Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 19. Februar 2002
Aktenzeichen: 25 U 171/01

(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 19.02.2002, Az.: 25 U 171/01)

Tenor

Die Berufungen der Beklagten gegen das Urteil der 3. Zivilkammerdes Landgerichts Kassel vom 12.07.2001 € 3 O 1924/00 - werdenzurückgewiesen.

Von den Gerichtskosten sowie den im Berufungsverfahrenentstanden außergerichtlichen Kosten des Klägers haben dieBeklagten jeweils 50 % zu tragen. Eine weitergehendeKostenerstattung findet nicht statt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten dürfen die Vollstreckung durch Leistung einerSicherheit in Höhe von 110 % des jeweils gegen sie zuvollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor derVollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision zum Bundesgerichtshof wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger, der mit Beschluss des Amtsgerichts Kassel vom01.12.1998 zum Konkursverwalter über das Vermögen derGemeinschuldnerin bestellt worden ist, nimmt die Beklagten aufZahlung ihrer Stammeinlage in Anspruch.

Die Gemeinschuldnerin wurde mit Vertrag vom ...08.1991 von denBeklagten als alleinige Gesellschafter zu gleichen Teilen gegründetund später im Handelsregister eingetragen. Nach der Satzung warGegenstand des Unternehmens die Verwaltung und Vermietung vonEinrichtungsgegenständen, Betriebsanlagen und Räumlichkeiten fürFitness- und Freizeiteinrichtungen. Beide Beklagte warenalleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer und zahlten jeweils am...08.1991 durch Bareinzahlung eine Stammeinlage in Höhe von 25.000DM auf das Konto der Gemeinschuldnerin. Am €.08.1991 wurdenvon dem Konto der Gemeinschuldnerin 50.000 DM auf das Konto der AOHG überwiesen. Der Saldo auf dem Konto der Gemeinschuldnerinbetrug hiernach 0,0 DM. Die beiden Beklagten waren alleinigeGesellschafter der OHG und gemeinschaftlich zu deren Vertretungberechtigt. Der Überweisungsbetrag wurde in den Jahresabschlüssender OHG als Darlehensforderung der Gemeinschuldnerinausgewiesen.

Mit Schreiben vom 12.01.1999 forderte der Kläger die Beklagtenunter Fristsetzung zum 29.01.1999 zur Zahlung von jeweils 25.000 DMauf.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass die Beklagten ihreStammeinlage nicht erfüllt hätten, jedenfalls aber eine Auszahlunggemäß § 30 GmbHG vorliege, die wegen einer €böslichenHandlungsweise" der Beklagten nicht verjährt sei. Hilfsweisehat der Kläger einen Anspruch auf Rückzahlung des behauptetenDarlehens geltend gemacht.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagten zu verurteilen, an ihn jeweils 25.000 DM nebst 4 %Zinsen seit dem 30.01.1999 zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben behauptet, die OHG sei für den Betrieb desFitnesscenters gegründet worden, weil die spätere Gemeinschuldnerinkeine Bankdarlehen erhalten habe. Da sie bereits Mieterin derRäumlichkeiten gewesen sei, sei sie zu einerVerwaltungsgesellschaft abgeändert worden und habe der OHG alsUntermieterin für die erforderliche Renovierung ein Darlehen inHöhe von 50.000 DM zur Verfügung gestellt. Die Gemeinschuldnerinhabe den Betrieb des Fitnessstudios mit Vertrag vom ...04.1996, aufdessen Kopie Bl. 217 bis 221 der Akte Bezug genommen wird, zu einemKaufpreis von 589.030 DM übernommen, wobei der Kaufpreisanteil inHöhe von 50.000 DM mit dem Darlehensanspruch der Gemeinschuldnerinverrechnet werden sollte. Nachdem der Beklagte zu 1) seinenGeschäftsanteil an der GmbH am 28.02.1997 auf Dritte übertragenhatte und die OHG in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechtsumgewandelt worden war, sei zwischen der Gemeinschuldnerin,vertreten durch den Beklagten zu 2), und der GbR am 03.07.1998 eineVerrechnung der Darlehensforderung der Gemeinschuldnerin mitrückständigen Mietzinsen für die Zeit vom Juni 1996 bis Juli 1998vereinbart worden. Die Gemeinschuldnerin habe dieBetriebseinrichtung in Abänderung des Kaufvertrages im Jahre 1996von der OHG angemietet. Wegen der Einzelheiten wird auf die Kopiedes Vertrages Bl. 65 bis 67 der Akte Bezug genommen. DerVerrechnungsvereinbarung vom 03.07.1998 hätten realeGegenforderungen zugrunde gelegen.

