Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. Mai 2001
Aktenzeichen: 26 W (pat) 27/00

(BPatG: Beschluss v. 30.05.2001, Az.: 26 W (pat) 27/00)

Tenor

Es wird festgestellt, daß die Markenabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts die Marke 398 54 323 zu Unrecht gelöscht hat.

Gründe

I.

Der ursprüngliche Inhaber der Marke 398 54 323 hat mit einem Schreiben vom 26. April 1999, das sich nicht (mehr) bei den Akten des Deutschen Patent- und Markenamts befindet, die Löschung seiner Marke beantragt. Am 3. Mai 1999 hat er durch seine Vertreter die Rücknahme des Löschungsantrags erklären lassen. Das Telefax, mit dem die Rücknahme des Löschungsantrags erklärt worden ist, ist am gleichen Tage beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangen. Die Markenabteilung des Amtes hat am 24. September 1999 die Löschung der Marke 398 54 323 gemäß § 48 MarkenG verfügt, die noch am gleichen Tage im Markenregister vollzogen worden ist. Mit Schreiben vom 4. Oktober 1999, das am 11. Oktober 1999 zugegangen ist, hat sie den ursprünglichen Markeninhaber über die Löschung seiner Marke unterrichtet.

Die Beschwerdeführerin hat am 19. Mai 1999 die Umschreibung der Marke auf sich beantragt hat, die nicht vollzogen worden ist. Am 11. November 1999 hat sie Beschwerde erhoben. Sie ist der Ansicht, die Marke 398 54 323 sei zu Unrecht gelöscht worden, weil der Löschungsantrag vor der Löschung rechtswirksam zurückgenommen worden sei. Die Rücknahme eines Löschungsantrags könne bis zur Durchführung der Löschung im Register erklärt werden. Die Möglichkeit der Rücknahme eines Löschungsantrags iSd § 48 MarkenG werde vom Gesetz nicht ausdrücklich eröffnet, aber auch nicht ausgeschlossen. Das Fehlen eines solchen Ausschlusses spreche unter Berücksichtigung des allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsatzes, nach dem Verfahrenshandlungen widerrufen oder zurückgenommen werden könnten, sofern sich aus ihrer Natur oder auf Grund besonderer gesetzlicher Vorschriften nichts anderes ergebe, für die Zulässigkeit einer Rücknahme. Auch unter der Geltung des Warenzeichengesetzes sei die Zulässigkeit der Rücknahme eines Antrags auf Löschung der eigenen Marke durchweg anerkannt worden. Der Wortlaut der Bestimmungen des § 48 Abs. 1 MarkenG und des § 10 Abs. 1 WZG sei weitgehend identisch. Es sei auch aus der Begründung zum Entwurf des Markenrechtsreformgesetzes nicht ersichtlich, daß der Gesetzgeber eine Änderung der unter dem WZG gegebenen Gesetzeslage bezweckt habe. Zwar sei der im Vorentwurf des Markengesetzes enthaltene Passus, wonach der "Verzicht erst wirksam wird, wenn er eingetragen ist", später entfallen. Die letztliche Begründung zum Regierungsentwurf bringe mit dem Passus

"Wird eine Verzichtserklärung in einem anhängigen Widerspruchs- und Löschungsverfahren abgegeben, soll die Erklärung im Einklang mit der gegenwärtigen Praxis in Verfahren, die nach § 6 a WZG beschleunigt eingetragene Marken betreffen, unmittelbar wirksam werden."

aber zum Ausdruck, daß gerade keine Änderung der bisherigen Praxis, die eine Rücknahme des Löschungsantrags bis zur Löschung für zulässig gehalten habe, beabsichtigt gewesen sei. Nachdem für das Entstehen des Markenschutzes die Eintragung der Marke konstitutiv sei, müsse auch für das Erlöschen des Markenschutzes die Löschung der Marke im Register entscheidend sein. Auch ein Vergleich mit den Regelungen im Patentgesetz spreche für die Widerruflichkeit des Löschungsantrags gemäß § 48 MarkenG bis zum Vollzug im Register. Während § 20 Abs. 1 Nr. 1 PatG vorsehe, daß das Patent erlischt, wenn der Markeninhaber darauf durch schriftliche Erklärung an das Patentamt verzichtet, knüpfe § 48 MarkenG das Erlöschen einer Marke nicht bereits an eine Verzichtserklärung, sondern bestimme lediglich, daß auf Antrag des Inhabers der Marke die Eintragung im Register gelöscht wird. Die Zulässigkeit der Rücknahme des Löschungsantrags stehe auch im Einklang mit der Regelung in § 49 Abs. 2 S. 2 GemeinschaftsmarkenV, in der ausdrücklich anerkannt sei, daß der entsprechende Antrag bis zur Eintragung der Löschung im Register zurückgenommen werden könne. Die Zulässigkeit der Rücknahme eines Löschungsantrags werde auch in der Literatur zum MarkenG, zB von Fezer (Markenrecht 2. Auflage 1999 § 48 Rdn 7), anerkannt.

