Bundespatentgericht:
Beschluss vom 4. März 2008
Aktenzeichen: 24 W (pat) 86/06

(BPatG: Beschluss v. 04.03.2008, Az.: 24 W (pat) 86/06)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Wortmarke REDDY ist unter der Nummer 303 15 100 für die Waren

"Klimaanlagen, Heizgeräte, Entfeuchter"

in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register eingetragen und am 13. Juni 2003 veröffentlicht worden.

Gegen die Eintragung der vorgenannten Marke hat die Inhaberin der prioritätsälteren, am 8. Juni 1994 für zahlreiche Waren der Klassen 7, 8, 9, 11, 20, 21, u. a. auch für

"Möbel, Küchenmöbel, Einbauküchenmöbel, Schränke, Hängeschränke, Tische, Stühle; Beleuchtungs-, Heizungs-, Dampferzeugungs-, Koch-, Kühl-, Trocken-, Lüftungs- und Wasserleitungsgeräte; Herde, Mikrowellenherde, Kühlschränke, Gefrierschränke, Geschirrspüler, Waschmaschinen, Dunstabzüge, Einbau-Kochfelder, elektrische Kochgeräte; Einbauspülen, Hähne und Regelarmaturen für Wasserleitungen; Küchenleuchten; elektrische Küchenmaschinen zum Brotschneiden, Hacken, Mahlen, Pressen; Fleischwölfe, elektrische Dosenöffner; elektrische Reinigungsgeräte für den Haushalt, nämlich Staubsauger"

eingetragenen Wortmarke 2 067 127 REDDY Widerspruch erhoben.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat am 18. März 2004 im patentamtlichen Verfahren die Einrede der mangelnden Benutzung der Widerspruchsmarke erhoben. Daraufhin hat die Widersprechende Unterlagen zur Glaubhaftmachung einer rechtserhaltenden Benutzung eingereicht, und zwar eine eidesstattliche Versicherung ihres Geschäftsführers, Herrn S..., vom 16. Juli 2004, der darin erklärt, dass in der Zeit von Juli 1998 bis Mai 2003 in der Bundesrepublik Deutschland in Küchen der Marke REDDY im Bereich der Warengruppe "Küchenmöbel" (Unterschränke, Hängeschränke, Seitenschränke Arbeitsplatten) mindestens ... €, im Bereich der Warengruppe "Kochen" (Herde, Kochfelder, Dunstabzüge, Mikrowellengeräte, Dampfgarer, Kochgeräte) mindestens ... €, im Bereich der Warengruppe "Kühlen" (Kühlschränke, Gefrierschränke) mindestens ... € und im Bereich der Warengruppe "Zubehör" (Einbauspülen, wasserführende Armaturen) mindestens ... € Umsätze erzielt worden seien. Die Marke REDDY erschiene laut eidesstattlicher Versicherung auf Katalogen und Prospekten, Angeboten, Kaufverträgen und Rechnungen sowie auf, an oder in unmittelbarer Nähe von Ausstellungsstücken. Die Kennzeichnung sei nicht nur in den Verkaufsräumen, sondern auch auf den ausgelieferten Küchenmöbeln in Form von Clipsen in Schubkästen und Drehtüren erfolgt. Der eidesstattlichen Versicherung waren ferner Kopien von Rechnungen und Werbeprospekten aus dem Zeitraum Juli 1998 bis Mai 2003, die verschiedene "REDDY-Küchen" zeigen, sowie die Kopie eines Auszugs aus der Fachzeitschrift "möbelkultur", Heft 9/1998, beigefügt, in der u. a. eine Darstellung des "REDDY-Franchise-Konzepts" enthalten ist. Später hat die Widersprechende das genannte Franchisesystem näher erläutert, eine Liste der Ende 2000 existierenden "REDDY-Häuser" vorgelegt sowie eine weitere eidesstattliche Versicherung ihres Geschäftsführers vom 6. Januar 2005 eingereicht, in der die für den Zeitraum Juli 1998 bis Mai 2003 genannten Umsätze, die die Warengruppen "Küchenmöbel", "Kochen", "Kühlen" und "Zubehör" betreffen, zu den einzelnen Waren aufgeschlüsselt werden. Nach Kenntnisnahme des Benutzungsmaterials hat die Inhaberin der angegriffenen Marke die Nichtbenutzungseinrede für alle mit der Widerspruchsmarke beanspruchten Waren aufrechterhalten.

