Bundespatentgericht:
Urteil vom 31. Januar 2002
Aktenzeichen: 2 Ni 40/00

(BPatG: Urteil v. 31.01.2002, Az.: 2 Ni 40/00)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist für die Beklagte im Kostenpunkt gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 14.000,-- vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des deutschen Patents 30 43 003 (Streitpatent), das am 11. November 1980 unter Inanspruchnahme der Priorität der niederländischen Patentanmeldung 7908357 vom 15. November 1979 angemeldet worden ist und ein Verfahren zum Transport der Schussfäden mittels eines strömenden Fluidums durch das Webfach einer Webmaschine sowie eine Webmaschine zur Durchführung dieses Verfahrens betrifft.

Das Patent umfasst in der Fassung, die es durch die Entscheidung des 11. Senats des Bundespatentgerichts vom 17. Dezember 1992 erhalten hat, 5 Patentansprüche, von denen der Patentanspruch 1 und der nebengeordnete Patentanspruch 4 folgenden Wortlaut haben:

"1. Verfahren zum Transport der Schussfäden durch das Webfach einer Webmaschine, mittels einer Anzahl mit einem strömenden Transportfluidum gespeister Düsen, dadurch gekennzeichnet, dass von jedem Schussfaden die Transportgeschwindigkeit gemessen wird, ein für die gemessene Transportgeschwindigkeit repräsentatives Signal (s, s') einem Steuersystem (10, 10', 11) zugeführt wird, in welchem dieses Signal in ein Steuersignal umgewandelt wird, das diejenigen Komponenten (4) des Schusstransportsystems, welche die Geschwindigkeit des Schussgarns bestimmen, beeinflusst."

und (mit redaktionellen Änderungen in Kursiv)

"4. Webmaschine zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Maschine mit einer Messvorrichtung (6, 7, 8) für die Transportgeschwindigkeit des Schussfadens sowie mit einem Steuersystem (10, 11) ausgerüstet ist, in welchem das für die Transportgeschwindigkeit repräsentative Signal (s') in ein Steuersignal umgewandelt wird, das die Komponenten (2, 4) des Schusstransportsystems beeinflusst, welche die Geschwindigkeit des Schussfadens bestimmen."

Wegen der Patentansprüche 2 und 5 wird auf die Patentschrift DE 3043003 C2 Bezug genommen.

Mit ihrer Teilnichtigkeitsklage macht die Klägerin geltend, der Gegenstand des Streitpatents sei, soweit angegriffen, gegenüber dem Stand der Technik nicht patentfähig. Er sei nicht neu, beruhe aber jedenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Sie beruft sich hierzu auf folgende, abgesehen von NK 3, vorveröffentlichte Druckschriften:

NK 1 : Webereitechnik, VEB Fachbuchverlag Leipzig, 2.Auflage 1971 NK 2 : DE-OS 2 403 025 NK 3 : Air jet weaving machines - review, state of the art and prospects

( A. Wahoud and O. Kohlhaas ), ITB 3/81 Weaving - nachveröffentl.

NK 4 : US-PS 3,853,408 NK 5 : US-PS 4,023,599 NK 6 : DE 27 58 402 A1 NK 7 : DE 24 11 905 A1 NK 8 : Elektronisches Messverfahren zur EDV-gerechten Erfassung der Schützenbewegung an Webmaschinen (Prof. H. Perner/ T. Hänel), Textiltechnik 24(1974) 3, S 171 NK 9 : Ermittlung von Leistungsreserven an Greiferschützen-Webautomaten

(Prof. H. Perner / T. Hänel), Textiltechnik 29(1975) 3, S 160NK 10:

Elektronische Webmaschinenmeßtechnik (Teil 1)

(Prof. H. Perner / T. Hänel), Textiltechnik 29(1979) 10, S 648 NK 11: Methode zur Messung der Zeit des Schussfadenflugs durch den Konfusorbei pneumatischen Webautomaten. (V. Buran, J.Kuba, S.Kondelik), Textiltechnik 22 (1972) 6, S 364 NK 12: GB-PS 1 468 124 NK 14: FR-PS 1.541.187 (Übersetzung NK 14 A)

NK 15: DE 28 24 429 A1 Die Klägerin beantragt, das Streitpatent im Umfang der Ansprüche 1, 2, 4 und 5 für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie tritt den Ausführungen der Klägerin in allen Punkten entgegen und hält das Streitpatent für patentfähig.

