Verwaltungsgericht Köln:
Beschluss vom 12. Januar 2007
Aktenzeichen: 21 L 1228/06

(VG Köln: Beschluss v. 12.01.2007, Az.: 21 L 1228/06)

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt. Die Antragstellerinnen tragen die Kosten des Verfahrens.

2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 75.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag der Antragstellerinnen,

die aufschiebende Wirkung ihrer Klage VG Köln 21 K 3395/06 gegen die Regulierungsverfügung der Antragsgegnerin vom 23. Juni 2006 im Hinblick auf einzelne näher bezeichnete Bestandteile dieser Verfügung anzuordnen,

hat insgesamt keinen Erfolg.

Nach § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 137 Abs. 1 TKG hat die Klage gegen tele- kommunikationsrechtliche Entscheidungen der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen (Bundesnetzagentur) keine auf- schiebende Wirkung. Das Gericht kann jedoch gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs anordnen. Bei seiner Entscheidung hat das Gericht das öffentliche Vollziehungs- und das private Aussetzungsinteresse ge- geneinander abzuwägen und dabei die Erfolgsaussichten der Klage zu berücksichti- gen. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs im Verfahren des vorläufi- gen Rechtsschutzes nicht sinnvoll abschätzen (etwa weil dort schwierige Rechtsfra- gen zu klären wären), ist eine Abwägung zwischen dem privaten Interesse an der aufschiebenden Wirkung und dem allgemeinen öffentlichen Interesse bzw. dem pri- vaten Interesse sonstiger Beteiligter am Vollzug vorzunehmen. Im Rahmen dieser Abwägung ist auch eine gesetzgeberische Grundentscheidung (für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung) in den Blick zu nehmen.

Vergl. BVerwG, NVwZ - RR 1999, S. 554 (556); OVG NRW, NJW 1989, S. 2770; OVG NRW, NVwZ-RR 1994, S. 617; VGH BW, NVwZ 1989, S. 794 (795); OVG RP, NVwZ 1994, S. 511.

Ob die von den Antragstellerinnen mit der Klage 21 K 3395/06 angegriffene Regulierungsverfügung vom 23. Juni 2006 schon wegen der von den Antragstellerinnen geltend gemachten formellen Fehler, insbesondere wegen der Verletzung von Verfahrensvorschriften im Verfahren der Marktdefinition und Marktanalyse nach §§ 9 bis 13 TKG, aufzuheben ist, lässt sich bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht hinreichend zuverlässig prognostizieren. Die Beurteilung der insoweit von den Beteiligten aufgeworfenen Fragen setzt eine erstmalige Prüfung der Bedeutung und Tragweite der in den §§ 9 ff TKG enthaltenen Verfahrensvorschriften und der Rechtsfolgen möglicher Verletzungen dieser Vorschriften voraus, die dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben muss. Insoweit führt aber eine von den Erfolgsaussichten der Klage losgelöste Interessenabwägung - neben den auch hier geltenden und nachfolgend unter den Ziffern 3., 4., 6. und 9. ausgeführten Gesichtspunkten - schon deshalb zu einem Überwiegen des Interesses am Sofortvollzug, weil die geltend gemachten formellen Mängel der Regulierungsver- fügung nur zu ihrer vollständigen Suspendierung führen könnten, an der die Antragstellerinnen, die ihren Aussetzungsantrag auf Teile der Verfügung beschränkt haben, erklärtermaßen kein Interesse haben.

