Bundespatentgericht:
Beschluss vom 21. November 2000
Aktenzeichen: 23 W (pat) 09/99

(BPatG: Beschluss v. 21.11.2000, Az.: 23 W (pat) 09/99)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß des Deutschen Patentamts - Prüfungsstelle für Klasse H05K - vom 9. September 1998 aufgehoben.

Das Patent 196 09 699 wird mit folgenden Unterlagen erteilt:

Patentanspruch 1 und Beschreibung Seiten 1 bis 7 in der in der mündlichen Verhandlung überreichten Fassung, Patentansprüche 2 bis 16, wobei vor "Gehäuseaufbau" jeweils einzufügen ist "Schaltschrank mit einem modularen" und Figuren 1 und 2 in der offengelegten Fassung.

Anmeldetag: 13. März 1996 Bezeichnung: Schaltschrank mit einem modularen Gehäuseaufbau

Gründe

I Die vorliegende Patentanmeldung ist mit der Bezeichnung "Modularer Gehäuseaufbau" am 13. März 1996 beim Deutschen Patentamt eingereicht worden.

Mit Beschluß von 9. September 1998 hat die zuständige Prüfungsstelle für Klasse H05K des Deutschen Patentamts die Anmeldung zurückgewiesen.

Die Prüfungsstelle hat ihre Entscheidung damit begründet, daß der Gegenstand nach dem damaligen Patentanspruch 1 im Hinblick auf den Stand der Technik gemäß der deutschen Auslegeschrift 1 264 553 iVm den üblichen fachmännischen Kenntnissen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.

In der mündlichen Verhandlung hat die Anmelderin einen neuen Anspruch 1 mit angepaßter Beschreibung überreicht und die Auffassung vertreten, daß dem Gegenstand des neugefaßten Patentanspruchs 1 der nachgewiesene Stand der Technik, einschließlich der im Prüfungsverfahren weiter genannten deutschen Offenlegungsschrift 38 23 656 und des deutschen Gebrauchsmusters 295 19 260, nicht patenthindernd entgegenstehe.

Die Anmelderin beantragt, den Beschluß des Deutschen Patentamts - Prüfungsstelle für Klasse H05K - vom 9. September 1998 aufzuheben und das Patent 196 09 699 mit folgenden Unterlagen zu erteilen: Patentanspruch 1 und Beschreibung Seiten 1 bis 7 in der in der mündlichen Verhandlung überreichten Fassung, Patentansprüche 2 bis 16, wobei vor "Gehäuseaufbau" jeweils einzufügen ist "Schaltschrank mit einem modularen", und Figuren 1 und 2 in der offengelegten Fassung.

Der geltende Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

"Schaltschrank mit einem modularen Gehäuseaufbau, bestehend aus einem Basis-Schrankkorpus (10) mit fünf Wandelementen (11, 12, 13, 14, 15), einem Sockel (20), einem oder mehreren Bodengehäusen (30.3, 30.1, 30.2), einem Dachgehäuse (40), zusätzlichen gesonderten Seitenschutzwänden (60), die sich über die gesamte Höhe des zusammengebauten Gehäuses erstrecken, sowie einer, zumindest die offene Vorderseite des Basis-Schrankkorpus (10) verschließenden, doppelwandigen Tür (70)."

Zu den Unteransprüchen 2 bis 16 und bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II Die Beschwerde ist zulässig und auch begründet, denn der Gegenstand des nunmehr geltenden Patentanspruchs 1 erweist sich nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung als patentfähig.

Sämtliche Patentansprüche sind zulässig, denn alle Anspruchsmerkmale sind für den Durchschnittsfachmann - einen berufserfahrenen, mit dem Aufbau von Schaltschränken befaßten Konstrukteur - aus der Gesamtheit der ursprünglichen Anmeldungsunterlagen als zur Erfindung gehörend offenbart herzuleiten.

Die Merkmale des geltenden Anspruchs 1 gehen im wesentlichen aus dem ursprünglichen Anspruch 1 hervor, wobei aufgrund der Beschreibung und der Ausführungsbeispiele nach den Figuren 1 und 2 weiter spezifiziert ist, daß erstens der ursprünglich beanspruchte modulare Gehäuseaufbau sich auf einen Schaltschrank bezieht, daß zweitens der Basis-Schrankkorpus (10), der aus fünf Wandelementen (Boden- (11), erste Seiten- (12), Decken- (13), zweite Seiten- (14), Rückwand (15) ) besteht, an seiner offenen Vorderseite mit einer doppelwandigen Tür (70) verschließbar ist und daß schließlich die zusätzlichen Seitenschutzwände (60) als gesonderte Seitenschutzwände ausgebildet sind, um die gesamte Höhe des zusammengebauten Gehäuses abzudecken, vgl. die ursprüngliche Beschreibung, Seiten 1 und 2, jeweils 2. Absatz sowie die Figuren 1 und 2 mit zugehöriger Beschreibung.

