Finanzgericht Hamburg:
Beschluss vom 11. Juli 2012
Aktenzeichen: 3 KO 49/12

(FG Hamburg: Beschluss v. 11.07.2012, Az.: 3 KO 49/12)

Tatbestand

A. Nach Abhilfe durch den Antragsgegner (das Finanzamt -FA-) im Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung (AdV) macht der Antragsteller und Erinnerungsführer (Antragsteller) mit der Erinnerung im Kostenfestsetzungsverfahren als Rechtsverfolgungskosten gesetzliche Gebühren (Erledigungsgebühr und Terminsgebühr) seines Verfahrensbevollmächtigten geltend. Die Beteiligten streiten über das Entstehen dieser Gebühren durch ein Telefonat des Verfahrensbevollmächtigten mit dem FA.

I.

Der Antragsteller ist ein gewerkschaftsnaher eingetragener Verein (e. V.), der sich insbesondere mit der Vertretung der Interessen seiner Mitglieder und anderer Aktionäre auf Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften beschäftigt und sich für eine verstärkte Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand durch Beteiligung am Arbeitgeber-Betrieb einsetzt.

Am 15. August 2011 erließ das FA gegenüber dem Antragsteller einen Bescheid über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag und nahm darin Steuerfestsetzungen für 2010 und Festsetzungen von Vorauszahlungen vor (Finanzgerichtsakte Anlagenband -FG-A AnlBd- Bl. 3 ff.).

Mit Bescheid vom selben Tag setzte das FA den Gewerbesteuermessbetrag für 2010 fest (FG-A AnlBd Bl. 8). Mit weiterem Bescheid vom selben Tag nahm das FA auch für die Gewerbesteuer Steuerfestsetzungen für 2010 und Festsetzungen von Vorauszahlungen vor (FG-A AnlBd Bl. 6 f.).

Zunächst legte der Antragsteller mit Schreiben vom 6. November 2011 beim FA Einspruch ein und beantragte gleichzeitig die AdV. Diesen AdV-Antrag lehnte das FA mit Schreiben vom 26. September 2011 ab (FG-A AnlBd Bl. 1 f.).

II.

1. Am 19. Oktober 2011 hat der Antragsteller durch seinen Verfahrensbevollmächtigten einen AdV-Antrag beim Finanzgericht (FG) bezüglich der erwähnten Bescheide (oben I.) gestellt, der sowohl die Steuerfestsetzungen wie auch die Vorauszahlungen umfasst hat. Die Bescheide seien nicht ausreichend begründet und es beständen Zweifel an der Einstufung des Vermögenszuwachses des Vereins als Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Außerdem gefährde die Vollziehung der Bescheide die Existenz des Vereins und stelle deswegen eine unbillige Härte dar (Finanzgerichtsakte -FG-A- Bl. 1 ff.)

2. Nach Zustellung dieser Antragsbegründung hat das FA durch Bescheid vom 4. November 2011 dadurch (teilweise) abgeholfen, dass es hinsichtlich der Steuerfestsetzungen für die Körperschaftsteuer, den Solidaritätszuschlags und die Gewerbesteuer für 2010, nicht jedoch hinsichtlich der Vorauszahlungen, die Vollziehung ausgesetzt hat (FG-A Bl. 15 f).

3. Mit Schriftsatz vom selben Tag hat das FA durch Schriftsatz mitgeteilt, "dass dem Begehren des Antragstellers mit Schreiben vom heutigen Tag [...] entsprochen wurde. Einer etwaigen Erledigungserklärung des Antragstellers zur Hauptsache schließt sich der Antragsgegner bereits jetzt an" (FG-A Bl. 11).

4. Am 9. November 2011 hat der Verfahrensbevollmächtigte mit der zuständigen Sachbearbeiterin des FA ein Telefonat geführt, in dem ihm die Sachbearbeiterin nach Einsicht in ihre EDV mitgeteilt hat, dass der für die Vorauszahlungen zuständige Veranlagungsbezirk zwischenzeitlich die Vorauszahlungen für die Körperschaftsteuer und den Solidaritätszuschlag auf null Euro herabgesetzt habe, die Vorauszahlungen für die Gewerbesteuer jedoch nicht. Sie werde den Verfahrensbevollmächtigten schriftlich über die Erledigung des Antrags hinsichtlich der Vorauszahlungen informieren (FA-A Bl. 12 f.).