Im Weiteren gilt - ungeachtet der Frage der rechtlichen Teilbarkeit der mit der Klage VG Köln 21 K 3395/06 insgesamt angefochtenen Regulierungsverfügung vom 23. Juni 2006 und ungeachtet der Frage der möglicherweise differenzierte Ergebnis- se erfordernden unterschiedlichen Betroffenheiten der Antragstellerinnen zu 1) bis 3) - im Hinblick auf die in der Antragsschrift im Einzelnen bezeichneten Begehren Fol- gendes:

1. Soweit die Antragstellerinnen mit ihrem Antrag zu 1 a) begehren, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage insoweit anzuordnen als die Antragsgegnerin „unter Ziffer 2 Satz 2 des Beschlusstenors regelnd festgestellt hat, dass Entgelte für Verbindungen, die über VoIP- Dienste hergestellt werden, der expost- Regulierung unterliegen", spricht Überwiegendes dafür, dass die Antragsgegnerin in Ziffer 2 Satz 2 des Beschlusstenors keine eigenständige, die Antragstellerinnen belastende Regelung getroffen hat, sondern unter Bezugnahme auf die von der Präsidentenkammer getroffene Festlegung, dass die Antragstellerinnen auf den bundesweiten Märkten für öffentliche Inlandsgespräche an festen Standorten - wozu nach der Festlegung der Präsidentenkammer grundsätzlich auch Verbindungen, die über VoIP- Dienste hergestellt werden, zu zählen sind - über beträchtliche Marktmacht verfügen, „nur" einen die Antragstellerinnen rechtlich nicht bindenden Hinweis auf die von ihr für zutreffend erachtete Rechtsfolge dieser Festlegung gegeben hat. So gesehen käme den ersten beiden Sätzen in Ziffer 2 des Entscheidungstenors nur eine deklaratorische Funktion im Sinne einer einleitenden Begründung für die im nachfolgenden Satz 3 statuierte Anzeigepflicht zu. Dafür spricht vor allem, dass die Antragsgegnerin auf Seite 41 der angegriffenen Regulierungsverfügung selbst ausführt, dass „die in Ziffer 1b Satz 1 und Ziffer 2 Satz 1 des Entscheidungstenors getroffene Aussage, dass die Entgelte der Betroffenen für Endnutzerleistungen auf dem Markt für den Zugang zum öffentlichen Telefonnetz an festen Standorten und dem Markt für öffentliche Inlandsgespräche an festen Standorten der nachträglichen Entgeltregulierung unterliegen", nicht Gegenstand der auferlegten Verpflichtung ist. Dies hat die Antragsgegnerin in ihrer Antragserwiderung im vorliegenden Verfahren bekräftigt und damit insgesamt die Reichweite und Bedeutung der hier in Rede stehenden Aussage klargestellt. Aber selbst wenn man insoweit eine bindende und der Bestands- oder Rechtskraft fähige Regelung annehmen würde, wäre diese nach dem Wortlaut von Ziffer 2 Satz 2 der Regulierungsverfügung abhängig vom Bestand der entsprechenden, von den An- tragstellerinnen mit ihrem Antrag zu Ziffer 1 i) gesondert angegriffenen Festlegung der Präsidentenkammer zur Zugehörigkeit der VoIP- Verbindungen zum Markt für öffentliche Inlandsgespräche. Insofern kann vorliegend auf die nachfolgenden Aus- führungen unter Ziffer 9. dieses Beschlusses verwiesen werden.