Die Beschwerdeführerin beantragt, die Löschung der Marke 398 54 323 aufzuheben.

II.

Die Beschwerde ist statthaft, zulässig erhoben worden und auch begründet.

Gemäß § 66 Abs. 1 MarkenG findet die Beschwerde gegen Beschlüsse der Markenstellen und der Markenabteilungen statt. Beschlüsse im Sinne der vorstehend aufgeführten Bestimmung sind alle abschließenden Entscheidungen, die Rechte von Verfahrensbeteiligten berühren können. Dabei ist der Begriff "Beschlüsse" nicht nur formell, sondern materiell zu verstehen (BGH GRUR 1972, 535 - Aufhebung der Geheimhaltung). Entscheidend ist, ob durch eine Verlautbarung oder ein sonstiges Verhalten des Deutschen Patent- und Markenamts eine abschließende Entscheidung getroffen worden ist. Dies war vorliegend der Fall. Bei der Anordnung der Markenlöschung handelt es sich um eine die Rechte des ursprünglichen Markeninhabers und auch der Umschreibungsantragstellerin berührende abschließende Entscheidung über den Bestand der eingetragenen Marke, die materiell den Charakter eines Beschlusses iSd § 66 Abs. 1 MarkenG aufweist.

Die Beschwerde ist zulässig, weil sie binnen der in § 66 Abs. 2 MarkenG bestimmten Frist von einem Monat nach Zustellung der Mitteilung über die erfolgte Markenlöschung eingelegt worden ist. Sie richtet sich gegen die im Markenregister am 24. September 1999 vollzogene Löschung der Marke, die dem Markeninhaber mit Schreiben der Markenabteilung des DPMA vom 4. Oktober 1999 (vgl. Bl. 33 der Amtsakte) mitgeteilt worden und ihm am 11. Oktober 1999 mit einfachem Brief zugegangen ist. Da die Beschwerde beim DPMA am 11. November 1999 eingegangen ist, kommt dem Umstand, daß der Löschungsmitteilung keine Rechtsmittelbelehrung beigefügt war und die Löschungsmitteilung nicht gemäß § 94 MarkenG zugestellt worden ist, keine rechtserhebliche Bedeutung zu. Die Aktivlegitimation der Umschreibungsantragstellerin zur Beschwerdeeinlegung ergibt sich aus der Bestimmung des § 28 Abs. 2 MarkenG.

Der Beschwerde ist auch begründet, weil die Markenabteilung des DPMA die Marke 398 54 323.2 zu Unrecht gelöscht hat.

Zwar ist entgegen der von der Umschreibungsantragstellerin vertretenen Ansicht der Antrag des Markeninhabers auf Löschung der eigenen Marke iSd § 48 MarkenG nicht bis zum Vollzug der Markenlöschung frei widerruflich. Er führt vielmehr zum unmittelbaren Erlöschen der Marke zum Zeitpunkt seines Eingangs beim DPMA, ohne daß es hierfür noch eines Vollzugs im Markenregister bedarf (BGH GRUR 2001, 337 ff - EASYPRESS - unter Bezugnahme auf die Begründung zum Regierungsentwurf des MarkenrechtsreformG, BT-Drucksache 12/6581, S. 96 = BlPMZ 1994 Sonderheft S. 88). Dennoch hätte die Löschung der Marke nicht vollzogen werden dürfen, da im vorliegenden Fall nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststeht, daß die nach Angaben des Markeninhabers vom 26. April 1999 datierende Verzichtserklärung wirksam geworden ist.

