Bundespatentgericht:
Beschluss vom 27. Februar 2007
Aktenzeichen: 23 W (pat) 354/04

(BPatG: Beschluss v. 27.02.2007, Az.: 23 W (pat) 354/04)

Tenor

Das Patent wird aufrechterhalten.

Gründe

I.

Die Prüfungsstelle für Klasse H 01 R des Deutschen Patent- und Markenamts hat auf die am 4. Mai 2002 eingegangene Patentanmeldung das am 8. Juli 2004 veröffentlichte Patent 102 20 108 (Streitpatent) mit der Bezeichnung "Kontaktelement mit einem Anschluss für Litzenleiter" erteilt.

Die Einsprechende hat mit Schriftsatz vom 7. Oktober 2004, beim Patentamt vorweg per Telefax eingegangenen am selben Tag, Einspruch erhoben und beantragt, das Streitpatent in vollem Umfang zu widerrufen. Der Einspruch stützt sich gemäß § 59 i. V. m. § 21 i. V. m. § 3 und 4 PatG darauf, dass der Gegenstand der Ansprüche 1 und 2 nicht neu sei (§ 3 PatG) und nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe (§ 4 PatG), wobei zum Stand der Technik folgende Entgegenhaltungen genannt worden sind:

- DE 26 42 411 B1 (Druckschrift E1)

- Bronstein Semendjajew "Taschenbuch der Mathematik", 21. Auflage, 1984, Seite 199 (Druckschrift E2)

- DE 89 14 460 U1 (Druckschrift E3)

- US-Patentschrift 1 982 212 (Druckschrift E4) und - US-Patentschrift 1 699 825 (Druckschrift E5), von denen die Druckschrift E3 auch bereits im Prüfungsverfahren zum Stand der Technik in Betracht gezogen worden ist.

Im Prüfungsverfahren sind ferner folgende Entgegenhaltungen genannt worden:

- DE 197 18 004 C1 (Druckschrift D1)

- FR 2 810 457 A1 (Druckschrift D2) und - FR-Patentschrift 618 171 (Druckschrift D3).

Die Einsprechende vertritt die Auffassung, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents durch die Druckschrift E1 neuheitsschädlich getroffen bzw. durch die Druckschriften E1 und E3 nahegelegt sei. Analoges gelte auch für den Patentanspruch 2 des Streitpatents. Ausgehend von der Druckschrift E3 legten die Druckschriften E4 oder E5 das kennzeichnende Merkmal - offenbar des Patentanspruchs 1 - zumindest ebenfalls nahe. Zudem liege das Merkmal nach dem kennzeichnenden Teil des Patentanspruchs 1 des Streitpatents im Bereich üblicher Fertigungstoleranzen beim Stand der Technik.

Die Patentinhaberin ist dem Einspruchsvorbringen mit Schriftsatz vom 22. Februar 2005 in allen wesentlichen Punkten entgegengetreten. Sie vertritt die Auffassung, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents gegenüber dem von der Einsprechenden genannten Stand der Technik neu und erfinderisch sei. Die Tatsache, dass bei der Umsetzung in die Praxis Fertigungstoleranzen aufträten, habe nichts mit der Frage der Patentfähigkeit der beanspruchten Lehre zu tun.

Die Einsprechende hat mit Schriftsatz vom 18. Mai 2006 an ihrer Auffassung festgehalten, dass der Patentanspruch 1 des Streitpatents durch die Druckschrift E1 neuheitsschädlich getroffen sei, wobei sie davon ausgegangen ist, dass ein Kegel ausweislich der Definition in der Druckschrift E2 im Grenzfall auch einen Öffnungswinkel von 90¡ aufweisen könne.

Nachdem die Patentinhaberin mit Schriftsatz vom 22. Januar 2007 Patentansprüche 1 nach Hilfsanträgen 1 bis 4 vorgelegt hat, hat die Einsprechende mit Schriftsatz vom 8. Februar 2007 im Hinblick auf den Hauptantrag und die Hilfsanträge ergänzend darauf verwiesen, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag durch die Fig. 3 der Druckschrift E4 neuheitsschädlich vorweggenommen sei und dass Analoges auch für die Gegenstände der Patentansprüche 1 nach den Hilfsanträgen 1 bis 4 gelte.