2. Soweit die Antragstellerinnen mit ihrem Antrag zu 1 b) begehren, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage insoweit anzuordnen als die Antragsgegnerin „in Ziff. 1 Satz 1 und Ziff. 2 Satz 1 regelnd festgestellt hat, dass die Entgelte für individuell vereinbarte Leistungen, die nicht ohne weiteres auf eine Vielzahl von anderen Endnutzern übertragbar sind, der expost- Regulierung unterliegen, sofern die betroffenen Zugangsleistungen bzw. Verbindungsleistungen nicht ausnahmsweise im Rahmen von Gesamtverträgen mit einem einzelnen Kunden und einem Jahresumsatz von mehr als 1 Mio EUR ohne Umsatzsteuer (d.h. netto) erbracht werden," ist zunächst festzustellen, dass sich eine Feststellung mit diesem Inhalt in den genannten Ziffern der Regulierungsverfügung nicht ausdrücklich findet. Soweit die Antragstellerinnen sich in diesem Zusammenhang gegen Ziffer 1 Satz 1 der Festlegung der Präsidentenkammer wehren wollen, entspricht ihr Antrag dem von ihr unter Ziffer 1. j) geltend gemachten Begehren, so dass es in diesem Zusammenhang keiner gesonderten Entscheidung bedarf. Soweit sie sich dagegen wehren, dass damit in Ziffer 2. Satz 1 der Regulierungsverfügung auch hinsichtlich der genannten individuell vereinbarten Leistungen die expost- Regulierung „regelnd festgestellt" wurde, gilt das oben unter Ziffer 1. Ausgeführte entsprechend. Auch insoweit spricht in Anbetracht der Ausführungen der Antragsgegnerin auf S. 41 der Regulierungsverfügung und ihren Einlassungen im vorliegenden Verfahren alles dafür, dass die Antragsgegnerin in Ziffer 2 Satz 1 der Verfügung keine rechtlich bindende Regelung getroffen hat. Anderenfalls wäre auch diese in ihrem Bestand abhängig von der darauf bezogenen und von den Antragstellerinnen mit ihrem Antrag zu 1 j) gesondert angegriffenen Festlegung der Präsidentenkammer, so dass auch insoweit auf die nachfolgenden Ausführungen unter Ziffer 9. dieses Beschlusses verwiesen werden kann.

3. Soweit die Antragstellerinnen mit ihrem Antrag zu 1 c) begehren, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage insoweit anzuordnen als die Antragsgegnerin „unter Ziff. 2 Satz 3 des Beschlusstenors die Antragstellerinnen gemäß § 39 Abs. 3 Satz 2 TKG dazu verpflichtet hat, Entgeltmaßnahmen für Verbindungen, die über VoIP- Dienste hergestellt werden, anzuzeigen", hat der Antrag gleichfalls keinen Erfolg. Insoweit können bei der im Rahmen der im vorliegenden Verfahren nur möglichen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage die Erfolgsaussichten der Klage nicht hinreichend sicher prognostiziert werden. Diese sind vor allem abhängig von der Rechtmäßigkeit der Festlegung der Präsidentenkammer, nach der Verbindungen, die über VoIP- Dienste hergestellt werden, dem Markt für öffentliche Inlandsgespräche an festen Standorten zuzurechnen sind, und nach der die Antragstellerinnen auf diesem Markt über beträchtliche Marktmacht verfügen. Die Antragstellerinnen wenden hiergegen vor allem ein, dass auf den Märkten für VoIP- Verbindungen andere Unternehmen dominierend seien und sie über keine herausgehobene Marktstellung verfügen. Das insoweit von ihnen herangezogene Zahlenmaterial differenziert jedoch offenbar nicht zwischen VoIP- Verbindungen, die sich auf die eigene VoIP- Community der jeweiligen Anbieter beschränken und solchen, über die auch ein Zugang in nationale und internationale Festnetze hergestellt werden. Nur die letztgenannten werden aber von der Festlegung der Präsidentenkammer und der darauf basierenden Anzeigepflicht erfasst. Ferner wenden die Antragstellerinnen ein, dass die Märkte für VoIP- Verbindungen auch im Sinne einer Austauschbarkeit nicht mit denen für klassische Sprachtelefonie vergleichbar seien. Auch diese Frage, die eine Betrach- tung der Besonderheiten der VoIP- Dienste voraussetzt, lässt sich im summarischen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht zuverlässig beurteilen.

