Bundespatentgericht:
Beschluss vom 23. April 2009
Aktenzeichen: 8 W (pat) 376/04

(BPatG: Beschluss v. 23.04.2009, Az.: 8 W (pat) 376/04)

Tenor

Das Patent 102 20 552 wird gemäß Hauptantrag aufrecht erhalten.

Gründe

I.

Auf die am 8. Mai 2002 beim Patentamt eingereichte Patentanmeldung ist das Patent 102 20 552 mit der Bezeichnung "Antriebsvorrichtung für einen gleichsinnig drehenden Mehrwellenextruder" erteilt und die Erteilung am 15. Juli 2004 veröffentlicht worden.

Gegen das Patent hat die Firma R... GmbH & Co. Maschinenfabrik in T...

am 15. Oktober 2004 Einspruch erhoben.

Die Einsprechende hat zur Stützung ihres Vorbringens zunächst auf den Stand der Technik nach der Druckschrift D1 US4170150 und mit Schriftsatz vom 8. April 2009, eingegangen am selben Tag, noch auf den Stand der Technik nach den Druckschriften D2 US3843757 D3 DE20022605U1 D4 DE29805025U1 D5a RU2016287C1 D5b eine deutsche Übersetzung der RU 2 016 287 C1 verwiesen.

Sie hat die Neuheit des erteilten Patentanspruchs 1 gegenüber dem aufgezeigten Stand der Technik, insbesondere nach den Druckschriften D2 und D5 verneint, weil der Fachmann bei dem in der Figur der D2 aufgezeigten Motor (11) einen Rotor und einen Stator mitlese und dieser Rotor mit den Schneckenwellen (12) und (14) über eine Verzahnung kämme, wobei nach ihrer Auffassung auch der Anspruch 1 des Streitpatents den indirekten Betrieb nach der Druckschrift D2 nicht ausschließe, weil er nicht sage, dass der Rotor direkt mit den Schneckenwellen verbunden sei. Bei dem in der Druckschrift D5 gezeigten Ausführungsbeispiel eines Doppelschneckenextruderantriebs nach den Figuren 1 und 2 treibe ein Hohlrad (8) die Schneckenwellen (21) und (25) an, so dass auch dort -wenn auch indirekt -der Rotor eines nicht gezeigten Motors über eine Antriebsritzelwelle (11) und das Hohlrad mit den Antriebswellen wirkverbunden seien. Da das Hohlrad (8) eine Innenverzahnung aufweise, die mit komplementären Verzahnungen an den Antriebswellen der Extruderschnecken im direkten Eingriff stehen, sei auch diese Druckschrift neuheitsschädlich.

Die Lehre des Patentanspruchs 1 sei auch insbesondere gegenüber einer Zusammenschau der Druckschriften D3 und D5 nicht das Resultat einer erfinderischen Tätigkeit. Die D3 zeige bereits ein Gehäuse für einen Rotor (8) mit einem Verbindungsflansch (11) und einer Anschlusshülse (10), in dem ein Wellenabschnitt (9) einer Extruderschnecke angeordnet sei und auch dort sei bereits eine Innenverzahnung am Rotor und eine Außenverzahnung an dem Wellenabschnitt (9) vorgesehen, die miteinander in Eingriff stünden. Der einzige Unterschied des Patentgegenstandes nach Anspruch 1 sei, dass zumindest zwei Extruderwellen mit dem Rotor wirkverbunden sind, während die D3 einen Extruder mit nur einer Schneckenwelle angebe. Auf der Suche nach einem Antrieb für einen Mehrschneckenextruder finde der Fachmann die Lösung in der Druckschrift D5, weil dort eine Hohlwelle (8) mit Innenverzahnung gezeigt sei, die mit der Außenverzahnung von zwei Extruderwellen kämme. Der Fachmann werde dieses Innenantriebsprinzip auf den Rotor nach der D3 übertragen, weil er nach Auffassung der Einsprechenden sehe, dass dies zweckmäßig sei.

Die Patentinhaberin hat dem Vorbringen der Einsprechenden widersprochen.

