Oberlandesgericht Stuttgart:
Urteil vom 1. Oktober 2012
Aktenzeichen: 5 U 180/11

(OLG Stuttgart: Urteil v. 01.10.2012, Az.: 5 U 180/11)

1. Telekommunikationsleitungen sind keine wesentlichen Bestandteile des Grundstücks i. S. von § 94 Abs. 1 BGB, sondern sonderrechtsfähige Scheinbestandteile i. S. von § 95 Abs. 1 BGB.

2. Der Eigentümer eines Grundstücks hat die Verlegung von Lichtwellenleitern im Schutzstreifen einer im Grundbuch gesicherten Gasleitung gem. § 76 Abs. 1 Nr. 1 TKG 2004 auch dann zu dulden, wenn der Betreiber der Gasleitung un der der Telekommunikationsleitung nicht identisch ist.

3. Ein gemäß § 278 ZPO schätzbarer technischer Minderwert gemäß § 251 BGB liegt nicht vor, wenn nach Beschädigung eines Glasfaserkabels durch Baggerarbeiten je 50 m links und rechts der Schadstelle ein neues Kabel verlegt und zu dessen Einfügung zwei zusätzliche Spleißstellen mit 2 zusätzlichen Muffen erforderlich sind und das verbleibende Kabel möglicherweise mit der Gefahr von Mikrorissen gedehnt wurde, wenn in 9 Jahren nach dieser Sanierung keine Funktionsbeeinträchtigung eingetreten ist.

Neben dem Anspruch auf die Kosten der so durchgeführten Reparatur besteht daher kein zusätzlicher Anspruch auf Ersatz der Kosten, die bei vollständigem Ersatz des betroffenen Kabels durch ein neues Kabel mit voller Kabellänge von 6 km entstehen würden.

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 22. Dezember 2011 (27 O 501/09) abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert II. Instanz: 37.045,86 EUR.

Gründe

I.

Die Klägerin verfolgt mit der Klage Ansprüche auf Schadensersatz wegen der Beschädigung von Glasfaserkabeln.

1. Die Klägerin verfügt deutschlandweit über ein Netz von etwa 9000 km zur Datenübertragung genutzter Glasfaserleitungen, bestehend aus Kabelschutzrohren und darin geführten Glasfaserlichtwellenleitern, die sie nach ihrem Vortrag zum Betrieb an andere vermietet. Eine solche Leitung verläuft als Teil einer Fernstrecke mit mehreren Kabeln in einem Schutzrohr neben einer Ferngasleitung über das Gelände des Steinbruchs B nahe der Bundesstraße bei R. Das Grundstück gehört seit 1999 der S GmbH & Co. KG - im Folgenden: Fa. S -, einem Tiefbauunternehmen, über dessen Vermögen am 28. September 2004 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Der Beklagte wurde zum Insolvenzverwalter bestimmt. Zu Lasten des Grundstücks ist eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit (Ferngasleitungsrecht) für die R Aktiengesellschaft im Grundbuch eingetragen.

Am 9. September 2003 beschädigte ein Mitarbeiter der Fa. S bei Baggerarbeiten zwei Lichtwellenleiter mit 36 bzw. 72 Glasfasern. Der Schadenshergang im Einzelnen ist zwischen den Parteien streitig. Die Klägerin ließ den Schaden in der Weise reparieren, dass im Zeitraum vom 09. bis 16. September 2003 auf einer Strecke von je 50 m links und rechts der Schadensstelle neue Glasfaserkabel verlegt und in Reparaturmuffen an die bestehende Leitung angespleißt wurden. Die Haftpflichtversicherung der Fa. S, die ..Versicherung AG, bezahlte nach Beurteilung durch den von ihr eingeschalteten Sachverständigen Prof. Dr. K und Korrespondenz mit der Klägerin vor Insolvenzeröffnung dafür 12.967,89 EUR.

Die Klägerin hat ausgeführt, diese Reparatur sei lediglich eine Notreparatur gewesen und macht im vorliegenden Rechtsstreit als weiteren Schaden den Ersatz der Kosten geltend, die zusätzlich für einen kompletten Austausch der beschädigten Lichtwellenleiter auf der konstruktionsbedingten sog. Regellänge einschließlich der bereits erneuerten Strecke zwischen zwei Muffen von 5.992,90 m beim 36-faserigen Kabel und von 1.482,00 m beim 72-faserigen Kabel voraussichtlich anfielen. Dieser Austausch ist bisher nicht durchgeführt worden.

Die Klägerin hat vorgetragen, sie sei die Eigentümerin der beschädigten Kabel, aber kein Netzbetreiber. Die Leitung im Schadensbereich sei im Schutzbereich der bestehenden Gasleitung verlegt worden, so dass die Fa. S als Grundstückseigentümerin zu seiner Duldung verpflichtet sei. Gestützt auf in anderen Verfahren eingeholte Sachverständigengutachten hat sie behauptet, die durchgeführte Notreparatur habe den vor dem Schadensfall bestehenden Zustand der Lichtwellenleiter technisch nicht vollwertig wiederhergestellt. Durch die eingefügten zusätzlichen Spleiße und Muffen seien die Signaldämpfung der Lichtwellenleiter und das Betriebsrisiko ihres künftigen Ausfalls erhöht. Die Klägerin habe als reine Eigentümerin auch keine Möglichkeit, etwaige Systemreserven zum Ausgleich der Dämpfungserhöhung heranzuziehen. Ob und in welchem Umfang Dämpfungsreserven vorlägen, sei nur von den Mietern der Fasern zu beeinflussen. Außerdem bestehe die Gefahr von Mikrorissen in den Lichtwellenleitern über die ausgetauschte Strecke hinaus, die durch die Stressung (hier: Dehnung) der bei den Baggerarbeiten zerrissenen Kabel verursacht worden sein könnten und die sich auch nach längerer Zeit noch ausweiten könnten. Das qualitative Niveau der Anlage zum Zeitpunkt des Schadensfalls könne nur durch den Austausch der gesamten Regellänge zwischen den benachbarten konstruktiv bedingten Muffen wieder erreicht werden. Die Kosten für diese Maßnahme beliefen sich auf 43.045,86 EUR.

