Bundespatentgericht:
Beschluss vom 22. Juli 2010
Aktenzeichen: 10 W (pat) 10/08

(BPatG: Beschluss v. 22.07.2010, Az.: 10 W (pat) 10/08)

Tenor

1. Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Deutschen Patentund Markenamts -Prüfungsstelle für Klasse 1.31 -vom 18. Oktober 2007 aufgehoben.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Am 13. Dezember 2006 meldete die Anmelderin beim Deutschen Patentund Markenamt (DPMA) in englischer Sprache eine Erfindung mit der Bezeichnung "Telephone System" zum Patent an. Zu der Anmeldung gehören 20 Patentansprüche. Ansprüche 1 und 16 sind nebengeordnet. Ansprüche 2 bis 15 sind unmittelbar oder mittelbar auf Anspruch 1, Ansprüche 17 bis 20 ebenso auf Anspruch 16 rückbezogen.

Am 12. März 2007 reichte die Anmelderin die deutsche Übersetzung der Anmeldung nach. In dieser Übersetzung war der im englischen Text auf Patentanspruch 16 rückbezogene Patentanspruch 17 nicht enthalten und in Anspruch 16 waren zusätzliche Merkmale angefügt.

Ansprüche 16 und 17 lauten in der englischen Fassung (soweit für den vorliegenden Fall von Interesse) wie folgt:

"16. A handset handsfree operation switch for analog telephone system and a telephone system without a DSP (digital signal processing) function, comprising: ...... a controller coupled with outputs of the first and second comparators for switching an operation mode based on the outputs, wherein the first and second comparators and the controller are located at a base unit of the telephone system.

17. The switch of claim 16, wherein the transmit level and the receive level input to the first comparator are measured at a microphone and a speakerphone of the at least one cordless handset, respectively".

Die Übersetzung von Anspruch 16 lautete:

"16. Ein Handgerät-Freisprechbetrieb-Umschalter für ein analoges Telefonsystem und ein Telefonsystem ohne DSP -(digital Signalverarbeitung) Funktion umfassen:

einen Kontroller, der mit den Ausgängen der ersten und zweiten Vergleicher gekoppelt ist, um einen Betriebsmodus auf der Grundlage der Ausgänge umzuschalten, wobei die ersten und zweiten Vergleicher und der Kontroller an einer Basiseinheit des Telefonsystems liegen, worin die Sendeniveauund die Empfangsniveau-Eingabe an den ersten Vergleicher an einem Mikrofon bzw. an einem Lautsprechertelefon des wenigstens einen schnurlosen Handgeräts gemessen werden".

Am 11. Juni 2007 und am 21. September 2007 gingen überarbeitete Übersetzungen ein. In letzterer Übersetzung endet Anspruch 16 mit den Worten: ".....die ersten und zweiten Vergleicher und der Kontroller an einer Basiseinheit des Telefonsystems liegen." Der Übersetzungstext von Anspruch 17 lautet: "17. Der Umschalter nach Anspruch 16, worin die Sendeniveauund Empfangsniveau-Eingabe zu dem ersten Vergleicher an einem Mikrofon beziehungsweise einem Lautsprechermikrofon von dem wenigstens einen schnurlosen Handgerät gemessen werden".

Auf den Hinweis der Prüfungsstelle im August 2007, dass im Hinblick auf § 35 PatG und § 14 PatV die Anmeldung wegen der unvollständigen Übersetzung als nicht erfolgt gelten müsse, hat die Anmelderin mit Schriftsatz vom 21. September 2007 vorgetragen, den von der Prüfungsstelle herangezogenen Vorschriften sei nicht zu entnehmen, dass die deutsche Übersetzung fehlerfrei, ohne offensichtliche Unrichtigkeiten oder vollständig sein müsse. Die Übersetzung sei zwar die Grundlage für die weitere Bearbeitung der Anmeldungsunterlagen, die ursprüngliche Offenbarung werde aber durch die Anmeldungsunterlagen in der ursprünglich eingereichten fremdsprachigen Fassung festgelegt. Insoweit gelte nichts anderes als im europäischen Anmeldeverfahren (Art. 70 Abs. 2 EPÜ). Dort könne die nachgereichte Übersetzung während des gesamten Verfahrens vor dem Europäischen Patentamt mit der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung in Übereinstimmung gebracht werden (Art. 14 Abs. 2 Satz 2, letzter Halbsatz EPÜ). Dem Erfordernis des § 35 Abs. 1 Satz 1 PatG genüge die Einreichung einer Übersetzung, die einen sachlich ausreichenden Zusammenhang mit der früher eingereichten fremdsprachigen Anmeldung aufweise. Weiterhin sei auf die Vorschriften zu verweisen, die eine Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten erlaubten (u. a. §§ 38, 95 PatG). Dass es sich hier um einen offensichtlichen Fehler gehandelt habe, ergebe sich bereits daraus, dass dieser bei der Offensichtlichkeitsprüfung festgestellt worden sei. Auch die Korrektur, nämlich der Punkt und der Absatz nach den Worten "... an der Basiseinheit des Telefonsystems liegen" und die Hinzufügung der Worte "17. Der Umschalter nach Anspruch 16," nach dem Absatz sei nach einem Blick auf den entscheidenden englischen Text ohne weiteres ersichtlich. Im übrigen sei auch schon vor der Korrektur der gesamte Offenbarungsgehalt des englischen Anmeldungstextes übersetzt gewesen, weil das letzte Merkmal des deutschen Anspruchs 16 gerade das technische Merkmal des richtigen Anspruchs 17 sei.

