Bundespatentgericht:
Beschluss vom 4. April 2000
Aktenzeichen: 24 W (pat) 52/99

(BPatG: Beschluss v. 04.04.2000, Az.: 24 W (pat) 52/99)

Tenor

Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Bezeichnung 21st Centuryist als Marke für die Waren

"Parfümerien, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer, Zahnputzmittel, Seifen"

zur Eintragung in das Register angemeldet.

Die Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung mit zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Die angesprochenen Verkehrskreise würden das dem Grundwortschatz der englischen Sprache entnommene Markenwort "21st Century" ohne weiteres mit dem entsprechenden deutschen Ausdruck "21. Jahrhundert" gleichsetzen und lediglich als werbemäßige Anpreisung in dem Sinne verstehen, daß die so gekennzeichneten Parfümerien usw. den Zeitgeschmack träfen und auch weit darüber hinaus im Trend liegen würden.

Gegen diese Beurteilung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Nach ihrer Auffassung werden mit dem Begriff "21st Century" keine konkreten Eigenschaften der von der Anmeldung erfaßten Waren beschrieben. Der Verkehr werde in dieser Bezeichnung aber auch keine bloße Warenanpreisung sehen. Die von der Markenstelle insoweit angestellten Überlegungen beruhten auf einer analysierenden Betrachtung der angemeldeten Marke, die so im Verkehr nicht vorgenommen werde.

Die Anmelderin beantragt (sinngemäß), die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtenen Beschlüsse und auf die Schriftsätze der Anmelderin Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet. Die angemeldete Marke weist nicht die gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erforderliche Unterscheidungskraft auf.

1. Unterscheidungskraft in diesem Sinne ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Anmeldung erfaßten Waren (oder Dienstleistungen) eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefaßt zu werden (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH MarkenR 2000, 99, 100 "St. Pauli Girl"; GRUR 2000, 231, 232 "FÜNFER"; MarkenR 2000, 48 "Radio von hier").

Nicht unterscheidungskräftig sind zunächst Bezeichnungen, bei denen es sich um beschreibende Angaben handelt, die vom Verkehr auch nur als solche aufgefaßt werden. Insoweit deckt sich der Ausschlußtatbestand des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG mit dem des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor, da, wie die Anmelderin zu Recht ausgeführt hat und wovon ersichtlich auch die Markenstelle ausgegangen ist, mit der angemeldeten Marke keine konkreten sachlichen Informationen über die von ihr erfaßten Waren vermittelt werden.

Das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG hat darüber hinaus aber auch einen eigenständigen Anwendungsbereich (vgl. BPatG GRUR 1997, 530, 531 "Rohrreiniger"; Mitt. 1997, 70, 71 "UHQ II"). Ebenfalls nicht unterscheidungskräftig sind z.B. gebräuchliche Wörter der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache, die vom Verkehr stets nur als solche und nicht als betriebliches Unterscheidungskennzeichen verstanden werden (vgl. BGH GRUR 1999, 1093, 1094 "FOR YOU"; GRUR 1999, 1096, 1097 "ABSOLUT"; GRUR 1999, 1089, 1091 "YES"). Aber auch Ausdrücke, die lediglich als werbliche Anpreisung der betreffenden Waren (oder Dienstleistungen) aufgefaßt werden, wird die erforderliche Unterscheidungskraft regelmäßig fehlen (vgl. BGH MarkenR 2000, 50, 51 "Partner with the Best"; MarkenR 2000, 48, 49 "Radio von hier"). Als solche bloße Werbeaussagen kommen - neben abgegriffenen Schlagwörtern wie "Turbo" oder "Mega" - vor allem solche Ausdrücke oder Wendungen in Betracht, bei denen es sich zwar einerseits nicht um glatt warenbeschreibende Sachangaben handeln mag, bei denen aber andererseits ein auf die Ware bezogener Sinngehalt so stark im Vordergrund steht, daß der Gedanke fernliegt, es könnte sich - über eine Werbeaussage hinaus - um eine individuelle Herkunftskennzeichnung handeln. So liegt der Fall hier.