Ebenso wenig lässt sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die zwischen den Beteiligten streitige Frage beantworten, ob im Sinne von § 39 Abs. 1 TKG hinreichende Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass die Verpflichtungen im Zugangsbereich oder zur Betreiberauswahl und Betreibervorauswahl nicht zur Erreichung der Regulierungsziele nach § 2 Abs. 2 TKG führen würden. Auch bezüglich dieser Frage bedarf es einer sorgfältigen Bewertung und Prüfung der von den Beteiligten vorgetragenen (tatsächlichen) Umstände, die im summarischen Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht geleistet werden kann.

Insoweit führt aber eine von den Erfolgsaussichten der Klage losgelöste Interessenabwägung zu einem Überwiegen des öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung des Sofortvollzugs der Anzeigepflicht. Die Bekanntgabe von geplanten Entgeltmaßnahmen zwei Monate vor deren Inkrafttreten führt auf Seiten der Antragstellerinnen zu keinen besonders schwerwiegenden Nachteilen. Die Antragstellerinnen tragen insoweit vor, die Frist zwischen der Anzeige und dem Inkrafttreten der Tarifmaßnahme könne von ihren Wettbewerbern dazu genutzt werden, entsprechende eigene Produkte zu entwickeln und dadurch ihre Innovationskraft schmälern, was über die legitimen Zwecke der Entgeltregulierung weit hinausgehe. Diese Überlegungen sind zwar nicht auszuschließen; sie bleiben jedoch spekulativ und theoretisch. Die Antragstellerinnen tragen weder vor, dass es in der Vergangenheit zu entsprechenden Beeinträchtigungen gekommen ist noch legen sie dar, dass sie derzeit überhaupt anzeigepflichtige Tarifmaßnahmen von erheblicher Bedeutung in diesem Bereich planen. Ihr Bedenken, dass die Anzeigepflicht de facto zu einem der exante Regulierung entsprechenden Genehmigungsverfahren führe, vermag das Gericht angesichts der weitreichenden Unterschiede zwischen dem Genehmigungsverfahren nach §§ 30 ff TKG und dem Verfahren der nachträglichen Entgeltregulierung nach §§ 38/ 39 TKG nicht zu teilen. Würden die Antragstellerinnen bezüglich der hier in Rede stehenden Anzeigepflicht im Hauptsacheverfahren - das im Übrigen auch zügig terminiert werden soll, so dass der in Rede stehende Zeitraum voraussichtlich überschaubar ist - obsiegen, würden sie mithin keine besonders schwerwiegenden Nachteile erleiden, wenn sie ihrer Anzeigepflicht bis dahin nachkämen.

Umgekehrt wäre es der Antragsgegnerin für die Dauer des Hauptsacheverfah- rens verwehrt, bei geplanten Entgeltmaßnahmen der Antragstellerinnen in dem in Rede stehenden Bereich ohne eigene Erhebungen bzw. ohne Hinweise von Dritten eine Entgeltüberprüfung vorzunehmen. Dies würde dazu führen, dass eine präventive Kontrolle noch vor der Markteinführung - auch mit Blick auf den Offenkundigkeitsmaßstab in § 39 Abs. 3 Satz 3 TKG - erheblich erschwert, wenn nicht gar unmöglich wäre. Die Erfüllung der der Antragsgegnerin im öffentlichen Interesse auferlegten gesetzlichen Verpflichtungen zur wirksamen Überprüfung der Entgelte nach §§ 39 Abs. 3, 38 Abs. 2 bis 4, 28 TKG wäre damit für die Dauer des Hauptsacheverfahrens erheblich erschwert.