Bei der Verzichtserklärung iSd § 48 MarkenG handelt es sich um eine Erklärung mit Doppelnatur, die sowohl formelle als auch - mit dem Verlust des Markenrechts - materielle Wirkungen hat, weshalb sie in entsprechender Anwendung von § 130 BGB dann nicht wirksam wird, wenn dem Erklärungsempfänger vorher oder gleichzeitig ein Widerruf der Erklärung zugeht. Ein vorheriger oder zumindest gleichzeitiger Zugang des Widerrufs der Verzichtserklärung liegt im vorliegenden Fall nicht außerhalb jeder Lebenserfahrung.

Mit Sicherheit feststellbar ist insoweit aus den Akten des DPMA nur die Tatsache, daß der Widerruf des Antrags auf Löschung der Marke per Telefax am 3. Mai 1999 beim DPMA eingegangen ist. Dagegen lassen die Aktenbestandteile keinen hinreichend sicheren Schluß dahingehend zu, daß der nach Angaben des Markeninhabers vom 26. April 1999 datierende Löschungsantrag überhaupt beim DPMA eingegangen ist bzw. daß er dem DPMA bereits vor dem Widerruf zugegangen ist.

Der Löschungsantrag befindet sich nicht bei der Amtsakte. Als Anhaltspunkte dafür, daß er dem DPMA überhaupt jemals vorgelegen haben könnte, kommen nur der Vermerk eines Mitarbeiters des DPMA vom 24. September 1999 ("Antrag war aber da") sowie die Angabe der Vertreter des Markeninhabers im Widerrufsschriftsatz vom 3. Mai 1999, wonach "Herr von B... ... schriftlich um die Löschung der oben bezeichneten Marke gebeten" hat, in Betracht. Der Aktenvermerk läßt jedoch offen, woraus der betreffende Mitarbeiter der Markenabteilung seine Annahme, der Löschungsantrag sei da gewesen, stützt. Gegen seine Annahme, der Löschungsantrag habe dem DPMA zunächst vorgelegen, spricht der Umstand, daß die zu der Marke 398 54 323.2 geführten Akten fortlaufend numeriert sind und den Verlust eines Schriftsatzes nicht erkennen lassen. Auch die Angaben der Vertreter des Markeninhabers lassen lediglich die Absetzung eines schriftlichen Löschungsantrags durch den Markeninhaber erkennen. Sie lassen jedoch keine weitergehenden Schlüsse auf die Absendung oder den Eingang des Löschungsantrags beim DPMA zu.

Selbst dann, wenn davon ausgegangen wird, der Markeninhaber habe den Löschungsantrag vom 26. April 1999 an das DPMA abgesandt, läßt sich nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen, daß der Löschungsantrag das DPMA vor dessen Rücknahme erreicht hat, weil nichts über den Tag der Absendung des mit der Post übersandten Löschungsantrags bekannt ist. Es ist insoweit nicht erfahrungswidrig davon auszugehen, daß der Brief, der den Antrag auf Löschung der Marke enthielt, nicht schon am 26. April 1999, sondern wegen anderweitiger Verhinderung erst an einem der folgenden Tage zur Post gegeben worden ist.

Da der 1. Mai ein bundesweiter Feiertag ist, an dem eine Postzustellung nicht stattfindet, und dieser Feiertag im Jahre 1999 auf einen Samstag fiel, müßte - unter Zugrundelegung einer regelmäßigen Postlaufzeit von ein bis zwei Tagen - mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden können, daß der Markeninhaber den Löschungsantrag spätestens am Donnerstag, den 29. April 1999 zur Post gegeben hat, damit dieser noch am Freitag, dem 30. April 1999, also am letzten Zustelltag vor dem 3. Mai 1999, beim DPMA eingegangen wäre. Da es jedoch nicht ungewöhnlich ist, daß Briefe erst einige Tage nach ihrer Abfassung zur Post gegeben werden, kann von der Absendung des Löschungsantrags bis zum 29. April 1999 und einem Eingang dieses Antrags bis zum 30. April 1999 ohne hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte nicht ausgegangen werden. Dies gilt im vorliegenden Fall um so mehr, als es sich bei einem Löschungsantrag nicht um eine fristgebundene Erklärung handelt.

Für Ermittlungen von Amts wegen zur Frage der Absendung und des Absendezeitpunktes des Löschungsantrags hat der Senat keine Anhaltspunkte gesehen. Es war deshalb im Ergebnis davon auszugehen, daß der Löschungsantrag wegen eines zumindest gleichzeitigen Widerrufs in entsprechender Anwendung von § 130 BGB nicht wirksam geworden ist.

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BPatG:
Beschluss v. 30.05.2001
Az: 26 W (pat) 27/00


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