In der mündlichen Verhandlung am 27. Februar 2007 hat die Patentinhaberin das Streitpatent in der erteilten Fassung unter Hinweis darauf verteidigt, dass der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 durch den gesamten im Verfahren befindlichen Stand der Technik nicht patenthindernd getroffen sei.

Die Einsprechende hat in der mündlichen Verhandlung zum erteilten Patentanspruch 1 des Streitpatents auf den Stand der Technik nach den Druckschriften D1 und D3 verwiesen und geltend gemacht, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gegenüber diesem Stand der Technik zumindest nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Die Einsprechende stellt den Antrag aus dem Einspruchsschriftsatz vom 7. Oktober 2004, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin stellt die Anträge aus dem Schriftsatz vom 22. Januar 2007, darunter den Hauptantrag, das Patent in unverändertem Umfang aufrechtzuerhalten.

Der erteilte Patentanspruch 1 lautet:

"Kontaktelement (1) mit einem Anschluss für Litzenleiter (15), wobei das Kontaktelement aus einer Klemmhülse (2) und einem in der Klemmhülse schraubbar gehaltenen, dornartigen Kontaktteil (3) gebildet ist, wobei das Kontaktteil (3) eine kegelförmige Spitze (5) mit einem Winkel () zur Senkrechten aufweist, wobei an der Klemmhülse ein trichterförmiges Anschlussende (7) vorgesehen ist, in das der Litzenleiter in eine innere Anschlusskammer (4) einführbar ist, und eine in den Innenraum der Klemmhülse (2) hineinragende Klemmschulter (9) vorgesehen ist, die an ihrer der Spitze (5) des Kontaktteils (3) zuweisenden Seite eine Kegelfläche (11) mit einem Winkel () zur Senkrechten aufweist, wobei das Kontaktteil (3) nur so weit in die Anschlusskammer (4) und den darin eingefügten Litzenleiter (15) einschraubbar ist, dass zwischen der Spitze (5) des Kontaktteils und der Kegelfläche (11) der Schulter eine Mindestüberlappung (13) verbleibt, dadurch gekennzeichnet, dass der Winkel () der Kegelfläche der Spitze (5) des Kontaktteiles (3) kleiner ist als der Winkel () der Kegelfläche (11) der Klemmschulter (9)."

Wegen des erteilten Patentanspruchs 2 wird auf das Streitpatent und wegen der Hilfsanträge und weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts für die Entscheidung über den Einspruch ergibt sich aus § 147 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG in der bis einschließlich 30. Juni 2006 gültigen Fassung. Danach ist nicht das Patentamt, sondern das Patentgericht zuständig, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Einspruchsfrist nach dem 1. Januar 2002 zu laufen begonnen hat und der Einspruch vor dem 1. Juli 2006 eingelegt worden ist. Diese befristete Regelung ist nach Ablauf von insgesamt 4 Jahren und 6 Monaten zum 1. Juli 2006 ohne weitere Verlängerung ausgelaufen, so dass ab 1. Juli 2006 die Zuständigkeit für die Entscheidung in den Einspruchsverfahren wieder auf das Patentamt zurückverlagert wurde. Das Bundespatentgericht bleibt gleichwohl für die in dem bezeichneten befristeten Zeitraum durch § 147 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG zugewiesenen Einspruchsverfahren weiterhin zuständig, weil der Gesetzgeber eine anderweitige Zuständigkeit für diese Verfahren nicht ausdrücklich festgelegt hat und deshalb der allgemeine Rechtsgrundsatz der "perpetuatio fori" (analog § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO und analog § 17 Abs. 1 Satz 1 GVG) zum Tragen kommt, wonach eine einmal begründete Zuständigkeit grundsätzlich bestehen bleibt (siehe die zur Veröffentlichung vorgesehene Senatsentscheidung 23 W (pat) 327/04 vom 19. Oktober 2006, "Rundsteckverbinder" zur Frage der fortdauernden Zuständigkeit des Bundespatengerichts für die durch § 147 Abs. 3 PatG zugewiesenen Einspruchsverfahren).

