Oberlandesgericht Hamm:
Beschluss vom 31. Januar 2000
Aktenzeichen: 6 W 63/99

(OLG Hamm: Beschluss v. 31.01.2000, Az.: 6 W 63/99)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Oberlandesgericht Hamm hat mit seinem Beschluss vom 31. Januar 2000 (Aktenzeichen 6 W 63/99) den Gegenstandswert für das selbstständige Beweisverfahren festgelegt. Dabei wurde der angefochtene Beschluss abgeändert und die weitere Beschwerde abgewiesen. Der Gegenstandswert wurde auf 30.000,00 DM festgesetzt.

Zu den Gründen der Entscheidung:

Der Antragsteller hatte am 12.05.1998 einen Motorradunfall erlitten. Das verunfallte Motorrad war zuvor vom Antragsgegner umgebaut worden, unter anderem an der Lenkergabel. Der Antragsteller beantragte daraufhin ein Sachverständigengutachten im selbstständigen Beweisverfahren, um unter anderem die Verkehrssicherheit des Fahrzeugs vor dem Unfall und die Unfallursache durch die Umbauarbeiten festzustellen.

Das Landgericht Bochum ordnete die Einholung des Gutachtens an. Der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass das Motorrad aufgrund des Umbaus nicht verkehrssicher war und der Unfall auf den Umbau zurückzuführen ist. Das Landgericht setzte den Streitwert für das Verfahren auf 15.000,00 DM fest.

Die Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers legten Beschwerde ein und forderten eine Erhöhung des Streitwerts auf 65.000,00 DM. Sie argumentierten, dass neben dem materiellen Schadensersatz auch ein Schmerzensgeldanspruch bestehe, den sie auf 50.000,00 DM schätzten. Zudem sei Textilschaden entstanden, der durch das selbstständige Beweisverfahren gesichert werden solle.

Das Landgericht wies die Beschwerde ab und legte sie dem Senat zur Entscheidung vor. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass der Streitwert aufgrund des Vortrags des Antragstellers zu Beginn des Beweisverfahrens festzusetzen sei. Da der Antragsteller keinen Streitwert angegeben habe und der Schmerzensgeldanspruch im Hauptsacheverfahren geklärt werden könne, müsse dieser unberücksichtigt bleiben. Das Interesse des Antragstellers erstrecke sich nicht auf Schmerzensgeldansprüche, und weitere Feststellungen seien im Hauptsacheverfahren erforderlich.

Die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers ist nach den entsprechenden Vorschriften zulässig. Die Beschwerde ist jedoch nur teilweise begründet. Das Oberlandesgericht sieht eine Streitwerterhöhung auf 65.000,00 DM als nicht gerechtfertigt an. Unter Berücksichtigung der freien Ermessensausübung wird der Streitwert auf 30.000,00 DM festgesetzt.

Bei der Festsetzung des Streitwerts für das selbstständige Beweisverfahren wird das Interesse des Antragstellers berücksichtigt, das sich mindestens auf die Höhe des Anspruchs beläuft. Das Ergebnis des Beweisverfahrens kann ohne Weiteres im Hauptsacheverfahren verwertet werden. Daher ist es gerechtfertigt, den Streitwert dem der Hauptsache anzugleichen.

Das Interesse des Antragstellers umfasst auch den Schmerzensgeldanspruch. Der Antragsteller hat bereits in seiner Antragsschrift zu seinen Verletzungen und der Behandlung vorgetragen. Die geschätzte Bezifferung des Schmerzensgelds in der Beschwerde wird berücksichtigt. Allerdings fehlen noch weitere Feststellungen zu Art, Dauer und Ausmaß der Verletzungen und zu möglichem Mitverschulden, die dem Gericht im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Das Interesse des Antragstellers wird daher auf den Kern des möglichen Schmerzensgeldanspruchs beziffert.

Das Interesse des Antragstellers wird unter Einbeziehung der weiteren materiellen Schäden auf insgesamt 30.000,00 DM festgesetzt. Es besteht keine Notwendigkeit für eine Kostenentscheidung gemäß §25 Abs. 4 GKG.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

OLG Hamm: Beschluss v. 31.01.2000, Az: 6 W 63/99


Tenor

Unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses wird - unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde - der Gegenstandswert für das selbständige Beweisverfahren auf 30.000,00 DM festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller erlitt am 12.05.1998 einen Motorradunfall.

Das verunfallte Motorrad hatte er zuvor bei dem Antragsgegner umbauen lassen. Unter anderem wurden Veränderungen an der Lenkergabel vorgenommen.

Mit Antrag vom 19.06.1998 beantragte der Antragsteller die Einholung eines Sachverständigengutachtens im selbständigen Beweisverfahren. Das Gutachten sollte u.a. zu den Fragen eingeholt werden, ob das Fahrzeug vor dem Unfall verkehrssicher war, ob eine Verkehrsunsicherheit durch die Arbeiten des Antragstellers hervorgerufen wurde, und ob die Umbauarbeiten unfallursächlich waren.

In seinem Antrag führte der Antragsteller aus, er habe durch den Unfall neben Prellungen und Schürfungen einen Trümmerbruch des rechten Handgelenks sowie einen Bruch des rechten Sprunggelenks erlitten. Außerdem sei an dem Fahrzeug Totalschaden entstanden. Der Wert des Fahrzeugs habe 12.800,00 DM betragen.

Das Landgericht Bochum hat antragsgemäß die Einholung eines Sachverständigengutachtens angeordnet.

