Bundespatentgericht:
Beschluss vom 7. April 2009
Aktenzeichen: 6 W (pat) 312/06
(BPatG: Beschluss v. 07.04.2009, Az.: 6 W (pat) 312/06)
Tenor
Der Kostenantrag der Einsprechenden wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Einsprechende hat mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2005 gegen das Patent 198 44 390 mit der Bezeichnung "Verfahren zur Herstellung von Tabletten in einer Rundläufertablettiermaschine" der Kostenantragsgegnerin Einspruch erhoben. Diese hat ihr Patent mit Schriftsatz vom 7. Juli 2006 zunächst in vollem Umfang verteidigt.
Der Senat hat am 26. November 2008 in der Sache Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 29. Januar 2009 anberaumt.
Mit Schriftsatz vom 23. Januar 2009, der bei der Geschäftsstelle des Senats am 26. Januar 2009 eingegangen und von der Geschäftsstelle am selben Tag der ehemaligen Patentinhaberin übersandt worden ist, hat die Einsprechende sich nochmals zur Patentfähigkeit des Streitpatents und dem Vorbringen der Patentinhaberin geäußert.
Daraufhin hat die Patentinhaberin das Streitpatent mit Fax am Mittag des 28. Januar 2009, gegenüber dem Deutschen Patentund Markenamt "zurückgenommen", dem Senat eine Kopie dieser Erklärung gefaxt und -ebenfalls per Fax erklärt, dass aus diesem Patent für die Vergangenheit keine Rechte geltend gemacht werden. Eine Kopie dieser Erklärungen wurde per Fax den Vertretern der Einsprechenden um 12.16 Uhr übersandt.
Am gleichen Tag wurde der Termin zur mündlichen Verhandlung aufgehoben.
Mit Schriftsatz vom 17. Februar 2009 hat die Einsprechende vorgetragen, ihr Vertreter habe zum Zeitpunkt des Eingangs der Verzichtserklärung bereits die Reise nach München zur mündlichen Verhandlung per Kfz angetreten gehabt. Die Anreise sei bereits am Vortag der mündlichen Verhandlung erfolgt, weil für den 29. Januar 2009 Streiks im Flugverkehr angekündigt gewesen seien, so dass eine Anreise am Verhandlungstag mit dem Flugzeug als risikobehaftet angesehen worden sei. Durch diesen sehr späten Verzicht auf das Streitpatent seien der Einsprechenden unnötige Mehrkosten entstanden, die bei einer früheren Verzichtserklärung hätten vermieden werden können.
Die Einsprechende beantragt darum, der ehemaligen Patentinhaberin die Kosten der für Donnerstag, den 29. Januar 2009 anberaumten Verhandlung aufzuerlegen.
Die ehemalige Patentinhaberin beantragt, den Kostenantrag zurückzuweisen.
Der Kostenantrag sei nicht gerechtfertigt, weil es der Patentinhaberin freigestanden hätte, auch erst in der mündlichen Verhandlung auf das Patent zu verzichten. Im Übrigen habe die Einsprechende letztlich ihr Ziel, nämlich den Untergang des Streitpatents, erreicht.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Das Einspruchsverfahren ist durch die als Verzicht auf das angegriffene Patent auszulegende "Rücknahme" des Patents und die Erklärung, dass aus diesem Patent für die Vergangenheit keine Rechte geltend gemacht werden, nach herrschender Meinung in der Hauptsache erledigt (vgl. Schulte, PatG, 8. Aufl., § 59 Rn. 250; Busse -Schwendy/Keukenschrijver, Patentgesetz, 6. Aufl., § 59 Rn. 182; Benkard, Patentgesetz, 10. Aufl., § 59 Rn. 55a).
Der zulässige Kostenantrag der Einsprechenden ist unbegründet, denn es entspricht nicht der Billigkeit, im vorliegenden Fall der ehemaligen Patentinhaberin -abweichend von der gesetzlichen Regelung, dass jeder Verfahrensbeteiligte die ihm durch das Beschwerdeverfahren entstandenen Kosten grundsätzlich selbst zu tragen hat -diejenigen außergerichtlichen Kosten der Einsprechenden aufzuerlegen, die ihr durch den am Vortag der anberaumten Verhandlungstermin erfolgten Verzicht möglicherweise erwachsen sind (§ 147 Abs. 3 Satz 1 Ziff. 2, Satz 2 PatG a. F., § 62 Abs. 1 Satz 1 und 2 PatG).