4. Soweit die Antragstellerinnen mit ihrem Antrag zu 1 d) begehren, die aufschieben- de Wirkung ihrer Klage insoweit anzuordnen als die Antragsgegnerin „unter Ziff. 1 b) Satz 3 und Ziff. 2 Satz 4 des Beschlusstenors die Antragstellerinnen gemäß § 39 Abs. 3 Satz 4 TKG dazu verpflichtet hat, Entgeltmaßnahmen bezüglich der im Antrag zu 1 b) bezeichneten individuell vereinbarter Leistungen der Bundesnetzagentur un- mittelbar nach Vertragsschluss zur Kenntnis zu geben", hat der Antrag gleichfalls keinen Erfolg. Insoweit gelten die oben unter Ziff. 3 getroffenen Feststellungen ent- sprechend. Auch bezüglich der individuell vereinbarten Leistungen lässt das Gericht im Rahmen der im vorliegenden Verfahren nur möglichen summarischen Prüfung offen, ob die Antragsgegnerin insoweit die Marktzuordnung und die Feststellung der beträchtlichen Marktmacht der Antragstellerinnen zu recht vorgenommen hat mit der Folge, dass sie nach § 39 Abs. 3 Satz 4 TKG eine Pflicht zur vorherigen Kenntnisga- be dieser Leistungen auferlegen durfte. Diese Prüfung muss - unter Berücksichtigung der von den Beteiligten hierzu vorgetragenen Gesichtspunkte - dem Hauptsa- cheverfahren vorbehalten bleiben. Auch insoweit führt aber eine von den Erfolgsaus- sichten losgelöste Interessenabwägung zu einem Überwiegen des öffentlichen Inte- resses an der Aufrechterhaltung des Sofortvollzugs. Die Antragstellerinnen haben keine Umstände vorgetragen, die diesbezüglich zu schwerwiegenden Nachteilen auf ihrer Seite führen könnten. Die Interessenabwägung folgt daher den gleichen Erwä- gungen, die für die Anzeigepflicht bezüglich von Entgeltmaßnahmen im Bereich von VoIP- Verbindungen gelten (siehe oben unter Ziffer 3.)

5. Soweit die Antragstellerinnen mit ihrem Antrag zu 1 e) begehren, die aufschieben- de Wirkung ihrer Klage insoweit anzuordnen als die Antragsgegnerin „auf Blatt 56 der Beschlussbegründung regelnd festgestellt hat, dass anzeigepflichtige Entgelt- maßnahmen selbst dann erst nach Ablauf der 2- Monatsfrist nach § 39 Abs. 3 Satz 2 TKG am Markt eingeführt werden dürfen, wenn die Antragsgegnerin die angezeigte Entgeltmaßnahme nicht nach § 39 Abs. 3 Satz 3 TKG untersagt hat", hat der Antrag ebenfalls keinen Erfolg. Insoweit spricht bereits alles für die Unzulässigkeit des An- trags, weil die Antragsgegnerin eine die Antragstellerinnen bindende Regelung mit dem o.g. Inhalt nicht getroffen hat. Im - primär maßgeblichen - Beschlusstenor finden sich keinerlei Hinweise darauf, dass die Antragsgegnerin eine derartige vorzeitige Markteinführung untersagt hat. Zwar setzt sich die Antragsgegnerin auf Seite 56 der Beschlussbegründung mit der Auffassung der Antragstellerin, nach der nicht un- tersagte Entgeltmaßnahmen auch vor Ablauf der 2- Monatsfrist des § 39 Abs. 3 Satz 2 TKG am Markt angeboten werden dürfen, auseinander und widerspricht dieser Auf- fassung „nachdrücklich". Dies geschieht jedoch ausdrücklich im Rahmen der Be- gründung der Geeignetheit der angeordneten Anzeigepflicht zur Erreichung der Re- gulierungsziele - dies unter dem Gesichtspunkt, dass die Antragsgegnerin dadurch die Möglichkeit bekomme, bestimmte Tarifmaßnahmen noch vor der Markteinführung zu untersagen. Dieser Gesichtspunkt verlöre erkennbar an Bedeutung, wenn der Auffassung der Antragstellerinnen zur Bedeutung der 2- Monatsfrist zu folgen wäre. Nur in diesen (Begründungs-) Zusammenhang - und damit ohne regelnde Wirkung - hat die Antragsgegnerin auf Seite 56 der Beschlussbegründung ihre Ausführungen zur Tragweite der 2- Monatsfrist gestellt. Sie hat den fehlenden Regelungsgehalt die- ser Ausführungen überdies in ihrer Antragserwiderung noch einmal bestätigt und diese ausdrücklich als „behördlichen Hinweis auf die Rechtslage" bezeichnet. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerinnen ist insoweit weder möglich noch zur Wahrung von Rechten der Antragstellerinnen geboten.

