Oberlandesgericht Hamm:
Beschluss vom 15. Oktober 2012
Aktenzeichen: II-6 WF 16/11

(OLG Hamm: Beschluss v. 15.10.2012, Az.: II-6 WF 16/11)

Tenor

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) vom 06.01.2011 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Lemgo vom 16.12.2010 (AZ: 9 F 508/06) aufgehoben.

Auf die Erinnerung des Beteiligten zu 1) vom 20.05.2010 wird der Kostenansatz der Oberjustizkasse Hamm vom 26.04.2010 (Kassenzeichen: ...#) aufgehoben.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

In dem Ausgangsverfahren hat der Kindesvater, hier der Beteiligte zu 1), von der Kindesmutter die Einhaltung einer zwischen den Eltern getroffenen Umgangsregelung hinsichtlich der gemeinsamen Tochter X begehrt.

Da zwischen den Eltern erhebliches Konfliktpotential bestand, hat das Amtsgericht -Familiengericht- mit Beschluss vom 23.01.2007 zum einen dem Kind einen Verfahrenspfleger bestellt und zum anderen die Einholung eines kinder- und familienpsychologischen Sachverständigengutachtens angeordnet. Das Gutachten wurde unter dem 09.05.2008 von der Sachverständigen Dipl. Psych. Y erstellt. Die Sachverständige hat mit Rechnung vom 21.07.2008 für die Erstellung des Gutachtens einen Betrag von insgesamt 12.304,90 € in Ansatz gebracht, wobei sie 117,4 Zeitstunden zugrunde gelegt hat. Anlässlich des Termins zur mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht -Familiengericht- am 26.02.2009, in dem die Gutachterin angehört wurde, haben die Kindeseltern sodann eine vergleichsweise Regelung dergestalt getroffen, dass sie sich zur Teilnahme an einer systemischen Familientherapie und der Beantragung eines Erziehungsbeistandes beim zuständigen Jugendamt verpflichteten; das Jugendamt sollte sodann nach einem entsprechenden Beschluss des Amtsgerichts -Familiengericht- vom selben Tag nach 6 bis 9 Monaten über die Entwicklung berichten. Da sich innerhalb des folgenden Jahres weder die Eltern noch das Jugendamt meldeten, hat das Amtsgericht -Familiengericht- einen weiteren Regelungsbedarf für das Ausgangsverfahrens verneint und am 09.02.2010 das Weglegen der Akten angeordnet.

Die zuständige Kostenbeamtin des Amtsgerichts -Familiengerichts- hat sodann die angefallenen Auslagen (Sachverständigenauslagen/ Verfahrenspflegervergütung) sowie eine Vergleichsgebühr nach Nr. 1900 KV-GKG a.F. jeweils hälftig gegen den Beteiligten zu 1) und die Kindesmutter angesetzt. Nach Berichtigung eines ersten Kostenansatzes vom 19.04.2010 wurden die auf den Beteiligten zu 1) entfallenden Kosten durch Kostenansatz vom 26.04.2010 in Höhe von 7.792,28 € gegen ihn zum Soll gestellt (Kassenzeichen ... Oberjustizkasse Hamm), wobei ein Betrag in Höhe von 6.152,45 € auf die Sachverständigenentschädigung für die Erstellung des Gutachtens entfiel. Hiergegen hat der Beteiligte zu 1) unter dem 20.05.2010 Erinnerung eingelegt, soweit Kosten für die Gutachtenerstellung berechnet worden sind, die einen Betrag von 1.500,00 € übersteigen.

Mit Beschluss vom 17.12.2010 hat das Amtsgericht -Familiengericht- die Erinnerung zurückgewiesen. Gegen diesen zurückweisenden Beschluss hat der Beteiligte zu 1) mit Schriftsatz vom 06.01.2011 Beschwerde eingelegt. Das Amtsgericht -Familiengericht- hat der Beschwerde mit Beschluss vom 07.01.2011 nicht abgeholfen und diese dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Das vorliegende Verfahren richtet sich auch hinsichtlich der kostenrechtlichen Abwicklung und der insoweit zulässigen Rechtsmittel nach dem bis zum 31.08.2009 geltenden Recht (Art. 111 I FGG-RG).

Die gemäß § 14 III S. 1 KostO zulässige, unbefristete Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Es fehlt bereits an der für den Ausspruch des Kostenansatzes erforderlichen Kostengrundentscheidung als Haftungsgrundlage.

Das vorliegende Verfahren fällt unter die Gebührenbestimmungen des § 94 I Nr. 3 und 4 KostO a.F. In den dort genannten Verfahren ist nach § 94 III S. 2, 1. HS KostO a.F. nur der Beteiligte -mit Ausnahme des Kindes- zahlungspflichtig, den das Gericht nach billigem Ermessen bestimmt.