5. Mit Schriftsatz vom 9. November 2011 hat der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers mitgeteilt, er erkläre noch nicht für erledigt, weil die ebenfalls begehrte Aussetzung der Vollziehung der streitigen Bescheide im Hinblick auf die Vorauszahlungen nicht durch den AdV-Bescheid vom 4. November 2011 (oben A I 2) erfasst sei (FG-A Bl. 12 f.).

6. Mit Gewerbesteuermessbescheid vom 16. November 2011 hat das FA den festgesetzten Gewerbesteuermessbetrag aufgehoben. Mit Vorauszahlungsbescheiden vom selben Tag hat das FA auch die festgesetzten Vorauszahlungen für Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag und Gewerbesteuer aufgehoben (FG-A Bl. 57 ff.).

7. Mit Schriftsatz vom 18. November 2011 hat auch der Antragsteller das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt (FA-A Bl. 17).

8. Mit Beschluss vom 21. November 2011 hat der 5. Senat des FG durch den Berichterstatter dem FA die Kosten des Rechtstreits auferlegt (FG-A Bl. 18).

9. Mit Beschluss vom 23. Dezember 2011 hat der 5. Senat des FG durch den Berichterstatter den Streitwert auf 19.614,00 € festgesetzt. Dazu hat er zunächst den Wert der in den angegriffenen Bescheiden festgesetzten Steuern und Vorauszahlungen mit Ausnahme des Solidaritätszuschlags und der Vorauszahlungen auf den Solidaritätszuschlag zu Grunde gelegt. Unter Verweis auf eine Entscheidung des Hessischen FG (vom 28. Januar 2009 7 KO 3125/08, Juris) hat er dann auf diesen Wert für das AdV-Verfahren eine Quote von 10 % angewandt (FG-A Bl. 26).

III.

1. Der Antragsteller hat am 23. November 2011 beim FG die Festsetzung seiner außergerichtlichen Kosten i. H. v. insgesamt 2.406,89 € beantragt. Dabei hat er unter anderem eine 1,5 Erledigungsgebühr seines Verfahrensbevollmächtigten nach Nr. 1002 Vergütungsverzeichnis (VV) zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) geltend gemacht (FG-A Bl. 19 ff.).

2. Die Urkunds- und Kostenbeamtin des FG hat mit Beschluss vom 7. März 2012 die dem Antragsteller zu erstattenden Kosten antragsgemäß mit Ausnahme der erwähnten Erledigungsgebühr festgesetzt (FG-A Bl. 36 ff.).

Eine Erledigungsgebühr sei nicht entstanden. Eine Erledigungsgebühr im Sinne von Nr. 1002 VV RVG entstehe nämlich nur dann, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledige. Als Mitwirkung bei der Erledigung komme nur eine besondere, auf die Erledigung ohne streitige Entscheidung gerichtete Tätigkeit des Bevollmächtigten in Betracht, die über die bereits mit der Verfahrensgebühr abgegoltene Einlegung und Begründung des Rechtsbehelfs hinausgehe.

Eine solche wesentliche Mitwirkung scheide insbesondere aus, wenn dem Antrag des Antragstellers in vollem Umfang entsprochen worden sei bzw. eine Abhilfe zugesagt worden sei. Mit seinem Schriftsatz vom 4. November 2011 habe das FA bereits seine Bereitschaft signalisiert, dem Begehren des Antragstellers (auch) vollumfänglich abzuhelfen, so dass das Telefonat des Verfahrensbevollmächtigten (oben A II 4) keine Erledigungsgebühr entstehen lasse.

IV.

1. Zur Begründung der am 26. März 2012 eingelegten Erinnerung trägt der Antragsteller vor (FG-A Bl. 43 f., 49 f., 53 ff. i. V. m. Bl. 23 ff., 27 f., 30, 33 f.):