Ein Abweichen vom Grundsatz der eigenen Kostentragung bedarf stets besonderer Umstände, die sich aus dem Verhalten der Beteiligten ergeben können, insbesondere aus einem erheblichen Verstoß gegen die allgemeine prozessuale Sorgfaltspflicht. Dies kann dann der Fall sein, wenn es unbillig erscheint, die ohne weiteres vermeidbaren Kosten die anderen Beteiligten tragen zu lassen. Wer vorwerfbar durch Säumnis, Nachlässigkeit oder sonstige vermeidbare Störungen des Verfahrensablaufs unnötige Kosten verursacht, muss sie billigerweise tragen (vgl. Schulte, Patentgesetz, 8. Aufl., § 62 Rn. 16 ff.; Busse -Keukenschrijver, Patentgesetz, 6. Aufl., § 62 Rn. 39; Benkard, Patentgesetz, 10. Aufl., § 62 Rn. 5 ff.; BGH BlPMZ 1973, 23, 24 -Lewapur). Die Auferlegung von Kosten erfordert daher stets die Feststellung von Tatsachen, die es -abweichend vom Normalfall -aus Billigkeitsgründen rechtfertigen, die Kosten ganz oder teilweise ausnahmsweise einem der Beteiligten aufzuerlegen. Können solche Feststellungen nicht getroffen werden, bleibt es beim Regelfall, dass jeder Verfahrensbeteiligte seine eigenen Kosten trägt.
Im vorliegenden Fall sind keine besonderen Gesichtspunkte erkennbar, die eine Kostenauferlegung billig erscheinen ließen.
Der Umstand, dass die Kostenantragsgegnerin erst am Vortag der anberaumten Verhandlung auf das Streitpatent verzichtet hat, kann für sich genommen noch nicht zur Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen führen. Denn die Patentinhaberin hätte es auch auf die mündliche Verhandlung ankommen lassen können, ohne deshalb befürchten zu müssen, mit dem Kostenrisiko der Gegenseite belastet zu werden. Andernfalls würde ein Beteiligter, der eine verfahrenserledigende Handlung relativ spät vornimmt, mit einem höheren Kostenrisiko belastet, obwohl er durch diese Handlung für alle Beteiligten zu einer Kostenminimierung beigetragen hat. Die Aufbürdung eines solchen Kostenrisikos würde aber die Beteiligten von verfahrenserledigenden Handlungen abschrecken, was dem Interesse der Beteiligten und des Gerichts an einem ökonomisch durchgeführten Verfahren und einer möglichst unkomplizierten Erledigung des Rechtsstreits zuwiderlaufen würde (vgl. BPatG GRUR 1999, 91 für die Rücknahme der Beschwerde im Einspruchsbeschwerdeverfahren).
Weitere Umstände, die einen Verstoß der ehemaligen Patentinhaberin oder ihrer Vertreter gegen eine prozessuale Sorgfaltspflicht begründen würden, sind weder vorgetragen noch erkennbar. Zwar ist der Verzicht auf das Streitpatent relativ spät, nämlich am 28. Januar 2009 mittags erfolgt. Es handelt sich hierbei jedoch ersichtlich um eine Reaktion auf die von der Geschäftsstelle des Senats am 26. Januar 2009 abgesandte, relativ kurz vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung eingereichte nochmalige Stellungnahme der Einsprechenden, die die Vertreter der Patentinhaberin frühestens erst im Laufe des 27. Januar 2009 erreicht haben kann und möglicherweise eine Rücksprache mit der Mandantin erforderte. Vom am Mittag des nächsten Tags erfolgten Patentverzicht ist die Einsprechende von den Vertretern der Patentinhaberin dann unverzüglich per Fax unterrichtet worden.
Für ein sorgfaltswidriges Verhalten der Kostenantragsgegnerin gibt es darum keinen Anhaltspunkt.
Lischke Schneider Küest Guth Cl
BPatG:
Beschluss v. 07.04.2009
Az: 6 W (pat) 312/06
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