Gründe

Die Klage, mit der der in § 22 Abs.2 iVm § 21 Abs.1 Nr.1 PatG vorgesehene Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit geltend gemacht wird, ist zulässig. Da ein Verletzungsverfahren zwischen den Parteien anhängig ist, ist der Klägerin auch nach Erlöschen des Patents ein Rechtsschutzbedürfnis im Nichtigkeitsverfahren zuzubilligen (vgl Busse, PatG 5.Aufl., § 81 Rdnr 49 ff). Die Klage ist jedoch nicht begründet, weil es der Klägerin nicht gelungen ist, den Senat vom Vorliegen des Nichtigkeitsgrundes der mangelnden Patentfähigkeit in Hinblick auf den angegriffenen Teil des Streitpatents zu überzeugen.

I.

Das Streitpatent betrifft nach Anspruch 1 ein Verfahren zum Transport der Schussfäden durch das Webfach einer Webmaschine mittels einer Anzahl mit einem strömenden Transportfluidum gespeister Düsen und nach dem nebengeordneten Anspruch 4 eine Webmaschine zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 1.

Bei bekannten Webmaschinen dieser Art ist es für einen guten Wirkungsgrad neben einer hohen, von der Impulsübertragung des Transportfluids auf den Faden bewirkten Schussgeschwindigkeit erforderlich, dass zur Vermeidung von Webfehlern die Schussfadeneinträge in das Webfach mit möglichst geringen Abweichungen zu vorbestimmten Zeitpunkten innerhalb des Webzyklus beendet sind. Damit sowohl der langsamste als auch der schnellste Schusseintrag innerhalb des Webzyklus liegt, wird den Schussfäden für ihren Flug soviel Zeit gewährt und soviel Transportfluidenergie zugeführt, dass sie auch bei schwankender Transportgeschwindigkeit rechtzeitig an der gegenüberliegenden Gewebeseite, also vor dem nächsten Webblattanschlag, ankommen. Dieses Verfahren ist jedoch unökonomisch, vgl Streitpatentschrift, Sp 2, Z 1 - 26.

Aufgabe der Erfindung ist es, nach Sp 2, Z 26, 27 der Streitpatentschrift die Nachteile des Standes der Technik zu vermeiden, also gemäß Schriftsatz der Beklagten vom 23. Januar 2001, S 4, bei möglichst hohen Transportgeschwindigkeiten des Schussfadens einen guten Wirkungsgrad der Webmaschine zu erreichen und dabei sicherzustellen, dass die sehr schnell aufeinanderfolgend in das jeweilige Webfach eingetragenen Schussfäden trotz Unterschieden in ihrem Luftwiderstand ihre Schussbewegung mit möglichst geringen Abweichungen zu vorbestimmten Zeitpunkten innerhalb des Webzyklus beenden.

Gelöst wird diese Aufgabe gemäß den Ansprüchen 1 und 4 dadurch, dass aufgrund der Messung der Transportgeschwindigkeit des Schussfadens ein dafür repräsentatives Signal gebildet und in einem Steuersystem in ein Steuersignal umgewandelt wird, welches die die Geschwindigkeit des Schussfadens bestimmenden Komponenten des Schusstransportsystems beeinflusst.

Nach der Streitpatentschrift, Sp 2, Z 27 - 38, haben Versuche zu der Erkenntnis geführt, dass die zwischen aufeinanderfolgenden Schüssen trotz gleichen Schussfadens auftretenden unterschiedlichen Transportgeschwindigkeiten ihre Ursache im Faden selbst haben. Sie sind die Folge von Unterschieden in der Oberflächenbeschaffenheit und damit im Luftwiderstand des Schussfadens, was aufgrund veränderter Impulsübertragung von einem Fluidum, wie Luft, auf den Faden dessen Transportgeschwindigkeit beeinflusst. Zur Ermittlung dieser Transportgeschwindigkeit genügt in dem beim Weben üblichen Fall der gleichbleibenden Gewebebreite und demzufolge auch gleichbleibenden Webfachbreite die Messung der Durchlaufzeit des Schussfadens durch das Webfach, weil wegen der konstanten Durchlaufstrecke bereits der Messwert für diese sog. Schusszeit den reziproken Wert für die Transportgeschwindigkeit - wenn auch nicht für jeden Punkt der Flugstrecke, so wenigstens als Mittelwert - ergibt. Somit stellt hier die Schusszeit ein Maß für die Transportgeschwindigkeit dar. Ein für diesen Messwert repräsentatives Signal wird erfindungsgemäß zur Vergrößerung oder Verkleinerung der Transportfluidenergie, wie Druck oder Menge des durch die Düse strömenden Fluids, genutzt, Sp 4, Z 50 - 53. Dabei wird - im Gegensatz zum nicht angegriffenen Verfahren nach Anspruch 3 - von einer konstanten Drehzahl des Webmaschinenantriebs ausgegangen. Mit diesem Regelverfahren wird erreicht, dass die für eine ordnungsgemäße Gewebebildung mit der Maschinenwelle und somit mit dem Webzyklus synchronisierte Schusszeit, die wie erläutert hier ein Maß für die Transportgeschwindigkeit des Fadens darstellt, konstant bleibt.

