Bundespatentgericht:
Beschluss vom 27. Juli 2005
Aktenzeichen: 26 W (pat) 137/03

(BPatG: Beschluss v. 27.07.2005, Az.: 26 W (pat) 137/03)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Gegen die Eintragung der Marke 398 18 316 SANTIAGO SILK für die Waren

"Rohtabak und Tabakfabrikate, Rauchtabak, Kautabak, Schnupftabak (sowohl trocken als auch feucht), Zigarren, Zigarillos, Stumpen, Zigaretten, Tabakpatronen, Raucherartikel, nämlich Zigarettenpapier, Zigarettenhülsen und Maschinen zum Selbstfertigen von Zigaretten; Tabakpfeifen, Zigarettenstopf- und -drehgeräte, Tabakbeutel, Tabakdosen, Pfeifenständer, Pfeifenreiniger, Pfeifenbestecke, Feuerzeuge, Zigarrenabschneider, Zigarren- und Zigarettenspitzen, Zigarrenetuis, sämtliche vorgenannten Waren nicht aus Edelmetall, deren Legierungen oder damit plattiert; Streichhölzer"

ist Widerspruch erhoben worden aus der für die Waren

"Rohtabak und Tabakerzeugnisse; Substanzen zum Rauchen (Tabakersatzstoffe, nicht für medizinische und/oder Heilzwecke, allein oder in Verbindung mit Tabak; Schnupftabak, Feuerzeuge; Raucherartikel (soweit in Klasse 34 enthalten), nämlich Tabakdosen, Zigarren- und Zigarettenspitzen, Zigarren- und Zigarettenetuis, Aschenbecher, sämtliche vorgenannten Waren nicht aus Edelmetallen, deren Legierungen oder damit plattiert, Pfeifenständer, Pfeifenreiniger, Zigarrenabschneider, Pfeifen, Taschenapparate zum Selbstdrehen von Zigaretten, Zigarettenpapier, Zigarettenfilter; Zigarettenhülsen, Zündhölzer"

eingetragenen Marke 1 080 756 SILK CUT.

Die Markenstelle hat den Widerspruch sowie die Erinnerung der Widersprechenden zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, zwischen den beiderseitigen Marken bestehe keine markenrechtliche Verwechslungsgefahr, weil die markant verschiedenen und unterschiedlich angeordneten Bestandteile "Santiago" und "CUT" die sichere Unterscheidbarkeit der beiden Wortmarken gewährleisteten. Entgegen der Auffassung der Widersprechenden komme dem gemeinsamen Bestandteil "SILK" in keiner der beiden Marken eine selbständig kollisionsbegründende Bedeutung zu, da die weiteren Wörter "SANTIAGO" bzw "CUT" nicht in den Hintergrund träten und deshalb für den Gesamteindruck nicht vernachlässigt werden könnten. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei "SANTIAGO" um eine den beteiligten Verkehrskreisen geläufige geografische Herkunftsangabe für die einschlägigen Waren handele. Das Publikum werde diesen Bestandteil auch wegen seiner Stellung, Länge und Prägnanz nicht vernachlässigen. Der Bestandteil "CUT" der Widerspruchsmarke werde ebenfalls nicht außer acht gelassen. Auch wenn dieser in verschiedenen Fachausdrücken wie "flake cut", "curly cut", "cross cut", "cube cut" oder "navy cut" vorkomme und dabei die Schnittart von zB Pfeifentabak beschreibe, stelle er für sich betrachtet keine warenbeschreibende Angabe dar, die ohne Weiteres unberücksichtigt bliebe. Soweit die genannten Fachausdrücke bekannt seien, liege es vielmehr nahe, in der entsprechend gebildeten Wortfolge "SILK CUT" ebenfalls eine Gesamtbezeichnung zu sehen, etwa einen andeutungsweisen Hinweis auf einen besonders feinen Schnitt des Tabaks. Wer das Wort "CUT" nicht aus Fachbegriffen der genannten Art kenne, habe ohnehin keine Veranlassung, sich nicht zumindest an diesem Bestandteil mit zu orientieren. Es bestehe auch nicht die Gefahr, dass die Marken gedanklich in Verbindung gebracht würden. Zwar möge das Wort "SILK" von Haus aus hinreichende Kennzeichnungskraft besitzen, um als Stammbestandteil eines Unternehmens zu dienen. Im vorliegenden Fall spreche aber sowohl seine unterschiedliche Stellung am Beginn bzw am Ende der Marke als auch der unterschiedliche Begriffsgehalt der abweichenden Bestandteile "SANTIAGO" und "CUT" gegen die Annahme, beide Marken könnten zu einer Markenserie gehören. Soweit die Widersprechende über weitere Marken verfüge, enthielten diese entweder alle die Wortfolge "SILK CUT" in vollständiger Form oder sie bestünden allein aus dem Wort "SILK". Zudem habe die Widersprechende nicht dargelegt, dass sie den Verkehr bereits an verschiedene Marken mit dem Bestandteil "SILK" gewöhnt habe.