a) Wie die Markenstelle zutreffend ausgeführt hat, ist der dem englischen Grundwortschatz entnommene Ausdruck "21st Century" für die angesprochenen inländischen Verkehrskreise ohne weiteres im Sinne seines deutschen Pendants "21. Jahrhundert" verständlich. Auf bestimmten Warengebieten, zu denen auch der hier betroffene Bereich der Parfümerien und Kosmetika gehört, ist insbesondere das Englische zur dominierenden Werbesprache geworden (vgl. hierzu schon BPatGE 13, 245, 249 "Dreamwell/Dreamwave"). Die Hersteller und Anbieter solcher Waren gehen also selbst davon aus, daß die angesprochenen Verkehrskreise Ausdrücke und Wendungen der englischen Sprache hinreichend verstehen. Insofern wäre es nicht realitätsgerecht, die Unterscheidungskraft fremdsprachiger und deutscher Markenwörter wesentlich verschieden zu beurteilen (vgl. BPatG, Beschluß vom 5.11.1996, 24 W(pat) 125/95 "Kid Care"; ähnlich Fezer, Markenrecht, 2. Aufl. 1999, § 8 Rdnrn. 238 f. (zu § 8 Abs. 2 Nr. 2)). Das hat auch die Anmelderin in der mündlichen Verhandlung nicht mehr in Frage gestellt.

b) Mit dem Hinweis auf das "21. Jahrhundert" ist das Markenwort "21st Century", wie die Markenstelle mit Recht angenommen hat, in besonderem Maße geeignet, Waren der angemeldeten Art zu bewerben, indem den angesprochenen Verkehrskreisen die Vorstellung vermittelt wird, daß die so gekennzeichneten Waren nicht nur aktuell und zeitgemäß, sondern darüber hinaus in der Lage sind, den Ansprüchen modernen Geschmacksempfindens dauerhaft gerecht zu werden.

Der Anmelderin kann nicht darin gefolgt werden, daß die Markenstelle mit dieser Beurteilung die angemeldete Marke in unzulässiger Weise einer analysierenden Betrachtung unterworfen habe. Zwar ist anerkannt, daß der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in der Regel so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt (st. Rspr.; zuletzt BGH MarkenR 2000, 99, 100 "St. Pauli Girl"). Hierbei darf aber, wie in der mündlichen Verhandlung erörtert, die Verständnisfähigkeit des Publikums auch nicht zu gering veranschlagt werden, nachdem der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in seiner Rechtsprechung zum allgemeinen Wettbewerbsrecht und ebenso zum Markenrecht seit längerem einen Wandel des Verbraucherleitbildes vom flüchtigen Abnehmer zum durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher eingefordert und der Bundesgerichtshof diesen Wandel nunmehr auch für das nationale Markenrecht vollzogen hat (EuGH GRUR Int. 1999, 734, 736 Tz. 26 "Lloyd"; WRP 2000, 289, 292 Tz. 27 "Lifting-Creme"; GRUR Int. 1998, 795, 797 "Gut Springenheide"; BGH, Urteil vom 13. Januar 2000, I ZR 223/97 "ATTACHÉ/TISSERAND", Umdruck S. 18). Geboten ist daher eine Beurteilung, die sich einerseits frei von gekünstelter Analyse, also letztlich spekulativen Überlegungen hält, aber andererseits das werbliche Umfeld, in dem sich eine Marke bewegt und in dem sie einem aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher begegnet, angemessen berücksichtigt. Dem werden die angefochtenen Beschlüsse gerecht.