II.

Dem Verfahren nach Anspruch 1 und die Vorrichtung nach Anspruch 4 sind gegenüber den Düsenwebmaschinen gemäß den Druckschriften NK 1, 2, 4 - 6, 11 und 12 schon wegen des die Transportgeschwindigkeit beeinflussenden Steuersystems und gegenüber den Schützenwebmaschinen gemäß den Druckschriften NK 7 - 10, 14 und 15 schon wegen der mit einem strömenden Transportfluid gespeisten Düsen für den Schusseintrag neu. Der Senat wurde auch nicht davon überzeugt, dass der maßgebliche Fachmann, ein Fachhochschulingenieur der Fachrichtung Textiltechnik mit einschlägigen Kenntnissen und Erfahrungen im Bau von Webmaschinen, zu dem Verfahren nach Anspruch 1 und der Vorrichtung nach Anspruch 4 ohne erfinderische Tätigkeit gelangen konnte.

Die Gruppe NK 1, 2, 4 - 6, 11 und 12 der Entgegenhaltungen betrifft Düsenwebmaschinen, die dem Fachmann seit Beginn der 60iger Jahre bekannt sind. Bei diesen Webmaschinen erfolgt der Transport der Schussfaden durch das Webfach mittels eines strömenden Transportfluids, wie es in der dem Patentgegenstand am nächsten kommenden DE 27 58 402 A1 (NK 6), Fig 2 iVm S 5, 3. Abs, beschrieben ist. Dabei soll bei unrichtigem Schusseintrag ein schnelles Abstellen der Webmaschine und bei richtigem Schusseintrag die Steuerung von Zusatzblasdüsen erreicht werden, S 3, 3. Abs. Dies erfolgt mittels elektrostatischer Aufladung des Schussfadens 11, die selbsttätig oder durch eine dafür geeignete, in der Bahn des Fadens vor dem Webfach angeordnete Auftragsvorrichtung 13, und mittels eines (oder mehrerer) darauf ansprechenden, innerhalb des Webfachs angeordneten Detektionsfühlers 4, der durch Abtasten des Schussfadenvorderendes in Abhängigkeit von dessen Stellung die Webmaschine steuert. Nach S 6, Z 11- 21 bewirkt diese Steuerung entweder bei unrichtigem Fadenlauf das Abschalten der Maschine oder bei richtigem Fadenlauf, abhängig von der Stellung des Schussfadens 11 im Webfach, die Zufuhr von Druckmedium zu zusätzlich im Webfach angeordneten Blasdüsen.