Aufgrund des Telefonats seines Verfahrensbevollmächtigten mit der Sachbearbeiterin des FA sei die Hauptsache hinsichtlich der Vorauszahlungen durch dessen Mitwirkung erledigt worden. Im Schriftsatz des FA vom 4. November 2011 (oben A II 4) sei nämlich keine Abhilfezusage zu sehen. Eine Erledigungserklärung auch hinsichtlich der Vorauszahlungen für die Streitjahre 2011 und 2012 habe deswegen erst durch seinen (des Antragstellers) Verfahrensbevollmächtigten abgegeben werden können, nachdem das FA seinem Begehren auch in dieser Hinsicht abgeholfen habe. Für diese Abhilfe sei es notwendig gewesen, durch das Telefonat die Reichweite des AdV-Antrags zu klären. Dies genüge für das Entstehen einer Erledigungsgebühr. Denn das Gesetz verlange lediglich eine anwaltliche Mitwirkung bei der Erledigung; eine qualifizierte Mitwirkung sei weder nach dem Wortlaut noch nach dem Willen des Gesetzgebers vorgesehen.

Mit Schriftsatz vom 25. Mai 2012 hat der Antragsteller seinen ursprünglichen Kostenfestsetzungsantrag dahingehend erweitert, dass er auch eine 1,2 Terminsgebühr seines Verfahrensbevollmächtigten nach Nr. 3202 VV RVG i. V. m. Vorbem. 3 Abs. 3 Halbs. 1 letzte Alt. VV RVG für das mit dem FA geführte Telefonat geltend macht (FG-A Bl. 53).

Der Antragsteller beantragt nunmehr sinngemäß, den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 7. März 2012 dahingehend zu ändern, dass zusätzlich eine 1,5 Erledigungsgebühr und eine 1,2 Terminsgebühr seines Verfahrensbevollmächtigten, berechnet auf den sich aus den Vorauszahlungen auf die Körperschaftsteuer und die Gewerbesteuer für 2011 und 2012 im AdV-Verfahren ergebenden Teilstreitwert, jeweils zzgl. 19 % Umsatzsteuer, als zu erstattende Kosten festgesetzt werden.

Das FA beantragt sinngemäß, die Erinnerung zurückzuweisen.

Das FA schließt sich im Wesentlichen der Begründung des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 7. März 2012 an und trägt vor (FG-A Bl. 45 f. i. V. m. Bl. 22, 25):

Seine (des FA) Erklärung im Schriftsatz vom 4. November 2011 könne nur so verstanden werden, dass es die Bereitschaft habe signalisieren wollen, dem Begehren des Antragstellers vollumfänglich zu entsprechen. Somit sei das Telefonat des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers mit ihm (dem FA) nicht ursächlich für eine Erledigung.

2. Die Urkunds- und Kostenbeamtin des FG hat der Erinnerung am 16. Mai 2012 nicht abgeholfen (FG-A 47 f.):

Auch eine Terminsgebühr sei nicht angefallen. Das gesetzliche Ziel einer Terminsgebühr, außergerichtliche Einigungen zu fördern, werde auch erreicht, wenn durch eine Besprechung zwar keine mündliche Verhandlung, aber ein streitiger Beschluss oder die Anberaumung eines Erörterungstermins entbehrlich würden. Im vorliegenden Fall habe das Finanzamt dem Begehren des Antragstellers jedoch bereits zuvor abgeholfen bzw. eine Abhilfe zugesagt, so dass das geführte Telefonat des Verfahrensbevollmächtigten mit dem FA nicht auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtet gewesen sei. In dem Telefonat habe eine bloße Besprechung über die technische Abwicklung der Abhilfe bzw. eine Nachfrage zum Sachstand gelegen, die keine Terminsgebühr auslöse.

3. Auf die Bitte des erkennenden Senats an den 5. Senat des FG um Festsetzung des Teilstreitwerts hinsichtlich der Vorauszahlungen zur Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer für 2011 und 2012 hat dieser durch Verfügung vom 23. Mai 2012 mitgeteilt, dass der genannte Teilstreitwert dem Streitwertbeschluss vom 23. Dezember 2011 ohne weiteres rechnerisch zu entnehmen sei (FG-A Bl. 52, vgl. FG-A Bl. 51, 20).

Gründe

B. Die Erinnerung ist im tenorierten Umfang begründet und im Übrigen unzulässig.

I.

Die Erinnerung ist im Kostenfestsetzungsverfahren gemäß § 149 Abs. 2 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) statthaft.

Die Erweiterung des Erinnerungsbegehrens mit Schriftsatz vom 25. Mai 2012 um eine Terminsgebühr neben der Erledigungsgebühr ist jedoch unzulässig.