6. Soweit die Antragstellerinnen mit ihrem Antrag zu 1 f) begehren, die aufschieben- de Wirkung ihrer Klage insoweit anzuordnen als die Antragsgegnerin „unter Ziffer 4. des Beschlusstenors die Antragstellerinnen dazu verpflichtet hat, der Antragsgegne- rin zeitgleich mit der Vorlage der Tarifanzeige die für eine fundierte Offenkundig- keitsprüfung der beabsichtigten Entgeltmaßnahme erforderlichen Unterlagen zur Ver- fügung zu stellen," ist es dem Gericht auch insoweit im Rahmen der summarischen Prüfung nicht möglich, die offensichtliche Rechtmäßigkeit bzw. die offensichtliche Rechtswidrigkeit dieser Verpflichtung festzustellen. Diese hängt entscheidend von der Frage ab, ob die zu Grunde liegenden Anzeigepflichten rechtmäßig angeordnet werden konnten (siehe dazu oben unter Ziffern 3 und 4). Die Prüfung dieser Frage muss daher - wie ausgeführt - dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

Bei der somit erforderlichen Interessenabwägung überwiegt auch insoweit das öffentliche Interesse am Sofortvollzug. Zwar lässt sich aus Ziffer 4 des Tenors der Regulierungsverfügung nicht entnehmen, welche Unterlagen „für eine fundierte Offenkundigkeitsprüfung" vorzulegen sind. Insoweit finden sich auf Seite 69 der Beschlussbegründung jedoch Präzisierungen dahingehend, dass es sich um die dem „Entgelt zugrunde liegende Leistungsbeschreibung sowie die entsprechenden Preislisten und Allgemeinen Geschäftsbedingungen" sowie um „vergleichbare Angebote von Wettbewerbern" und - insbesondere bei Pauschalentgelten - „detaillierte Angaben über erwartete oder in der Vergangenheit gemessene Nutzungscharakteristika, soweit diese die Grundlage für die Kalkulation der betreffenden Tarifmaßnahme darstellen", handelt. Die Antragstellerinnen haben nicht vorgetragen, dass die Vorlage dieser Unterlagen für sie mit einem besonderen Aufwand oder mit besonderen Nachteilen verbunden wäre. Vielmehr ist davon auszugehen, dass ihnen diese Unterlagen ohnehin vorliegen, so dass sie sie der Antragsgegnerin auch ohne einen nennenswerten Mehraufwand zusammen mit der Tarifanzeige vorlegen können. Es ist auch nicht ersichtlich, dass dadurch schützenswerte Interessen der Antragstellerinnen nachhaltig und erheblich beeinträchtigt werden könnten. Soweit die Antragstellerinnen sich auch in diesem Zusammenhang wiederum darauf berufen, dass die Vorlagepflicht - im Zusammenwirken mit der Anzeigepflicht und der Auffassung der Antragsgegnerin, dass angezeigte Tarifmaßnahmen vor Ablauf der 2- Monatsfrist des § 39 Abs. 3 Satz 2 TKG nicht eingeführt werden dürfen - das Verfahren der ex- post- Kontrolle quasi zu einem Genehmigungsverfahren mache, ist auf die Ausführungen unter Ziffer 3 zu verweisen.