Die Klägerin hat in I. Instanz beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 43.045,86 EUR nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 1. Mai 2004 zu zahlen, beschränkt auf die Leistung aus den Schädigungsforderungen des Beklagten gegen die ... Versicherung AG zur Schadennummer der Versicherung.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat das Eigentum der Klägerin an den Lichtwellenleitern bestritten und darauf hingewiesen, dass für die Klägerin im Grundbuch kein Recht eingetragen sei. Weiter hat der Beklagte bestritten, dass die Lichtwellenleiter zerrissen worden seien und behauptet, die in zu geringer Tiefe verlegte Kabelschutzrohranlage sei durch einen abgestürzten, ca. 8 to schweren Stein beschädigt worden. Außerdem hat der Beklagte, ebenfalls unter Berufung auf eingeholte Sachverständigengutachten, bestritten, dass nach der erfolgten Reparatur noch ein ersatzfähiger Schaden zurückgeblieben sei und darauf hingewiesen, dass Hinweise für eine konkrete Verschlechterung der Funktion der Lichtwellenleiter seit dem Schadensfall nicht aufgetreten seien. Die bei der Reparatur eingesetzten zusätzlichen Spleiße und Muffen führten höchstens zu einer geringfügigen Erhöhung der Dämpfung und des Betriebsrisikos, die vernachlässigbar sei. Der weitere Austausch der Lichtwellenleiter auf der Regellänge sei daher nicht erforderlich, zumal regelmäßig eine Systemreserve vorgesehen werde. Der Beklagte hat weiter auch die Höhe der geltend gemachten Schadensersatzpositionen bestritten, einen Abzug Neu für Alt geltend gemacht und sich schließlich auch auf Verjährung berufen.

2. Das Landgericht hat nach Vernehmung von Zeugen (J, G, E und T) sowie nach Einholung eines Sachverständigengutachtens (P) der Klage aus § 823 Abs. 1 BGB in Höhe von 37.045,86 EUR nebst Zinsen stattgegeben. Die Klägerin sei die Eigentümerin der beschädigten Leitung, das Eigentum daran sei insbesondere nicht gemäß § 946 BGB wegen Verbindung mit dem Grundstück auf die Fa. S übergegangen, da sie nur zu einem vorübergehenden Zweck in das Grundstück eingebracht worden (§ 95 BGB) und vom Eigentümer unter den hier vorliegenden Voraussetzungen des § 76 TKG zu dulden sei. Nach Beweisaufnahme stehe fest, dass ein Mitarbeiter der Fa. S bei betrieblichen Baggerarbeiten die Lichtwellenleiter fahrlässig durchtrennt habe. Die Voraussetzungen eines Mitverschuldens der Klägerin seien nicht bewiesen worden. Die Klägerin könne den Ersatz des geltend gemachten Schadens zwar nicht nach § 249 Abs. 1 BGB fordern, weil aus Sicht eines wirtschaftlich vernünftig denkenden Geschädigten nicht davon ausgegangen werden könne, dass eine Erneuerung der Leitung auf der gesamten Regellänge derzeit geboten sei. Der Klägerin stehe aber aus § 251 BGB eine Entschädigung für den Ausgleich des technischen Minderwerts der Kabel zu, der nach der durchgeführten (Not-)Reparatur verblieben sei. Dieser Minderwert bestehe in einer Dämpfungserhöhung sowie einem erhöhten Ausfallrisiko der gestressten Lichtwellenleiter aufgrund von Mikrorissen. Dieses Risiko könne durch den erfolgten Austausch der Lichtwellenleiter auf einer Strecke von 100 m zwar verringert, aber nicht ausgeschlossen werden. Die Mikrorisse würden im Laufe der Zeit größer und könnten dann zu einer zusätzlichen Dämpfungserhöhung bis zu einer Erblindung der Faser führen, so dass die Faser nicht mehr nutzbar sei. Es bestehe für die Klägerin das Risiko, dass eine Vermietung der Lichtwellenleiter über die bisherige Vermietung hinaus nicht erfolgen könne und sie sich deshalb genötigt sehe, neue Leitungen zu verlegen oder aber die fragliche Regellänge auszutauschen, wenn sie auf die Vermietung nicht verzichten wolle. Gemäß § 287 ZPO sei der Minderwert auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens auf 37.045,86 EUR zu schätzen, berechnet nach den Kosten für einen Austausch der Lichtwellenleiter auf der Regellänge. Ein Abzug Neu für Alt sei nicht gerechtfertigt, der Anspruch der Klägerin auch nicht verjährt. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil des Landgerichts Bezug genommen.

Das Urteil wurde dem Beklagten am 23.12.2011 zugestellt. Der Beklagte legte am 29.12.2011 Berufung ein, die er am 23.02.2012 begründet hat.

3. Der Beklagte wendet sich insbesondere gegen die Annahme des Eigentums der Klägerin am Kabel, einen über die ausgeglichenen Reparaturkosten hinausgehenden Schaden und die Schätzung der Schadenshöhe. Der Sachverhalt sei identisch mit demjenigen, der der Entscheidung des OLG Stuttgart vom 07. September 2009 (4 U 14/09) zu Grunde gelegen habe. In jenem Fall habe das OLG Stuttgart, wie schon das OLG Naumburg im Urteil vom 7. Dezember 2006 (4 U 78/06), Ansprüche, wie sie von der Klägerin vorliegend geltend gemacht würden, verneint.

Die Klägerin sei nicht die Eigentümerin der beschädigten Leitung. Der Beklagte sei im Besitz der Kabel, zu seinen Gunsten greife die Eigentumsvermutung des § 1006 Abs. 1 BGB ein. Die Kabel seien nicht zu einem vorübergehenden Zweck im Sinne von § 95 Abs. 1 S. 1 BGB in das Grundstück verlegt worden und auch die Voraussetzungen von § 76 TKG lägen nicht vor. Durch das Kabel werde die Nutzbarkeit des Grundstücks beeinträchtigt. Zudem habe die Klägerin die Voraussetzungen für den behaupteten Eigentumserwerb nicht dargetan. Daraus, dass die V eine Zahlung erbracht habe, folge nichts anderes.

Die Klägerin treffe ein Mitverschulden am Schadensfall, weil nach der sicheren Erinnerung des Zeugen E die Leitung in geringerer Tiefe als 1 m verlegt worden sei.

Die Klägerin habe den Schaden endgültig repariert, wie sie mit Schreiben vom 07.11.2008 (Anlage B 6) der Fa. S mitgeteilt habe. Mit der Klageforderung setzte sie sich dazu in Widerspruch. Der Klägerin stehe kein Anspruch aus § 251 BGB zu. Ein technischer Minderwert sei nicht bewiesen. Beeinträchtigungen der Vermietung lege die Klägerin nicht dar. Der Sachverständige P habe das Vorliegen von Mikrorissen gerade nicht bestätigt. Darüber hinaus stehe auch der genaue Schadensverlauf nicht sicher fest. Die von der Klägerin vorgehaltene Systemreserve betrage mindestens 4 dB. Die Wertung des Sachverständigen P - dessen Ausführungen den Anforderungen an ein Gutachten im Übrigen nicht genügten -, dass die beschädigten Kabel auf der ganze Regellänge auszutauschen seien, sei auf dieser Grundlage nicht nachvollziehbar. Die Berechnung der Höhe eines Anspruchs aus § 251 BGB anhand der Austauschkosten widerspreche der zutreffenden Auffassung des angegriffenen Urteils, dass die Gebrauchstauglichkeit der Leitung nicht eingeschränkt sei und dass Ersatz nach § 249 BGB gerade nicht geschuldet werde. Sie sei auch im übrigen nicht nachvollziehbar. Es sei jedenfalls ein Abzug Neu für Alt vorzunehmen.