Die geltenden Unteransprüche 2 bis 16 entsprechen in der offengelegten Fassung den ursprünglich eingereichten Unteransprüchen.

2) Die Patentanmeldung geht nach den Angaben der Anmelderin in der Beschreibungseinleitung davon aus, daß Schaltschränke vielfach auf einem Sockel aufgebaut werden und auf dem Dach des jeweiligen Schaltschrankes ein Dachklimagerät befestigt ist. Ferner ist es auch üblich, kleinere Schrankeinheiten übereinander anzuordnen und zu einer Einheit zu verbinden.

Solche Geräteaufbauten sind jedoch insofern nachteilig, als diese bei Aufstellung im Freien keinen ausreichenden Schutz für die Einbauten bieten, da es immer möglich ist, sich gewaltsam Zugang zu den Einbauten zu verschaffen.

Daher ist es Aufgabe der vorliegenden Erfindung, einen Schaltschrank zu schaffen, der einen besseren Schutz vor Vandalismus bietet und der einen modularen Aufbau ermöglicht, vgl. die Beschreibung Seite 1b, le Absatz.

Diese Aufgabe wird mit den im Patentanspruch 1 im einzelnen angegebenen Merkmalen für den Aufbau eines Schaltschrankes gelöst.

Dabei kommt es - neben der doppelwandigen Ausführung der die Vorderseite des Schrankkorpus verschließenden Tür - wesentlich darauf an, daß die zusätzlichen gesonderten Seitenschutzwände sich über die gesamte Höhe des Gehäuseaufbaus erstrecken, da dann keine Hebelwerkzeuge zwischen die Gehäuseteile eingeschoben werden können, vgl. Beschreibung Seite 1c, 2. Abs.

3) Der Anmeldungsgegenstand nach dem Patentanspruch 1 ist gegenüber dem nachgewiesenen Stand der Technik neu (PatG § 3), da - wie es sich aus der nachfolgenden Abhandlung zur erfinderischen Tätigkeit ergibt - in keiner Druckschrift des ermittelten Standes der Technik ein Schaltschrank mit einem modularen Gehäuseaufbau offenbart ist, bei dem zusätzlich gesonderte, sich über die gesamte Höhe des zusammengebauten Gehäuses erstreckende Seitenschutzwände für einen hinreichenden Schutz des Schaltschrankes sorgen.

4) Die gewerblich anwendbare Erfindung (PatG § 5) beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit, denn die Lehre gemäß dem Patentanspruch 1 ergibt sich für den in Betracht zu ziehenden, vorstehend definierten Durchschnittsfachmann nicht in naheliegender Weise aus dem nachgewiesenen Stand der Technik (PatG § 4).

Die von der Prüfungsstelle in erster Linie herangezogene deutsche Auslegeschrift 1 264 553 betrifft als (Einrichtung zur Zusammenfassung mehrerer elektrischer Einzelgeräte zu einem Geräteblock) einen modularen Gehäuseaufbau, bei dem eine Anzahl von Gehäusen (Koffergeräte 13, 18, 19, 20, 21) mittels Verbindungslaufschienen (1, 2, 3) in einem Gestellrahmen zu einem Geräteblock zusammengefaßt werden, der bedarfsweise als Ganzes zu dessen größerem Schutz noch zusätzlich in einen Gestellrahmen bzw. in ein Gesamtgehäuse (Koffergehäuse od. dgl.) eingefügt werden kann, vgl dort die Figur 1 mit zugehöriger Beschreibung in Spalte 3 iVm Spalte 2, 2. Abs. Selbst wenn man die einzelnen Gehäuse (13, 18, 19, 20, 21) des mit einem Gesamtgehäuse versehenen Geräteblocks - wie es die Prüfungsstelle in dem angefochtenen Beschluß getan hat - als Basis-Schrankkorpus (18), Dachgehäuse oder Bodengehäuse interpretiert, verbleiben noch als wesentliche Unterschiede zum Anmeldungsgegenstand, daß der Geräteblock keinen Schaltschrank darstellt, der eine doppelwandige Tür und zusätzliche gesonderte Seitenschutzwände aufweist.