Hiergegen wendet sich die Widersprechende mit der Beschwerde. Sie hält die Marken vor dem Hintergrund identischer bzw hochgradig ähnlicher Waren, die einen deutlichen Markenabstand erforderten, für verwechselbar, weil das in beiden Marken enthaltene Wort "SILK" diese präge. Gegenüber diesem kennzeichnungskräftigen Begriff träten die weiteren, abweichenden Markenteile "CUT" bzw "SANTIAGO" in den Hintergrund, weil sie in Bezug auf die in Frage stehenden Waren einen beschreibenden Begriffsinhalt aufwiesen, nämlich als geografische Angabe oder als Fachausdruck für besondere Schnittarten für Tabak. Deshalb werde sich der Verkehr bei beiden Marken allein an dem weiteren Wort "SILK" orientieren. Somit seien die prägenden Bestandteile der beiderseitigen Marken identisch und diese unmittelbar verwechselbar. Zumindest bestehe aber die Gefahr, dass die Marken gedanklich in Verbindung gebracht würden. Da die Widersprechende im Jahre 1997, dem der Widerspruchseinlegung vorangehenden Jahr, über ... Zigaretten der Marke "SILK CUT" auf dem deutschen Markt und wei- tere ... Zigaretten in deutschen Duty Free-Läden verkauft habe, was insge- samt ... Zigarettenpackungen entspreche, sei anzunehmen, dass sich der Markenteil "SILK" bei den beteiligten Verkehrskreisen als Hinweis auf den Geschäftsbetrieb der Widersprechenden durchgesetzt habe. Sie sei zudem Inhaberin zweier Marken "SILK", so dass der Verkehr bei Wahrnehmung dieses Wortes in Verbindung mit Tabakwaren sofort an die Widersprechende denke, wenn es zusammen mit weiteren kennzeichnungsschwachen Bestandteilen, wie zB der geografischen Herkunftsangabe "SANTIAGO", in Marken anderer Anbieter verwendet werde.

Sie beantragt sinngemäß, die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben und wegen des Widerspruchs die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Die Markeninhaberin hat sich im Beschwerdeverfahren zur Sache nicht geäußert und beantragt, nach Lage der Akten zu entscheiden.

II Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist unbegründet. Zwischen den beiderseitigen Marken besteht, wie die Markenstelle zutreffend festgestellt hat, nicht die Gefahr von Verwechslungen iSd § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.

Die Frage der Verwechslungsgefahr im Sinne der genannten Vorschrift ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (EuGH GRUR 1998, 387, 389 - Sabèl/Puma). Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke. Ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken kann im Einzelfall durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren bzw eine erhöhte Kenzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke ausgeglichen werden und umgekehrt. (EuGH GRUR 1998, 922, 923 - Canon).

