Finanzgericht Berlin-Brandenburg:
Beschluss vom 29. Mai 2006
Aktenzeichen: 8 G 8296/03

(FG Berlin-Brandenburg: Beschluss v. 29.05.2006, Az.: 8 G 8296/03)

Tatbestand

I. In der mündlichen Verhandlung vom 8. August 2005 hat der Beklagte auf Vorschlag des Gerichts der vorliegenden Klage zum Az.: xxx zum Teil abgeholfen. Beide Beteiligte haben daraufhin die Hauptsache für erledigt erklärt und der Senat hat das Klageverfahren eingestellt. Die Kosten des Verfahrens hat das Gericht den Beteiligten je zur Hälfte auferlegt.

In dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20. Dezember 2005, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die der Klägerin von dem Beklagten zu erstattenden Kosten auf 2 847,50 EUR festgesetzt. Darin enthalten ist eine von dem Klägervertreter beantragte Erledigungsgebühr in Höhe von 1 508,00 EUR. Zur Begründung führte der Kostenbeamte aus, das Mitwirken des Klägervertreters an der Erledigung des Rechtsstreits bestehe im Streitfall in der Hinnahme des geänderten Verwaltungsakts für den Steuerpflichtigen ohne Beharren auf streitiger Entscheidung.

Hiergegen hat der Beklagte und Erinnerungsführer Erinnerung eingelegt.

Er trägt vor, eine Erledigungsgebühr sei nicht angefallen, der Prozessvertreter der Klägerin habe diese nicht verdient. Das Finanzgericht Köln habe in seinem Beschluss vom 15. Oktober 2001 (10 KO 3092/01) entschieden, dass eine Erledigungsgebühr gem. § 24 BRAGO nicht anfalle, wenn "sich das Finanzamt aufgrund eines Verständigungsvorschlags des Gerichts zur Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts bereiterklärt und die Beteiligten daraufhin dem Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklären, ohne das der Prozessbevollmächtigte zuvor einen eigenen Einigungsvorschlag unterbreitet oder feststellbar im Anschluss an den Erledigungsvorschlag des Gerichts auf den Kläger eingewirkt hat, das ursprüngliche Klagebegehren im Interesse einer außergerichtlichen Beendigung des Rechtsstreits nicht unwesentlich einzuschränken".

Im Streitfall habe der Prozessbevollmächtigte der Klägerin weder vor der Einigung einen eigenen Vorschlag unterbreitet noch habe er nach dem Vorschlag des Gerichts in der mündlichen Verhandlung auf die Klägerin eingewirkt. Er habe sich vielmehr lediglich mit dem Vorschlag des Gerichts einverstanden erklärt. Diese Handlung stelle keine besondere Leistung dar, die zur Festsetzung einer Erledigungsgebühr führen könne.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat dagegen vorgetragen, er habe in Kenntnis des Einigungsvorschlags des Gerichts bereits vor der mündlichen Verhandlung auf die Klägerin eingewirkt, diesen Vorschlag anzunehmen.

Mit Beschluss vom 27. Januar 2006 hat der Kostenbeamte der ebenfalls von der Klägerin eingelegten Erinnerung gegen den Beschluss vom 20. Dezember 2005 abgeholfen. Er hat antragsgemäß den Verzinsungsausspruch des Erstattungsbetrages mit aufgenommen. Die vorliegend streitige Erledigungsgebühr ist von der Änderung unberührt geblieben.

Gründe

II. Die Erinnerung ist zulässig, aber unbegründet.

Gemäß § 24 BRAGO erhält der mit der Prozessführung beauftragte Rechtsanwalt eine volle Gebühr, wenn sich der Rechtsstreit durch Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts erledigt und der Anwalt bei der Erledigung mitgewirkt hat. Hiermit soll die zusätzliche Arbeit und Mühe des Bevollmächtigten honoriert werden, die er darauf verwendet, ohne Herbeiführung einer gerichtlichen Entscheidung einen belastenden Verwaltungsakt von seinem Mandanten abzuwenden und ihm hierdurch die Unannehmlichkeiten, Unsicherheiten, den Zeitaufwand und das Kostenrisiko zu ersparen, die mit der Fortführung eines gerichtlichen Verfahrens verbunden sind (Gerold/Schmidt-von Eicken, BRAGO, § 24 A). Die Gebühr fällt daher nach ständiger Rechtsprechung der für die Kosten zuständigen Senate des Finanzgerichts Hamburg (vgl. z.B. Beschluss vom 31.05.1988, I 30/87 VI-E, EFG 1988, S. 594) und der weitaus überwiegenden Rechtsprechung der Finanzgerichte (vgl. die Nachweise bei Hartmann, Kostengesetze, 33. Aufl. 2004, § 24 BRAGO Tz. 9-12) nur an, wenn der Bevollmächtigte eine besondere, gerade auf die außergerichtliche Erledigung gerichtete Tätigkeit entfaltet, die über eine bereits mit der Prozessgebühr gemäß § 31 Nr. 1 BRAGO abgegoltene Verfahrensförderung hinausgeht (vgl. hierzu Hartmann, a.a.O., § 24 BRAGO Rdnr. 9 m.w.N.).

