Oberlandesgericht Köln:
Beschluss vom 5. Juni 2014
Aktenzeichen: 8 AR 68/14

(OLG Köln: Beschluss v. 05.06.2014, Az.: 8 AR 68/14)

Tenor

Die Sache wird dem Bundesgerichtshof zur Divergenzentscheidung gemäß § 36 Abs. 3 ZPO vorgelegt.

Gründe

I.

Die Klägerin macht Ansprüche auf eine Vertragsstrafe von 1.500 EUR geltend aus einer auf eine wettbewerbliche Abmahnung hin abgegebenen Unterlassungsverpflichtungserklärung, in der die Beklagte sich zu bestimmten Unterlassungen "bei Meidung einer ... vom Unterlassungsgläubiger nach billigem Ermessen festzusetzenden und im Streitfall von einem Amts- oder Landgericht zu überprüfenden Vertragsstrafe..." verpflichtet hat. Nach Widerspruch im Mahnverfahren ist die Sache antragsgemäß zunächst an das Landgericht Köln als Streitgericht abgegeben worden. Die dort zunächst bei der allgemeinen Zivilkammer eingetragene Sache ist gerichtsintern an die Wettbewerbskammer abgeben worden, welche die Klägerin sodann darauf hingewiesen hat, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Landgerichts Köln Ansprüche auf Vertragsstrafen nicht unter §§ 13, 14 UWG fallen. Die Kammer hat angefragt, ob Verweisung beantragt wird. Daraufhin hat die Klägerin unter dem 20.11.2013 Verweisung an das AG Stralsund beantragt, wo der Beklagte seinen Wohnsitz hat. Ohne Anhörung der Beklagten zum Verweisungsantrag hat das Landgericht Köln sich mit Beschluss vom 27.11.2013 für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das AG Stralsund verwiesen. Dieses hat unter dem 17.12.2013 seinerseits darauf hingewiesen, dass man wegen der fehlenden Anhörung von einer fehlenden Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses ausgehe und eine anderweitige ausschließliche Zuständigkeit in Mecklenburg-Vorpommern bestehe. Die Klägerseite hat unter dem 20.12.2013 hilfsweise Verweisung an das zuständige Gericht beantragt und unter dem 28.01.2014 konkret an das Amtsgericht Rostock unter Bezugnahme auch auf einen entsprechenden Verweisungsantrag der Beklagten vom 21.01.2014. Das Amtsgericht Stralsund hat sich daraufhin am 28.01.2014 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Amtsgericht Rostock verwiesen u.a. unter Bezugnahme auf § 4 Abs. 1 Nr. 7 KonzVO-MV. Auf Anregung der Klägerin hat das Amtsgericht Rostock sich mit Beschluss vom 15.04.2014, auf den zur Meidung von Wiederholungen Bezug genommen wird (Bl. 69 ff d.A.), für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit dem Oberlandesgerichts Köln zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.

II.

1. Das Oberlandesgericht Köln ist gemäß § 36 Abs. 2 ZPO zur Entscheidung des zwischen dem Landgericht Köln, dem Amtsgericht Stralsund und dem Amtsgericht Rostock bestehenden Zuständigkeitsstreits berufen, weil das zunächst höhere gemeinsame Gericht der Bundesgerichtshof wäre und das Landgericht Köln, das zum Bezirk des Oberlandesgerichts Köln gehört, zuerst mit der Sache befasst gewesen ist.

2. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO sind im Kern gegeben, da im Falle des Kompetenzkonflikts gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 5 oder 6 ZPO die Vorlage durch eines der beteiligten Gerichte ausreicht (Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 37 Rn. 2). Gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO erfolgt eine Bestimmung, wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben. Solche Unzuständigkeitserklärungen liegen hier mit den Beschlüssen des Landgerichts Köln vom 27.11.2013, des Amtsgerichts Stralsund vom 28.01.2014 und des Amtsgerichts Rostock vom 15.04.2014 vor.

3. Der Senat kann indes die Bestimmung des zuständigen Gerichts nicht treffen, ohne in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts abzuweichen, so dass er die Sache unter Begründung seiner Rechtsauffassung dem Bundesgerichtshof vorzulegen hat, § 36 Abs. 3 S. 1 ZPO

a) Hintergrund ist, dass in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bisher nicht geklärt ist, ob die Zuständigkeit der Landgerichte über §§ 13, 14 UWG unabhängig von der Höhe des geltend gemachten Anspruchs auch bei Vertragsstrafeansprüchen begründet ist, die ihren Ursprung in einem auf einer wettbewerbsrechtlichen Abmahnung beruhenden Unterlassungsvertrag haben (so etwa OLG Jena v. 01.09.2010 - 2 U 330/10, GRUR-RR 2011, 199 - Vertragsstrafeforderung; vgl. auch etwa Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, UWG, 6. Aufl. 2014, § 13 Rn. 2, § 14 Rn. 2 m.w.N.) oder ob in solchen Fällen nur die allgemeinen Grundsätze der ZPO bzw. des GVG eingreifen (so OLG Rostock v. 7. 12. 2004 - 2 UH 4/04, GRUR-RR 2005, 176 = NJW-RR 2005, 797 - Vertragsstrafe; vgl. etwa auch Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl. 2014, § 13 Rn. 2, § 14 Rn. 4; Rieble, JZ 2009, 716 jeweils m.w.N.). Der BGH hat diese Frage bisher selbst ausdrücklich offen gelassen (BGH v. 15. 12. 2011 - I ZR 174/10, GRUR 2012, 730 Tz. 23 - Bauheizgerät).

