Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. Juni 2003
Aktenzeichen: 27 W (pat) 16/03

(BPatG: Beschluss v. 17.06.2003, Az.: 27 W (pat) 16/03)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 9. Oktober 2002 aufgehoben.

Gründe

I Die Wortmarke STAR soll für

"Durchflussmesseinrichtungen, nämlich induktive und kapazitive Durchflussmesseinrichtungen, Durchflussmesseinrichtungen nach dem Wirbel (Vortex-) Prinzip, Durchflussmesseinrichtungen nach dem Coriolisprinzip, Durchflussmesseinrichtungen mittels Ultraschall, Durchflussmesseinrichtungen mittels Schwebekörpermethode; elektronische Messeinrichtungen zu oben genannten Einrichtungen sowie Software zur Steuerung oben genannter Hardware; Dienstleistungen, nämlich Service und Wartung, Gerätediagnose für oben genannte Einrichtungen; Applikationsdiagnose, nämlich Beratung von Geräteeinsatz in Prozesssteuerungen"

in das Register eingetragen werden.

Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat mit Beschluss vom 9. Oktober 2002 die Anmeldung wegen mangelnder Unterscheidungskraft und Bestehens eines Freihaltebedürfnisses zurückgewiesen. Unter Bezugnahme auf den Beanstandungsbescheid vom 15. Juli 2002 ist ausgeführt, dass das Wort "STAR" in der deutschen Werbesprache die Bedeutung eines Wertversprechens habe und als allgemeine Qualitätsangabe in ständiger Rechtsprechung als nicht schutzfähig angesehen werde.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die nicht begründete Beschwerde der Anmelderin. Ihrer Auffassung nach weist der Begriff "STAR" in bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen keinerlei beschreibenden Inhalt auf; ebenso wenig stelle es eine Superlativangabe dar; vielmehr würden die angesprochenen Verkehrskreise ihm eine eher mythologische Bedeutung beimessen, so dass die Anmeldemarke merkfähig und damit unterscheidungskräftig sei.

II Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg, weil die Anmeldemarke entgegen der Ansicht der Markenstelle in bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen weder freihaltebedürftig ist (§ 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG) noch ihr die nach § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG erforderliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden kann.

Die Auffassung der Markenstelle, der Begriff "STAR" sei in ständiger Rechtsprechung als allgemeines Qualitätsmerkmal im Sinne von Spitzenprodukt oder Spitzenleistung als nicht schutzfähig angesehen worden, ist nicht zutreffend. Vielmehr stehen neben Entscheidungen, in denen die Schutzfähigkeit dieses Begriffs für bestimmte Waren oder Dienstleistungen verneint wurde (vgl 26 W (pat) 16/98 - Ecostar; 27 W (pat) 191/96 - eurostar; 32 W (pat) 49/00 - Gemüse Star; 28 W (pat) 65/99 - High Tech Star; 27 W (pat) 306/00 - STARLINE; sämtliche Entscheidungen veröffentlicht auf der PAVIS CD-ROM) auch viele Entscheidungen, in denen die Schutzfähigkeit für andere Waren oder Dienstleistungen bejaht wurde (vgl 29 W (pat) 197/00 - STAR; 26 W (pat) 76/00 - Star; 27 W (pat) 290/00 - StarWeld; 27 W (pat) 8/00 - TRAVEL-STAR; sämtliche Entscheidungen veröffentlicht auf der PAVIS CD-ROM). Dies beruht letztlich darauf, dass die Bedeutung eines Markenworts, welche die angesprochenen Verkehrskreise ihm voraussichtlich beilegen werden, nicht abstrakt, sondern nur jeweils in bezug auf jede einzelne beanspruchte Ware oder Dienstleistung ermittelt werden kann. Denn nach den Erkenntnissen der Sprachwissenschaft hat ein Wort keinen losgelöst von der Situation, in welcher es verwendet wird, ein für allemal festgelegten Bedeutungsgehalt; vielmehr bestimmt sich die Bedeutung eines Wortes stets nur nach dem (Gesamt-)Zusammenhang - zu dem alle sprachlichen wie außersprachlichen Umstände gehören -, in welchem es gebraucht wird; da Markenworte in der Regel in Alleinstellung, dh nicht in einem Textzusammenhang benutzt werden, aber sich auf konkrete Waren oder Dienstleistungen beziehen, kann sich die mögliche Bedeutung, welche ihm der Verkehr beilegen wird, nur aus dem Bezug zu diesen Waren und Dienstleistungen ergeben; je nach Fallgestaltung kann diese Bedeutung entweder eine (Sach-)Information über die Ware oder Dienstleistung enthalten oder als Herkunftshinweis angesehen werden; nur im letzteren Fall ist der Begriff unterscheidungskräftig im Sinne des § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG.

Bezogen auf die vorliegende Anmeldung bedeutet dies, dass die von der Markenstelle genannte Bedeutung des Wortes "STAR" als allgemeines Qualitätsmerkmal nur dann angenommen werden kann, wenn für die angesprochenen Verkehrskreise ein solches Verständnis dieses Wortes nahe liegt, etwa weil es in bezug auf diese Waren oder Dienstleistungen bereits in beschreibender oder warenanpreisender Weise verwendet worden ist oder ein Verständnis des Wortes vom Verkehr ohne weiteres auch mit Blick auf diese Waren oder Dienstleistungen übertragen wird. Hierzu hat die Markenstelle keinerlei Feststellungen getroffen. Ein solches Verständnis scheint für die hier beanspruchten Waren und Dienstleistungen auch kaum wahrscheinlich. Bei den beanspruchten Waren und Dienstleistungen handelt es sich nicht um allgemeine (Konsum-) Güter, die grundsätzlich von jedem erworben werden können, sondern um technische Hilfsmittel für bestimmte, nur von Fachleuten wahrgenommene Aufgabenstellungen. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass Werbeanpreisungen allgemeiner Art, die keine konkrete Aussage über bestimmte technische Eigenschaften oder Merkmale der Waren und Dienstleistungen vermitteln, auf dem spezifischen Waren- und Dienstleistungssektor, zu dem die angemeldeten Produkte und Tätigkeiten gehören, üblich sind. Dann liegt es für den rein fachlich orientierten Abnehmerkreis, an welche sich diese Waren und Dienstleistungen richten, aber eher fern, dem Wort "STAR", wenn sie ihm in Zusammenhang mit diesen spezifischen Waren und Dienstleistungen begegnen, einen ausschließlich werbeanpreisenden beschreibenden Inhalt beizulegen; vielmehr werden sie die Anmeldemarke ohne weiteres als Herkunftshinweis auffassen.

Da somit die Markenstelle die Anmeldemarke zu Unrecht als nicht schutzfähig angesehen hat, war der angefochtene Beschluss auf die Beschwerde der Anmelderin aufzuheben. Inwieweit das von der Anmelderin vorgelegte Warenverzeichnis hinreichend bestimmt ist, wird die Markenstelle im weiteren Eintragungsverfahren zu prüfen haben.

Dr. Schermer Dr. van Raden Schwarz Pü






BPatG:
Beschluss v. 17.06.2003
Az: 27 W (pat) 16/03


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