Mit Beschluss vom 27. Juni 2006 hat die mit einem Beamten des höheren Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 11 des DPMA den Widerspruch nach § 43 Abs. 2 Satz 2 zurückgewiesen. Die Markenstelle hat ihre Entscheidungen damit begründet, dass die von der Widersprechenden vorgelegten Unterlagen nicht geeignet seien, eine rechtserhaltende Benutzung ihrer Marke glaubhaft zu machen. Im vorliegenden Falle sei kein funktioneller Zusammenhang der Marke mit den Waren gegeben. Eine Marke müsse an der Ware selbst, ihrer Verpackung oder Umhüllung angebracht werden, um als rechtserhaltende Benutzung qualifiziert werden zu können. Nicht ausreichend sei es dagegen, wenn die Marke - wie im vorliegenden Fall - lediglich auf Katalogen, Briefbögen, Rechnungen o. ä. angebracht worden sei. Nach der Rechtsprechung des BGH seien diese Grundsätze auch bei Handelsmarken zu beachten.

Gegen diese Entscheidungen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie trägt vor, dass die Markenstelle eine Verwechslungsgefahr zu Unrecht verneint habe. Die Markenstelle sei irrtümlich davon ausgegangen, dass die Widerspruchsmarke REDDY nicht unmittelbar an der Ware angebracht worden sei. Diese Feststellung stehe im Widerspruch zum Inhalt der von ihr vorgelegten eidesstattlichen Versicherung vom 16. Juli 2004, wonach eine Kennzeichnung auf den ausgelieferten Küchenmöbeln in Form von Clipsen in Schubkästen und Drehtüren erfolgt sei. Die Markenstelle hätte somit feststellen müssen, dass bei einer Einbauküche ein optisch und funktional einheitlicher Kaufgegenstand vorliege. Einbauküchen würden nämlich von "Gesamtküchenanbietern" als Sachgesamtheit - quasi wie ein bestimmtes Modell eines Kraftfahrzeugs - angeboten und verkauft, und daher vom Verkehr auch so wahrgenommen. Der Käufer einer Einbauküche ordne eine an den Schubkästen und Drehtüren angebrachte Marke nicht nur den Schrankteilen, sondern auch den Elektrogeräten zu. Allein schon wegen ihres Gewichts bei der Preisbildung folge, dass die Elektrogeräte bei einer Einbauküche eine große Rolle spielten. Der Charakter einer Einbauküche als eine Sachgesamtheit ergebe sich zudem aus dem Umstand, dass der Lieferant einer Küche auch für die notwendigen Installationsdienstleistungen sorge oder diese zumindest anbiete.

Die Gefahr von Verwechslungen gründe sich demnach darauf, dass die Marken identisch seien und sich die Ware "Heizgeräte" der angegriffenen Marke im Ähnlichkeitsbereich der von der Widerspruchmarke beanspruchten Ware "Kochgeräte" befinde und die Waren "Klimaanlagen" und "Entfeuchter" der angegriffenen Marke jedenfalls den von der Widerspruchmarke beanspruchten Waren "Kühlgeräte" und "Dunstabzüge" ähnlich seien.