III.

Der form- und fristgerecht erhobene Einspruch ist zulässig. Er hat jedoch insofern keinen Erfolg, als das Streitpatent entsprechend dem Hauptantrag der Patentinhaberin aufrechtzuerhalten war.

1. Die Zulässigkeit des Einspruchs ist von der Patentinhaberin zwar nicht in Frage gestellt worden. Jedoch haben Patentamt und Gericht auch ohne Antrag der Patentinhaberin die Zulässigkeit des Einspruchs in jedem Verfahrensstadium von Amts wegen zu überprüfen (vgl. Schulte, PatG, 7. Auflage, § 59, Rdn. 145), da ein unzulässiger - einziger - Einspruch zur Beendigung des Einspruchsverfahrens ohne weitere Sachprüfung über die Rechtsbeständigkeit des Streitpatents führt (vgl. hierzu Schulte, PatG, 7. Auflage, § 61, Rdn. 24; BGH GRUR 1987, 513, II.1. - "Streichgarn").

Gegen die Zulässigkeit des Einspruchs bestehen im vorliegenden Fall aber insofern keine Bedenken, als die Einsprechende innerhalb der Einspruchsfrist gegenüber dem erteilten Patentanspruch 1 den Widerrufsgrund der mangelnden Patentfähigkeit geltend gemacht und die Tatsachen im Einzelnen angegeben hat, die den Einspruch rechtfertigen sollen (vgl. § 59 Abs. 1 Satz 4 PatG), indem sie den erforderlichen Zusammenhang zwischen sämtlichen Merkmalen des Patentanspruchs 1 des Streitpatents und dem Stand der Technik nach der Druckschrift E1 hergestellt hat (vgl. hierzu BGH BlPMZ 1988, 250, Leitsatz 2, 251, li. Sp., Abs. 1 - "Epoxidation"; Schulte, PatG, 7. Auflage, § 59 Rdn. 77 bis 82). Ob die dabei vorgetragenen Tatsachen den Widerruf des Patents auch tatsächlich rechtfertigen, ist nicht bei der Zulässigkeit, sondern bei der Begründetheit des Einspruchs zu prüfen (vgl. BGH BlPMZ 1987, 203, 204, li. Sp., vorle. Abs. - "Streichgarn"; BlPMZ 1985, 142, Leitsatz - "Sicherheitsvorrichtung"; Schulte, PatG, 7. Auflage, § 59 Rdn. 84).

2) Im Einspruchsverfahren ist die Zulässigkeit der Patentansprüche von Amts wegen auch dann zu überprüfen, wenn von der Einsprechenden der Widerrufsgrund der unzulässigen Erweiterung - wie vorliegend - nicht geltend gemacht worden ist (vgl. hierzu BGH Mitt. 1995, 243, Leitsatz 2 - "Aluminium-Trihydroxid").

Gegen die Zulässigkeit der erteilten Patentansprüche 1 und 2 des Streitpatents gibt es jedoch insofern keine Bedenken, als der erteilte Patentanspruch 1 inhaltlich eine ausreichende Stütze im ursprünglichen Anspruch 1 i. V. m. dem Ausführungsbeispiel nach Fig. 1 findet und der erteilte Patentanspruch 2 mit dem ursprünglichen Patentanspruch 2 identisch ist.