Nachdem nach dieser Entgegenhaltung gemäß Spalte 1, 2. Absatz der modulare Gehäuseaufbau vornehmlich für mobile Funkdienste eingesetzt werden soll, kann diese Druckschrift dem Fachmann auch keinen Hinweis geben, Seitenschutzwände zum größeren Schutz von im Freien stationär aufgestellten Schaltschränken vorzusehen.

Für den Schaltschrank nach Patentanspruch 1 findet sich somit in dieser Druckschrift kein Hinweis.

Das deutsche Gebrauchsmuster 295 19 260 betrifft zwar einen im Freien aufstellbaren Schaltschrank mit modularem Aufbau, bestehend aus einem Basis-Schrankkorpus (Elektronik-Schaltschrank 1 mit vier Wänden und einer Tür) und einem Dachgehäuse (Schutzdach 3 mit integriertem Wärmetauscher 4), dessen Basis-Schrankkorpus (1) seitlich unterhalb des Dachgehäuses von einer Schutzhaube (2) zumindest teilweise abgedeckt ist, vgl. dort die Schutzansprüche 1, 3 und 5 iVm den Figuren 1 bis 3b mit zugehöriger Beschreibung.

Auch ist in der Beschreibung einleitend ausgeführt, daß die für die Aufstellung im Freien vorgesehenen Schaltschränke aufwendig ausgestaltet sind und u.a. doppelwandige Türen aufweisen, jedoch wird der Fachmann eher davon abgehalten, auch bei dem Basis-Schrankkorpus (1) eine doppelwandige Tür vorzusehen, da nach der Ausführungsform gemäß der Figur 1 der Basis-Schrankkorpus (1) allseitig von der Schutzhaube (2) umschlossen ist.

Nachdem bei dem Schaltschrank gemäß diesem Gebrauchsmuster die Schutzhaube (2) sich nicht über die gesamte Höhe des zusammengebauten Gehäuses erstreckt, sondern lediglich vom Boden bis unterhalb des Dachgehäuses reicht, könnte zwar diese Druckschrift den Fachmann anregen, zusätzliche gesonderte Seitenschutzwände vorzusehen, jedoch vermag diese Druckschrift nicht, den Fachmann dazu anzuregen, bei einem Schaltschrank mit modularem Gehäuseaufbau - erfindungsgemäße - zusätzliche gesonderte Seitenschutzwände einzusetzen, die sich über die gesamte Höhe des zusammengebauten Gehäuses erstecken.

Somit wird der Schaltschrank nach Patentanspruch 1 auch von dieser Druckschrift nicht nahegelegt.

Die deutsche Offenlegungsschrift 38 23 656 betrifft ein mobiles Computer-System mit in einem Rahmen (Aufnahmerahmen 7) angeordnete Geräte (Module 1 als Einschubblöcke 2, Laufwerksblöcke 4), die von einem Gehäuse (Trägergehäuse 8 mit abhehmbaren Deckeln 10 und 11) umschlossen sind. Diese Druckschrift geht inhaltlich nicht über den vorstehend abgehandelten Stand der Technik hinaus und vermag daher auch nicht, in Verbindung mit diesem, d.h. in einer Gesamtschau, den Fachmann zu der erfindungsgemäßen Lehre nach Patentanspruch 1 anzuregen.

Der Schaltschrank mit einem modularen Gehäuseaufbau nach dem geltenden Anspruch 1 ist somit patentfähig.

5) An den Patentanspruch 1 können sich die auf ihn zurückbezogenen Unteransprüche 2 bis 16 anschließen, denn sie haben vorteilhafte und nicht selbstverständliche Ausführungsformen des Schaltschrankes mit einem modularen Gehäuseaufbau nach dem Anspruch 1 zum Gegenstand; ihre Patentfähigkeit wird von derjenigen des Gegenstandes des Hauptanspruchs mitgetragen.

6) Die geltende Beschreibung erfüllt die an sie zu stellenden Anforderungen hinsichtlich der Wiedergabe des maßgeblichen Standes der Technik und bezüglich der Erläuterung des beanspruchten Schaltschrankes mit einem modularen Gehäuseaufbau in Verbindung mit der Zeichnung.

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Beschluss v. 21.11.2000
Az: 23 W (pat) 09/99


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