Die Beklagten haben die Auffassung vertreten, ihre Stammeinlageordnungsgemäß erbracht zu haben; bei der Darlehensgewährung an dieOHG habe es sich um ein allgemeines Verkehrsgeschäft gehandelt undnicht um eine Auszahlung an sie, die Gesellschafter derGemeinschuldnerin. Im Übrigen haben die Beklagten die Einrede derVerjährung erhoben und ein böswilliges Handeln in Abredegestellt.

Das Landgericht hat der Klage mit Urteil vom 12.07.2001, aufwelches Bl. 226 bis 235 Bd. I d. A. Bezug genommen wird,stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, dass die Beklagtengemäß § 19 GmbHG auf Zahlung der Stammeinlage haften. DenBareinzahlungen vom ...08.1991 komme keine Erfüllungswirkung zu,weil die Einlagen nicht in die freie Verfügung der Geschäftsführerder Gemeinschuldnerin gelangt seien. Die Auszahlung der alsBareinlagen erbrachten Beträge an die OHG in Form eines Darlehensstelle ein Umgehungsgeschäft dar, welches einer Darlehensgewährungan die Gesellschafter selbst gleichzustellen sei. Die behaupteteRückzahlung des Darlehens in Form der Verrechnung mitMietzinsansprüchen führe nicht zu einer Heilung. Hilfsweise ergebesich der Zahlungsanspruch aus § 31 GmbHG. Die Verjährungseinredegreife nicht durch, weil den Beklagten eine bösliche Handlungsweisezur Last falle. Es sei davon auszugehen, dass die Beklagten dieAuszahlung in Kenntnis ihrer Unzulässigkeit gebilligt hätten.

Gegen das dem Beklagten zu 1) am 23.07.2001 und dem Beklagten zu2) am 24.07.2001 zugestellte Urteil haben der Beklagte zu 1) am17.08.2001 und der Beklagte zu 2) am 24.08.2001 Berufung eingelegt.Der Beklagte zu 1) hat die Berufung am 19.11.2001 nachentsprechender Fristverlängerung begründet. Die Berufungsbegründungdes Beklagten zu 2) ist nach entsprechender Fristverlängerung am24.10.2001 eingegangen.

Die Beklagten sind der Auffassung, dass die Zahlung an die OHGeiner Darlehensgewährung an die Gesellschafter derGemeinschuldnerin nicht gleichgestellt werden könne. Es handelesich hierbei um ein allgemeines Verkehrsgeschäft, aus welchem sichfür die Beklagten keinerlei Vorteile ergeben hätten. Hierdurchseien der Gemeinschuldnerin keine Nachteile entstanden, weilanderenfalls sie selbst als Vermieterin die Renovierungskostenhätte aufbringen müssen. Außerdem sei das Darlehen, wie bereits inerster Instanz vorgetragen und unter Beweis gestellt, durchVerrechnung an die Gemeinschuldnerin zurückgezahlt worden, was zueiner Heilung führe.

Aus diesen Gründen komme auch ein Zahlungsanspruch aus § 31GmbHG nicht in Betracht. Der Beklagte zu 2) behauptet hierzu, dasser von der Zulässigkeit der Verfahrensweise aufgrund einer Beratungdurch den als Zeugen benannten Steuerberater B ausgegangen sei.

Beide Beklagten beantragen,

das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kassel vom12.07.2001 3 O 1924/00 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufungen zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil und nimmt Bezug aufsein erstinstanzliches Vorbringen.

Wegen der Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf dieBerufungsbegründungen der Beklagten vom 23.10.2001 (Bl. 10 f. Bd.II d. A.) und vom 16.11.2001 (Bl. 16 f. Bd. II d. A.) sowie auf denBerufungserwiderungsschriftsatz vom 17.01.2002 (Bl. 26 f. Bd. II d.A.) Bezug genommen.

Gründe

Die Berufungen der Beklagten sind statthaft sowie form- undfristgerecht eingelegt und begründet worden, mithin zulässig. Inder Sache haben sie jedoch keinen Erfolg.