3. Nach den Angaben in der Streitpatentschrift (vgl. die Abschnitte [0001] und [0004]), wird im Oberbegriff des Patentanspruchs 1 von einem Kontaktelement zum Anschluss von Litzenleitern ausgegangen, wie es aus der Druckschrift E3 bekannt ist. Denn dieses Kontaktelement weist auch bereits folgende Merkmale auf:

- das Kontaktelement (1) ist aus einer Klemmhülse (4) und einem in der Klemmhülse schraubbar gehaltenen, dornartigen Kontaktteil (3, 3') gebildet,

- das Kontaktteil (3, 3') weist eine kegelförmige Spitze (konischer Teil 9 mit Spitze 6) mit einem Winkel zur Senkrechten (siehe Öffnungswinkel des Kegels) auf,

- an der Klemmhülse (4) ist ein trichterförmiges Anschlussende (konisch ausgeführte Bohrung 17) vorgesehen, durch das der Litzenleiter (2) in eine innere Anschlusskammer (mit konisch ausgeführter Bohrung 18) einführbar ist, und eine in den Innenraum der Klemmhülse (4) hineinragende Klemmschulter (ringförmige Kante 19) vorgesehen, die an ihrer der Spitze (9) des Kontaktteiles (3, 3') zuweisenden Seite eine Kegelfläche (siehe konisch ausgeführte Bohrung 18) mit einem Winkel zur Senkrechten (siehe Öffnungswinkel der Kegelfläche) aufweist, und - das Kontaktteil (3, 3') ist nur so weit in die Anschlusskammer und den darin eingefügten Litzenleiter (2) einschraubbar, dass zwischen der Spitze (9) des Kontaktteiles (3, 3') und der Kegelfläche (18) der Schulter (19) eine Mindestüberlappung verbleibt

(vgl. die Ansprüche 1 bis 3 i. V. m. den Figuren 1, 2, 4 und 6 mit zugehöriger Beschreibung). Der Öffnungswinkel der kegelförmigen Spitze (9) des Kontaktteils (3, 3') und derjenige der Kegelfläche (18) der Klemmhülse (4) sind dabei gleich, d. h. die Kegelflächen sind parallel (vgl. Fig. 1).

Entgegen der von der Patentinhaberin vertretenen Auffassung (vgl. Schriftsatz vom 22. Februar 2005, Seite 3, Absätze 2 bis 6) gehört das die Mindestüberlappung betreffende letzte Merkmal nach dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1 des Streitpatents zweifelsohne auch bereits zum Stand der Technik nach der Druckschrift E3 (vgl. die Überlappung in Fig. 1 der Druckschrift E3 mit der Überlappung 13 in Fig. 1 des Streitpatents). Die Textstelle der Druckschrift E3, auf die die Patentinhaberin Bezug nimmt, beschreibt nämlich den Zustand bei nicht eingefügtem Litzenleiter (2) (vgl. Seite 3, letzter Absatz i. V. m. Fig. 1 bei entferntem Litzenleiter), während das letzte Merkmal nach dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1 des Streitpatents den Zustand bei eingefügtem Litzenleiter betrifft.

Derartige Kontaktelemente ergeben mechanisch feste Hochstromverbindungen mit Litzenleiterkabeln, die auch durch hohe Zugkräfte und Vibrationen nicht ungewollt trennbar sind (vgl. Streitpatentschrift, Abschnitt [0002]). Als nachteilig wird von der Patentinhaberin dabei eine ungenügende Langzeitstabilität bezüglich der Auszugs- und der Vibrationssicherheit angesehen (vgl. Abschnitt [0008] der Streitpatentschrift).

Vor diesem Hintergrund liegt dem Streitpatentgegenstand als technisch Problem die Aufgabe zugrunde, eine lösbare Verbindung zwischen einem Kontaktelement der gattungsgemäßen Art und einem Litzenleiter dahingehend auszubilden, dass der Litzenleiter neben optimalen elektrischen Kontakteigenschaften, insbesondere bei Vibrationseinflüssen mit einer hohen Auszugssicherheit im Kontaktelement gehalten wird (vgl. Streitpatentschrift, Abschnitt [0009]).

