Bundespatentgericht:
Beschluss vom 29. September 2004
Aktenzeichen: 28 W (pat) 214/02

(BPatG: Beschluss v. 29.09.2004, Az.: 28 W (pat) 214/02)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat in einem Beschluss vom 29. September 2004 (Aktenzeichen 28 W (pat) 214/02) die Beschwerde der Widersprechenden teilweise stattgegeben. Der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts - Markenstelle für Klasse 29 - vom 3. Juni 2002 wurde aufgehoben, soweit der Widerspruch bezüglich der Waren der Klassen 29 und 32 zurückgewiesen worden ist. Die angegriffene Marke bleibt jedoch weiterhin im Hinblick auf die im Beschluss vom 2. September 1999 angeordnete Löschung bestehen.

Die Widersprechende hat gegen die am 13. November 1996 eingetragene und am 20. Februar 1997 bekanntgemachte Wortmarke "Buntspecht" Widerspruch eingelegt. Die Widersprechende ist Inhaberin der Marke "SPECHT", die seit dem 24. November 1966 für die Waren "Obst- und Gemüsekonserven" eingetragen ist.

Das Deutsche Patent- und Markenamt hatte zunächst die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet und Verwechslungsgefahr festgestellt. Diese Entscheidung wurde jedoch nach einer Erinnerung der Markeninhaberin aufgehoben und der Widerspruch zurückgewiesen. Das Gericht hat nun festgestellt, dass zwischen den Marken im umfangreichen Widerspruch Verwechslungsgefahr besteht. Es gibt identische oder stark ähnliche Waren in den Klassen 29 und 32, und aufgrund des Aussagegehalts beider Marken kommt es zu einer erheblichen Markenähnlichkeit. Die Widerspruchsmarke genießt eine erhöhte Kennzeichnungskraft, da sie seit Jahrzehnten benutzt wird. Daher ist eine Verwechslungsgefahr zu bejahen.

Die Beschwerde der Widersprechenden hatte somit Erfolg. Die angegriffene Marke bleibt gelöscht im Umfang des beschränkten Widerspruchs. Die Waren der Klasse 31, die nicht mehr angegriffen wurden, sind von der Löschungsanordnung nicht betroffen.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 29.09.2004, Az: 28 W (pat) 214/02


Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluß des Deutschen Patent- und Markenamts - Markenstelle für Klasse 29 - vom 3. Juni 2002 aufgehoben, soweit der Widerspruch bezüglich der Waren der Klassen 29 und 32 zurückgewiesen worden ist. Insoweit bleibt die im Beschluß vom 2. September 1999 angeordnete Löschung der angegriffenen Marke bestehen.

Hinsichtlich der Waren der Klasse 31 sind beide Beschlüsse gegenstandslos.

Gründe

I.

Gegen die für die Waren

"Klasse 29: konserviertes, tiefgekühltes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse;

Klasse 31: frisches Obst und Gemüse Klasse 32: alkoholfreie Getränke, insbesondere Fruchtsaftgetränke, Fruchtsäfte, Gemüsesäfte, Gemüsetrunke"

am 13. November 1996 eingetragene und am 20. Februar 1997 bekanntgemachte Wortmarke Buntspechtist aus der unter anderem für die Waren

"Obst- und Gemüsekonserven"

seit dem 24. November 1966 eingetragenen Marke 826 554 SPECHT Widerspruch erhoben worden.

Die Markeninhaberin hat die Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten, nach Einreichung von Unterlagen zur Glaubhaftmachung aber eine Benutzung für Gemüsekonserven (nicht aber Obstkonserven) zugestanden.

Die Markenstelle für Klasse 29 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluß des Erstprüfers zunächst die Löschung der jüngeren Marke mit der Begründung angeordnet, bei bestehender Warenidentität bzw engster Warenähnlichkeit sei wegen der Übereinstimmung beider Marken in begrifflicher Hinsicht eine Verwechslungsgefahr zu bejahen.