Der Jahrhundert- und Jahrtausendwechsel ist von der Werbung in größtem Umfang dafür genutzt worden, mit schlagwortartigen Hinweisen auf dieses Ereignis die besondere Aktualität und Zukunftsgerichtetheit von Waren nahezu aller Art herauszustellen. Meist ist dies durch Verwendung der Jahreszahl "2000" geschehen (vgl. BPatG, Beschluß vom 18.2.2000, 33 W(pat) 153/99 "WORLD 2000"). Der hier zur Beurteilung stehende Ausdruck "21st Century" eignet sich hierfür nicht weniger. Das zeigt z.B. das dem Erstbeschluß der Markenstelle beigefügte Werbe-Interview über ein neues Parfüm von Jil Sander. Der befragte Parfumeur führt dort aus: "Es ging vor allem darum, ... einen Duft mit Stärke ... zu schaffen. Einen Duft für das 21. Jahrhundert...." Der Interviewer fragt nach: "Inwiefern ist das neue Parfüm ein Duft für das 21. Jahrhundert€" Vor diesem Hintergrund betrachtet, ist der Sinngehalt der angemeldeten Marke "21st Century" zu sehr auf bestimmte, in der Werbung allgemein herausgestellte und dementsprechend vom Verkehr erwartete Eigenschaften der von ihr erfaßten Waren ausgerichtet, als daß daneben noch die Vorstellung aufkommen könnte, es handle sich um ein bestimmtes Unternehmen, das sich dieser Bezeichnung als Mittel zur Unterscheidung gerade der von ihm stammenden Waren von solchen anderer Unternehmen bediene.

2. Soweit sich die Anmelderin auf die Vorschrift des § 23 Nr. 2 MarkenG bezogen hat, kann auch dies der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen. Allerdings soll es sich bei dieser Vorschrift, wonach der Inhaber einer Marke grundsätzlich nicht gegen ihren Gebrauch als beschreibende Angabe einschreiten kann, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes um ein geeignetes Korrektiv handeln, das es ermöglicht, das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG eng auszulegen und auf konkret die Ware (oder Dienstleistung) selbst beschreibende Angaben zu beschränken (vgl. BGH GRUR 1999, 988, 990 "HOUSE OF BLUES" m.w.N.). Das steht indessen nicht in Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, wonach die dem § 23 Nr. 2 MarkenG entsprechende Vorschrift des Art. 6 Abs. 1 Buchst. b Markenrechts-Richtlinie keinen ausschlaggebenden Einfluß auf die Auslegung des Art. 3 Abs. 1 Buchst. c Markenrechts-Richtlinie (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG) hat (EuGH GRUR 1999, 723, 726 Tz. 28 "CHIEMSEE"; vgl. hierzu BPatG GRUR 2000, 149, 151 "WALLIS"). Das bedarf aber hier keiner weiteren Erörterung. Die angemeldete Marke ist nämlich, wie ausgeführt, deswegen nicht schutzfähig, weil sie nicht die gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erforderliche Unterscheidungskraft aufweist. Insoweit ist die Vorschrift des § 23 Nr. 2 MarkenG, die lediglich dem Freihaltebedürfnis an beschreibenden Angaben Rechnung trägt, von vornherein nicht einschlägig (BPatG GRUR 1998, 1021, 1023 "Mona Lisa"; GRUR 1999, 333, 335 "New Life").

3. Die von der Anmelderin desweiteren angeführten Voreintragungen vermeintlich vergleichbarer Marken rechtfertigt die Eintragung der angemeldeten Marke ebenfalls nicht. Der Registerstand ist, wie sie selbst nicht verkennt, für die Beurteilung der Schutzfähigkeit einer Marke grundsätzlich unbeachtlich (st. Rspr.; siehe zuletzt BGH Bl. f. PMZ 1998, 248, 249 "Today").

4. Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde bestand kein Anlaß. Die Anmelderin hat ihre dahingehende Anregung mit der ihrer Auffassung nach unzuträglich divergierenden Eintragungspraxis begründet. Dies stellt jedoch, wie sich aus § 83 Abs. 2 MarkenG ergibt, keinen Grund für die Zulassung der Rechtsbeschwerde dar. Auch die Frage, ob und inwieweit im Bereich des Markenrechts bei der Beurteilung der Verkehrsauffassung nicht mehr auf einen flüchtigen, sondern einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher abzustellen ist, ist durch die Rechtsprechung sowohl des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften als auch des Bundesgerichtshofes hinreichend geklärt.

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Beschluss v. 04.04.2000
Az: 24 W (pat) 52/99


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