Das Deutsche Patentund Markenamt -Prüfungsstelle für Klasse 1.31 -hat durch Beschluss vom 18. Oktober 2007 festgestellt, dass durch den am 13. Dezember 2006 eingegangenen Antrag auf Erteilung eines Patents keine rechtswirksame Patentanmeldung zustande gekommen sei; das Aktenzeichen werde gelöscht. Zur Begründung wird ausgeführt, die Anmelderin sei im Hinblick auf die Unvollständigkeit der zunächst eingereichten Übersetzung dem Erfordernis des § 35 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 PatG nicht nachgekommen, weshalb der Anmeldung gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1 PatG kein Anmeldetag zuerkannt werden könne. Der Gesetzgeber habe zwar -wie sich aus der amtlichen Begründung (BlPMZ 1998, 403) ergebe -eine Korrektur der Übersetzung grundsätzlich für möglich gehalten. Mit zulässigen Korrekturen könnten aber nur solche gemeint sein, die einen nach anerkannten Übersetzungsregeln richtig übersetzten Text, der jedoch z. B. noch grammatikalische oder wortspezifische Mehrdeutigkeiten aufweise, richtig stelle. Solche Richtigstellungen könnten erforderlich sein, wenn sich durch den Vergleich zwischen Übersetzung und der fremdsprachigen Offenbarung aufgrund spezifischer Fach-, Sprachund Zusammenhangskenntnissen ergebe, dass zu einer richtigen gegenständlichen Wiedergabe eines Merkmals der übersetzte Text anders formuliert werden müsse.

Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit der Beschwerde und beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und der Anmeldung den Anmeldetag vom 13. Dezember 2006 zuzuerkennen.

Zur Begründung verweist sie auf ihre Stellungnahme vom 21. September 2007.

Die Präsidentin des Deutschen Patentamts hat -nachdem ihr der Senat dies durch Beschluss vom 3. Dezember 2009 anheim gegeben hatte -gemäß § 77 PatG ihren Beitritt zum Verfahren erklärt. In ihrer Stellungnahme vertritt sie die Auffassung, dass die fehlende Übersetzung des Patentanspruchs 17 die Rechtsfolge des § 35 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 PatG ausgelöst habe. Da Anspruch 17 fehle, habe die Anmelderin keine Übersetzung der Anmeldung in der eingegangenen Fassung, sondern in einer anderen Fassung der Anmeldung eingereicht. Maßgebliches Abgrenzungskriterium für die Frage der Erfüllung der Übersetzungspflicht könne auch nicht sein, ob der Gegenstand bzw. die Gegenstände der Anmeldung, durch die der angestrebte Schutzumfang bestimmt werde, der Übersetzung entnommen werden könne. Dies finde im Gesetz keine Stütze und würde zudem eine intensive inhaltliche Prüfung erfordern, die ebenfalls im Gesetz nicht vorgesehen sei. Die fehlerhafte Übersetzung der Ansprüche 16 und 17 sei auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer offenbaren Unrichtigkeit als unschädlich anzusehen, da eine solche nicht vorliege. Es fehle nicht lediglich ein einzelner Begriff, sondern der gesamte Anspruch 17.

II.