Im Übrigen nimmt der Beklagte auf seinen erstinstanzlichen Vortrag Bezug.

Der Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 22.12.2011 (Az. 27 O 501/09) aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angegriffene Urteil. Sie verweist auch darauf, dass in der Zahlung der V Ende Juli/Anfang August 2004 ein auch den Beklagten bindendes deklaratorisches Schuldanerkenntnis liege. Der Beklagte könne mit dem Bestreiten des Eigentums und des Verschuldens daher nicht mehr gehört werden. Es sei bislang keine endgültige Reparatur erfolgt. Die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen P stünden in Übereinstimmung mit in anderen Verfahren erstatteten gerichtlichen Sachverständigengutachten. In mehreren landgerichtlichen Urteilen sowie vom OLG Rostock im Urteil vom 21. Januar 2011 (5 U 240/09) seien Ansprüche, wie sie auch vorliegend geltend gemacht würden, bestätigt worden.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Berufungsverhandlung vom 13.08.2012 verwiesen.II.

Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hat in der Sache Erfolg.

Die Klägerin hat zwar gegen die Beklagte grundsätzlich einen Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 823 Abs. 1 BGB. Denn durch die Insolvenzschuldnerin Fa. S wurde das Eigentum der Klägerin an den Lichtwellenleitern schuldhaft verletzt. Durch die erfolgte Zahlung der V wurde der dadurch verursachte Schaden der Klägerin aber bereits ausgeglichen. Ein Anspruch auf Ersatz des vorliegend eingeklagten weiteren Schadens steht der Klägerin nicht zu.

1. Die Voraussetzungen eines Ersatzanspruchs aus § 823 Abs. 1 BGB liegen vor.

a. Die Klägerin ist die Eigentümerin der am 9. September 2003 unstreitig beschädigten Lichtwellenleiter.

aa. Die Fa. S als Eigentümerin des Grundstücks hat das Eigentum an den Lichtwellenleitern nicht gemäß § 946 BGB erlangt. Denn diese Telekommunikationsleitungen sind keine wesentlichen Bestandteile des Grundstücks im Sinne von § 94 Abs. 1 BGB, sondern sonderrechtsfähige Scheinbestandteile im Sinne von § 95 Abs. 1 BGB.

In der Rechtsprechung ist - wie für Versorgungsleitungen anderer Art - für Fernmeldekabel im Sinne des Telegraphenwegegesetzes anerkannt, dass sie nicht mit dem Grundstückseigentum verbunden, sondern gem. § 95 BGB Gegenstand gesonderter Rechte sind (BGHZ 125, 56 - juris Randz. 11 f.; OLG Nürnberg NJW-RR 1997, 19 - juris Randz. 12; OLG Thüringen OLG-NL 2005, 83 - juris Randz. 32).

Diese Zuordnung gilt nach der Aufhebung des Telegraphenwegegesetzes zum 01. August 1996 durch § 100 Abs. 3 des Telekommunikationsgesetzes vom 25. Juli 1996 (TKG 1996; BGBl. I 1120) auch für Telekommunikationsleitungen wie vorliegend die Lichtwellenleiter. Das TKG enthielt und enthält zwar keine ausdrückliche Bestimmung dahin, dass die über fremde Grundstücke geführten Leitungen Scheinbestandteile gem. § 95 BGB sind. Dies wird jedoch allgemein so angenommen (vgl. etwa Palandt/Ellenberger, BGB, 71. Auflage, § 95 Randz. 6; MüKo[BGB]/Stresemann, 6. Auflage, § 95 Randz. 25, 29; Staudinger/Jickeli/Stieber, § 95 BGB [2011] Randz. 20; Schütz, in: Beckscher TKG-Kommentar a.a.O., Randz. 9; Henn, in: Handbuch Telekommunikationsrecht, 2. Auflage, Randz. 267; Münch, VIZ 2004, 207, 208 f.) und folgt aus Sinn und Zweck des Gesetzes. § 57 TKG 1996 und seine zum 26. Juni 2004 in Kraft getretene Nachfolgenorm § 76 TKG 2004 (BGBl. I, 1190) verpflichten den Eigentümer zur Duldung von Errichtung und Betrieb der Telekommunikationslinien auf seinem Grundstück. Dies setzt die Verschiedenheit von Grundstückseigentum und Eigentum am Kabel gedanklich voraus. Nur wenn das Eigentum am Kabel nicht jedem Eigentümer der Grundstücke, durch die es verläuft, zusteht, sondern rechtlich in einheitlicher Hand ist, sind außerdem der Aufbau und die Unterhaltung eines Leitungsnetzes überhaupt möglich. Dass die Leitungen in der Annahme verlegt worden wären, dass sie nach Ende des Netzbetriebs dem Grundstückseigentümer zufallen sollten, ist dagegen nicht ersichtlich.

Das Fehlen einer vom Beklagten betonten Grunddienstbarkeit zu Gunsten der Klägerin für die Lichtwellenleiter steht der Anwendung von § 95 BGB schon begrifflich nicht entgegen.

bb. Aus § 1006 BGB kann der Beklagte nichts anderes für sich herleiten. Er ist nämlich nicht der Besitzer der Lichtwellenleiter. Vielmehr ist dies die Klägerin. Gegen die - zu-treffende - Feststellung des angegriffenen Urteils, dass die Leitungen im Auftrag der Klägerin eingebracht wurden, bringt die Berufung nichts vor; sie wendet sich nur gegen die Annahme einer Übereignung der Kabel an die Klägerin. Sind sie aber im Auftrag der Klägerin eingebaut worden, hat sie hierdurch an den Leitungen Besitz erlangt. Gemäß § 1006 Abs. 1 S. 1 BGB ist das - wie ausgeführt vom Grundstück gesonderte - Eigentum der Klägerin an den Lichtwellenleitern damit zu vermuten. Das einfache Bestreiten des Eigentumserwerbs der Klägerin durch den Beklagten geht unter den Umständen des Falls ins Leere.

b. Die überzeugenden Ausführungen des Landgerichts zu einer schuldhaften Eigentumsverletzung greift der Beklagte nicht an.

c. Auch § 242 BGB steht dem geltend gemachten Schadensersatzanspruch nicht ent-gegen. Dem Beklagten steht kein Anspruch auf Beseitigung der Lichtwellenleiter gegen die Klägerin zu. Denn die Fa. S hat die streitgegenständlichen Lichtwellenleiter nach § 57 Abs. 1 Nr. 1 TKG 1996/§ 76 Abs. 1 Nr. 1 TKG 2004 auch ohne eine eigene Grunddienstbarkeit zu dulden, da sie im Schutzbereich der dinglich gesicherten Ferngasleitung verlaufen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 149, 213) hatte der Eigentümer eines Grundstücks die Verlegung von Lichtwellenleitern im Schutzstreifen einer bereits bestehenden Gasleitung gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 1 TKG 1996 zu dulden. Für § 76 Abs. 1 Nr. 1 TKG 2004 muss Entsprechendes gelten.