Diese Aufgabe wird bei einem gattungsgemäßen Kontaktelement durch die Kombination des letzten Merkmals nach dem Oberbegriff mit dem Merkmal nach dem kennzeichnenden Teil Patentanspruchs 1 gelöst (vgl. hierzu die Streitpatentschrift, Abschnitt [0010]). Nach den überzeugenden Ausführungen der Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung wird nämlich dadurch, dass - zwischen der Spitze (5) des Kontaktteils (3) und der Kegelfläche (11) der Klemmschulter eine Mindestüberlappung (13) verbleibt und - der Winkel () der Kegelfläche der Spitze (5) des Kontaktteiles (3) kleiner als der Winkel () der Kegelfläche (11) der Klemmschulter (9) ist, im Überlappungsbereich zwischen den aufgrund der unterschiedlichen Winkel (, ) gegeneinander geneigten Kegelflächen ein keilförmiger Pfropfen gebildet, der ein Herausziehen des Litzenleiters - trotz fließenden Litzenmaterials - wirksam verhindert (vgl. hierzu auch den entsprechenden Luftkeil in Fig. 1 der Streitpatentschrift).

Durch die unterschiedlichen Öffnungswinkel der Kegelfläche der Klemmschulter und der konischen Spitze des Kontaktteils wird zudem eine wesentlich höhere Verquetschung des Litzenleiters in der Kegelzone als bei dem bekannten gattungsgemäßen Kontaktelement erzielt, bei dem die Öffnungswinkel - wie dargelegt - gleich sind, d. h. die Kegelflächen parallel sind (vgl. Streitpatentschrift, Abschnitt [0012]). Daraus ergibt sich wiederum eine höhere Langzeitstabilität der elektrischen Kontaktierung, eine bessere Beständigkeit gegen ein Lösen der Klemmung bei Vibrationen, eine weit höhere Auszugssicherheit des Litzenleiters und - aufgrund der Gasdichtheit der Verquetschung -auch optimale Übergangswiderstände (vgl. die Abschnitte [0013] und [0014] der Streitpatentschrift).

4. Der zweifelsohne gewerblich anwendbare Gegenstand des erteilen Patentanspruchs 1 des Streitpatents ist gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik neu und beruht diesem gegenüber auch auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Durchschnittsfachmanns, der hier als ein mit der Entwicklung und Fertigung von Kontaktelementen für Hochstromverbindungen mit Litzenleiterkabeln befasster berufserfahrener Elektroingenieur mit Fachhochschulausbildung zu definieren ist, der auch über die erforderlichen Maschinenbaukenntnisse verfügt.

a) Der von der Einsprechenden vertretenen Auffassung, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents sei durch die Druckschrift E1 neuheitsschädlich getroffen, kann nicht beigetreten werden.

Die Druckschrift E1 offenbart zwar - in der Terminologie des Streitpatents - ein Kontaktelement (Kabelschuh 1) mit einem Anschluss für Litzenleiter (Schweißkabel 7), das folgende Merkmale des Patentanspruchs 1 des Streitpatents aufweist:

- das Kontaktelement (1) ist aus einer Klemmhülse (Endbereich 13 des Kabelschuhs 1) und einem in der Klemmhülse schraubbar gehaltenen, dornartigen Kontaktteil (Dorn 6) gebildet,

- das Kontaktteil (6) weist eine kegelförmige Spitze (kegelige Spitze 15) mit einem Winkel zur Senkrechten auf (siehe Öffnungswinkel des Kegels),

- an der Klemmhülse (13) ist ein trichterförmiges Anschlussende (Konus 2), durch das der Litzenleiter (7) in eine innere Anschlusskammer (zylindrischer Abschnitt 4) einführbar ist, und eine in den Innenraum der Klemmhülse (13) hineinragende Klemmschulter (Schulter 8) vorgesehen

(vgl. Anspruch 1 i. V. m. Fig. 1 nebst zugehöriger Beschreibung).

Zum Offenbarungsgehalt der Druckschrift E1 gehören jedoch ersichtlich nicht die weiteren Merkmale des Patentanspruchs 1 des Streitpatents, wonach:

- die Klemmschulter an ihrer der Spitze des Kontaktteiles zuweisenden Seite eine Kegelfläche mit einem Winkel zur Senkrechten aufweist,

- das Kontaktteil nur so weit in die Anschlusskammer und den darin eingefügten Litzenleiter einschraubbar ist, dass zwischen der Spitze des Kontaktteiles und der Kegelfläche der Schulter eine Mindestüberlappung verbleibt, und - der Winkel der Kegelfläche der Spitze des Kontaktteiles kleiner als der Winkel der Kegelfläche der Klemmschulter ist.