Der Widersprechende beantragt (sinngemäß), den Beschluss der Markenstelle für Klasse 11 des DPMA vom 27. Juni 2006 aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass die Widerspruchsmarke REDDY in Bezug auf solche Waren, die zu den Waren der angegriffenen Marke identisch oder ähnlich seien, nicht rechtserhaltend benutzt worden sei und zwischen den Kollisionsmarken daher keine Verwechslungsgefahr bestehe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Beteiligtenvorbringens wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig, jedoch hat diese in der Sache keinen Erfolg. Nach Überzeugung des Senats ist der Widerspruch unbegründet, da das Bestehen einer Verwechslungsgefahr verneint werden muss.

Die von der Inhaberin der angegriffenen Marke gemäß § 43 Abs. 1 MarkenG im Laufe des Widerspruchsverfahrens erhobene Einrede mangelnder Benutzung ist zulässig, da die am 8. Juni 1994 eingetragene Widerspruchsmarke zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der angegriffenen Marke (13. Juni 2003) bereits länger als fünf Jahre registriert war. Nachdem die Einrede nicht auf einen der beiden in § 43 Abs. 1 MarkenG genannten Zeiträume beschränkt worden ist, hatte die Widersprechende nach Satz 1 dieser Bestimmung eine im Sinne von § 26 MarkenG rechtserhaltende Benutzung ihrer Marke für den Zeitraum von fünf Jahren vor der Veröffentlichung der Eintragung der angegriffenen Marke sowie nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG auch für den Zeitraum von Anfang März 2003 bis Anfang März 2008, nämlich für die letzten fünf Jahre vor der Entscheidung über den Widerspruch im Termin zur mündlichen Verhandlung, glaubhaft zu machen (vgl. hierzu Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl., § 43 Rdn. 14). Die Widersprechende ist ihrer Obliegenheit lediglich zum Teil nachgekommen, wobei dahingestellt bleiben kann, ob die vorgelegten Unterlagen, die nur bis Mai 2003 reichen, auch noch bezogen auf den zweiten Benutzungszeitraum als hinreichend angesehen werden können. Die Frage bedarf deshalb keiner abschließenden Klärung, weil die vorgelegten Unterlagen einen Benutzungsbeleg allenfalls zu solchen von der Widerspruchsmarke umfassten Waren liefern, die außerhalb des Ähnlichkeitsbereichs sämtlicher mit der angegriffenen Marke beanspruchter Waren - nämlich "Klimaanlagen, Heizgeräte, Entfeuchter" - liegen.

Das von der Widersprechenden vorgelegten Benutzungsmaterial kann man noch als ausreichenden Beleg dafür werten, dass in den genannten Zeiträumen eine ernsthafte Benutzung der Widerspruchsmarke REDDY bezogen auf die registrierten Waren "Küchenmöbel" und "Einbauküchenmöbel" stattgefunden hat. Entgegen der Ansicht der Markenstelle sieht es der Senat als glaubhaft gemacht an, dass die Widerspruchsmarke unmittelbar an den ausgelieferten Küchenmöbeln angebracht worden ist, mithin die Waren funktionsgerecht gekennzeichnet gewesen sind. Die Widersprechende hat zu Recht darauf hingewiesen, dass bereits in der eidesstattlichen Versicherung ihres Geschäftsführers vom 16. Juli 2004 vorgetragen worden war, dass eine Kennzeichnung auf den ausgelieferten Küchenmöbeln in Form von Clipsen in Schubkästen und Drehtüren erfolgt sei. Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat zudem nicht bestritten, dass die Widerspruchsmarke in ihrer eingetragenen Form - wie auf später im Beschwerdeverfahren vorgelegten Fotografien zu sehen ist - an Küchenmöbel-Schubladen angebracht worden war.