Im Fall des Bundesgerichtshofs war zwar der Betreiber einer Gasleitung, zu dessen Gunsten dafür eine Dienstbarkeit im Grundbuch eingetragen war, derjenige, der auch die Lichtwellenleiter verlegen wollte. Die Entscheidung ist aber auf den vorliegenden Fall zwei verschiedener Leitungsberechtigter übertragbar. Denn dem Zweck des TKG - der raschen Herstellung eines flächendeckenden Netzes terrestrischer Telekommunikationsleitungen bei Sicherstellung eines funktionierenden Wettbewerbs privater Anbieter (so BGH a.a.O, juris Randz. 13) - wird mit einer Einbeziehung anderer Leitungsberechtigter in den Schutzbereich bestehender Leitungsrechte am ehesten entsprochen. Für den Grundstückseigentümer macht dies auch keinen Unterschied, weil die Nutzbarkeit seines Grundstücks durch die Verlegung einer zusätzlichen Leitung durch einen Dritten nicht mehr eingeschränkt wird als durch die Verlegung einer solchen Leitung durch den bisher schon Berechtigten.

Über das Grundstück der Fa. S verläuft seit 1989 eine Gasleitung. Im Grundbuch (Auszug Anl. B 10) sind in Abt. II Nr. 2 und Nr. 8 zu Gunsten der R AG Leitungsrechte eingetragen. Dem Lageplan (Anl. K 21a) ist der Verlauf der Leitungen im Schadensbereich innerhalb des Flurstücks zu entnehmen. Dieses Flurstück, das im Grundbuch unter BV Nr (...) aufgeführt ist, ist vom Leitungsrecht der R AG in Abt. II Nr 8, eingetragen am 10. August 1989, umfasst. Damit übereinstimmend und unbestritten trägt die Klägerin vor, dass die streitgegenständlichen Kabel im Schutzbereich der Erdgasleitung der R AG verlaufen.

Aus den vom Beklagten herangezogenen Entscheidungen anderer Gerichte folgt nichts anderes, da die Sachverhalte nicht vergleichbar sind. In den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (NJW-RR 2004, 231) und des Oberlandesgerichts Thüringen (OLG-NL 2005, 83) ging es um die Frage des Betriebs von Telekommunikationsanschlüssen auf einem Grundstück gegen den Willen des Grundstückeigentümers. Darum geht es vorliegend nicht. Im Fall des Oberlandesgerichts Sachsen-Anhalt (Urteil vom 08.12.1998, 11 U 187/98, juris, zitiert von Münch, VIZ 2004, 207, 210) wurde eine Duldungspflicht gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 2 TKG 1996 verneint, weil die Leitungsanlage die Benutzung des Grundstücks wesentlich beeinträchtigte. Vorliegend geht es, wie ausgeführt, um § 57 Abs. 1 Nr. 1 TKG 1996, der nicht die Unwesentlichkeit der Beeinträchtigung als Voraussetzung der Duldungspflicht fordert.

d. Unabhängig davon ist der Beklagte daran gebunden, dass die V der Fa. S den Aufwand für die bereits durchgeführte Reparatur reguliert hat. Hierin liegt ein deklaratorisches Anerkenntnis der Haftung der Fa. S dem Grunde nach auch mit Wirkung gegen den Beklagten.

aa. Die Zahlung der V ist ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis der Haftung dem Grunde nach mit Wirkung auch gegenüber der Fa. S.

Der Beklagte weist zwar zu Recht darauf hin, dass die bloße Zahlung einer Forderung, auch vorbehaltlos, grundsätzlich kein Anerkenntnis der Forderung beinhaltet (BGH NJW 2008, 3425; BGH NJW 2009, 91).

Anderes liegt es aber bei einer Zahlung der Haftpflichtversicherung an den Geschädigten. Insoweit hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass - auch bei fehlendem Direktanspruch - die Regulierungszusage des Haftpflichtversicherers, der aufgrund seiner uneingeschränkten Verhandlungsvollmacht in der Praxis regelmäßig der maßgebliche Ansprechpartner des Geschädigten ist, ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis beinhaltet. Aus der Sicht des Geschädigten ist die ihm erteilte Regulierungszusage deshalb dahin zu verstehen, dass der Versicherer seinem Versicherungsnehmer gegenüber deckungspflichtig ist und in dessen Namen den Haftpflichtanspruch anerkennt (BGH NJW-RR 2009, 382 = VersR 2009 - juris Randz. 9).

Eine solche Regulierungszusage liegt konkludent in der erfolgten Zahlung der V. Diese ist als Kaufmann (Versicherung AG) gemäß § 350 HGB nicht an die Schriftform des § 781 BGB gebunden. Die Klägerin konnte und durfte die Zahlung dahin verstehen, dass nur die Höhe der Schadensersatzforderung im Streit stehe, ihr Anspruch dem Grunde nach aber nicht angezweifelt werde. Dieses Verständnis lag umso mehr deswegen nahe, weil die Fa. S bereits vor der Zahlung mit Schreiben vom 12. Juni 2003 (Anl. K 6) darauf hingewiesen hatte, dass ihr der Verlauf der Leitung bekannt war, und der von der V eingeschaltete Gutachter Prof. Dr. K den Anspruch dem Grunde nach bestätigte (Anl. B 1). Unstreitig hat die V aufgrund dieser Stellungnahme auf die durchgeführte Reparatur den größten Teil der von der Klägerin damals dafür geforderten EUR 14.740,95 bezahlt und auch in der weiteren Korrespondenz mit der Klägerin die Haftung dem Grunde nach nicht angezweifelt. Das eine weitere Regulierung ablehnende Schreiben der V vom 27. Juli 2004 wird nicht vorgelegt, so dass auch insoweit von nichts anderem ausgegangen werden kann.

bb. Das deklaratorische Anerkenntnis gilt auch für und gegen den beklagten Insolvenzverwalter. Insoweit kann dahinstehen, ob § 117 InsO im vorliegenden Fall die Vollmacht der V beendet hat. Denn die Regulierungszahlung erfolgte unbestritten bereits Ende Juli/Anfang August 2004, also vor Insolvenzeröffnung am 28. September 2004. Die Wirkungen des § 117 InsO treten erst mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein (MüKo[InsO]/Ott-Vuia, 3. Auflage, § 117 Randz. 12). Zurückliegendes Handeln eines bevollmächtigten Vertreters des Insolvenzschuldners bleibt unberührt.

cc. Das deklaratorische Anerkenntnis hat zur Folge, dass sich der Beklagte heute nicht mehr gegen die Haftung dem Grunde nach wenden kann.