Auf der anderen Seite dient die Vorlageverpflichtung der effektiven Erfüllung der der Antragsgegnerin im Rahmen ihrer Prüfung nach § 39 Abs. 2 TKG obliegenden gesetzlichen Verpflichtungen. Insbesondere im Hinblick auf die von ihr innerhalb von zwei Wochen abzuschließende Offenkundigkeitsprüfung nach § 39 Abs. 3 Satz 3 TKG ist sie auf die schnelle Vorlage der von ihr beschriebenen Informationen ange- wiesen.

7. Soweit die Antragstellerinnen mit ihrem Antrag zu 1 g) begehren, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage insoweit anzuordnen als die Antragsgegnerin „in Ziff. 1. a). des Beschlußtenors den Antragstellerinnen die Verpflichtung zur Betrei- berauswahl und Betreibervorauswahl für kundenindividuelle Verträge auferlegt hat", bleibt dem Antrag ebenfalls der Erfolg versagt. Es spricht Überwiegendes dafür, dass die Antragsgegnerin nicht gehalten war, sog. kundenindividuelle Verträge von der Auferlegung der Verpflichtung zur Betreiberauswahl und Betreibervorauswahl auszunehmen. Jedenfalls bietet der - insoweit unbeschränkte - Wortlaut von § 40 Abs. 1 TKG dafür keinerlei Anhaltspunkte. Selbst wenn man insoweit die Erfolgsaussichten der Klage der Antragstellerinnen aber für offen hielte, ergäbe auch hier eine von den Erfolgsaussichten losgelöste Interessenabwägung ein Überwiegen des öffentlichen Interesses am Sofortvollzug. Zwar schränkt die Verpflichtung zur Betreiberauswahl und Betreibervorauswahl den Gestaltungsspielraum der Antragstellerinnen bei kundenindividuellen Verträgen ein. Dies entspricht jedoch der seit langem geübten Praxis, auf die die Antragstellerinnen sich in ihren wirtschaftlichen Planungen und Dispositionen eingestellt haben. Insofern begehren sie im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes die Erlangung einer vom status quo abweichenden vorteilhaften Rechtsstellung ohne darzulegen, dass die vorläufige Beibehaltung des status quo auf ihrer Seite zu wirtschaftlich nicht mehr tragbaren Einschränkungen und Belastungen führt. Auch im Hinblick auf die Absicht der Kammer, das Hauptsacheverfahren zügig zum Abschluss zu bringen, kann bei einem solchen Sachstand das private Interesse der Antragstellerinnen an einer Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Möglichkeiten das öffentliche Interesse am So- fortvollzug nicht überwiegen.

8. Soweit die Antragstellerinnen mit ihrem Antrag zu 1 h) begehren, die aufschieben- de Wirkung ihrer Klage insoweit anzuordnen als die Antragsgegnerin „auf Blatt 51 der Beschlußbegründung regelnd festgestellt hat, dass die vorstehend im Antrag zu 1.g.) genannte Verpflichtung drittschützende Wirkung zu Gunsten von Wettbewer- bern der Antragstellerinnen hat", hat der Antrag ebenfalls keinen Erfolg. Die Antrags- gegnerin hat mit der angefochtenen Regulierungsverfügung keine dahingehende Regelung getroffen. Zwar hat sie auf Blatt 51 der Begründung der Regulierungsver- fügung ausgeführt, dass „nach Auffassung der Beschlusskammer" und „entgegen der Auffassung der Betroffenen" „den genannten Vorschriften" - gemeint ist § 40 Abs. 1 Satz 1 TKG - „auch eine drittschützende Wirkung zu Gunsten der Verbindungsnetz- betreiber" zukomme. Dabei handelt es sich ersichtlich „nur" um die Wiedergabe der Rechtsauffassung der Beschlusskammer, die sie im Rahmen ihrer Begründung für die Auferlegung der Callby-Call und Preselection- Verpflichtung für bedeutsam hielt. Hierin eine die Antragstellerinnen oder - im Falle der Bestandskraft - Dritte oder gar das Gericht bindende Regelung zum Drittschutz zu sehen, scheitert schon daran, dass die bindende Beantwortung der Frage, ob der Vorschrift des § 40 Abs. 1 TKG drittschützende Wirkung zukommt, nicht in der Kompetenz der Antragsgegnerin liegt. Darauf hat auch die Antragsgegnerin in ihrer Antragserwiderung hingewiesen, so dass insoweit eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung weder möglich noch ge- boten ist.