Dieser Beschluss ist auf die Erinnerung der Markeninhaberin aufgehoben und der Widerspruch zurückgewiesen worden, denn nach Ansicht des Erinnerungsprüfers halten die Marken auch bei identischen Waren im Gesamteindruck noch einen ausreichenden Abstand zueinander ein, zumal für den Verkehr keine Veranlassung bestehe, die angegriffene Marke zu verkürzen. Eine assoziative Verwechslungsgefahr komme nicht in Betracht, da die Widerspruchsmarke mangels Serienbildung keinen Hinweischarakter aufweise.

Gegen diesen Beschluß richtet sich nunmehr die Beschwerde der Widersprechenden, die in der mündlichen Verhandlung ihren Widerspruch auf die Waren der Klassen 29 und 32 beschränkt hat und die Annahme einer Verwechslungsgefahr für unumgänglich hält, da vor dem Hintergrund weitgehend identischer Waren die Widerspruchsmarke, für die aufgrund langjähriger und umfangreicher Benutzung eine erhöhte Kennzeichnungskraft beansprucht werde, nicht nur wortidentisch, sondern auch begriffsgleich in der angegriffenen Marke enthalten sei.

Die Markeninhaberin bestreitet weiterhin die Benutzung für Obstkonserven und geht im übrigen von weitgehend eher unähnlichen Waren sowie vom Gesamteindruck der Marken aus; von einer erhöhten Bekanntheit der Widerspruchsmarke, die letztlich keinen Motivschutz beanspruchen könne, könne keine Rede sein.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtenen Beschlüsse sowie auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und hat in der Sache Erfolg, denn zwischen den Marken besteht im Umfang des beschränkten Widerspruchs Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.

Die Rechtsfrage, ob Verwechslungsgefahr vorliegt, erfordert - unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls - eine Gewichtung der Faktoren Waren/Dienstleistungsidentität oder -ähnlichkeit, Markenidentität oder -ähnlichkeit und Kennzeichnungskraft der älteren Marke in dem Sinn, dass der höhere Grad einer der Faktoren durch den niederen Grad eines anderen Faktors ausgeglichen werden kann (st. Rspr zB BGH MarkenR 2004, 253 - dcfix/CD-FIX).

Was die Warenlage betrifft, ist bei der Widerspruchsmarke von Gemüse- und Obstkonserven auszugehen, nachdem die Markeninhaberin erstere anerkannt und letztere von der Widersprechenden ausreichend glaubhaft gemacht worden ist. Ausweislich der zu den Akten überreichten Benutzungsunterlagen in Form mehrerer eidesstattlicher Versicherungen sowie Preislisten und Etikettenmuster kann davon ausgegangen werden, dass die Widerspruchsmarke im relevanten Benutzungszeitraum in wirtschaftlich sinnvoller und repräsentativer Weise ernsthaft auch für eingemachte Wildpreiselbeeren verwendet worden ist, was einer rechtserhaltenden Benutzung für die im Warenverzeichnis aufgeführten Obstkonserven entspricht. Damit stehen sich in der Klasse 29 identische bzw. hochgradig ähnliche Waren gegenüber, während im Bereich der Warenklasse 32 im Hinblick auf die dort angesiedelten Frucht- und Gemüsesäfte ebenfalls zwanglos Warenähnlichkeit im Rechtssinne zu den Obst- und Gemüsekonserven besteht, da es sich hierbei nur um unterschiedliche Verarbeitungszustände handelt. Nimmt man hinzu, dass sich sämtliche Waren als Artikel des täglichen Verbrauchs an breiteste Endabnehmerkreise richten, die auch als situationsangepasst verständige Verbraucher solche Produkte erfahrungsgemäß mit einer gewissen Flüchtigkeit erwerben, kann die Verwechslungsgefahr nur dann verneint werden, wenn die Marken einen deutlichen Abstand zueinander einhalten oder aber wenn der Rechtsanspruch der älteren Marke auf Innehaltung eines deutlichen Markenabstandes wegen ihrer Kennzeichnungsschwäche reduziert ist. Beides liegt hier nicht vor, ohne dass es für die Entscheidung noch auf die Frage ankommt, ob der seit Jahrzehnten gut benutzten Widerspruchsmarke nicht sogar eine erhöhte Kennzeichnungskraft zuerkannt werden muß.