Ferner steht der Bejahung einer rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke im genannten Umfang - entgegen der Auffassung der Inhaberin der angegriffenen Marke - nicht im Wege, dass die Widerspruchsmarke nicht von der Widersprechenden selbst, sondern offenbar nur von Dritten benutzt wurde. Die Voraussetzungen für eine der Widersprechenden zurechenbare, ernsthafte Benutzung der Widerspruchsmarke können nicht deshalb in Zweifel gezogen werden, weil die Nutzer der Widerspruchsmarke diese auf der Grundlage von Franchise-Verträgen - somit mit Zustimmung der Widersprechenden im Sinne von § 26 Abs. 2 MarkenG - benutzt haben. Nicht gefolgt werden kann der Inhaberin der angegriffenen Marke auch insoweit, als diese meint, die Feststellung einer zurechenbaren Benutzung der Widerspruchsmarke sei vom genauen Inhalt der zwischen der Widersprechenden und ihren Franchise-Partnern getroffenen vertraglichen Vereinbarungen abhängig. Der nach § 26 Abs. 2 MarkenG erforderliche Fremdbenutzungswille setzt nämlich nur voraus, dass sich der Dritte bewusst ist, eine fremde Marke zu benutzen (vgl. BGH MarkenR 2008, 201, 203 "AKZENTA"), was bei den Franchise-Partnern der Widersprechenden ohne weiteres unterstellt werden kann.

Im Ergebnis zutreffend wird aber in der angefochtenen Entscheidung davon ausgegangen, dass - über Küchenmöbel hinaus - für weitere eingetragene Waren der Widerspruchsmarke die Glaubhaftmachung einer rechtserhaltenden Benutzung verneint werden muss und folglich für das Bestehen einer Verwechslungsgefahr kein Raum bleibt. Die Benutzung einer eingetragenen Marke wirkt nur dann rechtserhaltend, wenn diese der Hauptfunktion einer Marke entspricht, nämlich dem Verkehr die Ursprungsidentität einer bestimmten Ware, für die sie eingetragen ist, dadurch zu garantieren, dass sie es ihm ermöglicht, diese Ware von Waren anderer Herkunft zu unterscheiden (vgl. BGH GRUR 2006, 150, 151 "NORMA"; MarkenR 2008, 201, 203 "AKZENTA"). Um diese Herkunftsfunktion leisten zu können, muss eine Marke in funktioneller Verbindung mit der Ware benutzt werden, was sich einerseits nach den branchenüblichen Gegebenheiten und der Art der verwendeten Marke (Hersteller-, Handels- oder Dienstleistungsmarke) richtet und andererseits aus der Sicht des jeweils angesprochenen normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers beurteilt (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl., § 26 Rdn. 15 f.). Im vorliegenden Fall führt die Anwendung dieser Grundsätze zwar zu dem Ergebnis, dass die Anbringung der Widerspruchsmarke REDDY an den Schubkästen und Drehtüren von Küchenmöbeln - wie dargelegt - eine funktionsgemäße Kennzeichnung der Waren "Küchenmöbel" und "Einbauküchenmöbel" darstellt, dass die Widersprechende aber in ihrer Meinung fehlgeht, diese Art der Verwendung der Marke REDDY sei auch zu Gunsten weiterer im Warenverzeichnis aufgeführter Waren als eine rechtserhaltende Benutzung zu werten.