Der Zweck des deklaratorischen Anerkenntnisses ist es, Zweifel über das Schuldverhältnis insgesamt oder in einzelnen Beziehungen dem Streit oder der Ungewissheit zu entziehen (vgl. BGH NJW 1999, 2898; BGH NJW 2008, 3425, 3426). Damit verbunden ist gerade im Fall der Regulierungszusage des Haftpflichtversicherers der künftige Ausschluss von Einwendungen nicht nur gegen den Deckungsschutz, sondern auch gegen den Grund des Anspruchs. Ansonsten würde der Zweck der Regulierungszusage - die Erklärung des in der Praxis als Hauptansprechpartner des Geschädigten handelnden Versicherers, seinem Versicherungsnehmer gegenüber deckungspflichtig zu sein und in dessen Namen den Haftpflichtanspruch anzuerkennen - verfehlt. Schutzwürdige Interessen des Versicherungsnehmers werden auch in der Insolvenz dadurch nicht berührt. Denn ihm gegenüber wird der Haftpflichtversicherer durch seine Regulierungszusage ebenso gebunden. Die Insolvenz ändert daran nichts (§ 110 VVG).

Vorliegend sind von der Anerkenntniswirkung umfasst das Eigentum der Klägerin an den beschädigten Lichtwellenleitern und die pflichtwidrige Schadensverursachung durch die Fa. S. Ersteres zu prüfen lag auch im Rahmen der erfolgten Regulierung offen auf der Hand, so dass die Regulierung aus Sicht der Klägerin die Bejahung dieser Frage beinhaltete. Von letzterem ging die V bei ihrer Zahlung aufgrund der dies bejahenden Ausführungen im Gutachten Prof. Dr. K sogar positiv aus.

Anhaltspunkte dafür, dass das Anerkenntnis unwirksam, kondizierbar oder aus anderen Gründen nicht bindend wäre, bestehen nicht.

2. Das Landgericht hat zu Recht ein Mitverschulden der Klägerin an der Entstehung des Schadens (§ 254 BGB) verneint. Die Beweislast trifft insoweit nach ständiger Rechtsprechung den Schädiger (vgl. BGH NJW 2007, 1063, 1064, Randz. 14; jüngst eine andere Literaturmeinung ausdrücklich ablehnend BGH VersR 2012, 865 - juris Randz. 11 ff.).

Nach den von der Berufung insoweit nicht angegriffenen Ausführungen des Sachverständigen P (Verhandlung vom 19. September 2011) sind die Kabel auf Privatgrundstücken in einer Tiefe von 1 m und bei öffentlichen Wegen von 0,6 m zu verlegen. Es kann offen bleiben, ob der Weg, entlang dessen das beschädigte Kabel verlegt wurde, in diesem Sinne öffentlich ist und eine Tiefe von 0,6 m ausreichend ist, weil nicht erkennbar ist, dass er für die Benutzung durch die Öffentlichkeit zur Verfügung steht. Denn es steht aufgrund der vom Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme nicht einmal fest, dass eine Verlegetiefe von 1,0 m nicht eingehalten worden wäre. Der Zeuge J hat angegeben, die Kabel lägen 0,8 m bis 1,0 m tief. Der Zeuge G hat dies bestätigt. Der Zeuge E war sich zwar sicher, dass die Kabel weniger als 1,0 m tief lagen. Das Landgericht ist dem Zeugen E insoweit allerdings gerade nicht gefolgt und hat dies damit begründet, dass der Zeuge E nicht ausschließen konnte, dass es nach der Verlegung der Kabel zu einer Geländeveränderung (Verringerung der Überdeckung der Kabel) gekommen war.

Diese Beweiswürdigung ist nicht zu beanstanden und für das Berufungsgericht bindend, § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Die Berufung beschränkt sich insoweit darauf, ihre eigene Beweiswürdigung an die Stelle der des Landgerichts zu setzen. Neue Tatsachen bringt sie nicht vor.

Ob eine etwaige zu geringe Verlegetiefe für den Schaden ursächlich gewesen wäre und wer dafür die Beweislast zu tragen hätte, kann bei dieser Sachlage dahinstehen.

3. Der ersatzfähige Schaden der Klägerin wurde jedoch mit der Zahlung der V über 12.967,98 EUR bereits vollständig ausgeglichen. Den Ersatz der Kosten für den Austausch der Lichtwellenleiter auf der gesamten Regellänge kann die Klägerin unter den Umständen des vorliegenden Falles auf der Grundlage der Ausführungen des Sachverständigen P weder aus dem Gesichtspunkt des § 249 BGB noch aus dem Gesichtspunkt des § 251 BGB verlangen.

a. § 249 Abs. 1 BGB verpflichtet den Schädiger vorrangig zur Herstellung des Zustandes, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre (Naturalrestitution). Eine beschädigte Sache ist zu reparieren oder durch eine gleichwertige Sache zu ersetzen. Dies bedeutet nicht, genau den Zustand herzustellen, wie er ohne die Beschädigung bestehen würde, was bei beschädigten Sachen vielfach ohnehin unmöglich wäre. Es ist bei Berücksichtigung des von § 249 BGB geschützten Integritätsinteresses des Geschädigten daher erforderlich, aber auch ausreichend, wenn durch eine gleichartige und gleichwertige Sache ein Zustand herbeigeführt wird, der dem schadensfreien möglichst nahe kommt (BGHZ 92, 85, 89 - juris Randz. 8; BGH NJW-RR 2003, 1042, 1043 - juris Randz. 16). Dabei ist ein objektiver Maßstab anzulegen. Aus der Sicht eines verständigen - also wirtschaftlich vernünftig denkenden (vgl. z.B. BGHZ 125, 56, juris Randz. 15) - Geschädigten ist zu fragen, ob trotz der Unterschiede zwischen dem zerstörten Gegenstand und der Ersatzsache das Integritätsinteresse befriedigt wird. Das Kriterium der Gleichartigkeit erfordert einen objektiven Vergleich der Eigenschaften. Bei der Beurteilung der Gleichwertigkeit ist eine differenzierende Betrachtung erforderlich, die den unterschiedlichen Faktoren des Integritätsinteresses Rechnung trägt. Beschränkt sich dieses auf ein materielles Interesse, reicht aber eine wirtschaftliche Gleichwertigkeit aus (MüKo[BGB]-Oetker, 6. Auflage, § 249 Randz. 328 - 330). Darauf zielt auch die vom Landgericht (Urteil S. 12) zitierte Rechtsprechung ab, wonach der Geschädigte in die gleiche wirtschaftliche Vermögenslage zu versetzen ist, in der er sich bei Eintritt des zum Schadensersatz verpflichtenden Umstandes befand (BGH NJW-RR 1986, 874 - juris Randz. 17).

