Oberlandesgericht Stuttgart:
Beschluss vom 16. Juni 2005
Aktenzeichen: 8 W 180/05; 8 W 180/2005

(OLG Stuttgart: Beschluss v. 16.06.2005, Az.: 8 W 180/05; 8 W 180/2005)

Für die Mitwirkung des Rechtsanwalts beim Abschluss eines schriftlichen Vergleichs (§ 278 Abs. 6 ZPO) in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, fällt die Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV/RVG an.

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin beim Landgericht Stuttgart vom 29.03.2005 wird kostenpflichtigz u r ü c k g e w i e s e n.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Beschwerdewert: 387,58 EUR.

Gründe

1.

Die Klägerin hatte gegen ein Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 13.08.2004, durch das ihre Klage abgewiesen worden war, Berufung eingelegt. Im Berufungsverfahren haben die Parteien auf Anregung des Gerichts ohne vorherige mündliche Verhandlung einen gerichtlichen Vergleich gem. § 278 Abs. 6 ZPO geschlossen. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen danach die Klägerin 3/4 und die Beklagte 1/4.

Mit ihrem Kostenfestsetzungsantrag vom 28./31.01.2005 hat die Beklagte u. a. die Einbeziehung einer 1,2 Terminsgebühr nach RVG/VV Nr. 3202, 3104 in den Kostenausgleich beantragt. Die Klägerin ist dem Kostenfestsetzungsantrag insoweit entgegengetreten. Sie meint, dass die Voraussetzungen für das Entstehen der Terminsgebühr nicht vorlägen. Auf entsprechenden Hinweis der Rechtspflegerin ergänzte die Klägerin ihren eigenen Kostenfestsetzungsantrag um eine Terminsgebühr in II. Instanz, gab aber - unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des OLG Nürnberg vom 15.12.2004 (AnwBl. 05, 222 = AGS 05,144) - zu erkennen, dass sie weiter an ihrer Rechtsmeinung festhalte.

Die Rechtspflegerin hat die Kosten unter Einbeziehung der Terminsgebühr in II. Instanz festgesetzt.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der sofortigen Beschwerde, der die Beklagte entgegengetreten ist.

Die Rechtspflegerin hat die Sache dem Oberlandesgericht ohne Abhilfe zur Entscheidung über das Rechtsmittel vorgelegt.2.

Das zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg, da die Rechtspflegerin zu Recht vom Entstehen einer Terminsgebühr nach RVG/VV Nr. 3202 i. V. m. Nr. 3104 durch den Abschluss des schriftlichen Vergleichs in II. Instanz ausgegangen ist.

Der Senat teilt entgegen der Entscheidung des OLG Nürnberg die bei Zöller/Greger (ZPO, 25. Aufl., § 278 Rn. 27) und Gerold/Schmidt/Müller-Rabe (RVG, 16. Aufl., Rn. 54) vertretene Auffassung, dass für die Mitwirkung des Rechtsanwalts bei Abschluss eines schriftlichen Vergleichs in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, die Terminsgebühr nach RVG/VV Nr. 3104 anfällt. Anders als Hartmann (Kostengesetze, 34. Aufl., RVG/VV 3104, Rn. 30) sieht der Senat den Teilsatz in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist als Obersatz, unter dem nachfolgend die Fälle aufgeführt sind, in denen eine Terminsgebühr entsteht, auch wenn eine mündliche Verhandlung tatsächlich nicht stattgefunden hat. In einem solchen Verfahren bezieht sich nach Auffassung des Senats demnach auf das Verfahren, in dem eigentlich mündlich zu verhandeln ist, und gerade nicht auf einen schriftlichen Vergleich, der in einem Verfahren ohne vorgeschriebene mündliche Verhandlung geschlossen wird.

Die ausdrückliche Erwähnung des Vergleichs nach § 278 Abs. 6 ZPO erscheint bedeutsam im Hinblick auf die frühere, ganz einhellige Rechtsprechung, wonach ein solcher Vergleichsschluss keine Verhandlungs- oder Erörterungsgebühr ausgelöst hat, da er weder von § 31 BRAGO noch von § 35 BRAGO erfasst wurde (m. w. Nachw. BGH AGS 2004, 231 = NJW 04, 2311 = FamRZ 04, 1195 = Rpfl 04, 524 = JurBüro 04, 481 = MDR 04, 965 = AnwBl. 04, 593). In den ersten Entwürfen wird § 278 Abs. 6 ZPO noch nicht aufgeführt. Nachdem § 35 BRAGO fast wörtlich in VV Nr. 3104 aufgenommen worden ist, stellt die Anfügung des Falles eines schriftlichen Vergleichsabschlusses nach § 278 Abs. 6 ZPO eine klarstellende Ergänzung dar, die auch im Licht der Intention des Gesetzgebers zu sehen ist, die vergleichsweise Einigung in einem möglichst frühen Verfahrensstadium zu fördern und zu honorieren und damit zur Beschleunigung der Gerichtsverfahren beizutragen und die Justiz zu entlasten (s. hierzu BT-Drucks. 15/1971, 209; für den Fall der zu einer Erledigung des Verfahrens führenden Besprechung ohne Beteiligung des Gerichts bestimmt dies Vorbemerkung 3, Abs. 3 ausdrücklich).3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Beschwerdewert berechnet sich nach dem Betrag, den die Klägerin weniger zu bezahlen hätte, wenn - bei beiden Parteien - keine Terminsgebühr angesetzt würde.4.

Die Rechtsbeschwerde wird im Hinblick auf die anderslautende Entscheidung des OLG Nürnberg zugelassen, die sich ihrerseits auf ein obiter dictum des BGH in der oben zitierten Entscheidung beruft. Dort ist - ohne nähere Begründung - ausgeführt, dass beim Abschluss eines schriftlichen Vergleichs nach § 278 Abs. 6 ZPO neben der Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV zwar die Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 VV, nicht jedoch die Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV entsteht.






OLG Stuttgart:
Beschluss v. 16.06.2005
Az: 8 W 180/05; 8 W 180/2005


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