Bundespatentgericht:
Beschluss vom 14. Januar 2002
Aktenzeichen: 30 W (pat) 13/01

(BPatG: Beschluss v. 14.01.2002, Az.: 30 W (pat) 13/01)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Bezeichnung MultiTabsratiopharmist am 11. April 1997 für

"Arzneimittel, pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege; diätetische Erzeugnisse für Kinder und Kranke; Pflaster, Verbandmaterial; Desinfektionsmittel"

unter der Rollennummer 397 07 369 in das Markenregister eingetragen worden.

Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der rangälteren, am 24. Juli 1995 angemeldeten und am 9. April 1998 für

"Pharmazeutische Erzeugnisse und Substanzen, nämlich Vitaminpräparate"

unter der Rollennummer 395 30 267 eingetragenen Marke Multitabs.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat mit zwei Beschlüssen, davon einer im Erinnerungsverfahren ergangen, den Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung ist im wesentlichen ausgeführt, auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass vorliegend allgemeine Verkehrskreise angesprochen seien und sich die Marken auf identischen Waren begegnen könnten, sei eine Verwechslungsgefahr deswegen ausgeschlossen, weil die angegriffene Marke durch den als kennzeichnungsschwach einzustufenden, allgemein verständlichen Bestandteil "Multitabs" weniger geprägt werde als durch die beigefügte Firmenkennzeichnung. Unter Zugrundelegung des Eindrucks der Gesamtmarke sei daher eine markenrechtlich relevante Ähnlichkeit, die zur Löschung der angegriffenen Marke führen könnte, weder in klanglicher noch in schriftbildlicher Hinsicht anzunehmen.

Die Widersprechende hat Beschwerde eingelegt. Zur Begründung ist ausgeführt, die Marken könnten sich auch auf identischen Waren begegnen. Klanglich stimmten die Marken bezüglich Multitabs überein. Die beigefügte Unternehmenskennzeichnung reiche zur sicheren Differenzierung nicht aus. Es sei nicht davon auszugehen, dass der Verkehr an eine Nutzung der Unternehmenskennzeichnung der Inhaberin der angegriffenen Marke stets zusammen mit einem produktbeschreibenden Bestandteil gewöhnt sei. Infolgedessen müsse die Unternehmenskennzeichnung bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr vernachlässigt werden.

Die Widersprechende beantragt (sinngemäß), die angegriffenen Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 10. August 1999 und vom 5. Oktober 2000 aufzuheben und die angegriffene Marke zu löschen, hilfsweise die Rechtsbeschwerde zuzulassen.

Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Zur Begründung ist im wesentlichen ausgeführt, dem Bestandteil "MultiTabs" komme eine den Gesamteindruck prägende Wirkung nicht zu, weil es sich hierbei um eine rein beschreibende und freihaltebedürftige Angabe handle. Aus diesem Grunde werde sich der Verkehr nicht ausschließlich an diesem Bestandteil, sondern zumindest auch an der Firmenkennzeichnung "ratiopharm" orientieren, weshalb eine Verwechslungsgefahr nicht bestehe. Hinzu komme, dass der Verkehr an entsprechende Markenbildungen durch die Inhaberin der angegriffenen Marke gewöhnt sei, nämlich solchen, bei denen dem Firmenkürzel zB INNS oder andere Sachhinweise beigefügt seien.

Ergänzend wird auf das schriftsätzliche Vorbringen, die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamtes sowie die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Unterlagen Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt, § 66 Abs 1 Satz 1, Abs 2 MarkenG.

In der Sache erweist sich die Beschwerde jedoch als unbegründet. Zwischen den sich gegenüberstehenden Marken besteht keine Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.

Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist auf der Seite der Widerspruchsmarke von einer deutlichen Kennzeichnungsschwäche auszugehen, da die Bezeichnung "Multitabs" insoweit als deutlich beschreibender und allgemein verständlicher Hinweis auf die damit gekennzeichneten Waren anzusehen ist (vgl unten S 6).

Auch wenn sich nach der hier ausschlaggebenden Registerlage die Marken auf identischen Waren begegnen können, ist eine markenrechtlich relevante Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG bei der gebotenen Betrachtung des Gesamteindrucks der jeweiligen Zeichen auf der Grundlage der Aufmerksamkeit eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers nicht zu erkennen (vgl EuGH, GRUR 1998, 387 -Sabel/Puma; GRURInt 1999, 734 - Lloyd; BGH WRP 2000, 535 -ATTACHÉ/TISSERAND). Insoweit besteht zwischen den vollständigen Bezeichnungen "Multitabs" einerseits und "MultiTabsratiopharm" andererseits aufgrund der deutlich unterschiedlichen Länge sowie des vollkommen unterschiedlichen Sprechrhythmus weder eine klangliche noch eine schriftbildliche Verwechslungsgefahr.