Nicht als eine funktionsgemäße Kennzeichnung erweist sich die Anbringung der Widerspruchmarke auf den Möbelelementen der Einbauküchen jedenfalls insoweit, als es die in den Küchen eingebauten Elektrogeräte betrifft. Dies lässt sich insbesondere nicht aus dem Vorbringen der Widersprechenden herleiten, Komplett-Einbauküchen, wie sie von ihren Franchise-Partnern vertrieben würden, stellten einen optisch und funktionell einheitlichen Kaufgegenstand, d. h. eine Sachgesamtheit, dar, bei der die Käufer die an den Möbelkomponenten angebrachten Marken auch den Elektrogeräten zuordnen würden. Es erscheint schon fraglich, ob bei Komplett-Einbauküchen überhaupt - vergleichbar einem Kraftfahrzeug - eine einheitliche Ware vorliegt oder nicht vielmehr mehrere verschiedene Waren oder Dienstleistungen vorliegen, welche lediglich zu einem kombinierten Waren-/Dienstleistungsangebot zusammengefasst sind. Doch selbst wenn man zu Gunsten der Widersprechenden einen einheitlichen Kaufgegenstand unterstellen könnte, bestünde vorliegend kein Anlass, von dem Rechtssprechungsgrundsatz abzuweichen, dass die Benutzung einer Marke auf einem Gesamtprodukt nicht ohne weiteres auch eine rechtserhaltende Benutzung für dessen Einzelkomponenten darstellt (vgl. BGH GRUR 1995, 583, 584 "MONTANA"; Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl., § 26 Rdn. 20, 83). Entscheidend ist in dieser Hinsicht letztlich allein, ob eine in einer bestimmten Form benutzte Marke nach dem Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise auch bezüglich der in Rede stehenden Einzelkomponenten ihrer Herkunfts- und Zuordnungsfunktion gerecht wird (vgl. BGH GRUR 1995, 583, 584 "MONTANA").

Im vorliegenden Fall ist hiernach entscheidungsrelevant, dass bei Kompletteinbauküchen die Möbelelemente und die in ihnen integrierten Elektrogeräte regelmäßig nicht in denselben Herstellungsbetrieben, sondern von verschiedenen Unternehmen produziert werden. So bezieht der Hersteller einer Kompletteinbauküche die zum Einbau vorgesehenen Elektrogeräte als Zulieferteile, die regelmäßig mit eigenen an den Geräten angebrachten Herstellermarken gekennzeichnet sind, wobei diese auch nach dem Einbau an den Geräten verbleiben (vgl. BPatG vom 25. April 1973 - 27 W (pat) 73/71 - mit Hinweis auf entsprechende Auskünfte eines Fachverbandes der Möbelhersteller einerseits und eines Fachverbandes elektrotechnischer Betriebe andererseits - vgl. S. 4 -, wobei diese Auskünfte auch die gegenwärtige Praxis der Einbauküchenanbieter zutreffend wiedergeben).

Auch in den wenigen Ausnahmefällen, in denen Hersteller von Küchen-Elektrogeräten zugleich selbst Einbauküchen anbieten - wobei hier die Möbelelemente quasi spiegelbildlich in aller Regel als Zulieferteile von Drittfirmen bezogen werden -, ist im Allgemeinen eine separate Kennzeichnung der Elektrogeräte mit den jeweiligen Herstellermarken zu beobachten. Im Hinblick auf diese auf dem Einbauküchenmarkt branchenüblichen Gegebenheiten wird daher ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Durchschnittskäufer einer Kompletteinbauküche nicht davon ausgehen, dass etwaige an gelieferten Möbelelementen angebrachte markenmäßige Kennzeichnungen sich auch auf die einzubauenden Elektrogeräte beziehen. Dies ist im zu entscheidenden Fall umso weniger zu erwarten, als eine markenrechtlich relevante Anbringung der Widerspruchsmarke nur im Inneren einzelner Möbelstücke an Schubkästen und Drehtüren belegt worden ist. Eine solche Kennzeichnung wird der Käufer aber nur auf das jeweilige konkrete Möbelstück oder allenfalls noch auf weitere Einbauküchenmöbel(-teile) gleicher Bauart beziehen, jedoch wird er darin nicht ein betriebliches Herkunftszeichen für die komplette Einbauküche mit allen ihren Bestandteilen sehen.

Aus der Entscheidung "RECREO/RECARO" (vgl. BPatG PAVIS PROMA 28 W (pat) 188/99), die die Widersprechende ins Beschwerdeverfahren eingeführt hat, folgt für den vorliegenden Fall keine andere Sichtweise. Die genannte Entscheidung trägt zu der vorstehend erörterten Fragestellung nichts Relevantes bei, da die in ihr geäußerten Bewertungen an Besonderheiten des Kraftfahrzeug- und Kraftfahrzeugzubehörmarktes anknüpfen und deshalb auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar sind.

