Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 28. Mai 2010
Aktenzeichen: 38 O 70/09 U.

(LG Düsseldorf: Urteil v. 28.05.2010, Az.: 38 O 70/09 U.)

Tenor

I.

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft   zu vollstrecken an ihren Geschäftsführern -, zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs

a)

im Rahmen der Akquise von W-Verträgen zu behaupten und/oder behaupten zu lassen,

aa)

es handele sich hierbei um eine kaufmännische Umstellung;

und/oder

bb)

die Leitungen in dem Stadtviertel des angesprochenen Kunden seien von W gekauft worden;

und/oder

dd)

die E würde zu Unrecht ihren ehemaligen Kunden Rechnungen zusenden;

und/oder

ee)

W sei mit der E in etliche Gerichtsverhandlungen verstrickt, weil der E die Leitungen nicht mehr gehörten, die E ihren ehemaligen Kunden aber gleichwohl Rechnungen stelle;

2.

an die Klägerin EUR 2.080,50 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB seit dem 16.04.2009 zu zahlen.

Im Óbrigen wird die Klage abgewiesen.

II.

Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt,

1.

es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten   zu vollstrecken an den Mitgliedern ihres Vorstandes -, zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr Verbraucher anzurufen oder anrufen zu lassen, um ihnen Telekommunikationsprodukte wie z. B. Verträge über Telefonanschlüsse und/oder Verträge über Telefontarife und/oder Internetprodukte wie z. B. Verträge über einen Internetzugang und/oder Verträge über Internettarife anzubieten, unabhängig davon, ob der Anruf der Erweiterung oder der Aufnahme einer Vertragsbeziehung zu der Klägerin dient, solange der angerufene Verbraucher zuvor nicht sein ausdrückliches Einverständnis mit einem solchen Telefonanruf erklärt hat;

2.

an die Beklagte EUR 1.780,20 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.09.2010 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte zu 2/3, die Klägerin zu 1/3.

Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 150.000,00 EUR, für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000,00 EUR vorläufig vollstreckbar.

Sicherheitsleistungen können durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand

Die Parteien sind Wettbewerber im Bereich des Angebots von Telefon- und Internetdienstleistungen.

Die Klägerin wirft der Beklagten vor, sich bei der Telefonakquise wettbewerbsrechtlich unlauter verhalten zu haben. So seien in einer Vielzahl von Fällen Verbraucher angerufen worden, obwohl deren Einwilligung zu solchen Anrufen nicht vorlag.

Zudem sei einer Kundin der Klägerin bei einem Telefongespräch am 00.00.0000 erklärt worden, sie solle lediglich informiert werden, dass eine kaufmännische Umstellung vorgenommen werde. Die Leitungen in dem Stadtviertel seien nämlich von W gekauft worden. Die Kundin gehöre jetzt zu W und nicht mehr zur E AG. Die E sei nicht daran interessiert, die Kunden zu informieren. Die E sende ihren Kunden zu Unrecht Rechnungen zu. W sei deshalb schon mit der E in etliche Gerichtsverhandlungen verstrickt, weil die E das nicht einsehen wolle - weil ihnen ja nicht mehr die Leitungen gehörten.

Neben der Unterlassung verlangt die Klägerin Erstattung von Abmahnkosten.

Die Beklagte hat einen Teil der Unterlassungsansprüche anerkannt. Sie ist insoweit durch Teil-Anerkenntnisurteil vom 00.00.0000 entsprechend verurteilt worden. Auf das Teil-Anerkenntnisurteil wird Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt nunmehr,

die Beklagte kostenpflichtig und vorläufig vollstreckbar zu verurteilen,

1.

es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft - zu vollstrecken an ihren Geschäftsführern -, zu unterlassen

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs

a)

im Rahmen der Akquise von W-Verträgen zu behaupten und/oder behaupten zu lassen,

aa)

es handele sich hierbei um eine kaufmännische Umstellung;

und/oder

bb)

die Leitungen in dem Stadtviertel des angesprochenen Kunden seien von W gekauft worden;

und/oder

cc)

der Kunde würde jetzt zu W gehören und nicht mehr zur E AG, wenn dies nicht zutrifft;

und/oder

dd)

die E würde zu Unrecht ihren ehemaligen Kunden Rechnungen zusenden;

und/oder

ee)

W sei mit der E in etliche Gerichtsverhandlungen verstrickt, weil der E die Leitungen nicht mehr gehörten, die E ihren ehemaligen Kunden aber gleichwohl Rechnungen stelle;

2.

an die Klägerin EUR 2.080,50 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB seit dem 16.04.2009 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bestreitet den von der Klägerin geschilderten Gesprächsverlauf. Das Gespräch sei von einer Firma veranlasst, die bis zum 00.00.0000 ausschließlich Produkte der Fa. B AG & Co. KG, nicht jedoch solche der Beklagten, vermarktet habe. Bei der Beklagten und der Fa. B AG & Co. KG, die nunmehr als W AG & Co. KG firmiere, handele es sich um zwei rechtlich selbständige Unternehmen.