Eine Geldentschädigung gemäß § 251 BGB kommt dagegen in Betracht, wenn die Wiederherstellung der Sache nicht möglich oder zur Entschädigung des Gläubigers nicht genügend ist (Abs. 1), oder nur mit unverhältnismäßigen Aufwendungen möglich ist (Abs. 2). Den Maßstab für die Bemessung der Entschädigung bildet das Kompensationsinteresse des Geschädigten, das sich im Unterschied zu § 249 BGB nicht nach dem zur Wiederherstellung erforderlichen Aufwand, sondern nach ihrem Verkehrswert zum Zeitpunkt des Schadenseintritts richtet (vgl. BGHZ 92, 85, 90 - juris Randz. 13; BGHZ 153, 279 - juris Randz. 21; Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 251 Randz. 10). Zu dem nach § 251 BGB ersatzfähigen Schaden gehört der technische und der merkantile Minderwert, der nach Naturalrestitution gemäß § 249 BGB gegebenenfalls verbleibt (vgl. BGH NJW-RR 2002, 736 - juris Randz. 14.; Palandt/Grüne-berg, a.a.O., § 251 Randz. 4; MüKo[BGB]/Oetker, 6. Auflage, § 251 Randz. 13).

Die Höhe dieses Schadens kann gemäß § 287 Abs. 1 ZPO vom Gericht geschätzt werden. Voraussetzung einer Schadensschätzung müssen aber greifbare Tatsachen sein, die der Geschädigte im Regelfall im Einzelnen darlegen und beweisen muss. Eine völlig abstrakte Berechnung des Schadens, auch in Form der Schätzung eines Mindestschadens, lässt § 287 ZPO grundsätzlich nicht zu (BGH NJW 2012, 2267 - juris Rz. 9; BGH VersR 2004, 874 - juris Randz. 15).

b. Vorliegend ist von nachstehenden Gesichtspunkten auszugehen: Der Sachverständige P hat einen Austausch der beschädigten Lichtwellenleiter auf der gesamten Regellänge für notwendig erachtet. Er befindet sich bei den dieser Beurteilung zugrunde liegenden Anknüpfungsfragen weitgehend in Übereinstimmung mit den von der Klägerin vorgelegten Gutachten Sch (Anlage K 3) und K (Anlage K 18) sowie auch dem vom Beklagten vorgelegten Gutachten Dr. E (Anl. B 3), die in anderen Gerichtsverfahren erstattet wurden. Unterschiede zwischen den Sachverständigen bestehen im Wesentlichen darin, ob und unter welchen Voraussetzungen aus technischer Sicht die komplette Regellänge auszutauschen ist. Dabei sind auch Besonderheiten des vorliegenden Einzelfalls zu beachten. Im Einzelnen:

aa. Der Senat geht auf der Grundlage der Äußerungen sämtlicher Gutachter davon aus, dass die im September eingefügten Reparaturspleiße die Signalübertragungsqualität im Lichtwellenleiter verringern (Signaldämpfung). Der Sachverständige P hat dargelegt, dass als zusätzliche Dämpfung durch die eingebauten Spleiße ein Wert von 0,1 dB je Spleiß anzunehmen sei (schriftliches Gutachten - GA P -, S. 5, und Verhandlung vom 21. Februar 2011; so auch GA Sch S. 17 und GA Dr. E S. 3). Damit müsse bei der Verwendung der Strecke gerechnet werden. Jeder zusätzliche Spleiß entspreche einer Verminderung der erzielbaren Gesamtstreckenleistung von 500 m. Dies sei eine deutliche Qualitätsminderung im Vergleich mit dem Zustand vor der Beschädigung (GA P, S. 6). Anzumerken ist dabei allerdings, dass es sich, so der Sachverständige P, bei diesen 0,1 dB um einen typischerweise angesetzten Maximalwert handelt. Wie eine Untersuchung der Fachhochschule T nach Angaben des Gutachters Sch (S. 16) ergeben hat, kann jedoch von einem Mittelwert von (nur) 0,03 dB ausgegangen werden. Im vorliegenden Fall wurde, wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, die Dämpfung während des Spleißvorgangs nicht gemessen, obwohl dies nach den Äußerungen des Gutachters Sch üblich ist (S. 16).

bb. Weiter wird davon ausgegangen, dass ein Netzbetreiber eine Dämpfungsreserve vorhält, die auch zum Auffangen einer schadens- oder reparaturbedingten Dämpfung dient, auf die aber die Klägerin als bloße Eigentümerin und Vermieterin von Lichtwellenleitern keinen Einfluss hat und deren Verbrauch nicht in Bezug auf einen einzelnen Streckenabschnitt, wie eine Regellänge, bemessen werden kann.

Eine Systemreserve (Dämpfungsreserve) werde, so der Sachverständige P, zwar bei der Planung üblicherweise vorgesehen (GA P, S. 15, auch GA Dr. E S. 12). Im Verhandlungstermin vom 21. Februar 2011 hat der Sachverständige aber klargestellt, dass die Dämpfungsreserve für die komplette Strecke zwischen Sender und Empfänger, die sich aus verschiedenen Teilstrecken zusammensetzen könne, berechnet werde, wobei es sein könne, dass Teile einer solchen Strecke durch Abzweigungen verschieden genutzt würden. Er hat dabei ergänzt, dass ein Vermieter keinen Einfluss auf die Systemreserve habe. Diese sei vor allem davon abhängig, welcher Sender und welcher Empfänger usw. verwendet werde. Deswegen könne man diese Reserve nicht direkt auf die Regellängen beziehen. In dieselbe Richtung gehen die Ausführungen von Dr. E (GA Dr. E, S. 3), dass die Netzbetreiber die Parameter ihrer Systeme und die Systemreserve dimensionierten. Dr. E führt dabei ausdrücklich aus, dass im Falle einer Vermietung Besonderheiten zu berücksichtigen seien; der vom Vermieter seinen Kunden zugesicherte Dämpfungsgrenzwert müsse eingehalten werden (GA Dr. E, S. 3 f., S. 17).

cc. Die durchgeführte Reparatur und bereits der Schadensfall direkt haben außerdem zu einer Erhöhung des Ausfallrisikos des Lichtwellenleiters geführt.