Sie ist der Auffassung, dass in der Druckschrift D3 zwar -wie im Streitpatent -der Antrieb einer Extruderschnecke dadurch verkürzt sei, dass der Rotor die Extruderschnecke direkt antreibe, der Fachmann aber auf der Suche nach einer Antriebslösung für einen Mehrwellenextruder die Druckschrift D5 nicht in Betracht ziehen würde, weil dort zwar ein Getriebe, aber weder ein Antriebsmotor noch ein Gehäuse dafür erwähnt seien. Das Bezugszeichen (11) beziehe sich lediglich auf eine Antriebsritzelwelle, aber wo deren Antrieb herkomme, sei nicht dargestellt. Die Lehre nach der D3 führe aber von Getrieben weg, so dass der Fachmann diesen bekannten Direktantrieb nicht mit einem indirekten Getriebeantrieb, wie er aus der D5 bekannt sei, kombinieren könne. Die D5 könne auch nicht neuheitsschädlich sein, weil keines der Merkmale des erteilten Anspruchs 1 von ihr getroffen werde.

Die Druckschrift D2 komme nach ihrer Auffassung dem Streitpatentgegenstand zwar am nächsten, weil dort der Fachmann einen Motor mit Rotor und Stator mitlesen könne, so dass eine Antriebsvorrichtung für einen gleichsinnig drehenden Mehrschneckenextruder mit einem in einem Gehäuse aufgenommenen Antriebsmotor, der einen Stator und einen Rotor aufweist, entnehmbar sei, bei der der Rotor mit den Antriebswellen der Extruderschnecken wirkverbunden sei. Ein Gehäuse mit Rotor und Stator und Extruderwellen so wie nach Anspruch 1 des Streitpatents sei aber auch bei dieser Antriebsart nicht vorgesehen.

Zur Erläuterung des Patentgegenstandes hat die Patentinhaberin noch ausgeführt, dass die im Ausführungsbeispiel der Streitpatentschrift angegebene Anschlussbüchse mit Verzahnung integral mit dem Rotor verbunden und damit Teil des Rotors sei.

Die Patentinhaberin stellt den Antrag, das Patent gemäß Hauptantrag, eingegangen am 7. Februar 2005, in vollem Umfang, hilfsweise, es im Umfang der Hilfsanträge 1 und 2, überreicht in der mündlichen Verhandlung, beschränkt aufrecht zu erhalten.

Die Einsprechende stellt den Antrag, das Patent zu widerrufen.

Der erteilte Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:

"Antriebsvorrichtung für einen gleichsinnig drehenden Mehrschneckenextruder, mit einem in einem Gehäuse (12) aufgenommenen Antriebsmotor, der einen Stator (14) und einen Rotor (1) aufweist, wobei der Rotor (1) mit den Antriebswellen (3, 4) der Extruderschnecken wirkverbunden ist, dadurch gekennzeichnet, dass an dem Rotor (1) eine Verzahnung angeordnet ist, die mit komplementären Verzahnungen (16, 18) an zumindest zwei der Antriebswellen (3, 4) der Extruderschnecken im direkten Eingriff steht."

Zu den erteilten Unteransprüchen 2 bis 12 wird auf die Patentschrift und zu den weiteren Einzelheiten des gegenseitigen Vorbringens im Übrigen auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Über den Einspruch, der nach dem 1. Januar 2002 und vor dem 1. Juli 2006 formund fristgerecht eingelegt worden ist, hat der zuständige Technische Beschwerdesenat gemäß § 147 Abs. 3 PatG a. F. zu entscheiden, da die mit der Einlegung des Einspruchs begründete Entscheidungsbefugnis durch die spätere Aufhebung der Vorschrift nicht entfallen ist (vgl. auch BGH GRUR 2007, 859, 861 und 862 ff. -Informationsübermittlungsverfahren I und II; bestätigt durch BGH, Beschluss vom 9.12.2008 -Ventilsteuerung Mitt. 2009, 72).

Der formund fristgerecht eingelegte Einspruch ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

Dem Patentgegenstand liegt eine patentfähige Erfindung zu Grunde.

1. Der Gegenstand des Streitpatents ist nach dem geltenden erteilten Anspruch 1 eine Antriebsvorrichtung für einen gleichsinnig drehenden Mehrwellenextruder.