Die Klägerin habe sich ebenfalls wettbewerbsrechtlich unlauter verhalten, indem in einer Vielzahl von Fällen Verbraucher ohne deren Einwilligung zu Werbezwecken angerufen wurden. Die Beklagte schildert insoweit Vorfälle vom 00.00.0000 (S1), vom 00.00.0000 (T), vom 00.00.0000 (H) vom 00.00.0000 (I) und 00.00.0000 (S2. Im Wege der Widerklage verlangt die Beklagte Unterlassung sowie Erstattung von Abmahnkosten.

Die Beklagte beantragt,

wie zur Widerklage erkannt.

Die Klägerin beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Hierzu trägt sie vor, zum einen sei nach der Rechtslage vor dem 00.00.0000 ein konkludentes Einverständnis ausreichend gewesen. Zum anderen würden nur Kunden angerufen, die ihr Einverständnis erteilt hätten. Die Kunden S1, H, I und S2 seien nicht von einer für die Klägerin tätigen Person angerufen worden. Zum anderen hätten die Kunden I2 S2 ihr Einverständnis mit solchen Anrufen erklärt. Ein etwaiger Vorfall I sei jedenfalls verjährt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Akteninhalt verwiesen.

Das Gericht hat Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der Sitzung des Amtsgerichts N vom 00.00.0000 verwiesen.

Gründe

Die Klage ist im Wesentlichen begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung der im Tenor beschriebenen Verhaltensweisen gemäß den §§ 3, 5, 4 Nr. 10 UWG.

Zwischen den Parteien besteht ein konkretes Wettbewerbsverhältnis, in dessen Rahmen die Beklagte, die sich das Verhalten der für sie tätigen Werber gemäß § 8 Abs. 2 UWG zurechnen lassen muss, unlautere geschäftliche Handlungen vorgenommen hat, indem bei einem Telefongespräch am 00.00.0000 gegenüber einer Kundin der Klägerin unzutreffende Behauptungen über die geschäftlichen Verhältnisse der Parteien gemacht wurden und die Klägerin dadurch gezielt behindert wurde.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass die Zeugin L am 11. März 2009 von einem Werber/Werberin angerufen wurde. Bei diesem Gespräch wurden mehrere Behauptungen aufgestellt, deren Unrichtigkeit zwischen den Parteien nicht im Streit ist. So wurde von einer "kaufmännischen Umstellung" gesprochen. Damit sollte der Zweck des Anrufs verschleiert werden. Tatsächlich ging es um den Wechsel des Telefonfestnetzanbieters. Die Zeugin hat ferner erklärt, es sei gesagt worden, die Leitungen gehörten nicht mehr der E. W habe die Leitungen aufgekauft. Die Situation sei wie bei einem Vermieterwechsel in einem Haus. Die E sende ihren Kunden zu Unrecht Rechnungen zu. W sei mit der E in etliche Rechtsstreitigkeiten verwickelt, weil weiterhin Rechnungen verschickt würden, obwohl der E die Leitungen nicht mehr gehörten.

Die Aussage der Zeugin ist glaubhaft. Sie hat anschaulich, nachvollziehbar und folgerichtig eine Situation geschildert, die zu erfinden für sie kein Anlass besteht. Die als ausdrücklich eigenständig angegriffene Behauptung, die Kundin gehöre jetzt zu W und nicht mehr zur E AG, hat die Zeugin bei ihrer Vernehmung nicht bestätigt. Allein der Umstand, dass diese Aussage inhaltlich sinngemäß getroffen wurde, rechtfertigt nicht den als konkrete Behauptung gefassten Verbotsausspruch vor dem Hintergrund der Vielzahl ähnlich gelagerter Streitfälle zwischen den Parteien.

Das Verhalten der Werberin und des Werbers ist der Beklagten gemäß § 8 Abs. 2 UWG zuzurechnen. Sie handelten als Beauftragte der Beklagten. Es mag zutreffen, dass die von der Beklagten bezeichneten Firmen vertragliche Bindungen - ausschließlich - mit der Firma B hatten. Für die insoweit Beteiligten war jedoch schon frühzeitig klar, dass die Fa. B von der Beklagten übernommen wird und deren geschäftliche Aktivitäten - nahtlos und vollständig - für die Beklagte genutzt werden sollten. Die im Verlauf des Jahres 0000 akquirierten Verträge sollten nicht etwa jeweils enden, sondern - wie beim Wechsel eines Vermieters - fortgeführt werden. Die Werberin C hat sich als Mitarbeiterin der Rechtsabteilung der Beklagten ausgegeben. Die Werbung betraf ausdrücklich einen Tarif von W. Ebenso wie davon auszugehen ist, dass die Beklagte Verträge, die von Frau C und ihrem Kollegen akquiriert wurden, nicht zurückgewiesen hätte, muss lebensnah davon ausgegangen werden, dass Werber für Unternehmen aggressive Werbung betreiben, mit denen sie nicht verbunden sind. Vor dem Hintergrund der auch im Frühjahr 2009 sich abzeichnenden Firmenübernahme muss daher die Vertriebsorganisation der Beklagten als so umfassend angesehen werden, dass die Werber, auch wenn sie formal nur an die damals noch existierende Firma B gebunden waren, zugleich auch bereits als Beauftragte der Beklagten anzusehen und tätig waren, wenn sie deren Produkte vermarkteten.

