Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. Januar 2001
Aktenzeichen: 25 W (pat) 87/00

(BPatG: Beschluss v. 18.01.2001, Az.: 25 W (pat) 87/00)

Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 6. März 2000 aufgehoben, soweit der Widerspruch aus der Marke DD 645 527 hinsichtlich der Ware "Hormonpräparate für die Anwendung in der Gynäkologie" zurückgewiesen worden ist. Insoweit wird die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet.

Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die am 21. Februar 1995 angemeldete Bezeichnung MIRENAL ist nach Teillöschung noch für die Waren "Hormonpräparate für die Anwendung in der Gynäkologie; Chirurgische, ärztliche, zahn- und tierärztliche Instrumente und Apparate, künstliche Gliedmaßen, Augen und Zähne; orthopädische Artikel; chirurgisches Nahtmaterial" im Markenregister eingetragen. Die Eintragung erfolgte am 11. Oktober 1995.

Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der am 12. Januar 1987 für "pharmazeutische Präparate und Substanzen, Vaccine und Seren" eingetragenen Marke DD 645 527, MYLERAN, deren Benutzung im Beschwerdeverfahren bestritten worden ist. Die Widersprechende hat zur Glaubhaftmachung einer Benutzung eine eidesstattliche Versicherung des Generalmanagers der Firma G... GmbH & Co mit Umsatz- angaben sowie Verpackungsmuster, Preislisten und Rechnungskopien vorgelegt, wonach die Widerspruchsmarke mit Zustimmung der Widersprechenden von der G... GmbH & Co zur Kennzeichnung eines Zytostatikums verwendet wird.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat in dem angefochtenen Beschluß eine Verwechslungsgefahr zwischen den Marken verneint und den Widerspruch zurückgewiesen. Auszugehen sei von einer nach der Registerlage möglichen Warenidentität hinsichtlich der für die angegriffenen Marke beanspruchten gynäkologischen Hormonpräparate, während im übrigen zu den der Klasse 10 zuzuordnenden weiteren Waren eine außerordentliche Warenferne bestehe. Der Widerspruchsmarke sei ein normalen Schutzumfang zuzubilligen. Auch wenn in Anbetracht dieser Umstände und der einzubeziehenden allgemeinen Verkehrskreise strenge Anforderungen an den von der jüngeren Marke einzuhaltenden Markenabstand zu stellen seien, bestehe keine Verwechslungsgefahr. In klanglicher Hinsicht fielen die in der Laut- und Silbenzahl sowie der Betonung bestehenden Gemeinsamkeiten der Wörter nicht entscheidungserheblich ins Gewicht. Denn diese würden von den sich unterscheidenden, den Wortklang wesentlich prägenden Vokalen des wie "ü" gesprochenen "y" zu "i" überlagert, zumal diese am stärker beachteten Wortanfang stünden, betont gesprochen und deshalb kaum überhört würden. Im Schriftbild sei eine Verwechslungsgefahr ebenfalls wegen der markanten Unterschiede der jeweiligen Wortumrisse in jeder üblichen Schreibweise ausgeschlossen, wobei in Normalschrift die unterschiedliche Platzierung der Ober- und Unterlängen zu einem unterschiedlichen Wortbild beitrage.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, die beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Der angefochtene Beschluß verkenne die beachtliche Nähe der für die jüngere Marke eingetragenen medizintechnischen Instrumente und Apparate zu den für die älteren Marke geschützten pharmazeutischen Präparaten und die deshalb auch insoweit an den Markenabstand zu stellenden strengen Anforderungen. Diesen werde die jüngere Marke wegen der identischen artikulierten Vokalfolge und des vom Verkehr besonders beachteten identischen Wortanfangs in klanglicher Hinsicht nicht gerecht. Wie bei einer Vielzahl anderer medizinischer Ausdrücke werde auch in der Widerspruchsmarke das "y" wie "i" artikuliert. Auch schriftbildlich bestehe insbesondere im Hinblick auf das oft undeutliche Erinnerungsbild der Verkehrsbeteiligten Verwechslungsgefahr.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hat sich zur Frage der Verwechslungsgefahr im Beschwerdeverfahren nicht geäußert und auf die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung verzichtet.

Wegen der Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluß sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt (§ 66 Abs 1 Satz 1, Abs 2 MarkenG).

Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg, soweit der Widerspruch sich gegen die eingetragenen Waren "Hormonpräparate für die Anwendung in der Gynäkologie" richtet, da nach Auffassung des Senats hinsichtlich dieser Waren eine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG besteht. Der angefochtene Beschluß war deshalb insoweit aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen (§ 43 Abs 2 Satz 1 MarkenG), im übrigen war die Beschwerde mangels Verwechslungsgefahr zurückzuweisen.

Bei seiner Entscheidung geht der Senat mangels entgegenstehender Anhaltspunkte von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke aus.