Das Landgericht hat die Beklagten zu Recht zur Zahlung dergeltend gemachten Stammeinlagen in Höhe von jeweils 25.000 DMverurteilt. Dem Kläger steht gegen die Beklagten ein Anspruch aufZahlung der nach dem Gesellschaftsvertrag vom ...08.1991vereinbarten Stammeinlagen aus § 19 Abs. 1 GmbHG zu. Hiernachschulden die Beklagten jeweils die Zahlung einer Stammeinlage inHöhe von 25.000 DM als Bareinlage. Die Zahlungsverpflichtung istdurch die Bareinzahlung auf das Konto der Gemeinschuldnerin am...08.1991 nicht gemäß § 362 Abs. 1 BGB erloschen. Denn dieseZahlungen haben nicht zu dem erforderlichen Leistungserfolggeführt. Wie bereits das Landgerichtzutreffend ausgeführt hat, ist hierzu erforderlich, dass derGeschäftsführer der Gesellschaft endgültig frei über den Betragverfügen kann (vgl. Baumbach-Hueck-Fastrich, GmbHG, 17. Aufl., § 19Rdn. 8; § 7 Rdn. 5 a; Scholz-Winter, GmbHG, 9. Aufl., § 7 Rdn. 33f.). Hieran fehlt es, wenn die Bareinlage zwar formell erfolgt, derBetrag aber unmittelbar wieder an die Gesellschafter,beispielsweise in Form eines Darlehens, zurückfließt. Geschiehtdies - wie vorliegend - in einem unmittelbaren zeitlichen undsachlichen Zusammenhang mit der Einlageleistung, spricht dieVermutung für eine entsprechende Abrede; auf eine Umgehungsabsichtkommt es nicht an (Schulz-Winter, a.a.O., § 5 Rdn. 77 bis 80,Hachenburg-Ulmer, GmbHG, 8. Aufl., § 5 Rdn. 147 a; BGHZ 125, 141,144; OLG Hamm GmbH-Rundschau 1994, 472, 473; OLG Hamm BB 1992,2131).

Der Umgehungstatbestand setzt nicht voraus, dass derEinlageschuldner und der Auszahlungsempfänger identisch sind. DieAuszahlung an eine dritte Person ist ausreichend, wenn diese deneinlagepflichtigen Gesellschafter in gleicher Weise begünstigt, wieeine Auszahlung an ihn selbst (Baumbach/Hueck, a.a.O., § 19 Rdn.30; BGHZ 132, 133, 136). Dies wird nach allgemeiner Auffassungbejaht, wenn die Zahlung an einen sogenannten Strohmann, der mitdem Gesellschafter über ein Treuhandverhältnis verbunden ist (BGHZ110, 47, 66), zur Tilgung von Verbindlichkeiten des Gesellschaftersgegenüber dem Dritten (Hachenburg-Ulmer, a.a.O., § 5 Rdn. 150) oderaber an eine von dem Einlageschuldner beherrschte dritteGesellschaft (Baumbach/Hueck-Fastrich, a.a.O., § 19 Rdn. 30; OLGHamm BB 1997, 433, 434; BGHZ 125, 140, 144) erfolgt. Zwar ist denBeklagten zuzugeben, dass jeweils für den Einzelnen von ihnen eineBeherrschung der OHG im Sinne der §§ 15 ff AktG nicht angenommenwerden kann, weil die sich aus einem 50 %igen Anteil ergebendeSperrminorität für die Annahme einer Beherrschung nicht ausreicht(vgl. Hüffer, AktG, 4. Aufl., § 17 Rdn. 10). Es ist aber dennochvon einer €maßgeblichen Beteiligung" der Beklagten ander Zahlungsempfängerin auszugehen.