Davon unterscheidet sich der Patentgegenstand durch die Messung der Transportgeschwindigkeit des Schussfadens, für die - wie in Kap. I. erläutert - hier die Messung der Schusszeit genügt, und den daraus abgeleiteten Regeleingriff auf das die Schusszeit bestimmende Transportfluid, wenn sich die Schusszeit ändert. Die Grundgeschwindigkeit erhält ein Schussfaden bei Düsenwebmaschinen von der pro Faden einzigen Schusseintragdüse, die den Faden durch ihren fadeneingangsseitig herrschenden Unterdruck von der Schussfaden-Vorbereitungsvorrichtung abzieht. Eine solche Eintragdüse weist zwei Durchgänge auf, einmal für den zu transportierenden Faden, zum anderen für das den Transport bewirkende Fluid, wogegen Blasdüsen, wie sie nach der NK 6 vorgesehen sind, nur einen einzigen Durchgang für die Blasluft aufweisen, die den bereits erfolgten Fadeneintrag in das Webfach durch seitliches Anblasen unterstützen. Die Steuerung dieser Blasdüsen erfolgt nach S 6, Z 19 mangels anderer Angaben offensichtlich genauso wie das gesteuerte Abschalten der Maschine nach S 6, Z14, 15, nämlich in diskontinuierlicher Weise. Dass der Fachmann von dieser bekannten Steuerung der erst im Webfach erfolgenden Zufuhr von zusätzlicher Blasluft in naheliegender Weise zur erfindungsgemäßen kontinuierlichen Regelung der Fadengeschwindigkeit mittels Änderung des die Fadeneintragdüse speisenden Transportfluids gelangt, stellt eine unzulässige retrospektive Betrachtungsweise dar. Dies erfordert vielmehr erfinderische Überlegungen, weil die NK 6 weder in ihrer Aufgabenstellung noch aufgrund ihrer Lösung dem Fachmann Anregungen gibt, zur Vermeidung unterschiedlicher Schusszeiten bzw. Transportgeschwindigkeiten regelnd auf die Komponenten des Schusstransportsystems einzugreifen. Im Übrigen ist die erfindungsgemäße Regelung der Schusszeit durch Beeinflussung der Transportfluidenergie auch deswegen vorteilhaft, weil es nicht nur Schusszeitschwankungen aufgrund unterschiedlicher Oberflächenbeschaffenheit des Fadens, sondern auch andere, ggf auftretende Einflüsse auf den Fadentransport mitkorrigiert. Auch ist erfindungsgemäß keine besondere auf einen Fühler ansprechende Fadeneigenschaft, wie die elektrostatische Aufladung nach der NK 6, notwendig; vielmehr genügt ein bei Webmaschinen üblicher Schussfadenwächter am Ende des Webfachs zur Erfassung der Schussfadenankunft.

Aus diesen Gründen sind das Verfahren nach Anspruch 1 und die Vorrichtung nach Anspruch 4 dem Fachmann durch NK 6 nicht nahgelegt.

Dies trifft auch bezüglich der weiter abliegenden US-PS 3,853,408 (NK 4) und US-PS 4,023,599 (NK 5) zu, die beide lediglich photoelektrische Schussfadenwächter an Düsenwebmaschinen zeigen, durch die bei nicht ordnungsgemäßen Schussfadeneintrag der Antrieb der Webmaschine zur Behebung der Unregelmäßigkeit abgeschaltet und/oder im Falle der NK 5 eine Alarmanlage betätigt wird. Hinweise auf ein erfindungsgemäßes Regelverfahren durch Beeinflussung der die Transportgeschwindigkeit bestimmenden Fluidenergie sind der NK 4 und der NK5 nicht zu entnehmen.

Aus dem Fachbuch "Webereitechnik", VEB Fachbuchverlag Leipzig, 2.Auflage 1971 (NK1), S 185, Z 8 - 9, entnimmt der Fachmann zwar, dass bei Düsenwebmaschinen die Einstellung der Schusseintragvorrichtungen leicht regelbar sei. Nähere Begründungen oder sonstige Angaben dafür oder gar für das erfindungsgemäße Regeln durch Beeinflussung des Transportfluids fehlen jedoch, sodass der Fachmann nicht ohne erfinderische Überlegungen zur erfindungsgemäßen Lehre gelangt.

Die DE-OS 2 403 025 (NK 2) beschreibt eine Anordnung zum Verteilen des Transportfluids mittels Magnetventilen an Düsenwebmaschinen, um zur Vermeidung von Druckverlusten (S 2, 6.Abs) Beginn sowie Ende und damit die Dauer der Druckmediumzufuhr zur Schusseintragsdüse und auch zu Zusatzdüsen zu steuern (S 3, 2. und 3. Abs). Irgendwelche zur Erfindung führenden Hinweise gibt die NK 2 ebenso wenig wie die GB-PS 1 468 124 (NK12). Bei der in NK 12 beschriebenen Düsenwebmaschine wird mittels unterschiedlicher Drosseln der Fluiddruck während des Fadenflugs durch das Webfach verringert (Fig 6 iVm S 1, Z 90 bis S 2, Z 4), damit der Schussfaden hinter seinem Vorderende keine Schlaufen bildet, also straff bleibt (S 1, Z 50 - 77). Nach S 11, Z 4 - 11 kann zwar der Fluiddruck kontinuierlich in Abhängigkeit von der Fadenart und der Gewebebreite verändert werden, aber dies erfolgt nicht durch einen erfindungsgemäßen Regelvorgang während des Webens, sondern durch eine andere Grundeinstellung der Drosselventile bei einer neuen Fadenart. Damit geht die NK 12 zwar auf unterschiedliche Fadeneigenschaften ein, aber nur bei einem Fadenwechsel, nicht bei Schwankungen der Mitnahmeeigenschaften des gleichen Fadens einer Spule. Daher steht auch die NK 12 dem Patentgegenstand nicht entgegen.