Die Beschwerde ist begründet, denn das Patentamt hat zu Unrecht angenommen, dass die Anmeldung als nicht erfolgt gilt, weil die Anmelderin aufgrund der Unvollständigkeit der Übersetzung dem Übersetzungserfordernis nicht nachgekommen sei.

Nach § 35 Abs. 2 Satz 1 und 2 PatG liegen die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines Anmeldetages vor, wenn die in § 34 Abs. 3 Nr. 1, 2 und 4 PatG genannten Unterlagen (Name des Anmelders, Erteilungsantrag, Beschreibung) beim Patentamt eingegangen sind. Sind die genannten Unterlagen nicht in deutscher Sprache abgefasst, gilt dies allerdings nur, wenn die deutsche Übersetzung innerhalb einer Frist von drei Monaten nachgereicht wird; andernfalls gilt die Anmeldung als nicht erfolgt (§ 35 Abs. 2 Satz 2 PatG). Die Vorschrift enthält zwar ihrem Wortlaut nach keine Bestimmung darüber, wie in Fällen fehlerhafter oder unvollständiger Übersetzungen (Auslassungen) zu verfahren ist. Nach ihrem Sinn und Zweck ist es aber nicht gerechtfertigt, die Fälle fehlerhafter oder unvollständiger deutscher Übersetzungen ausnahmslos dem Fall einer gänzlich fehlenden Übersetzung gleichzustellen. Vielmehr genügt grundsätzlich auch eine fehlerhafte oder unvollständige Übersetzung dem Übersetzungserfordernis des § 35 Abs. 1 Satz 1 PatG.

1. § 35 Abs. 1 Satz 1 PatG stellt eine Ausnahme von dem Grundsatz des § 126 PatG dar, wonach die Amtssprache vor dem Deutschen Patentund Markenamt deutsch ist (vgl. Schulte, PatG, 8. Aufl., § 35 Rn. 12). Durch die Nachreichung einer Übersetzung innerhalb der Dreimonatsfrist soll diesem Grundsatz wieder Genüge getan werden (Schulte, a. a. O., § 35 Rn. 12; Busse/Keukenschrijver, PatG, 6. Aufl., § 35 Rn. 3 f.). Damit soll in angemessener Frist eine deutschsprachige Arbeitsgrundlage für das weitere Verfahren nachgereicht werden, wobei insbesondere auch die Öffentlichkeit durch die erforderliche Herausgabe der Offenlegungsschrift in deutscher Sprache unterrichtet werden soll. Dies wird auch durch eine deutsche Übersetzung, die Fehler oder Auslassungen aufweist, nicht ernsthaft in Frage gestellt.

a) So ist die deutsche Übersetzung für den ursprünglichen Offenbarungsgehalt der Patentanmeldung nicht entscheidend, maßgeblich ist vielmehr der zunächst eingereichte fremdsprachige Text (vgl. Busse/Keukenschrijver, a. a. O., § 35 Rn. 3). Diese Ansicht wird auch in der Begründung des Regierungsentwurfs zu § 35 PatG vertreten. Dort heißt es, dass der Anmelder durch die Möglichkeit, die Anmeldung in ihrer Originalsprache einzureichen, den Vorteil habe, dass auf diese Weise keine Bestandteile der Offenbarung durch die Übersetzung verloren gingen, weil sich der Offenbarungsgehalt nach der Anmeldung in der Originalsprache und nicht nach der Übersetzung richte (BIPMZ 1998, 393, 403). Diese Auffassung ist auch zutreffend, weil anderenfalls der mit § 35 PatG verfolgte Zweck, Anmeldungen in ausländischer Sprache bzw. Auslandsanmeldungen den für den Eingang der Anmeldung in dieser Sprache maßgeblichen Zeitpunkt als Anmeldebzw. Prioritätszeitpunkt zuzubilligen, nicht sicher erreicht werden könnte. Eine Auslegung der Vorschrift dahin, dass jeder Fehler oder jede Auslassung der Übersetzung automatisch zu einem Verlust des Anmeldetags führen muss, ist angesichts der Maßgeblichkeit der Originalfassung für die Offenbarung nicht geboten.