Ein Kegel wird nämlich auch in der von der Einsprechenden vorgelegten Definition der Druckschrift E2 von einer Kegelfläche und einem Ebenenstück (Grundfläche) begrenzt, wobei die Kegelfläche durch Bewegung einer Geraden (Erzeugenden) entsteht, die durch einen festen Punkt (Scheitel) geht und längst einer Kurve (Leitkurve) gleitet. Auch diese Definition impliziert also, dass der Öffnungswinkel des Kegels kleiner als 90¡ ist. Denn bei einem Öffnungswinkel von 90¡ gibt es ersichtlich keinen Kegel mit Kegelfläche und Grundfläche, da die Erzeugende dann durchgehend in der Grundfläche liegt und somit keine Kegelfläche erzeugt.

Da die Klemmschulter (8) des Kontaktelements nach der Druckschrift E1 aber eine senkrecht abgewinkelte Schulterfläche aufweist (vgl. die Fig. 1 i. V. m. Spalte 2, Zeile 65 bis Spalte 3, Zeile 1) - was einem Öffnungswinkel von 90¡ entsprechen würde -, handelt es sich dabei also nicht um eine Kegelfläche - zumal an der der Spitze (15) des Kontaktteils (6) zuweisenden Seite der Klemmschulter (8) -, wie dies der Patentanspruch 1 des Streitpatents vorschreibt. Infolgedessen kann das Kontaktelement nach der Druckschrift E1 aber auch nicht die eine Klemmschulter mit Kegelfläche voraussetzenden weiteren Merkmale des Patentanspruchs 1 des Streitpatents aufweisen, wonach das Kontaktteil nur so weit in die Anschlusskammer und den darin eingefügten Litzenleiter einschraubbar ist, dass zwischen der Spitze des Kontaktteiles und der Kegelfläche der Schulter eine Mindestüberlappung verbleibt, bzw. wonach der Winkel der Kegelfläche der Spitze des Kontaktteiles kleiner als der Winkel der Kegelfläche der Klemmschulter ist.

Des Weiteren kann der Einsprechenden auch nicht gefolgt werden, soweit sie den Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents durch die Fig. 3 der Druckschrift E4 neuheitsschädlich vorweggenommen sieht.

Die Neuheit gegenüber dem in Fig. 3 der Druckschrift E4 offenbarten Kontaktelement (solderless terminal connecting device) ergibt sich nämlich schon daraus, dass bei diesem die Spitze (tapered portion 14) des Kontaktteils (hub 12) und die Klemmschulter (tapering neck or reduced portion 7) der Klemmhülse (lug 5) an ihrer der Spitze (14) des Kontaktteils (12) zuweisenden Seite jeweils keine Kegelfläche aufweisen. Ausweislich der Definition in der der Druckschrift E2 wird eine Kegelfläche nämlich - wie dargelegt - durch Bewegung einer Geraden erzeugt. Demgegenüber sind in Fig. 3 der Druckschrift E4 jedoch die Spitze des Kontaktteils und die Klemmschulter jeweils durch Bewegung einer gebogenen Linie erzeugt. Soweit die Einsprechende aus Fig. 3 der Druckschrift E4 zudem meint herleiten zu können, dass der Winkel der Spitze (14) des Kontaktteils (12) kleiner als derjenige der Klemmschulter (7) ist (vgl. die Anlage zum Schriftsatz vom 8. Februar 2007), interpretiert sie dabei einen Winkel von in einem zylindrischen Teil (cylindrical portion 8) durch Crimpung oder Einkerbung (10) gebildeten spiralförmigen Vorsprüngen (11) (the cylindrical portion 8 is crimped or indented spirally, as shown at 10, to produce the inner spiral projections 11; vgl. die Figuren 1 bis 3 mit zugehöriger Beschreibung auf Seite 1, rechte Spalte, letzter Absatz bis Seite 2, linke Spalte, Absatz 1) fälschlicherweise als Winkel einer Kegelfläche der Klemmschulter (7).