Der Sachverständige P hat dargelegt: Höher als die Qualitätsminderung durch die erhöhte Dämpfung sei das erhöhte Ausfallrisiko der Strecke zu bewerten. Die beiden zusätzlich eingebrachten Spleiße und die dabei eingesetzten Muffen brächten eine zusätzliche Fehlerquelle im laufenden Betrieb und damit eine Erhöhung des Ausfallrisikos (GA P, S. 6). Vor allem sei zu berücksichtigen, dass dann, wenn das Lichtwellenleiterkabel derart belastet werde, dass es abreiße, erhebliche Ziehkräfte auf das Kabel eingewirkt haben müssten. Wie weit diese Kräfte in das Kabel hinein wirkten, lasse sich nicht gesichert bestimmen, dies sei vom Ausmaß der Lageveränderung des Kabels abhängig (Protokolle der Verhandlungen vom 21. Februar und 19. September 2011; vgl. auch die von ihm vorgelegte Veröffentlichung von Dr. E u. a., Lichtwellenleitertechnik, S. 73 W-Kurve, Anlage zum Verhandlungsprotokoll vom 19. September 2011). Die Zugkraft könne zu einer Schädigung der Fasern führen, die sich, unter Umständen zum eigentlichen Schadensereignis sehr stark zeitversetzt (im Termin vom 21. Februar 2011 sprach er von zwei bis drei Jahren), durch zusätzliche Dämpfung bis hin zum kompletten Faserbruch auswirken könnten.

Dieses Risiko sei nicht kalkulierbar (GA P, S. 6). Die Berechnung des statistischen Fehlerrisikos, wie sie in den vorgelegten Gutachten der Sachverständigen Sch und Dr. E angestellt werde, sei theoretisch und wohl auf installierte Netze anwendbar, bei denen man zunächst davon ausgehen könne, dass sie bei Inbetriebnahme fehlerfrei gewesen seien. Vorliegend lasse sich eine Vorschädigung durch Mikrorisse nicht einschätzen (GA P, S. 15). In dieselbe Richtung gehen die Ausführungen des Gutachters K, dass aufgrund der Komplexität der Lichtwellenleiteranlage und der Datenübertragung eine technisch begründete, auf allgemein anerkannten Zusammenhängen basierende Berechnung eines Minderwertes nicht möglich sei (GA K, S. 12). Die volle Qualität der Strecke könne nur durch den Austausch der kompletten Kabellänge in den ursprünglichen Zustand gebracht werden (GA P, S. 6; ähnlich auch GA Sch, S. 19 und GA K S. 7).

dd. Neben diesen Auswirkungen einer Beschädigung von Lichtwellenleitern im Allgemeinen besteht im vorliegenden Fall die Besonderheit, dass nach dem Vortrag der Klägerin die beschädigten Kabel seit der vor nunmehr ca. neun Jahren durchgeführten, von der Klägerin so bezeichneten, Notreparatur genutzt werden. Anhaltspunkte für eine konkrete Beeinträchtigung der Lichtwellenleiter in technischer Hinsicht oder in Bezug auf ihre Vermarktung (Vermietung, Höhe des Mietzinses etc.) in diesem langen Zeitraum hat die Klägerin trotz eingehender Einwendungen des Beklagten bereits in erster Instanz nicht vorgetragen; sie sind auch sonst nicht ersichtlich. In der Berufungsverhandlung hat die Klägerin dazu eingeräumt, dass beim Einbau des Ersatzstücks keine Messungen über eine Dämpfungserhöhung vorgenommen worden seien. Auch wenn zu ihren Gunsten unterstellt wird, dass solche Messungen unter den konkreten Umständen vor Ort nicht möglich gewesen sein mögen, ist nicht nachvollziehbar, weshalb dies später nicht hätte nachgeholt werden können. Dass dies nicht erfolgt ist, spricht deutlich dafür, dass die Klägerin die Notwendigkeit einer Messung nicht gesehen und die Gefahr einer verringerten Leistungsfähigkeit der Lichtwellenleiter nicht als erheblich bewertet hat.

ee. Schließlich kann nach der von der Berufung insoweit nicht angegriffenen Beweisaufnahme des Landgerichts davon ausgegangen werden, dass die Lichtwellenleiter durch den Bagger gedehnt wurden. In welchem Umfang die Dehnung bis zum Zerreißen der Kabel erfolgt ist, blieb allerdings offen.

c. Trotz dieser verbliebenen Beeinträchtigungen und Risiken kann von einem ersatzfähigen Schaden nicht ausgegangen werden. Von einem aus technischer Sicht zu wünschenden Austausch der Lichtwellenleiter auf der Regellänge, wie vom Sachverständigen P aus allgemeinen Gründen der Risikovorsorge heraus befürwortet, muss die allein vom Gericht zu beantwortende Rechtsfrage unterschieden werden, ob im konkreten Fall ein messbarer Schaden im Rechtssinne nachweisbar ist, für den die Klägerin Ersatz verlangen kann.

aa. Der Senat stimmt dem Landgericht darin zu, dass der Austausch auf der gesamten Regellänge nicht erforderlich im Sinne von § 249 BGB ist.

In Übereinstimmung mit dem von der Klägerseite herangezogenen Urteil des Oberlandesgerichts Rostock vom 21. Januar 2011 (5 U 240/09; IBR 2011, 275 - juris Randz. 19), der vom Berufungskläger genannten Entscheidung des Landgerichts Tübingen vom 23. Dezember 2008 (4 O 101/08; IBR 2010, 456) und dem dazu ergangenen Hinweisbeschluss gem. § 522 Abs. 1 ZPO des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 07. September 2009 (4 U 14/09; IBR 2011, 274) geht der Senat davon aus, dass ein wirtschaftlich vernünftig denkender Geschädigter anstelle der Klägerin sich unter den Umständen des vorliegenden Falls mit der erfolgten Reparatur begnügt. Von einem erhöhten Integritätsinteresse der Klägerin ist, da es sich bei dem Lichtwellenleitern um ein reines Wirtschaftsgut handelt, nicht auszugehen. Es darf auch angenommen werden, dass die Klägerin den Austausch der Leitungen auf der Regellänge nicht gescheut hätte, wenn er ihr aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen notwendig erschienen wäre. Dass dies in den letzten neun Jahren nicht erfolgt ist, spricht auch bei Berücksichtigung der Dispositionsfreiheit eines Geschädigten deutlich gegen die Erforderlichkeit eines Austausches der Regellänge im Sinne von § 249 BGB. Die reparierten Lichtwellenleiter sind nicht fühlbar weniger leistungsfähig als vor dem Schadensfall; die wirtschaftliche Position der Klägerin ist nicht beeinträchtigt. Die Reparatur 2003 hat zur Herstellung gleichartiger und gleichwertiger Lichtwellenleiter im Sinne von § 249 BGB geführt.