Schließlich ist aus dem Bericht "Methode zur Messung der Zeit des Schussfadenflugs durch den Konfusor bei pneumatischen Webautomaten" (V. Buran, J.Kuba, S.Kondelik), Textiltechnik 22 (1972) 6, S 364 (NK11) bekannt, wie außerhalb einer Düsenwebmaschine die Durchflugzeit durch den Konfusor, also durch die mit einem strömenden Transportfluid gespeiste Fadeneintragdüse gemessen werden kann, um die Grundeinstellung der Webmaschine bei unterschiedlichen Fadenarten und die Gestaltung des Konfusors zu verbessern, S 365, re Sp). Aus der NK 11 ist kein Hinweis zu entnehmen, während des Webens Schwankungen der Mitnahmeeigenschaften des gleichen Fadens zu berücksichtigen und durch eine Regelung die zeitgerechte Ankunft aufeinanderfolgender Schüsse an der der Düse gegenüberliegenden Gewebeseite zu gewährleisten, weil die für eine Regelung charakteristische Rückkoppelung der Messwerte zur Beeinflussung der Schützenflugzeit bzw. Transportgeschwindigkeit nicht beschrieben ist. Somit sind auch ausgehend von der Schrift NK 11 erfinderische Überlegungen notwendig, um zur Lösung der Aufgabe mit den Merkmalen der Ansprüche 1 und 4 zu gelangen.

Aus diesen Gründen beruhen das Verfahren nach Anspruch 1 und die Vorrichtung nach Anspruch 4 gegenüber den Düsenwebmaschinen nach den Druckschriften NK 1, 2, 4 - 6, 11 und 12 auf erfinderischer Tätigkeit.

Die zweite Gruppe NK 7 - 10, 14 und 15 der Entgegenhaltungen betrifft die dem Fachmann schon lange vor den Düsenwebmaschinen geläufigen Schützenwebmaschinen. Bei diesen erfolgt der Schussfadeneintrag durch das Webfach über mechanisch angetriebene Schützen, die vorwiegend als Spulenschützen die Fadenspule im Schützen tragen und seltener als Greiferschützen die Fadenspule stationär angeordnet haben. Üblicherweise werden diese Schützen mittels eines von der Maschinenwelle angetriebenen Hammers in Bewegung gesetzt. Gemeinsam ist den Schützenwebmaschinen und den Düsenwebmaschinen die für eine ordnungsgemäße Gewebebildung notwendige Synchronisation des Schusseintrags mit der Drehwinkellage der Webmaschinenwelle. Dieses gemeinsame, für das Weben typische Problem genügt aber nicht, in einfacher Weise Lösungen bei Schützenwebmaschinen auf Düsenwebmaschinen zu übertragen. Der Fachmann hat nämlich zunächst keine Veranlassung, bei der Lösung der erfindungsgemäßen Aufgabe, die aufgrund von sich ändernder Oberflächenbeschaffenheit und somit Mitnahmeeigenschaft des Schussfadens liegenden Schwankungen der Schussgeschwindigkeit bei Düsenwebmaschinen zu vermeiden, sich mit Schützenwebmaschinen zu befassen, da deren Schützenbewegung keine Abhängigkeit von der Oberflächenbeschaffenheit des Schussfadens zeigt.