Nach allgemeiner Auffassung ist im Rahmen der Beurteilung, obein kapitalersetzendes Darlehen im Sinne des § 32 a Abs. 1 BGBvorliegt, die kapitalgebende Gesellschaft den Gesellschaftern derGmbH dann gleichzustellen, wenn sie den Gesellschaftern gleichEinfluss auf die GmbH hätte nehmen können. Dies wird bei dersogenannten Betriebsaufspaltung in ein Besitz- bzw. Verwaltungs-und ein Betreiberunternehmen bejaht, wenn die Gesellschafter beiderUnternehmen identisch (so: BGH NJW 1997, 1080, 1081; BGHZ 121, 31,35; BGHZ 127, 1, 5) oder überwiegend identisch (so:Hachenburg-Ulmer, a.a.O., § 32 a Rdn. 105 und 122) sind.Entsprechendes muss gelten, wenn es darum geht, dieDarlehensgewährung einer GmbH durch unmittelbare Auszahlung derBareinlagen ihrer Gesellschafter an eine andere dritte Gesellschaftzu beurteilen. Denn die in den §§ 19 Abs. 5, 30 und 32 a GmbHGenthaltenen Regelungen haben eine übereinstimmende Zielrichtung unddienen zum Schutz des Stammkapitals, indem sie die Umgehung derBareinlagenpflicht, den Entzug von Stammkapital sowie den fehlendenNachschuss bei einer Krise sanktionieren. Bei allen Vorschriftenist, ungeachtet der Verschiedenheit ihrer sonstigentatbestandlichen Anknüpfungsmerkmale, der GesellschafterNormadressat. Dementsprechend muss auch die Abgrenzung desbetroffenen Personenkreises der

Gesellschafter vergleichbaren Regeln folgen. Hiervon gehtoffenbar auch die vorzitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs(BGHZ 125, 141, 144) aus, in welcher zum Beleg dafür, dass undunter welchen Voraussetzungen von einer Identität desEinlageschuldners und des Zahlungsempfängers abgesehen werden kann,unter anderem auf Entscheidungen verwiesen wird, die sich zurPersonenverschiedenheit von Gesellschafter und Zahlungsempfängerbei kapitalersetzenden Darlehen und bei unzulässigen Zahlungen nach§ 30 GmbHG verhalten.

Die vorerwähnten Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. DieBeklagten waren seinerzeit sowohl Alleingesellschafter derGemeinschuldnerin als auch Alleingesellschafter derZahlungsempfängerin.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Umgehung ihrerBareinlageverpflichtung später auch nicht geheilt worden. EineHeilung kommt insofern allenfalls durch Änderung der Satzung undOffenlegung durch entsprechende Eintragung im Register in Betracht(Hachenburg-Ulmer, a.a.O., § 5 Rdn. 152; BGH NJW 1996, 1473).Beides ist nicht erfolgt.

Keiner weiteren Aufklärung bedarf in diesem Zusammenhang dieBehauptung der Beklagten, die Darlehensforderung derGemeinschuldnerin sei durch Verrechnung mit Mietzinsforderungen,die der OHG gegen die Gemeinschuldnerin zugestanden hätten, getilgtworden. Denn eine Tilgung durch Rückzahlung des Darlehens kann,wenn dieses durch Umgehung der Bareinlagezahlung gewährt wordenist, allenfalls durch Barzahlungen oder Überweisungen des Betrages,nicht aber durch die Verrechnung mit Gegenforderungen folgen(Hachenburg-Ulmer, a.a.O., § 5 Rdn. 152). Dieser Auffassung istzuzustimmen, da anderenfalls § 19 Abs, 5 GmbHG umgegangenwürde.

Unerheblich für die Haftung des Beklagten zu 1) ist, dass dieserspäter aus der Gemeinschuldnerin ausgeschieden ist. Ihn trifftinsoweit gemäß § 16 Abs. 3 GmbHG neben dem Erwerber seinesGeschäftsanteils die Nachhaftung.

Da nach den vorstehenden Ausführungen eine Haftung der Beklagtenaus § 19 Abs. 1 GmbHG besteht, kann die Frage, ob den Beklagteneine bösliche Handlungsweise im Sinne des § 31 Abs. 5 S. 2 GmbHGzur Last fällt, dahinstehen. Betreffend die Frage, ob dieAuszahlung an die OHG eine Leistung im Sinne des § 30 GmbHGdarstellt, käme es auf dieselben Überlegungen wie zu einem Anspruchaus § 19 Abs. 1 GmbHG an.

Nach alledem war die Berufung mit den sich aus den §§ 97 Abs. 1,100 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolgen zurückzuweisen. DieEntscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§708 Nr. 10, 711 ZPO. Gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 n.F.ZPO in Verbindung mit § 26 Nr. 7 EGZPO war die Revision zuzulassen,weil der Frage, ob die Auszahlung an eine Gesellschaft, an der dieEinlageschuldner gleichermaßen beteiligt sind, einer Auszahlung andiese gleichzustellen ist, grundsätzliche Bedeutung zukommt.






OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 19.02.2002
Az: 25 U 171/01


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