Ein Ausgleich für einen teilweisen Verbrauch der Dämpfungsreserve, wie ihn das Landgericht Tübingen im Urteil vom 23. Dezember 2008 (4 O 101/08) unter dem Gesichtspunkt der Erstattung von Vorhaltekosten zugesprochen hat, kommt nicht in Betracht. Die Klägerin beansprucht die Vorhaltung einer Dämpfungsreserve selbst nicht. Im Übrigen ist eine Schätzung, in welchem Umfang eine solche Reserve ggf. verbraucht wurde, nicht möglich. Mangels Angaben zum tatsächlichen Umfang einer solche Reserve durch die Betreiber der Leitungen liegen keine aussagekräftigen Anknüpfungspunkte dazu vor. Da die Dämpfungsreserve nicht isoliert auf eine Regellänge bezogen ist, kann auch ihr Verbrauch nicht daran anknüpfend ausgedrückt werden.

bb. Auch ein trotz der Reparatur bestehender Schaden im Sinne eines technischen Minderwerts gemäß § 251 BGB besteht nicht.

(1) Die Berufung rügt mit Recht, dass die Ausführungen des Landgerichts, ein Austausch der Kabel auf der gesamten Regellänge sei nicht erforderlich (§ 249 BGB), es sei aber ein technischer Minderwert vorhanden, der auf die Höhe der vollen Austauschkosten zu bemessen sei (§ 251 BGB), widersprüchlich erscheinen. Die Schätzung des technischen Minderwerts auf die unverminderten Austauschkosten impliziert, dass die Lichtwellenleiter derzeit unbenutzbar sind. Dies ist unstreitig nicht der Fall.

(2) Aber auch die oben angegebenen Voraussetzungen für eine Schätzung eines technischen Minderwerts gemäß § 287 ZPO auf einen geringeren Betrag liegen nicht vor.

Ein technischer Minderwert infolge erhöhter Dämpfung (sei es infolge von schadensbedingten Mikrorissen im nicht ausgetauschten Kabel, sei es durch den Einbau der Reparaturspleiße), verminderter Zuverlässigkeit oder verringerter Lebensdauer des reparierten Kabels mag zwar grundsätzlich in Betracht kommen. Allerdings fehlen auch insoweit ausreichende Anknüpfungstatsachen, um von einem sicheren Schaden ausgehen und eine Schadenshöhe bestimmen zu können.

Der Sachverständige P geht von Planungsannahmen aus. Dies ist keine ausreichende Grundlage für eine Schadensschätzung, weil unter den Umständen des vorliegenden Falls - insbesondere dem über neun Jahre unbeanstandeten Betrieb der Lichtwellenleiter - nicht erkennbar ist, dass die rechnerischen Faktoren sich konkret realisiert hätten. Das bestehende Risiko entzieht sich ebenfalls einer rechtlichen Bewertung. Die Klägerin, die nach ihrem Vortrag die Fasern verschiedenen Mietern zum Betrieb überlässt, trägt zwar vor, dass sie mit diesen im Sinne einer Beschaffenheitsvereinbarung eine Dämpfung von bis zu 30 dB festgelegt habe. Ob dieser Wert auch für die beschädigten Fasern gilt, ist aber ebenso offen wie die näheren Umstände, die zu der Vereinbarung geführt haben (Länge der Strecke, Anzahl der konstruktionsbedingten Muffen etc.). Wenn außerdem die Fasern für verschiedene Teilstrecken genutzt werden und die Dämpfung auf das Gesamtsystem bezogen ist, führt ein Vergleich der Erhöhung der rechnerischen Dämpfung durch die Reparaturspleiße zur Regellänge der Lichtwellenleiter nicht weiter. Wird der Lichtwellenleiter für eine Signalübertragung über mehrere hundert Kilometer genutzt (die geschädigten Kabel sind nach Klägervortrag ein Teil der Strecke F/D), ist eine Erhöhung der Dämpfung durch zwei zusätzliche Spleiße zu vernachlässigen. Hinzu kommt, dass die Konstruktionslängen der Lichtwellenleiter zwischen zwei Spleißen etwa in Stadtbereichen - mit oft nur 200 m bis 300 m - wesentlich geringer als die vorliegende Regellänge sind, wie die Klägerin in der Berufungsverhandlung bestätigt hat. Für dämpfungserhöhende Mikrorisse gilt Entsprechendes. Insoweit hat die Beweisaufnahme keinerlei Anhalt dafür geliefert, wie weit die Kabel durch den Bagger gedehnt wurden. Wäre hier ein erheblicher Schaden, wäre nach den Angaben des Sachverständigen P zu erwarten, dass er sich inzwischen konkretisiert hätte.

Den Überlegungen des Oberlandesgerichts Rostock im Urteil vom 21. Januar 2011 (5 U 240/09; IBR 2011, 275) zur Bemessung eines technischen Minderwerts kann sich der Senat unter diesen Umständen ebenso wenig anschließen wie denen des Landgerichts Lübeck im Urteil vom 07. Juni 2011 (9 O 132/08; Anlage BE 4) und denen des Landgerichts Essen im Urteil vom 05 März 2012 (19 O 202/09; Anlage BE 2).

cc. Einen merkantilen Minderwert macht die Klägerin nicht geltend.

d. Eine erneute Anhörung des Sachverständigen P ist nicht geboten, weil hinreichende Anknüpfungstatsachen für einen unter Berücksichtigung von § 287 ZPO auch der Höhe nach nachweisbaren Schaden nicht vorhanden sind.

4. Auf die von der Berufung weiter aufgeworfene Frage zum Abzug Neu für Alt kommt es für die Entscheidung nicht an.

5. Die nachgereichten Schriftsätze des Beklagten vom 24. August 2012 und der Klägerin vom 27. August und 17. September 2012 geben keinen Anlass für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Auf das vom Beklagten nachgereichte weitere Gutachten des Gutachters Sch vom 28. April 2002, über dessen Einschlägigkeit die Parteien streiten, kommt es nicht an. Es wurde für die Entscheidung nicht verwertet.III.

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. Die Sache erschöpft sich in einem reinen Streit über Tatsachen, deren Würdigung und Auslegung. Darin sind auch die Unterschiede zu Entscheidungen anderer Gerichte begründet.

Der Streitwert der II. Instanz bestimmt sich nach §§ 39 ff. GKG, 3 ff. ZPO. Er richtet sich nach der Hauptforderung, wie sie im angegriffenen Urteil ausgewiesen ist.






OLG Stuttgart:
Urteil v. 01.10.2012
Az: 5 U 180/11


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/de97f44fc2b6/OLG-Stuttgart_Urteil_vom_1-Oktober-2012_Az_5-U-180-11




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