Die Streitpatentschrift geht dabei von einem gleichsinnig drehenden Mehrschneckenextruder als Stand der Technik aus, der in herkömmlicher Weise einen Antriebsmotor, ein Untersetzungsgetriebe und ein Verteilergetriebe aufweist, das die Kraft von dem Antriebsmotor auf die Extruderschnecken überträgt, und führt aus, dass diese konstruktive Ausgestaltung einen viel zu großen Platz benötige sowie eine sperrige Bauweise und zudem zu hohe Kosten verursache (vgl. Streitpatentschrift, Abs. [0002] u. [0003]).

Die Streitpatentschrift bezieht sich außerdem auf den Stand der Technik nach der DE 20 022 605 U2 (D3) und führt aus, dass aus dieser Druckschrift eine Extrudiervorrichtung mit einer Extruderschnecke und einem Schneckenantrieb bekannt sei, der ein Antriebsgehäuse sowie einen Antriebsmotor mit einem Stator und einem Rotor umfasse, der ohne Zwischenschaltung eines Getriebes an einen Anschlussabschnitt der Extruderschnecke angeschlossen sei, dass aber eine Zweioder Mehrschneckenkonstruktion damit nicht beschrieben sei (vgl. Abs. [0004]).

Dem Streitpatent liegt daher die Aufgabe zugrunde, eine einfache und platzsparende Konstruktion für einen gleichsinnig drehenden Mehrschneckenextruder anzugeben (vgl. Streitpatentschrift, Abs. [0005]).

Zur Lösung dieser Aufgabe gibt der erteilte Anspruch 1 eine Antriebsvorrichtung für einen Mehrschneckenextruder mit den folgenden Merkmalen an:

1.

Die Antriebsvorrichtung ist für einen gleichsinnig drehenden Mehrschneckenextruder vorgesehen.

2.

Die Antriebsvorrichtung weist einen in einem Gehäuse aufgenommenen Antriebsmotor auf.

2.1 Der Antriebsmotor weist einen Stator und einen Rotorauf.

2.1.1 Der Rotor ist mit den Antriebswellen der Extruderschnecken wirkverbunden.

2.1.2 An dem Rotor ist eine Verzahnung angeordnet.

2.1.2.1 Die Verzahnung steht mit komplementären Verzahnungen an zumindest zwei der Antriebswellen der Extruderschnecken im direkten Eingriff.

Demnach ist gemäß Anspruch 1 als Antriebsvorrichtung für einen gleichsinnig drehenden Mehrschneckenextruder (Merkmal 1) ein Antriebsmotor vorgesehen, der in einem Gehäuse (12) aufgenommen ist (Merkmal 2) und einen Stator (14) und einen Rotor (1) aufweist (Merkmal 2.1), die sich demnach gleichermaßen in dem Gehäuse (12) befinden. Aus den weiteren Merkmalen des Anspruchs 1 geht hervor, dass der Rotor des Antriebsmotors mit den Antriebswellen (3, 4) der Extruderschnecken wirkverbunden ist (Merkmal 2.1.1) und für diese Wirkverbindung an dem Rotor (1) eine Verzahnung angeordnet ist (Merkmal 2.1.2), die mit komplementären Verzahnungen an zumindest zwei der Antriebswellen der Extruderschnecken im direkten Eingriff steht (Merkmal 2.1.2.1) (vgl. Figur der Streitpatentschrift).

Wird die Antriebsvorrichtung an einem Extrudergehäuse angeordnet, dann kämmt die am Rotor angeordnete Verzahnung direkt mit den an den Antriebswellen vorgesehenen Verzahnungen (vgl. Streitpatentschrift, Absatz [0007] u. Figur). Aus dieser Art der Wirkverbindung des Rotors mit den Antriebswellen der Extruderschnecken ergibt sich, dass die Antriebswellen (3, 4) der Extruderschnecken in das Gehäuse (12) des Antriebsmotors ragen und die Wirkverbindung innerhalb des Gehäuses (12) erfolgt, wie aus dem Ausführungsbeispiel nach der Figur der Streitpatentschrift ersichtlich ist.