b) Auf die Problematik wäre es vorliegend nur in demjenigen Fall bei der Gerichtsstandbestimmung durch den Senat nicht entscheidend angekommen, wenn der Senat eine - auch im Verfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu berücksichtigende (Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 36 Rn. 28 m.w.N.) - verfahrensrechtliche Bindungswirkung aus § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO hätte berücksichtigen können. So liegt der Fall jedoch nicht, so dass die Vorlage nach § 36 Abs. 3 ZPO nicht aus diesem Grund als entbehrlich angesehen werden konnte.

aa) Der Verweisungsbeschluss des Landgerichts Köln ist - ungeachtet der Frage, inwieweit ein Verweisungsbeschluss bei offenen Streitfragen inhaltlich zu begründen ist - zumindest deswegen nicht bindend, weil er ohne Anhörung zum eigentlichen Verweisungsantrag ergangen ist. Dieser Verstoß gegen die Grundsätze rechtlichen Gehörs hat einen Wegfall der Bindungswirkung zur Folge (vgl. allg. BGH v. 15.03.1978 - IV ARZ 17/78, NJW 1978, 1163; Zöller/Greger, a.a.O., § 281 Rn. 17a).

bb) Auch der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Stralsund vom 28.01.2014 ist nicht bindend, denn dieser ist ersichtlich objektiv willkürlich, weil er sich von den selbst genannten gesetzlichen Grundlagen völlig gelöst hat. Der Senat verkennt nicht, dass selbst grobe Rechtsirrtümer die Bindungswirkung nicht ohne weiteres entfallen lassen (vgl. allg. etwa BayObLG v. 16.04.1999 - 1Z AR 26/99, NJW-RR 2000, 589; Zöller/Greger, a.a.O., § 281 Rn. 17 m.w.N.). Indes sind hier selbst bei einer Einordnung als Wettbewerbssache die eindeutigen Zuständigkeitsbestimmungen übergangen worden. § 4 Abs. 1 KonzVO-MV begründet ganz ersichtlich alleine und ausschließlich - in Anlehnung an §§ 13, 14 UWG - eine Konzentration beim Landgericht Rostock; allein in Urheberrechtsstreitsachen, die in die Zuständigkeit der Amtsgerichte fallen (§ 105 Abs. 2 UrhG) und für die eine dem § 13 UWG vergleichbare Regelung fehlt, ist in § 4 Abs. 2 1 KonzVO-MV das Amtsgericht Rostock überhaupt genannt. Die Verweisung an das AG Rostock war damit ersichtlich bar jedweder gesetzlichen Grundlage, weil eine Zuständigkeit dieses Gerichts unter keinem denkbaren Gesichtspunkt zu begründen war. Entweder folgt man der Lesart des LG Köln, so dass allein das AG Stralsund zuständig gewesen wäre, oder man folgt der Auffassung, die Vertragsstrafenfragen der Zuständigkeit der Wettbewerbskammern unterwirft, was eine Zuständigkeit des LG Köln (bzw. bei entsprechendem Antrag ggf. des LG Rostock) hätte begründen können.

4. Die klägerseits im Schriftsatz vom 28.01.2014 am Rande angesprochene (stillschweigende) nachträgliche Prorogation gemäß § 38 ZPO beim AG Rostock kann in den beiderseits dem Gericht gegenüber gestellten Verweisungsanträgen zum AG Rostock ebenfalls nicht ohne weiteres gesehen werden. Auch aus diesem Grund kann eine Entscheidung der oben genannten Streitfrage daher nicht dahinstehen.

5. In der Sache würde der Senat sich der überkommenen Lesart des OLG Rostock anschließen und so zu einer örtlichen und sachlichen Zuständigkeit (§§ 12, 13 ZPO, §§ 23, 71 GVG) des AG Stralsund nach allgemeinen Grundsätzen gelangen. Für die vom Amtsgericht Rostock und OLG Jena angeführten Argumente sprechen zwar gewichtige Erwägungen. Sie überzeugen aber letztlich nicht, weil sie nicht der (etwa gegenüber dem MarkenG engeren) gesetzlichen Fassung der §§ 13, 14 UWG entsprechen, die (nur) auf Ansprüche auf Grund des UWG verweisen. Auch ist das Argument der sonst gebotenen Vereinbarung einer Vertragsstrafe von 5.001 EUR nicht zwingend stimmig, weil auch damit nur die Zuständigkeit des jeweils örtlich zuständigen Landgerichts erreicht werden könnte, nicht jedoch der konzentriert zuständigen Wettbewerbskammern mit besonderer Sachkenntnis.

6. Da der Senat mit seiner Entscheidung von der zitierten Entscheidung des OLG Jena abweichen würde, war nach § 36 Abs. 3 ZPO zu verfahren.






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