Eine Verwechslungsgefahr könnte allenfalls vorliegen, wenn der Bestandteil "ratiopharm" der jüngeren Marke vom Verkehr so vernachlässigt würde, dass er für den Gesamteindruck so weitgehend in den Hintergrund träte und ihm daher zur Beurteilung der Verwechslungsgefahr keine Relevanz mehr zukäme (vgl BGH WRP 2000, 173 - RAUSCH/ELFI RAUCH). Auch unter Berücksichtigung des Erfahrungssatzes, wonach der Verkehr dazu neigt, Bezeichnungen in einer die Aussprechbarkeit und Merkbarkeit erleichternden Weise zu verkürzen (vgl BGH GRUR 1999, 241 - Lions), ist aber zu beachten, dass beschreibenden oder auch nur kennzeichnungsschwachen Angaben eine den Gesamteindruck allein prägende Wirkung nicht beizumessen sein wird (vgl Altammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 9 Rdnr 188). Um eine solche, beschreibende Angabe handelt es sich aber bei der Bezeichnung "Multitabs" unter Bezugnahme auf die damit zu kennzeichnenden Waren, da das Wort "Tab" beziehungsweise dessen Pluralform "Tabs" seit Jahren im deutschen Geschäftsverkehr als Ausdruck für Tabletten gebraucht wird (vgl BPatG 24 W (pat) 5/99, PAVIS PROMA, Kliems). Ohne Belang ist hierbei, dass die Bezeichnung "Tabs" vorwiegend für Tabletten bei Wasch- oder Spülmitteln gebraucht wird, da dies den Bedeutungsgehalt nicht verändert. In Verbindung mit der Ware (Vitaminpräparate eignet sich tabs als Hinweis auf die Darreichungsform. Der Zeichenteil "Multi" wiederum hat, als Plural des lateinischen Adjektivs multus, längst Eingang in die deutsche Sprache gefunden, so zB in Multimillionär, Multiplikation, multiplizieren oder in Alleinstellung zur Bezeichnung eines multinationalen Konzerns (vgl DUDEN, Herkunftswörterbuch, S 454). Im Zusammenhang mit der Ware, hier also für ein Vitaminpräparaten, wird die Bedeutung, daß es sich um ein mehrere Vitamine enthaltendes Kombinationspräparat handelt, breitesten Bevölkerungskreisen deutlich, da diesen bekannt ist, dass es sich bei Vitaminen um lebensnotwendige, vom Körper aber im Regelfall nicht selbst synthetisierbare Substanzen handelt, von denen mehrere verschiedene existieren und deren Kombination im Verkehr allgemein als "Multivitamin"-Präparat bezeichnet wird. Der Schutzbereich der Widerspruchsmarke ist daher entsprechend eng zu bemessen (vgl BGH GRUR 1989, 349 - ROTH-HÄNDLE-KENTUCKY /Cenduggy).

Bei dieser Sachlage ist davon auszugehen, dass in der angegriffenen Bezeichnung die schriftbildlich gleichwertig beigefügte Unternehmenskennzeichnung nicht zurücktritt. Ein allgemeiner Erfahrungssatz dahin, der Firmenbestandteil in Marken werde vom Verkehr vernachlässigt, besteht nicht (vgl BGH aaO, RAUSCH/ELFI RAUCH; WRP 1999, 662 - LORA DI RECOARO). Im Einzelfall kann der Firmenname zu vernachlässigen sein, jedoch nur dann, wenn dem weiteren Zeichenteil ausreichende Kennzeichnungskraft und damit die Eignung zukommt, den Gesamteindruck zu prägen (vgl zB BGH GRUR 1996, 404, 405 Blendax Pep; GRUR 1997, 897, 899 IONOFIL; GRUR 1998, 815, 817 Nitrangin). Das ist hier nicht der Fall.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 83 Abs 2 MarkenG nicht erkennbar sind. Die Entscheidung wirft insbesondere keine neuen, vom Bundesgerichtshof noch nicht entschiedenen Rechtsfragen auf.

Zu einer Auferlegung von Kosten gemäß § 71 Abs 1 Satz 1 MarkenG besteht im Streitfall keine Veranlassung.

Dr. Buchetmann Schramm Voit Hu






BPatG:
Beschluss v. 14.01.2002
Az: 30 W (pat) 13/01


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