Als eine an dem Rotor angeordnete Verzahnung nach Merkmal 2.1.2 versteht das Streitpatent nicht nur eine Verzahnung, die unmittelbar am Rotor selbst ausgebildet ist, sondern auch eine Verzahnung, die nicht unmittelbar am Rotor selbst, sondern an einer Büchse ausgebildet ist, welche wiederum fest mit dem Rotor verbunden ist (Abs. [0011]), wie die Patentinhaberin auch in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat (vgl. Kap. I.).

Durch die Verzahnung kann der Rotor nicht nur mit einer, sondern auch mit mehreren Antriebswellen (3, 4) in Eingriff stehen und dadurch die Antriebskraft des Antriebsmotors wie bei einem Getriebe, aber bereits direkt im Motorgehäuse auf mehrere Antriebswellen verteilen.

Da auf diese Weise allein mit dem Antriebsmotor mehrere Extruderschnecken gleichzeitig in gleichsinniger Drehrichtung angetrieben werden können, bedarf es zur Kraftübertragung keiner weiteren Übersetzungen zwischen dem Rotor und den Extruderwellen, so dass die Antriebsvorrichtung direkt am Extrudergehäuse angeordnet und Platz und Kosten eingespart werden können (vgl. Abs. [0002]). Durch diese konstruktive Ausgestaltung wird ein in den Antriebsmotor integriertes Verteilergetriebe geschaffen, welches zu einer Platzeinsparung sowie einer Vereinfachung der Gesamtkonstruktion beiträgt (vgl. Abs. [0007]).

Die Antriebsvorrichtung ist nach der Beschreibung über einen Verbindungsflansch oder eine Verbindungseinrichtung an ein Extrudergehäuse anbringbar, wobei in dem Verbindungsflansch gleichzeitig eine radiale Lagerung der Antriebswellen erfolgen kann (Abs. [0012]). Als Antriebsmotor für den gleichsinnig drehenden Mehrwellenextruder ist -im Sinne des Streitpatents -ein regelbarer, elektrischer Antrieb anzusehen (Abs. [0014]).

Gemäß Streitpatentschrift kann gemäß einer Ausführungsform als Antriebsmotor ein Hohlwellenmotor vorgesehen sein, in dessen Hohlraum radial innerhalb des Rotors die Antriebswellen platzsparend aufgenommen werden können, was eine nochmals kompaktere Bauweise der Antriebsvorrichtung sowie die Verwendung eines Motors mit hohem Drehmoment erlaube (Abs. [0008]). Insbesondere bei dieser Ausführungsform ist der Rotor mit einer Innenverzahnung versehen, die mit der komplementären Verzahnung auf den Antriebswellen der Extruderschnecken in Eingriff steht, die dafür in Form von Zahnkränzen mit Außenverzahnung ausgebildet sein können (Abs. [0009]).

Damit sich die Zahnkränze von verschiedenen Antriebswellen -auch bei dicht kämmenden Extruderschnecken -nicht behindern, schlägt die Streitpatentschrift in einer weiteren Ausgestaltung vor, diese axial gegeneinander versetzt anzuordnen (Abs. [0010]). Ersichtlich ist dies aus der Figur des Streitpatents, wo jede Antriebswelle (3, 4) jeweils einen Zahnkranz (16 bzw. 18) mit einer Außenverzahnung aufweist, die axial zu einander versetzt sind, aber beide Zahnkränze (16 und 18) im Betrieb mit der Innenverzahnung des Rotors (1) kämmen, so dass bei Inbetriebnahme des Antriebsmotors der Rotor (1) über seine Innenverzahnung die Antriebswellen (3) und (4) der Extruderschnecken unmittelbar in Bewegung setzen kann (Abs. [0020]).

Damit ist ein in das Motorgehäuse integriertes Verteilergetriebe geschaffen, so dass ein separates Verteilergetriebe sowie ein separates Untersetzungsgetriebe bei dieser Antriebsvorrichtung nicht mehr notwendig ist (Abs. [0027]).