Die auch von der Einsprechenden nicht in Frage gestellte Neuheit des Gegenstands des Patentanspruchs 1 des Streitpatents gegenüber dem weiteren im Verfahren befindlichen Stand der Technik ergibt sich implizit aus den nachfolgenden diesbezüglichen Ausführungen zur erfinderischen Tätigkeit.

b) Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents beruht gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik auch auf einer erfinderischen Tätigkeit des vorstehend definierten zuständigen Durchschnittsfachmanns.

Die dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents am nächsten kommende Druckschrift E3, von der - wie dargelegt - im Oberbegriff des Patentanspruchs 1 ausgegangen wird, sieht nämlich vor, dass der Öffnungswinkel der kegelförmigen Spitze (9) des Kontaktteils (3, 3') und derjenige der Kegelfläche (18) der Klemmhülse (4) gleich sind, d. h. die beiden Kegelflächen parallel zueinander verlaufen (vgl. Fig. 1). Dementsprechend findet sich in dieser Druckschrift kein Hinweis darauf, dass es im Hinblick auf eine hohe Auszugssicherheit des Litzenleiters von Vorteil sein könnte, den Winkel der Kegelfläche der Spitze des Kontaktteils kleiner als den Winkel der Kegelfläche der Klemmschulter zu bemessen, wie dies der Patentanspruch 1 des Streitpatents lehrt.

Gleiches gilt auch für die Kontaktelemente für Litzenleiter nach den Druckschriften E4, D1 und D2, bei denen die Fläche der Spitze des Kontaktteils und die Fläche der Klemmschulter gleichfalls parallel zueinander verlaufen, wobei diese Flächen bei dem Kontaktelement nach der Druckschrift E4 - wie dargelegt - zudem keine Kegelflächen sind (vgl. die Figuren 1 und 3 der Druckschrift E4, die Fig. 1 der Druckschrift D1 bzw. die Fig. 5 der Druckschrift D2).

Eine Anregung zu der Problemlösung nach dem Patentanspruch 1 des Streitpatents erhält der Fachmann jedoch auch nicht bei Einbeziehung der Druckschriften E1, E2, E5 und D3.

Denn die vorstehend bereits erörterte Druckschrift E1 führt den Fachmann insofern von der Merkmalskombination des Patentanspruchs 1 des Streitpatents weg, als sie ihn allenfalls dazu anzuregen vermag, beim gattungsgemäßen Kontaktelement nach der Druckschrift E3 anstelle der sich mit der Kegelfläche der Spitze des Kontaktteils überlappenden Kegelfläche der Klemmschulter eine rechtwinklig abgewinkelte Schulterfläche - nach dem Vorbild der Fig. 1 der Druckschrift E1 - vorzusehen, zwischen der und der Kegelfläche der Spitze keinerlei Überlappung im Sinne des Patentanspruchs 1 des Streitpatents vorhanden ist, wobei der Fachmann damit auch nicht zu dem weiteren Merkmal der Merkmalskombination des Patentanspruchs 1 des Streitpatents gelangt, wonach der Winkel der Kegelfläche der Spitze des Kontaktteiles kleiner als der Winkel der Kegelfläche der Klemmschulter ist, da die rechtwinklig abgewinkelte Schulterfläche nach der Druckschrift E1 - wie dargelegt - keine Kegelfläche ist.