Zieht der Fachmann trotzdem die Schützenwebmaschinen betreffenden Druckschriften NK 7, 9, 14 und 15 in Betracht, so lehrt ihn selbst die jüngste der im Verfahren genannten Druckschriften, die DE 28 24 429 A1 (NK 15) aus 1977, keine Regelung der Schusszeit im patentgemäßen Sinne, sondern nach S 5, Z 12 - 17, nur die Kontrolle der Synchronisation von Schützenflug und Maschinenwellendrehung. Nach S 4, Z 17 - 21, löst der Schützen beim Durchlaufen einer bestimmten Position in einer Schalteinheit 17 ein Signal S5 aus, das mittels einer Torschaltung 15 dem Winkelwert der Maschinenwelle 1 zugeordnet wird. Der sich dadurch ergebende Zählerstand des Zählers 11 kann dann nach S 5, Z 1 - 11, je nach Verwendungszweck zwischengespeichert, angezeigt, ausgedruckt oder einer statistischen Auswerteeinheit zugeführt werden. Bei unabhängig von der Maschinenwelle 1 angetriebenen Teilen, wie es nach der NK 15 ein Webmaschinenschützen sein soll, was aber wegen des von der Maschinenwelle abhängigen Hammerantriebs nur bedingt zutrifft, kann bei Abweichung des Drehlagenwerts vom Sollwert eine "Maschinenfunktion" oder "Synchronisationsregelung" eingeleitet werden. Dies ist in der NK 15, S 5, Z 6 - 11, ohne nähere Angaben nur pauschal erwähnt. Ob und wie auf den Hammerantrieb des Schützen oder auf den Webmaschinenantrieb eingewirkt wird, ist in der NK 15 selbst für Schützenwebmaschinen nicht beschrieben; demzufolge gibt sie erst recht keinen Hinweis für die erfindungsgemäße Regelung der Transportgeschwindigkeit des Schussfadens bei schützenlosen Düsenwebmaschinen. Aus diesen Gründen ergibt die Übertragung der Lehre der NK 15 auf eine Düsenwebmaschine nicht ohne erfinderische Überlegungen das Verfahren nach Anspruch 1 und die Vorrichtung nach Anspruch 4.

Die weitere Schützenwebmaschinen betreffende DE 24 11 905 A1 (NK 7) und der mit dieser im Wesentlichen übereinstimmende Bericht "Ermittlung von Leistungsreserven an Greiferschützen-Webautomaten" (Prof. H. Perner / T. Hänel), Textiltechnik 29 (1975) 3, S 160, (NK 9) liegen noch weiter ab als die NK 15 und können schon deshalb keine Anregungen zur erfindungsgemäßen Lehre geben. Aus ihnen sind zwar Zeitmessungen der Schützenbewegung sowohl von Spulen- als auch von Greiferschützen bekannt. Aus diesen Zeitmessungen schließt der Fachmann ohne weiteres auf die Transportzeit des Faden selbst und somit - wie in Kap. 1. erläutert - auf seine Transportgeschwindigkeit. Bei diesen Messungen wird mittels an der Bewegungsbahn und an der Maschinenwelle angeordneter Sensoren der Durchlauf des Schützen in Bezug zum zeitlichen Ablauf des Webmaschinenantriebs erfasst und in einem Rechner zur Einstellungsoptimierung verarbeitet. Aber eine für Regelverfahren charakteristische Rückkoppelung der Messwerte zur Beeinflussung der Schützenflugzeit bzw. Transportgeschwindigkeit ist nicht beschrieben, weshalb sie auch keinerlei Anregung für die erfindungsgemäße Beeinflussung der die Schusszeit bestimmenden Komponenten des Transportfluids von Düsenwebmaschinen gibt.

Schließlich gibt auch die aus 1966 stammende FR-PS 1.541.187 (NK 14) bzw. ihre Übersetzung (NK 14 A), auf die im Folgenden Bezug genommen ist, keine zur erfindungsgemäßen Lehre führenden Hinweise, denn sie beschreibt nur eine Vorrichtung für die Kontrolle der Schlagkraft und damit der Bahnbewegung des Schützen an Schützenwebmaschinen. Ziel ist der Stillstand des Schützen genau in der Endposition seiner Bewegungsbahn bei einer bestimmten, vor der nächsten Webfachbildung liegenden Maschinenwellenposition, S 5, 3.Abs - S 6, 2.Abs. Gründe für Abweichungen davon sind bei gleichbleibender Schlagkraft neben anderen Ursachen das mit zunehmenden Fadenverbrauch abnehmende Gewicht des Spulenschützen oder veränderte Reibverhältnisse, S 2, 2.Abs. Mittels einer Signallampe wird die vom Schützen erreichte gewünschte Endposition angezeigt. Nach nicht erfolgter Anzeige erhöht oder vermindert die Bedienungsperson - nach Abschalten der Webmaschine - die Schlagkraft des den Schützen antreibenden Hammers. Damit wird die folgende Endposition des Schützen zwar reguliert, S 12, le Abs - S 13, 3.Abs., aber der Fachmann entnimmt der NK 14 bzw NK 14A ebenfalls keine selbsttätige, kontinuierliche Regelung des Schussfadeneintrags im Sinne der Erfindung, also ohne Eingriff einer Bedienungsperson. Somit sind auch ausgehend von der Schrift NK 14 erfinderische Überlegungen notwendig, um zur Lösung der Aufgabe mit den Merkmalen der Ansprüche 1 und 4 zu gelangen.