Nachdem die Inhaberin der angegriffenen Marke die nach § 43 Abs 1 MarkenG mögliche Benutzungseinrede erhoben hat und die Widersprechende eine Benutzung der Widerspruchsmarke für ein Zytostatikum durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung sowie weiterer Unterlagen hinreichend glaubhaft gemacht hat, ist für die Beurteilung der Warenähnlichkeit im Rahmen der Integrationsfrage auf Seiten der Widerspruchsmarke ganz allgemein von diesen Waren und mangels entgegenstehender Festschreibung im Warenverzeichnis auch von Zytostatika ohne Beschränkung auf eine Rezeptpflicht, eine bestimmte Darreichungsform oder enthaltene Wirkstoffe auszugehen (st Rspr, vgl BPatG Mitt 1979, 223 - Mastu; BPatG GRUR 1995, 488, 489 APISOL / Aspisol; vgl allgemein zur Integrationsfrage BGH GRUR 1990, 39 ff - Taurus - und GRUR 1999, 164, 165 - JOHN LOBB). Diesen stehen auch unter Berücksichtigung der für das Beschwerdeverfahren maßgeblichen Warenkonstellation mit den für die jüngere Marke beanspruchten "Hormonpräparaten für die Anwendung in der Gynäkologie" noch Waren gegenüber, die gleichfalls zum Kernbereich der Arzneimittel gehören und deshalb ohne weiteres ähnlich sind, wenn sie auch einen deutlichen Indikationsabstand zu Zytostatika aufweisen. Verwechslungsfördernd wirkt sich hierbei aus, daß in den Warenverzeichnissen eine Rezeptpflicht nicht festgeschrieben ist und deshalb die allgemeinen Verkehrskreise uneingeschränkt für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr zu berücksichtigen sind. Allerdings ist auch insoweit grundsätzlich auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher abzustellen, dessen Aufmerksamkeit je nach Art der Ware oder Dienstleistung unterschiedlich hoch sein kann (vgl BGH MarkenR 2000, 140, 144 ATTACHÉ / TIS-SERAND; BGH GRUR 1998, 942, 943 li Spalte - ALKA-SELTZER; EuGH MarkenR 1999, 236, 239 unter 24. - Lloyd / Loints) und der insbesondere allem, was mit der Gesundheit zusammenhängt eine gesteigerte Aufmerksamkeit beizumessen pflegt (vgl BGH GRUR 1995, 50, 53 - Indorektal/Indohexal).

Soweit danach jedenfalls eher noch strenge Anforderungen an den einzuhaltenden Markenabstand zu stellen sind, hält die jüngere Marke diese nach Auffassung des Senats jedenfalls in klanglicher Hinsicht nicht ein, so daß Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG besteht. Die verwechslungsbegründende klangliche Markenähnlichkeit ist maßgeblich dadurch begründet, daß beide Wörter, selbst wenn man von einer Artikulation des "y" ähnlich wie "ü" ausgeht (wodurch kein deutlicher Abstand zum "i" entsteht), überwiegend identische Laute aufweisen, insbesondere auch die erfahrungsgemäß stärker beachteten Anfangslaute "M" übereinstimmen (vgl hierzu Althammer/Ströbele MarkenG, 6. Aufl, § 9 Rdn 97), und der jeweilige Gesamteindruck deutliche Klangparallelen aufweist. Es kommt hinzu, daß die bei isolierter Betrachtung noch verhältnismäßig unterschiedlich klingenden Anlaute "r" und "l" der jeweiligen zweiten bzw dritten Sprechsilbe nur vertauscht sind und deshalb die Abweichungen im Hinblick auf eine Klangrotation leichter unbemerkt bleiben können, zumal die Auffassung des Verkehrs eher von einem undeutlichen Erinnerungsbild bestimmt wird (st Rspr vgl EuGH MarkenR 1999, 236, 239 - Lloyd / Loints). Da mithin eine Verwechslungsgefahr in klanglicher Hinsicht zu bejahen ist, kann die Frage einer schriftbildlichen Gefahr von Verwechslungen dahingestellt bleiben (vgl BGH MarkenR 1999, 57, 59 - Lions).

Im übrigen ist die Beschwerde hinsichtlich der weiteren Waren "Chirurgische, ärztliche, zahn- und tierärztliche Instrumente und Apparate, künstliche Gliedmaßen, Augen und Zähne; orthopädische Artikel; chirurgisches Nahtmaterial" der Klasse 10 zurückzuweisen. Insoweit erscheint es bereits zweifelhaft, ob eine Ähnlichkeit nach dem für die markenrechtlichen Warenähnlichkeit wichtigen Kriterium der betrieblichen Zuordnung zu bejahen ist. Denn der Senat hat keine Anhaltspunkte dafür, daß aus der Sicht des Verkehrs, insbesondere des hier deutlich im Vordergrund stehenden marktkundigen Fachverkehrs, die Eigenart dieser nicht zu den Arzneimitteln zählenden (medizinischen) Produkte oder sonstige Umstände - wie zB Vertriebswege und -stätten - Veranlassung geben könnten, hierin konkurrierende oder sich ergänzende, unter einer gemeinsamen Produktverantwortlichkeit stehende Waren zu sehen (vgl hierzu EuGH MarkenR 1999, 22, 24, Ziff 28, 29 - CANON; BGH MarkenR 1999, 242, 245 - Canon II mwN). Dies kann aber letztlich zugunsten der Widersprechenden unterstellt werden, da sich jedenfalls aufgrund des sehr erheblichen Warenabstandes die Anforderungen an den erforderlichen Markenabstand deutlich reduzieren und die angegriffene Marke diesen, jedenfalls nicht strengen Anforderungen in jeder Hinsicht gerecht wird. Dies gilt nicht nur hinsichtlich der klanglichen Unterschiede, sondern auch im schriftbildlichen Vergleich der Wörter. Die deutlichen Konturunterschiede und die in Normalschrift oder bei handschriftlicher Wiedergabe in der Widerspruchsmarke hinzukommende Unterlänge des "y" sowie die unterschiedliche Platzierung der Oberlänge des jeweiligen "l" sorgen auch insoweit für eine hinreichend sichere Unterscheidbarkeit der Markenwörter.

Nach alledem erweist sich die Beschwerde der Widersprechenden teilweise begründet und ist im übrigen zurückzuweisen.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlaß, § 71 Abs 1 MarkenG.

Kliems Knoll Engels Pü






BPatG:
Beschluss v. 18.01.2001
Az: 25 W (pat) 87/00


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