Enthält nämlich die deutsche Übersetzung inhaltliche Fehler, die dazu führen, dass der deutsche Text über den Offenbarungsgehalt des fremdsprachigen Textes hinausgeht, setzt sich der Anmelder dem Risiko aus, dass seine Anmeldung wegen unzulässiger Erweiterung zurückgewiesen wird (§ 38 PatG) oder -sofern hierauf ein Patent erteilt werden sollte, weil der Fehler im Erteilungsverfahren nicht zutage getreten ist -dass der Einspruchsoder Nichtigkeitsgrund unzulässiger Erweiterung (§ 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG) gegeben ist. Rechtliche Vorteile können dem Anmelder somit selbst aus solchen Übersetzungsfehlern nicht erwachsen, so dass es nicht gerechtfertigt ist, deswegen das Übersetzungserfordernis als nicht erfüllt anzusehen mit der Folge des Verlustes von Anmeldung und Priorität. Bei kleineren inhaltlichen Fehlern der Übersetzung wäre dies noch weniger gerechtfertigt, wobei sich ohnehin eine zuverlässige Abgrenzung geringfügiger zu doch schon nicht mehr unerheblichen Fehlern nur schwer treffen ließe. Den deutschen Übersetzungstext wird der Anmelder zudem jederzeit nach Ablauf der Dreimonatsfrist nicht anders wie bei weiteren Eingaben zu einer von vornherein in Deutsch eingereichten Anmeldung -ändern und damit auch inhaltliche Fehler beseitigen können, sofern sich nur die Änderung im Rahmen der (fremdsprachigen) Ursprungsoffenbarung hält.

b) Eine andere Beurteilung ist auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil auf Grundlage einer etwaigen fehlerhaften oder unvollständigen Übersetzung die Offenlegungsschrift herausgegeben wird, mit der die Öffentlichkeit über die Existenz der Anmeldung und das künftig mögliche Schutzrecht unterrichtet wird.

Durch eine fehlerhafte Übersetzung können Dritte, die auf die Richtigkeit der Offenbarung bzw. der Übersetzung vertraut haben, nicht geschädigt werden. Fehlerhafte Übersetzungen haben nur nachteilige Folgen für den Anmelder selbst. So hat die fehlerhafte Übersetzung Auswirkungen auf einen Entschädigungsanspruch des Anmelders gemäß § 33 PatG, weil ein Dritter, der den Gegenstand der Anmeldung nicht in der engeren Fassung des Offenlegungstextes, jedoch in der weiten Fassung des fremdsprachigen Ursprungstextes benutzt, regelmäßig nicht schuldhaft handeln wird. Sollte - umgekehrt - der fremdsprachige Ursprungstext enger als die deutsche Übersetzung sein und Dritte deshalb von einer Nutzung abhalten, so bestehen wegen der Behauptung gewerblicher Schutzrechte wettbewerbsrechtliche Abwehrund gegebenenfalls auch Schadensersatzansprüche.

Für den hier vergleichbaren Fall, der fehlerhaften Übersetzung einer europäischen Patentschrift, hat der Bundesgerichtshof dahin entschieden, dass die Bedeutung der Übersetzung in die deutsche Sprache in ihrem informatorischen Charakter liegt (so BGH, Urteil vom 18. März 2010, Xa ZR 74/09, Rn. 14 -Nabenschaltung II). Dies wird wesentlich daraus gefolgert, dass der deutsche Gesetzgeber von der Möglichkeit, im Falle einer den Schutzbereich einengenden Fassung der Übersetzung diese engere Fassung für verbindlich zu erklären, keinen Gebrauch gemacht hat. Die Rechtsfolgen einer fehlerhaften Übersetzung ergeben sich daraus, dass der gute Glaube an den sich aus einer fehlerhaften Übersetzung ergebenden scheinbaren Schutzbereich durch ein Weiterbenutzungsrecht geschützt wird. Daraus wird zutreffend gefolgert, das der Übersetzung anhaftende Mängel keinen Einfluss auf den Schutzbereich des angegriffenen Patents haben können. Diese Erwägungen des BGH sind hier heranzuziehen, weil auch im Falle einer fehlerhaften Übersetzung bei einer inländischen Anmeldung ein Weiterbenutzungsrecht des redlichen Erfindungsbesitzers besteht.