1. Bei der Frage, ob die Erinnerung im Kostenfestsetzungsverfahren auch nach Ablauf der Erinnerungsfrist von zwei Wochen (§ 149 Abs. 2 Satz 2 FGO) zulässig erweitert werden kann, muss zwischen zwei Konstellationen unterschieden werden (vgl. § 104 Zivilprozessordnung -ZPO-; § 155 FGO; §§ 164, 165, 173 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO-).

a) Die Erinnerung eines Kostenschuldners, die sich gegen die Festsetzung von Kosten für den (teilweise) obsiegenden Gegner richtet ("Erinnerung gegen festgesetzte Kosten"), kann außerhalb der Erinnerungsfrist zulässig erweitert werden (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht -OLG- vom 27. August 1987 9 W 17/87, Juristisches Büro -JurBüro- 1987, 1726; OLG Köln vom 9. September 1985 17 W 310/85, JurBüro 1986, 928; OLG Koblenz vom 29. März 1985 14 W 153/85, JurBüro 1986, 117; Bundespatentgericht -BPatG- vom 8. Februar 1982 2 ZA (pat) 11/81, BPatGE 24, 165; OLG Karlsruhe vom 16. Mai 1978 3 W 15/78, JurBüro 1981, 1404; OLG Stuttgart vom 29. März 1978 8 W 139/78, Die Justiz -Justiz- 1978, 234; Kammergericht -KG- Berlin vom 30. Januar 1973, Juris).

b) Die Erweiterung der Erinnerung eines Kostengläubigers, die sich gegen die Nichtfestsetzung von Kosten gegen den (teilweise) unterliegenden Gegner richtet ("Erinnerung gegen nicht festgesetzte Kosten"), im finanzgerichtlichen Verfahren - wegen der Nichterstattung der Aufwendungen der Finanzbehörden (§ 139 Abs. 2 FGO) - also die Erinnerung des Antragstellers oder Klägers, ist dagegen regelmäßig unzulässig.

Denn in einer solchen Erweiterung liegt in aller Regel auch eine Anspruchserweiterung, d. h. ein Nachschieben von Kostenpositionen. Eine solche Anspruchserweiterung nach Ablauf der Erinnerungsfrist ist unzulässig. Die Zulässigkeit eines Rechtsmittels, hier der Erinnerung, setzt stets eine Beschwer des Rechtsmittelführers sowie das Bestreben voraus, diese Beschwer mit Hilfe des Rechtsmittels zu beseitigen. Durch die Nichtfestsetzung einer nicht beantragten Kostenposition ist ein Erinnerungsführer nicht beschwert (Bundesgerichtshof -BGH- vom 16. November 2010 VI ZB 79/09 m. w. N, Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungsreport -NJW-RR- 2011, 499; OLG Koblenz vom 29. März 1985 14 W 153/85, JurBüro 1986, 117; entgegen früher Saarländisches OLG vom 15. Juni 1977 5 W 73/77, Anwaltsblatt -AnwBl- 1977, 509).

Die Frage, wann eine unzulässige Anspruchserweiterung vorliegt, bestimmt sich nach dem ursprünglichen Streitgegenstand der Erinnerung. Gegenstand des Kostenfestsetzungsverfahrens und damit Streitgegenstand der Erinnerung ist der geltend gemachte Gesamtvergütungsanspruch, der einerseits durch den begehrten Gesamtbetrag und andererseits durch den Sachverhalt, auf den der Anspruch gestützt wird, bestimmt wird (Sozialgericht -SG- Lüneburg vom 12. Mai 2009 S 12 SF 56/09 E m. w. N., Juris).

Hier liegt eine solche unzulässige Anspruchserweiterung vor. Denn der Antragsteller macht mit der Terminsgebühr für das geführte Telefonat, die er ausdrücklich neben der bisher geforderten Erledigungsgebühr begehrt, eine im Vergleich zum ursprünglichen Streitgegenstand der Erinnerung erhöhte Gesamtvergütung geltend.

2. Zulässig und durch den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 76 Abs. 1 FGO) geboten ist es aber, den feststehenden Lebenssachverhalt und den (ursprünglich) geltend gemachten Kostenanspruch unter allen in Betracht kommenden Gebührentatbeständen des Vergütungsverzeichnisses zu prüfen (hier: Erledigungsgebühr oder Terminsgebühr), soweit das Gericht damit nicht über die im Kostenfestsetzungsantrag begehrte Gesamtvergütung hinaus geht (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO; vgl. Sozialgericht -SG- Lüneburg vom 12. Mai 2009 S 12 SF 56/09 E m. w. N., Juris).