Hiervon ausgehend bedarf es angesichts des Umstands, dass die beiderseitigen Marken für weitgehend identische bzw im Übrigen hochgradig ähnliche Waren bestimmt sind, eines deutlichen Abstandes der angegriffenen Marke von der Widerspruchsmarke. Hingegen reichen die von der Widersprechenden vorgetragenen Umstände nicht aus, um die von ihr behauptete Steigerung der von Haus aus normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke zu begründen. Die für das Inland und das Jahr 2003 behaupteten jährlichen Absatzzahlen von ... Ziga- retten lassen bei einem vom Statistischen Bundesamt ermittelten täglichen Zigarettenkonsum von über ... Zigaretten nicht den Schluss zu, dass es sich bei der Widerspruchsmarke um eine besonders umfangreich verkaufte und dem Verkehr bekannte Zigarettenmarke handelt. Für die übrigen Waren der Widerspruchsmarke ist eine Benutzung weder von der Widersprechenden behauptet noch sonst erkennbar. Aber selbst dann, wenn zugunsten der Widersprechenden infolge der vorgetragenen und nicht bestrittenen Benutzung der Widerspruchsmarke für Zigaretten eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke unterstellt wird, ist die Gefahr von Verwechslungen der Marken einschließlich der Gefahr einer gedanklichen Verbindung zu verneinen, weil die beiderseitigen Marken hinreichende Unterschiede aufweisen.

Die Gesamtbezeichnungen "SANTIAGO SILK" und "SILK CUT" sind aufgrund der abweichenden Bestandteile "SANTIAGO" bzw "CUT", die sich in der Länge, der Stellung innerhalb der Marken sowie wegen ihres unterschiedlichen Begriffsgehaltes deutlich unterscheiden, in schriftbildlicher, klanglicher und begrifflicher Hinsicht ohne weiteres leicht auseinanderzuhalten. Die Gefahr einer unmittelbaren Verwechslung der beiden Marken könnte daher nur dann bestehen, wenn der in beiden Marken enthaltene Bestandteil "SILK" sowohl den Gesamteindruck der angegriffenen Marke als auch den Gesamteindruck der Widerspruchsmarke prägen würde, wovon allerdings nur dann ausgegangen werden kann, wenn der Verkehr diesem Bestandteil in jeder der beiden Marken eine eigenständig kennzeichnende Funktion beimessen würde und die übrigen Markenteile "SANTIAGO" bzw "CUT" für die angesprochenen Verkehrskreise in einer Weise zurückträten, dass sie für den Gesamteindruck vernachlässigt werden könnten (BGH GRUR 2000, 233, 234 - RAUSCH / ELFI RAUCH). Bei der Prüfung, ob einem einzelnen Markenteil eine den Gesamteindruck der Marke prägende Bedeutung zukommt, stellt sich dabei zunächst schon die Frage, ob für den Verkehr überhaupt Veranlassung besteht, sich nur an diesem Markenteil zu orientieren, was insbesondere bei Marken verneint werden muss, die sich als einheitliche Gesamtbegriffe darstellen (BGH GRUR 1998, 932, 933 f - MEISTERBRAND; GRUR 1999, 586, 587 - White Lion). Unter der Voraussetzung der begrifflichen Zusammengehörigkeit von Markenteilen kann auch eine für sich gesehen beschreibende Angabe in Verbindung mit einem weiteren Bestandteil zur besonderen Identifizierung und Einprägsamkeit der Gesamtmarke beitragen (BGH aaO - White Lion).