Die nachgewiesenen Rechtsverstöße begründen die Wiederholungsgefahr, so dass die Beklagte im Umfang der nachgewiesenen Handlungen zur Unterlassung verpflichtet ist.

Gemäß § 12 Abs. 2 UWG hat die Beklagte die Kosten der Abmahnung zu erstatten. Die Abmahnung war ganz überwiegend begründet. Angesichts der Vielzahl der als berechtigt erwiesenen Verstöße, insbesondere betreffend auch die im Teil-Anerkenntnisurteil bereits beschriebenen Verhaltensweisen, ist ein Streitwert von 150.000,-- Euro angemessen.

Der Betrag von 2.080,50 Euro ist antragsgemäß wegen Verzuges ab dem 00.00.0000 zu verzinsen.

Die Widerklage ist begründet. Die Beklagte hat gegen die Klägerin einen Anspruch auf Unterlassung des im Unterlassungsantrag der Widerklage beschriebenen Verhaltens gemäß den §§ 3, 7 Abs. 2 UWG.

Im Rahmen des zwischen den Parteien bestehenden Wettbewerbsverhältnisses muss auch die Klägerin sich das Verhalten der für sie tätigen Werber gemäß § 8 Abs. 2 UWG zurechnen lassen. Es ist davon auszugehen, dass ein Werber ohne Einverständnis des Verbrauchers bei diesem angerufen hat, um für ein Produkt der Klägerin zu werben. Die Beklagte hat vorgetragen, am 00.00.0000 sei Frau T in E zu Werbezwecken für ein DSL-Produkt der Klägerin angerufen worden, ohne dass sie ihr Einverständnis mit solchen Anrufen erklärt hatte. Diesen Vortrag hat die Klägerin nicht bestritten. Sie hat den Vortrag bezüglich des Vorganges T als unschlüssig bezeichnet, weil nicht zwischen ausdrücklichem und konkludentem Einverständnis differenziert worden sei und vorgetragen, die Klägerin und von ihr beauftragte Call-Center riefen nur solche Verbraucher an, die ihr diesbezügliches Einverständnis erklärt hätten. Diese Verbraucher seien mit WKZ 1 gespeichert. Die Klägerin hat sodann zu den Vorgängen S1, H, I und S2 Stellung genommen. Betreffend den Vorfall T hat sie den Vortrag der Beklagten "einstweiligen" bestritten. Dieses Bestreiten ist, soweit es nach den sodann von der Beklagten erfolgten Erläuterungen überhaupt aufrechterhalten bleiben soll, nicht als vollständige Erklärung über die vom Gegner behaupteten Tatsachen im Sinne von § 138 Abs. 2 ZPO anzusehen. Es wird nicht ausgeführt, ob das konkrete Gespräch vom 23. Juni 2009 oder das Fehlen der Einwilligung bestritten werden soll. Der Klägerin ist bekannt, dass sie jedenfalls für das Vorhandensein eines - sei es konkludent oder ausdrücklich erklärten - Einverständnisses darlegungs- und beweisbelastet ist. Mangels entsprechenden Vortrages ist das Vorbringen der Beklagten als im Sinne von § 138 Abs. 3 ZPO zugestanden anzusehen.

Da somit ein Verstoß gegen § 7 Abs. 2 UWG feststeht, der eine entsprechende Wiederholungsgefahr zu begründen geeignet ist, bedarf es keiner Aufklärung, ob die weiter von der Beklagten behaupteten Vorfälle ebenfalls sich so ereignet haben, wie die Beklagte vorgetragen hat.

Neben der Unterlassung schuldet die Klägerin Erstattung der in ihrer Höhe nicht streitigen Kosten der Abmahnung gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG. Der Betrag von 1.780,20 Euro ist antragsgemäß ab Zustellung der Widerklage, also dem 18. September 2009, mit 5 % über dem Basiszinssatz wegen Verzuges zu verzinsen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 ZPO.

Der Streitwert für die Klage wird auf 150.000,00 Euro, derjenige für die Widerklage auf 50.000,00 Euro festgesetzt. Die Wertfestsetzung orientiert sich an den zwischen den Parteien üblichen Verhältnissen. Für das Korrespondierende Verhalten des "cold calling" durch die Beklagte sind ebenfalls nicht mehr als 50.000,00 € in Ansatz gebracht.






LG Düsseldorf:
Urteil v. 28.05.2010
Az: 38 O 70/09 U.


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