Der mit der Erstattung des Gutachtens beauftragte Dipl.-Ing. T kam zu dem Ergebnis, daß das Motorrad infolge des Umbaus nicht verkehrssicher gewesen sei, die Umbauarbeiten nicht fach-/ sachgerecht durchgeführt worden seien sowie, daß die Fahrzeugeigenschaften durch den Umbau dermaßen verschlechtert worden seien, daß der Unfall des Antragstellers auf den Umbau zurückzuführen sei.

Das Landgericht hat den Streitwert durch Beschluß vom22.07.1999 für das Verfahren nach §§ 485 ff. ZPO auf 15.000,00 DM festgesetzt.

Hiergegen wenden sich die Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers in eigenem Namen und begehren mit der Beschwerde die Festsetzung des Streitwertes auf 65.000,00 DM.

Dazu tragen sie vor, dem Antragsteller stünde neben materiellem Schadensersatz ein Schmerzensgeldanspruch zu, dessen Höhe sie überschlägig auf 50.000,00 DM schätzen.

Außerdem sei bei dem Unfall Textilschaden entstanden. Das selbständige Beweisverfahren diene der Sicherung und Durchsetzung dieser Ansprüche.

Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

Es begründet die Entscheidung im wesentlichen damit, daß es für die Wertfestsetzung auf den Vortrag des Antragstellers zu Beginn des Beweisverfahrens ankomme, der Antragsteller jedoch keinen Streitwert angegeben habe. Ein möglicherweise zu sichernder Anspruch auf Schmerzensgeld müsse unberücksichtigt bleiben, da Grund und Höhe dieses Anspruchs allein im Hauptsacheverfahren geklärt werden könnten. Das in der Antragsschrift dargelegte Interesse erstrecke sich nicht auf Schmerzensgeldansprüche. Im übrigen bedürfe es noch weiterer Feststellungen im Hauptsacheverfahren.

II.

Die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers aus eigenem Recht ist gem. §§ 9 Abs. 2 BRAGO, 25 Abs. 2 GKG zulässig.

Nach der erfolglosen Beschwerde des Antragstellers haben die Beschwerdeführer diese als eigene i.d.S. aufrechterhalten. Die Frist des § 25 Abs. 2 Satz 3 GKG ist eingehalten.

Die Beschwerde ist jedoch nur teilweise begründet.

Die Streitwertfestsetzung des Landgerichts ist zu niedrig, jedoch ist auch eine Erhöhung auf 65.000,00 DM nicht gerechtfertigt.

Dem Senat erscheint bei pflichtgemäßer Ausübung freien Ermessens nach §§ 12 GKG, 3 ZPO die Festsetzung auf 30.000,00 DM sachgerecht.

Bei der Festsetzung des Streitwerts des selbständigen Beweisverfahrens ist von dem Interesse des Antragstellers auszugehen. Dieses bemißt sich zumindest für das vorgezogene selbständige Verfahren nach §§ 485 ZPO nach der vollen Höhe des mit dem Verfahren zu sichernden Anspruchs (vgl. Thomas/Putzo, ZPO 22. Auflage, § 3, Rdnr. 33). Dies folgt daraus, daß die Beweiserhebung im Beweisverfahren einer Beweisaufnahme im Hauptsacheverfahren gleichkommt und daß das Ergebnis ohne weiteres verwertet werden kann. Es ist daher gerechtfertigt, den Streitwert dem der Hauptsache anzugleichen.

Grundlage für das Interesse des Antragstellers ist sein tatsächlicher Sachvortrag wie er sich nach seinem Vorbringen im Verfahren darstellt.

Das Interesse des Antragstellers erstreckte sich erkennbar auch auf einen Schmerzensgeldanspruch. Zur Schätzung nach § 3 ZPO genügt die Angabe der tatsächlichen Umstände, aus denen sich ein möglicher Anspruch ergibt.

Der Antragsteller hat bereits mit der Antragsschrift zu seinen Verletzungen und der weiteren Behandlung vorgetragen.

Der Senat konnte gem. § 570 ZPO auch die erst mit der Beschwerde vorgenommene geschätzte Bezifferung des Schmerzensgelds berücksichtigen, ohne daß § 4 Abs. 1 ZPO dem entgegensteht. Die Beschwerdeführer machen hinsichtlich der Höhe des Interesses des Antragstellers keine Erhöhung nach Antragseinreichung geltend, sondern tragen lediglich nachträglich zum bereits entstandenen Schaden vor.

In der Höhe des Anspruchs vermochte der Senat der Vorstellung der Beschwerdeführer allerdings nicht zu folgen. Dazu fehlt es an Anhaltspunkten, aus denen sich eine billige Entschädigung des Antragstellers bemessen ließe. Diese Feststellungen u.a. zu Art, Dauer und Ausmaß etc. der Verletzungen und ihre Folgen, aber auch zu einem möglichen Mitverschulden bleiben dem Gericht der Hauptsache, das nach eigenem Ermessen entscheidet, vorbehalten. Der Vortrag der Beschwerdeführer zu den Verletzungen vermochte daher lediglich einen möglichen Schmerzensgeldanspruch im Kern darzulegen. Sein Interesse an der Beweiserhebung kann sich daher allenfalls auf diesen Kern erstrecken.

Der Senat bemißt dieses Interesse unter Einschluß der weiteren materiellen Schäden des Antragstellers auf insgesamt 30.000,00 DM.

Eine Kostenentscheidung ist im Hinblick auf § 25 Abs. 4 GKG nicht geboten.






OLG Hamm:
Beschluss v. 31.01.2000
Az: 6 W 63/99


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/debe748ce40c/OLG-Hamm_Beschluss_vom_31-Januar-2000_Az_6-W-63-99




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