Bereits vor diesem Hintergrund ist eine Prägung der angegriffenen Marke allein durch das Wort "SILK" zu verneinen. Dabei ist von Bedeutung, dass diese Marke aus Bestandteilen gebildet ist, die der deutsche Verkehr in rechtserheblichem Umfang sofort in ihrer Bedeutung versteht und als zusammengehörige Einheit ansieht. "SANTIAGO" ist ein Teil verschiedener mittel- und südamerikanischer sowie spanischer Städtenamen, wobei allerdings ohne die Angabe der notwendigen individualisierenden Zusätze wie "de Chile", "de Cuba", "de Compostela" oder auch "de Puriscal" (Costa Rica) und "del Estero" (Argentinien), für die angesprochenen Verkehrskreise nicht eindeutig erkennbar ist, welche Stadt dieses Namens gemeint ist, was die Eignung als geografische Herkunftsangabe erheblich in Frage stellt. "SILK" ist der englische Begriff für "Seide" und in diesem Sinne weiten Teilen des deutschen Verkehrs, zB wegen seiner Verwendung bei der Kennzeichnung von Stoffen und Bekleidung, geläufig. Insgesamt lässt sich die angegriffene Marke zwanglos als "SANTIAGO SEIDE" übersetzen und entspricht damit von der Wortbildung her vergleichbar gebildeten, geläufigen Gesamtbegriffen wie zB "Chinaseide", "Parmaschinken" uä. Auch wenn das Wort "SANTIAGO" dabei als mögliche Herkunftsangabe verstanden werden sollte, obwohl es tatsächlich nur ein relativ unbestimmter Teil einer solchen Angabe ist, und wenn es aus diesem Grunde kennzeichnungsschwächer sein sollte als das weitere Markenwort "SILK", kann wegen der erkennbaren begrifflichen Zusammengehörigkeit mit dem weiteren Wort "SILK" vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtsprechung nicht davon ausgegangen werden, dass es der Verkehr bei der Bestellung der Waren außer acht lassen wird.

Dasselbe gilt sinngemäß für die Widerspruchsmarke, ohne dass es hierauf noch entscheidend ankommt. Gegen eine Verkürzung dieser Marke spricht trotz des beschreibenden Begriffsgehalts des Wortes "cut" für Pfeifentabak der von der Markenstelle zutreffend herausgestellte Umstand, dass dieses Wort im Verkehr zur Beschreibung durchweg unter Voranstellung eines weiteren, die Schnittart oder das Schnittergebnis näher bezeichnenden Begriffs verwendet wird, so dass der Verkehr schon deshalb, aber auch wegen der relativen Kürze der Gesamtmarke, das zweite Markenwort "CUT" nicht völlig außer acht lassen wird.

Auch die Gefahr einer gedanklichen Verbindung der Marken besteht nicht. Die Widersprechende hat nichts dazu vorgetragen, dass sie im Geschäftsverkehr andere Bezeichnungen als die Widerspruchsmarke, wie zB die für sie eingetragene Marke "SILK", benutzt hat. Es kann daher nicht von einer Gewöhnung des Verkehrs an eine Markenserie der Widersprechenden mit dem Stammbestandteil "SILK" und folglich auch nicht davon ausgegangen werden, dieses Wort besitze in der Anschauung des Verkehrs Hinweischarakter auf das Unternehmen der Widersprechenden. Das Wort "SILK" ist innerhalb der Widerspruchsmarke auch nicht besonders charakteristisch hervorstechend und wird von der Widersprechenden nicht als Firma oder maßgeblicher Firmenbestandteil verwendet. Auch von einer erhöhten Verkehrsgeltung der Widerspruchsmarke kann angesichts der dargelegten Verkaufszahlen aus den bereits dargestellten Gründen für das Jahr 1997 nicht ausgegangen werden.

Gegen die Gefahr einer gedanklichen Verbindung spricht zudem der Umstand, dass die in den Marken neben dem Wort "SILK" enthaltenen weiteren Wörter "CUT" bzw "SANTIAGO" sich von ihrem Begriffsgehalt her deutlich unterscheiden und zudem gegensätzlich - einmal am Ende, einmal am Beginn der Gesamtbezeichnung - angeordnet sind, was den Gedanken an eine gemeinsame betriebliche oder konzernmäßige Herkunft beider Marken gar nicht erst aufkommen lässt. Die Beschwerde der Widersprechenden kann daher keinen Erfolg haben.

Für eine Kostenauferlegung gemäß § 71 Abs 1 S 1 MarkenG besteht kein Anlass.

Albert Kraft Reker WA






BPatG:
Beschluss v. 27.07.2005
Az: 26 W (pat) 137/03


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