines eigens dafür vorgesehenen Pyrometers.

Die vorstehend dargelegten Überlegungen zu dem aus (2) als bekannt entnehmbaren Verfahren zur Niveau-Bestimmung gelten in gleicher Weise für das in der Druckschrift (3) beschriebene Verfahren, selbst wenn bei letzterem der Fachmann überhaupt eine Niveau-Bestimmung in Betracht zieht, nachdem die dort beschriebene Meßanordnung nur das Vorhandensein von Flüssigkeit melden soll.

Die aus den Druckschriften (1), (2) und (3) als bekannt entnehmbaren Verfahren konnten somit weder für sich genommen noch in ihrer Zusammenschau dem Fachmann einen Hinweis geben auf die mit den Verfahren nach dem Patentanspruch 1 beanspruchte Maßnahme, nämlich daß zur Bestimmung der Trübung oder des Schaumanteils der Lauge die Reflexionen mittels eines Empfängerschirmes der Meßanordnung hinsichtlich ihrer Dämpfung oder ihrer Streuung bestimmt werden, ob nun mit einem oder mehreren Strahlenbündeln.

Dies gilt in gleicher Weise auch für die weiters mit Patentanspruch 1 beanspruchte Verfahrens-Variante zum Bestimmen des Niveaus und der Trübung sowie zusätzlich des Schaumanteils, wobei für die Niveau-Bestimmung jede der Varianten des Merkmals "Sende- und/oder Empfangsorte" patentfähig ist.

5. Die Meßanordnung nach Patentanspruch 2 weist die zu den Verfahrensmerkmalen im Patentanspruch 1 korrespondierenden Vorrichtungsmerkmale auf hinsichtlich der Variante, bei der ein Strahlenbündel auf die Oberfläche der Lauge gerichtet ist und im Bereich der möglichen Reflexstrahlen mehrere optische Empfänger angeordnet sind. Entsprechend weist die Meßanordnung nach Patentanspruch 3 die zu den Verfahrensmerkmalen im Patentanspruch 1 korrespondierenden Vorrichtungsmerkmale auf hinsichtlich der Variante, bei der mehrere Strahlenbündel eingesetzt werden. Dazu ist für die Meßanordnung beansprucht, daß eine Mehrzahl von Strahlenbündeln mehrerer optischer Sender zeitlich gestaffelt auf die Oberfläche der Lauge gerichtet sind und im Bereich aller möglichen Reflexstrahlen mindestens ein optischer Empfänger angeordnet ist.

Die Meßanordnungen nach Anspruch 2 wie auch nach Anspruch 3 sind daher sinngemäß aus den gleichen Gründen wie die Verfahren des Patentanspruchs 1 patentfähig.

6. Die Patentansprüche 4 und 5 betreffen über das Selbstverständliche hinausgehende Ausgestaltungen der Gegenstände der Patentansprüche 2 und 3 und sind daher ebenfalls gewährbar.

7. Die Anmeldung genügt den Anforderungen des § 34 PatG.

Dr. Anders Obermayer Dr. Hartung Martens Be






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Beschluss v. 30.06.2003
Az: 20 W (pat) 21/02


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