Soweit die Einsprechende darauf abstellt (vgl. den Einspruchsschriftsatz vom 7. Oktober 2004, Seite 6, Abschnitt 2.2.3 "Das Problem der Fertigungstoleranzen"), dass Fertigungstoleranzen beim Stand der Technik nach der Druckschrift E1 dazu führen könnten, dass aus der dortigen Klemmschulter mit zur Achse senkrechter Schulterfläche eine Klemmschulter mit einer Kegelfläche wird, wobei dann der Winkel der Kegelfläche der Spitze des Kontaktteiles kleiner als der Winkel der Kegelfläche der Klemmschulter wäre, kann dem insofern nicht gefolgt werden, als Fertigungstoleranzen nicht zum Offenbarungsgehalt der Druckschrift E1 gehören, weshalb es sich dabei um eine unzulässige ex post Betrachtung aus der Kenntnis der Erfindung handelt, mit der die Einsprechende die Erfindung nachträglich in diese Druckschrift hineinzuinterpretieren versucht.

Bei der nur zur Definition der Kegelfläche vorgelegten Druckschrift E2 handelt es sich um einen Auszug aus einem Taschenbuch der Mathematik, der als solcher nichts zum einschlägigen Stand der Technik beiträgt und daher dem Fachmann auch keines der Merkmale der Merkmalskombination des Patentanspruchs 1 des Streitpatents nahezulegen vermag.

Das Kontaktelement nach der Druckschrift E5 führt den Fachmann insofern in eine andere Richtung, als dessen Kontaktteil (cap 15) eine kegelförmige Spitze (conical point 31) mit einem Winkel aufweist, der größer als der Winkel der die Spitze (31) umgebende Kegelfläche der Kontakthülse (13) ist (vgl. die Fig. 5 mit zugehöriger Beschreibung), wobei dies auch für den Fall gilt, dass die Kegelfläche der Kontakthülse (13) über einen Absatz (crimp 37) - insoweit entsprechend der Schulter (8) in Fig. 1 der Druckschrift E1 - in eine zylindrische Fläche übergeht (vgl. die Fig. 6 mit zugehöriger Beschreibung).

Die von der Einsprechenden nicht aufgegriffene Druckschrift D3 aus dem Prüfungsverfahren betrifft eine Zugsicherung aus Isoliermaterial (la tête (a) en fibre vulcanisee ou autre isolant, vgl. Seite 1, rechte Spalte, Zeilen 41 bis 42), mit der Zuleitungen von Elektrogeräten, beispielsweise Lampenfassungen (douille de lampe), gegen Herausziehen aus dem Elektrogerät gesichert werden können. Zwar ist dabei ein in eine Hülse (tête a) einschraubbares dornartiges Teil (le tampon filete e) mit kegelförmiger (conique) Spitze vorhanden (vgl. die Figuren 1 und 2 mit zugehöriger Beschreibung). Jedoch weist die Hülse (a) nur auf den ersten Blick - d. h. bei alleiniger Betrachtung der Figuren 1 und 2 - eine Kegelfläche im Sinne des Patentanspruchs 1 des Streitpatents auf. In Wirklichkeit handelt es sich dabei um zwei diametral gegenüberliegende, geneigte Einführöffnungen für die zwei Leitungen (les conducteurs ou fils flexible f) der Zuleitung. D. h. in Fig. 1 scheint die kegelförmige Spitze des einschraubbaren Teils (e) nur auf den ersten Blick einen kleineren Winkel als die - in Wirklichkeit nicht vorhandene - Kegelfläche der Hülse (a) aufzuweisen.

Das Kontaktelement mit einem Anschluss für Litzenleiter nach dem Patentanspruch 1 des Streitpatents (Hauptantrag) ist demnach patentfähig. Die Abhandlung der Hilfsanträge 1-4 erübrigt sich somit.

5. An den erteilten Patentanspruch 1 kann sich der darauf zurückbezogene Unteranspruch 2 anschließen, der eine vorteilhafte und nicht selbstverständliche Ausführungsart des Gegenstands des Patentanspruchs 1 betrifft.

6. In der Beschreibung ist der maßgebliche Stand der Technik angegeben, von dem die Erfindung ausgeht, und das beanspruchte Kontaktelement anhand der Zeichnung ausreichend erläutert.

7. Das Streitpatent war daher entsprechend dem Antrag der Patentinhaberin in der erteilten Fassung aufrechtzuerhalten.






BPatG:
Beschluss v. 27.02.2007
Az: 23 W (pat) 354/04


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