II.

1. Der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers hat durch sein Telefonat eine Terminsgebühr verdient.

Die Terminsgebühr ist durch den unstreitigen Sachverhalt, das Telefonat, ausgelöst worden und übersteigt die vom Antragsteller beantragte Erledigungsgebühr nicht (vgl. oben B I 2).

a) Für die Entstehung der Terminsgebühr im Sinne von Nr. 3202 VV RVG i. V. m. Vorbem. 3 Abs. 3 Halbs. 1 letzte Alt. VV RVG ist eine auf die Erledigung des Rechtsstreits ohne Beteiligung des Gerichts gerichtete Besprechung des Bevollmächtigten ausreichend. Dabei genügt es, dass die Besprechung telefonisch geführt wurde (FG Berlin-Brandenburg vom 5. April 2011 13 KO 13326/10, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2011, 1551; Niedersächsisches FG vom 8. Juni 2009 11 KO 8/09, EFG 2009, 1412, Deutsches Steuerrecht Entscheidungsdienst -DStRE- 2009, 1218; FG des Saarlandes vom 14. November 2005 2 S 335/05, EFG 2006, 926).

Eine Terminsgebühr kann jedoch dann nicht anfallen, wenn bereits eine Abhilfezusage des FA vorliegt. Denn dann kann eine Besprechung des Bevollmächtigten mit dem FA nicht mehr auf eine Erledigung gerichtet sein. In einem solchen Fall handelt es sich bei der Besprechung vielmehr lediglich um eine unvergütete Tätigkeit des Bevollmächtigten zur bloßen technischen Abwicklung der Abhilfe.

Dass es sich bei einer Erklärung des FA um eine Zusage handelt, muss sich unzweifelhaft aus ihr ergeben; ansonsten liegt höchstens eine bloße Ankündigung vor; umgekehrt hindert das Vorliegen einer unverbindlichen Ankündigung, abzuhelfen, das Entstehen einer Terminsgebühr nicht (FG Hamburg vom 14. April 2011 3 KO 201/10 m. w. N., EFG 2011, 1546, DStRE 2012, 383, mit Anm. Kühnen, EFG 2011, 1553).

b) Mangels einer auf die Vorauszahlungen gerichteten Abhilfezusage des FA hat der Verfahrensbevollmächtigte durch sein Telefonat eine Terminsgebühr verdient.

Wenn es im Schriftsatz des FA vom 4. November 2011 unter Bezugnahme auf einen beigefügten Abhilfebescheid (hinsichtlich der Steuerfestsetzungen) heißt, "dass dem Begehren des Antragstellers mit Schreiben vom heutigen Tag [...] entsprochen wurde", dann liegt darin wegen fehlender Eindeutigkeit keine Abhilfezusage hinsichtlich der Vorauszahlungen.

Im Übrigen würde auch eine - bei der Ermittlung des Vorliegens einer Zusage unzulässige - Auslegung der Erklärung zu keinem abweichenden Ergebnis führen. In der Erklärung kann schon wegen der Verwendung des Imperfekts keine Zusage des FA liegen. Die Zusage einer Abhilfe, die das FA nach eigener Auffassung bereits gewährt hat, wäre sinnlos.

2. Der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers hat durch sein Telefonat keine Erledigungsgebühr verdient.

a) Für die Entstehung der Erledigungsgebühr im Sinne von Nr. 1002 VV RVG ist nach ständiger Rechtsprechung und allgemeiner Ansicht erforderlich, dass der Bevollmächtigte eine besondere, gerade zu einer außergerichtliche Erledigung führende Tätigkeit entfaltet, die über eine bereits mit der Prozessgebühr bzw. Verfahrensgebühr honorierte Verfahrensförderung hinausgeht. Sie ist eine Tätigkeits-, keine Erfolgsgebühr. Denn mit der Erledigungsgebühr soll die zusätzliche Arbeit und Mühe des Bevollmächtigten honoriert werden, die er darauf verwendet, einen belastenden Verwaltungsakt ohne Herbeiführung einer gerichtlichen Entscheidung von seinem Mandanten abzuwenden und ihm hierdurch die Unannehmlichkeiten, Unsicherheiten, den Zeitaufwand und das Kostenrisiko zu ersparen, die mit der Fortführung eines gerichtlichen Verfahrens verbunden sind (Hessisches FG vom 10. Mai 2011 13 KO 276/11 m. w. N., Juris; FG Hamburg vom 19. April 2011 3 KO 24/11 m. w. N, Juris; vom 23. November 2005 V 213/02, EFG 2006, 370, DStRE 2006, 831).