Das erforderliche besondere Mitwirken kann beispielsweise in dem Unterbreiten eines Erledigungsvorschlags bestehen. Denkbar ist auch ein Einwirken auf eine vorgesetzte Behörde, das die Aufhebung/Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts nach sich zieht. Aber auch das mit einer zusätzlichen Beratungsleistung verbundene Einwirken auf den Steuerpflichtigen dahin, das ursprüngliche Klagebegehren im Interesse der außergerichtlichen Beendigung des Rechtsstreits nicht unwesentlich einzuschränken, ist eine über die allgemeine Prozessführung hinausgehende Tätigkeit und damit eine besondere Leistung, die nicht mit der allgemeinen Prozessgebühr abgegolten ist.

Nach den vorstehenden Grundsätzen fällt eine Erledigungsgebühr stets dann an, wenn der angefochtene Verwaltungsakt von der Verwaltungsbehörde geändert wird, ohne dass dem materiellrechtlichen Begehren des Klägers dadurch voll Genüge getan wird (Teilabhilfe). Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Vortrag des Prozessbevollmächtigten gerade darauf abgezielt hat, die Verwaltung zu einer solchen Änderung des angefochtenen Bescheids zu bewegen, und ob er dadurch die Erledigung des Rechtsstreits gefördert hat oder ob er aufgrund eines Vorschlags der Behörde oder des Gerichts einer solchen Erledigung lediglich zugestimmt hat. Denn § 24 BRAGO will den notwendigen Ausgleich dafür schaffen, das sich Rechtsbehelfe gegen Verwaltungsakte in der Regel nicht durch Abschluss eines Vergleichsvertrages erledigen lassen und daher eine Vergleichsgebühr nach § 23 BRAGO in Anfechtungssachen regelmäßig nicht verdient werden kann.

Deshalb gilt in Fällen der Teilabhilfe wie dem Streitfall folgendes: wie die Zubilligung einer Vergleichsgebühr lediglich eine Erledigung des Rechtsstreits durch gegenseitiges Nachgeben voraussetzt, kann der Anspruch auf eine Erledigungsgebühr nicht von weiteren Anforderungen an die Zielrichtung der Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten abhängig gemacht werden, wenn in einer Anfechtungssache die Beteiligten nachgeben, die Behörde dem Klagebegehren durch Änderung ihres Verwaltungsakts entgegenkommt und der Kläger dafür von seinem weitergehenden Begehren Abstand nimmt (vgl. Finanzgericht Hamburg, Beschluss vom 31. Mai 1988, I 30/87, Entscheidungen der Finanzgerichte 1988, 594.; so sinngemäß auch Finanzgericht Köln, Beschluss vom 1. Juni 2005, 10 KO 707/05, unveröffentlicht).

Im Streitfall hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in diesem Sinne bei der materiellen Erledigung mitgewirkt. Seine Tätigkeiten hielten sich damit nicht im Rahmen des bereits durch die Prozessgebühr Abgegoltenen.

Die Erinnerung hat nach allem keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO . Die Entscheidung über die Erinnerung ergeht gerichtsgebührenfrei, weil das Kostenverzeichnis (Anlage 1 zum GKG) eine Gebühr für diesen Beschluss nicht vorsieht. Die Pflicht zur Kostentragung beschränkt sich demgemäss auf die Auslagen des Gerichts und der außergerichtlichen Kosten.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.






FG Berlin-Brandenburg:
Beschluss v. 29.05.2006
Az: 8 G 8296/03


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/d90c33014ee2/FG-Berlin-Brandenburg_Beschluss_vom_29-Mai-2006_Az_8-G-8296-03




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share