Im Ergebnis ist daher - soweit es jedenfalls Elektrogeräte betrifft - eine Benutzung der Widerspruchsmarke nicht glaubhaft gemacht worden. Dies führt gemäß § 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG dazu, dass die entsprechenden Widerspruchswaren bei der Entscheidung über den Widerspruch unberücksichtigt zu bleiben haben.

Die im Verfahren auf Seiten der Widerspruchsmarke berücksichtigungsfähig gebliebenen Waren können eine Verwechslungsgefahr nicht begründen, da eine Ähnlichkeit im markenrechtlichen Sinne zwischen den betreffenden Waren "Küchenmöbel" und "Einbauküchenmöbel" auf Seiten der Widerspruchsmarke und den Waren "Klimaanlagen", "Heizgeräte" und "Entfeuchter" der angegriffenen Marke nicht besteht. Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen sind bei der Ähnlichkeitsprüfung alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den jeweiligen Waren kennzeichnen, insbesondere ihre Beschaffenheit, ihre regelmäßige betriebliche Herkunft, ihre regelmäßige Vertriebsart, ihr Verwendungszweck und ihre Nutzung sowie ihre Eignung als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren (vgl. u. a. EuGH GRUR 1998, 922, 923 f. (Nr. 22-29) "Canon"; BGH GRUR 2001, 507, 508 "EVIAN/REVIAN"; GRUR 2004, 594, 596 "Ferrari-Pferd"). Unter Berücksichtigung der vorstehend genannten objektiven Kriterien ergibt sich im vorliegenden Fall, dass die beteiligten Verkehrskreise nicht erwarten, dass die beiderseitigen Waren unter der Kontrolle desselben Unternehmens, das für ihre Qualität verantwortlich zeichnet, hergestellt oder vertrieben werden (vgl. BGH GRUR 1999, 731, 732 "Canon II"; Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl., § 9 Rdn. 46). Küchenmöbel und Einbauküchenmöbel einerseits und Klimaanlagen, Heizgeräte sowie Entfeuchter andererseits sind branchenferne Produkte (einerseits Möbelbranche, andererseits Heizungsbau und Klimatechnik) unterschiedlicher Art und Beschaffenheit, die weder gemeinsamen Herstellungsbetrieben entstammen noch über die gleichen Vertriebswege und Verkaufsstätten abgesetzt werden. Sie unterscheiden sich ferner hinsichtlich ihres bestimmungsgemäßen Verwendungszwecks. Insbesondere zählen Klimaanlagen, Heizgeräte und Entfeuchter nicht zu den typischen Kücheneinbaugeräten, weshalb auch die Annahme von Warenähnlichkeit unter dem Gesichtspunkt einander ergänzender Produkte ausscheidet (vgl. BPatG vom 25. April 1973 - 27 W (pat) 73/71 - auch die "Warengleichartigkeit" nach früherem Recht verneinend).

Mangels ähnlicher Kollisionswaren ist gemäß § 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG eine Verwechslungsgefahr ausgeschlossen und der Widerspruch unbegründet. Auch der Umstand, dass vorliegend eine Markenidentität gegeben ist, ändert hieran nichts, da eine gänzlich fehlende Warenähnlichkeit nicht durch die anderen Tatbestandsmerkmale der Verwechslungsgefahr ausgeglichen werden kann (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl., § 9 Rdn. 52). Die Beschwerde der Widersprechenden war daher zurückzuweisen.

Eine Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens kam vorliegend nicht in Betracht, da hierzu aus Gründen der Billigkeit kein Anlass bestand (§ 71 Abs. 1 MarkenG).

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BPatG:
Beschluss v. 04.03.2008
Az: 24 W (pat) 86/06


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