Art. II § 3 Abs. 5 IntPatÜG a. F. erlaubt dem gutgläubigen Nutzer auch ein auf seinen Betrieb beschränktes Weiterbenutzungsrecht nach der Patenterteilung, während § 33 PatG den gutgläubigen Nutzer nur für die Zeit bis zur Patenterteilung privilegiert. Einschlägig ist hier aber § 12 PatG. Die Norm ist wegen des ihr zugrunde liegenden allgemeinen Rechtsgedankens analogiefähig. Eine analoge Anwendung der Norm wurde von der Rechtsprechung insbesondere dann angewandt, wenn der Besitzstand redlich erworben wurde und die Berufung auf die Rechte aus einem Patent oder einer Patentanmeldung dem der redlichen Nutzung nicht gewichtig entgegengesetzt werden können (BGHZ 6, 172 -Wäschepresse; weitere Nachweise bei Busse/Keukenschrijver, PatG, 6. Aufl., § 12 Rn. 54 mit Fn. 207 ff). So verhält es sich, wenn die der Offenbarung der Erfindung zugrunde liegende Übersetzung nicht dem Inhalt der Erfindung entspricht, wie sie in ausländischer Sprache angemeldet wurde. Auch in einem solchen Fall ist ein Weiterbenutzungsrecht bei redlich erworbenem Besitzstand ggfs. zu gewähren.

2. Dem Sinn und Zweck von § 35 Abs. 1 Satz 1 PatG entspricht es nach den obigen Ausführungen, dass bei einer fehlerhaften Übersetzung die Rechtsfolge des § 35 Abs. 2 Satz 2 PatG nicht ausgelöst wird, soweit nur eine Übersetzung beigefügt wird, die der Form nach eine ordnungsgemäße Offenlegung gestattet und formell alle Bestandteile der fremdsprachigen Anmeldungsunterlagen (Patentansprüche, Beschreibung, Zeichnungen) betrifft. Eine unvollständige Übersetzung, die bei Patentansprüchen, Beschreibung oder Zeichnungen Auslassungen enthält, ist dem Fall einer fehlerhaften Übersetzung gleichzusetzen.

Es besteht nämlich kein qualitativer Unterschied zwischen einer fehlerhaften und einer unvollständigen Übersetzung. In beiden Fällen kann der Informationswert der Übersetzung erheblich gemindert oder aber in keiner Weise beeinträchtigt sein (vgl. LG Mannheim, Mitt. 2009, 402, 403, Abschnitt III. 2, zum Übersetzungserfordernis nach Art. II § 3 Abs. 1 Satz 1 IntPatÜG in der bis 30. April 2008 gültigen Fassung). Dies hat auch der BGH in der Entscheidung "Nabenschaltung II" für die Vorschrift des Art. II § 3 IntPatÜG a. F. angenommen (Urteil vom 18. März 2010, Xa ZR 74/09, Rn. 16). Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die Fehler oder Auslassungen in der Übersetzung so schwerwiegend sind, dass sie die Offenbarung der Erfindung ernsthaft oder substantiell beeinträchtigen, wie der Senat noch in seinem Beschluss vom 3. Dezember 2009, mit dem der Präsidentin des Patentamts der Beitritt zu vorliegendem Beschwerdeverfahren anheimgestellt worden ist, angenommen hat. Denn dies würde eine inhaltliche Prüfung der Übersetzung im Einzelfall voraussetzen, die -worauf die Präsidentin des Patentamts in ihrer Stellungnahme vom 16. April 2010 zu Recht hingewiesen hat -weder im Gesetz vorgesehen ist noch vom Patentamt in diesem Verfahrensstadium, bei dem es vornehmlich um die Erfüllung formeller Erfordernisse geht, geleistet werden kann.

Die Grenze, bei der die Annahme gerechtfertigt ist, dass keine Übersetzung im Sinne von § 35 Abs. 1 Satz 1 PatG vorgelegt worden ist, kann dann erreicht sein, wenn etwa die Übersetzung erkennbar in keinerlei sachlichem Zusammenhang mit der fremdsprachigen Anmeldung steht, z. B. wenn die Übersetzung eine andere Anmeldung oder Erfindung betrifft, oder ganze Bestandteile der Anmeldungsunterlagen, z. B. die Übersetzung der Patentansprüche, insgesamt fehlen.

3.

Die Anmelderin hat hier daher trotz des Umstands, dass sie innerhalb der Dreimonatsfrist keine Übersetzung des Patentanspruchs 17 eingereicht hat, dem Übersetzungserfordernis des § 35 Abs. 1 Satz 1 PatG genügt; die Rechtsfolge nach § 35 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 PatG ist nicht eingetreten.

4.

Die Rechtsbeschwerde ist angesichts der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage zuzulassen (§ 100 Abs. 2 Nr. 1 PatG).

Schülke Püschel Ensthalerprö






BPatG:
Beschluss v. 22.07.2010
Az: 10 W (pat) 10/08


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