Auch keine der möglichen Kombinationen der Düsenwebmaschinen und/oder der Schützenwebmaschinen betreffenden Druckschriften führt den Fachmann zum Patentgegenstand hin, weil auch dann keine erfindungsgemäße Regelung der Transportgeschwindigkeit bzw. Schusszeit durch Beeinflussung der diese bestimmenden Transportfluidenergie nahegelegt ist - und zwar bei den Düsenwebmaschinen schon mangels Messung der von den Mitnahmeeigenschaften des Fadens abhängigen Transportgeschwindigkeit bzw. Schusszeit und bei den Schützenwebmaschinen mangels kontinuierlicher Rückkoppelung ermittelter Schützenlaufzeiten auf den Schützenantrieb. Offensichtlich nahm vor dem Anmeldetag des Streitpatents die Fachwelt bei den Düsenwebmaschinen in Kauf, dass sie entweder so langsam liefen, dass die Zeit für den Schusseintrag auch bei schlechten Mitnahmeeigenschaften des Fadens noch innerhalb des Webzyklus lag, oder bei unzulässigen Abweichungen abgeschaltet wurden, obwohl beides wirtschaftlich nachteilig ist.

Die noch weiter abliegenden, in der mündlichen Verhandlung nicht wieder aufgegriffenen Berichte "Elektronisches Messverfahren zur EDV-gerechten Erfassung der Schützenbewegung an Webmaschinen" (Prof. H. Perner/ T. Hänel), Textiltechnik 24(1974) 3, S 171, (NK 8) und "Elektronische Webmaschinenmesstechnik (Teil 1)" (Prof. H. Perner / T. Hänel), Textiltechnik 29(1979) 10, S 648, (NK 10) führen zu keinem anderen Ergebnis.

Da also bei den bekannten Düsenwebmaschinen noch nicht die sich ändernden Mitnahmeeigenschaften des gleichen Fadens verwertet worden sind und die bekannten Schützenwebmaschinen im Wesentlichen nur die Kontrolle der Schützenbewegung lehren, der Faden dabei aber keine Rolle spielt, hatte der Fachmann nach alldem keinen Anlass, die erfindungsgemäßen Maßnahmen nach den Ansprüchen 1 und 4 zu treffen, also die Schwankungen der Schusszeit bzw. Transportgeschwindigkeit zu ihrer Regelung durch Beeinflussung der Transportfluidenergie zu nutzen, um das für eine wirtschaftliche Gewebebildung notwendige Konstanthalten der Schusszeit bzw. Transportgeschwindigkeit zur Synchronisation von Webzyklus und Schusseintrag zu gewährleisten. Dazu bedurfte es vielmehr erfinderischer Tätigkeit.

Die Klägerin konnte aus diesen Gründen den Senat nicht davon überzeugen, daß der Fachmann die in den Patentansprüchen 1 und 4 beanspruchten Lehren in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik unter Einsatz seiner fachlichen Fähigkeiten auffinden konnte.

Dies geht zu Lasten der Klägerin. Die durch die ordnungsgemäße Patenterteilung erlangte Rechtsstellung kann der Patentinhaberin nur dann wieder genommen werden, wenn zweifelsfrei feststeht, daß sie diese zu Unrecht erlangt hat (BGH GRUR 91, 522 ff mwN), was vorliegend nicht der Fall ist.

Mit dem Bestand der Patentansprüche 1 und 4 haben die auf sie rückbezogenen Unteransprüche 2 und 5 ohne weiteres Bestand, weil mit ihnen aufgrund der Mittelwertbildung aus mehreren Schusszeiten vorteilhafte Weiterbildungen des Patentgegenstandes beansprucht werden.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs 2 PatG iVm § 91 Abs 1 Satz 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs 1 PatG iVm § 709 ZPO.

Meinhardt Gutermuth Skribanowitz Harrer Schmitz Pr






BPatG:
Urteil v. 31.01.2002
Az: 2 Ni 40/00


Link zum Urteil:
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