Eine Erledigungsgebühr kann durch den Bevollmächtigten bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen auch im gerichtlichen AdV-Verfahren verdient werden, wenn die vorangehende behördliche Ablehnung im Beschlussverfahren in ihrer rechtlichen Wirkung beseitigt oder geändert werden soll und damit mittelbar angefochten wird (FG Hamburg vom 14. Februar 2011 3 KO 197/10, EFG 2011, 1468, DStRE 2011, 1159).

b) Hier fehlt es allerdings an einer besonderen Mitwirkung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin. Ein kurzes Telefonat zur Reichweite der Abhilfe des FA und zur Aufklärung über den Umfang des gerichtlichen AdV-Antrages des Antragstellers erreicht nicht den erforderlichen Grad der Mitwirkung an der Erledigung. Diese Tätigkeit des Bevollmächtigten ist bereits mit der Verfahrensgebühr und der im Vergleich zur Erledigungsgebühr geringere Anforderungen stellenden Terminsgebühr (oben B II 1) vollständig abgegolten.

3. Der für die Berechnung der Gebühren des Verfahrensbevollmächtigten maßgebliche Teilstreitwert war durch den Kostensenat dem Streitwertbeschluss des Berichterstatters des 5. Senats des FG vom 23. Dezember 2011 zu entnehmen, und zwar durch Addition der Vorauszahlungen für Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer für 2011 und 2012 (30.218,00 € + 30.216,00 € + 34.690,00 € + 34.688,00 € = 129.812,00 €) unter Berücksichtigung einer (dem Gesamtstreitwertbeschluss entsprechenden) Quote von 10 % für das AdV-Verfahren (129.812,00 € x 10 % = gerundet 12.981,00 €; oben A II 8 und 9).

Die 1,2 Terminsgebühr ist nach diesem Teilstreitwert von 12.981,00 € zu berechnen (526,00 € x 1,2 = 631,20 €); der Gebühr sind 19 % Umsatzsteuer hinzuzusetzen (631,20 € x 19 % = 119,93 €), weil der Antragsteller nicht vorsteuerabzugsberechtigt ist (Nr. 7008 VV RVG).

III.

1. Das FA trägt die dem Antragsteller durch die Erinnerung im Kostenfestsetzungsverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu 44 % gemäß § 163 Abs. 1 Satz 1 FGO; im Übrigen trägt der Antragsteller seine außergerichtlichen Kosten selbst. Die Kostenquote ergibt sich aus dem Teilerfolg des Antragstellers, der hinsichtlich der beantragten Erinnerungsgebühr (526,00 € x 1,5 = 789,00 €) unterlegen ist, jedoch im Hinblick auf eine Terminsgebühr (631,20 €; oben B II 3) obsiegt hat (789,00 € + 631,20 € = 1.420,20 €; 631,20 € / 1.420,20 € = gerundet 44 %).

2. Die Entstehung von Gerichtskosten für die Erinnerung im Kostenfestsetzungsverfahren sieht das Gesetz nicht vor.

3. Die Unanfechtbarkeit folgt aus § 128 Abs. 4 Satz 1 FGO.

4. Zuständig für die Entscheidung über die Erinnerung im vorbereitenden Verfahren ist der Berichterstatter gemäß § 149 Abs. 4 i. V. m. § 79a Abs. 1 Nr. 5 FGO; hier der Berichterstatter des durch die Geschäftsverteilung des FG bestimmten Kostensenats (vgl. FG Hamburg vom 19. April 2011 3 KO 24/11 m. w. N., Juris).






FG Hamburg:
Beschluss v. 11.07.2012
Az: 3 KO 49/12


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/e284be25b323/FG-Hamburg_Beschluss_vom_11-Juli-2012_Az_3-KO-49-12




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share