Seit der Änderung des § 94 III S. 2 KostO durch Art. 7 des Gewaltschutzgesetzes vom 11.12.2001 mit Wirkung zum 01.01.2002 erstreckte sich dabei die Entscheidungsbefugnis des Gerichts auf die gesamten Gerichtskosten einschließlich der Auslagen (s. bereits Senatsbeschluss vom 29.11.2002 -6 WF 243/02 und vom 18.09.2003 - 6 WF 224/03 sowie Hartmann, Kostengesetze, 38. Aufl., § 94 KostO, Rdnr. 27). Der Senat hält insoweit an seiner Rechtsprechung fest, dass im Rahmen dieser Entscheidungskompetenz das Gericht eine Kostengrundentscheidung darüber zu treffen hat, welcher der Beteiligten nach billigem Ermessen in welchem Umfang Gebühren und Auslagen tragen muss.

Die allgemeine Vorschrift des § 2 KostO betreffend die Kostenhaftung findet daneben keine Anwendung, da ansonsten das Ermessen des Gerichts dem Kostenbeamten übertragen bliebe (Senatsbeschluss vom 08.08.2005 -6 WF 88/05; so auch OLG Stuttgart FamRZ 2008, OLG München Rpfleger 2005, 488; OLG Koblenz, Rpfleger 2003, 693; 2299).

An einer derartigen Kostengrundentscheidung des Gerichts fehlt es vorliegend. Sie kann nicht konkludent in der Entscheidung des Amtsgerichts -Familiengericht- vom 17.12.2010 über die Erinnerung gesehen werden, da sich diese nach ihrer Begründung nur mit der Höhe der Sachverständigenvergütung und der Frage des § 16 KostO, nicht jedoch mit der Kostentragungspflicht auseinandersetzt.

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) ist der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Lemgo vom 16.12.2010 aufzuheben und auf die Erinnerung des Beteiligten zu 1) ist der Kostenansatz der Oberjustizkasse Hamm vom 26.04.2010 insgesamt aufzuheben. Auch wenn der Beteiligte zu 1) sich mit den jeweiligen Rechtsmitteln nur in beschränktem Umfang -nämlich nur soweit für die Erstellung des Sachverständigengutachtens Kosten von über 1.500,00 € geltend gemacht werden- gegen den Kostenansatz der Oberjustizkasse Hamm vom 26.04.2010 wendet, führt dies nicht nur zur teilweisen Aufhebung des Kostenansatzes. Denn die Vorschrift des § 308 ZPO findet keine -auch keine entsprechende- Anwendung, weil diese Vorschrift nur für Antragsverfahren gilt. Aus der Ausgestaltung des Kostenansatzverfahrens als antragsunabhängiges Verfahren folgt dementsprechend, dass der Ansatz nicht an den gestellten Antrag gebunden ist Soweit im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens die entsprechende Anwendung des § 308 ZPO bejaht wird, steht dieses der getroffenen Entscheidung nicht entgegen. Denn beim Kostenfestsetzungsverfahren handelt es sich im Gegensatz zum Kostenansatzverfahren um ein antragsabhängiges Parteiverfahren (vgl. hierzu auch BPatG München, Beschluss v. 28.09.2010, 33 W (pat) 100/09; OLGR Hamburg 2005, 740; Zöller- Vollkommer, 29. Aufl., § 308 Rdnr. 1).

Das Amtsgericht -Familiengericht- wird im weiteren Verlauf des Verfahrens zunächst eine Kostengrundentscheidung nach § 94 III S. 2 KostO a.F. zu treffen haben. Der Kostenanspruch dürfte weder gemäß § 17 KostO verjährt sein noch dürfte Verwirkung desselben eingetreten sein, da das Kostenansatzverfahren bislang noch nicht abgeschlossen ist. Sowohl der Kostenschuldner als auch die Landeskasse können gegen Entscheidungen im Verfahren nach § 14 KostO Rechtsmittel einlegen. Solange dies der Fall ist, erwirbt der Kostenschuldner keine Vertrauensposition, die eine Änderung seiner Inanspruchnahme ausschließen könnte. Bei der zu treffenden Kostengrundentscheidung wird das Amtsgericht -Familiengericht- zu berücksichtigen haben, dass die Entscheidung nicht nur eine Verteilung der Kosten, sondern gemäß § 94 III S. 2 2. HS KostO a.F. auch deren Nichterhebung zulässt. Dabei ist das Gericht im Rahmen seiner Ermessensausübung auch in der Lage, einzelne Auslagen außer Ansatz zu lassen und z.B. deren Notwendigkeit oder Erforderlichkeit zu verneinen (OLG Köln FamRZ 2006, 1057).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 14 IX KostO.






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