Die beiden Marken mögen zwar im unmittelbaren Vergleich aufgrund ihrer unterschiedlichen Länge noch klanglich wie schriftbildlich auseinander zu halten sein. Gleichermaßen begründet auch der Umstand, dass die Widerspruchsmarke wortgleich in der angegriffenen Marke enthalten ist, für sich genommen noch keine unmittelbare Verwechslungsgefahr. Allerdings stellt dieser Umstand ein starkes Indiz für die Bejahung einer erheblichen Markenähnlichkeit dar, was umso mehr gilt, als vorliegend die Widerspruchsmarke auch nicht etwa in einen neuen begrifflichen Kontext eingebunden worden und quasi in einem neuen Wort aufgegangen ist (wie das zB bei einem Wort wie "Schluckspecht" der Fall wäre, vgl. recht instruktiv BPatG 26 W (pat) 204/02 v. 7. April 2004 "Spitzenreiter/Reiter"). Da es sich bei einem Buntspecht um die in Deutschland am häufigsten anzutreffende Art der Familie der Spechte handelt, ist es nicht zu beanstanden, beiden Marken mehr oder minder Identität im Aussagegehalt zu bescheinigen, wie das auch die Markenstelle getan hat. Wenn die Markeninhaberin in diesem Zusammenhang selbst einräumt, dass auf dem vorliegenden Warengebiet die Kennzeichnung der Waren mit Gattungsnamen von Vögeln eher ungewöhnlich ist, und wenn man bedenkt, dass der Verkehr die Marken in der Regel ohnehin nicht nebeneinander sieht, sondern aus der Erinnerung heraus vergleicht, liegt es auf der Hand, dass er bei Marken mit einem markanten übereinstimmenden Bedeutungsgehalt, der fast schon einem Synonym gleichkommt, beim Antreffen der einen Marke kaum mehr wissen wird, ob es sich dabei um die ihm bekannte Marke oder um eine neue Kennzeichnung handelt. Eine solche Konstellation führt zwangsläufig zur Annahme einer Verwechslungsgefahr, der auch nicht etwa ein unzulässiger Motivschutz auf Seiten der Widerspruchsmarke entgegensteht, da sich die Inhaberin der angegriffenen Marke bei der Zeichenbildung nicht nur desselben Motivs bedient, sondern dieses in Bezug auf die Kennzeichnungsgepflogenheiten auf dem Warengebiet ohne jegliche Abwandlung oder Variation in gleicher Weise eingesetzt und damit in den Schutzbereich der Widerspruchsmarke und nicht etwa nur in das Motiv eingegriffen hat.

Vor diesem Hintergrund stehen sich die Marken angesichts ihrer Übereinstimmung im Aussagegehalt in begrifflicher Hinsicht zu nahe, um eine Verwechslungsgefahr zu verneinen. Damit hatte die Beschwerde Erfolg, so dass der Erinnerungsbeschluß aufzuheben und die im Erstbeschluß angeordnete Löschung der angegriffenen Marke im Umfang des beschränkten Widerspruchs zu bestätigen war. Hinsichtlich der Waren der Klasse 31, die mit dem Widerspruch nicht mehr angegriffen werden, sind die Löschungsanordnung im Erst- und der Erinnerungsbeschluß gegenstandslos. Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst, § 71 Abs 1 Satz 2 Markengesetz.

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BPatG:
Beschluss v. 29.09.2004
Az: 28 W (pat) 214/02


Link zum Urteil:
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