9. Schließlich hat der Antrag auch keinen Erfolg, soweit die Antragstellerinnen mit ihren Anträgen zu 1 i und j) begehren, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage insoweit anzuordnen als die Antragsgegnerin in ihrer Marktdefinition und Marktanaly- se festgelegt hat, dass den bundesweiten Märkten für öffentliche Inlandsgespräche und für den Zugang zum öffentlichen Telefonnetz an festen Standorten und für öf- fentliche Inlandsgespräche an festen Standorten der Markt für Verbindungen, die über VoIP- Dienste hergestellt werden bzw. die jeweils eigenständigen Märkte für Zugangsleistungen und für öffentliche Inlandsgespräche an festen Standorten, die im Rahmen von Gesamtverträgen mit einem einzelnen Kunden und einem Jahresum- satz von weniger als eine Mio Euro ohne Umsatzsteuer (d.h. netto) erbracht werden, zuzuordnen sind.

Bei der im vorliegenden Verfahren nur möglichen summarischen Prüfung kann die Frage, ob die Antragsgegnerin die Marktzuordnung für Verbindungen über VoIP- Dienste und für kundenindividuelle Verträge zutreffend vorgenommen hat, nicht zu- verlässig beurteilt werden. Die Beantwortung dieser Frage setzt eine komplexe tat- sächliche und rechtliche Bewertung der jeweiligen Leistungen und Dienste voraus, für die die Antragstellerinnen und die Antragsgegnerin jeweils unterschiedliche und in ihren Auswirkungen gegenläufige Gesichtspunkte vorgetragen haben, die einer sorg- fältigen Überprüfung und Bewertung im Hauptsacheverfahren bedürfen.

Die somit erforderliche und von den Erfolgsaussichten der Klage losgelöste Interessenabwägung führt zu einem Überwiegen des öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehbarkeit. Würde dem Aussetzungsantrag insoweit stattgegeben, jedoch später im Hauptsacheverfahren die Anfechtungsklage abgewiesen, so wäre die nachträgliche Entgeltregulierung in diesem Bereich und die mit der Regulierungsverfügung erfolgte Auferlegung von Verpflichtungen (insbesondere die Anzeigepflicht von Entgeltmaßnahmen und die Vorlagepflicht von Unterlagen) für die Dauer des Hauptsacheverfahrens nicht möglich. Die Konsequenz wäre ein zwar zeitlich begrenzter, aber in seinen Auswirkungen auf den Wettbewerb möglicherweise bedeutsamer Regulierungsausfall. Würde demgegenüber der Aussetzungsantrag abgelehnt und hätte die Klage in der Hauptsache später ganz oder teilweise Erfolg, so wären die Auswirkungen für die Antragstellerinnen nicht besonders schwerwiegend. Wie bereits ausgeführt, werden sie durch die Anzeige- und Vorlagepflichten nicht in hohem Maße belastet. Auch der Umstand, dass die Antragsgegnerin die Entgelte für Verbindungen über VoIP- Dienste und für kundenindividuelle Verträge möglicherweise einer expost- Kontrolle unterzieht, stellt in Anbetracht des dabei geltenden Missbrauchsmaßstabs (§ 28 TKG) keine so gravierende Beeinträchtigung dar, dass diese ein vorläufiges Absehen von den in Rede stehenden Regulierungsmaßnahmen rechtfertigen könnte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 137 Abs. 3 Satz 1 TKG).






VG Köln:
Beschluss v. 12.01.2007
Az: 21 L 1228/06


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