In Kombination mit dem beim vorliegenden Ausführungsbeispiel verwendeten Hohlwellenmotor könne dadurch eine sehr kompakte und antriebsstarke Bauweise verwirklicht werden, da die Bautiefe der Antriebsvorrichtung etwas mehr als der Tiefe der Stator und Rotoranordnung entspreche und der Durchmesser der Antriebsvorrichtung etwas mehr als dem Durchmesser des Hohlwellenmotors (Abs. [0025]). Überdies sei eine einfache Montage bzw. Demontage der Antriebsvorrichtung möglich, weil die Antriebsvorrichtung einfach abgezogen bzw. im umgekehrten Fall also bei der Montage einfach aufgesteckt werden könne (Absatz [0026]).

2. Die Antriebsvorrichtung für einen gleichsinnig drehenden Mehrschneckenextruder nach Patentanspruch 1 ist neu.

Keine der im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen zeigt und/oder beschreibt eine Antriebsvorrichtung mit sämtlichen Merkmalen des erteilten Patentanspruchs 1.

Die US 3 843 757 (D2) zeigt einen Antriebsmotor (11) für einen Zwillingsschneckenextruder mit einer Welle, die an den Schnecken (3) und (4) angeordnete Zahnräder (gears 12) antreibt, um sie in die gleiche Richtung rotieren zu lassen. Die Antriebseinrichtung für einen Mehrschneckenextruder gemäß Anspruch 1 unterscheidet sich von dieser Antriebsvorrichtung zumindest dadurch, dass der Rotor mit den Antriebswellen über eine Verzahnung wirkverbunden ist (vgl. D2, Fig. 1; Sp. 6, Z -20 -21). Eine solche Wirkverbindung eines Rotors ist in der D2 weder aufgezeigt noch beschrieben und ist auch für den Fachmann nach Auffassung des Senats dort nicht mitlesbar, weil nach der Darstellung des Motors (11) in der Figur der D2 die Extruderschnecken nicht von einem Rotor, sondern von einer aus dem Motorgehäuse ragenden Welle angetrieben sind, die keine Verzahnung erkennen lässt.

Die Druckschriften 200 22 605 U1 (D3) und DE 298 05 025 U1 (D4) geben Antriebsvorrichtungen für Extruder mit nur einer Extruderschnecke an, so dass sich die Antriebsvorrichtung gemäß Anspruch 1 des Streitpatents von diesen bereits darin unterscheidet, dass sie für einen Extruder mit mehreren Schnecken vorgesehen ist.

Die verbleibenden Druckschriften US 4 170 150 (D1) und RU 2 016 287 (D5) geben für den Antrieb eines Doppelschneckenextruders jeweils ein separates Getriebe an, um die Antriebskraft des Antriebsmotors auf zwei Schnecken zu verteilen. Von diesen Antriebsvorrichtungen unterscheidet sich die Antriebsvorrichtung nach Anspruch 1 des Streitpatents bereits dadurch, dass kein separates Getriebe vorgesehen ist, weil die Verteilung der Antriebskraft auf die Antriebswellen unmittelbar im Motorgehäuse über eine Wirkverbindung des Rotors mit den Antriebswellen erfolgt.

3. Die zweifellos gewerblich anwendbare Antriebsvorrichtung für einen gleichsinnig drehenden Mehrschneckenextruder nach Patentanspruch 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Dem Patentgegenstand am nächsten kommt nach Überzeugung des Senats die in der Druckschrift US 3 843 757 (D2) aufgezeigte Antriebsvorrichtung. Diese Druckschrift beschreibt einen gleichsinnig drehenden Zwillingsschneckenextruder für die Herstellung von geschäumten Kunststoffprodukten (Merkmal 1 der Merkmalsgliederung des Anspruchs 1 in Kap. II. 1.) mit einem Motor (11) als Antriebsvorrichtung, der -wie aus der Figur dieser Druckschrift D2 ersichtlich ist -in einem Gehäuse aufgenommen ist (Merkmal 2). Dass dieser Antriebsmotor im fachlichen Verständnis auch einen Stator und einen Rotor gemäß Merkmal 2.1 des Anspruchs 1 des Streitpatents aufweist, ist von der Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung nicht bestritten worden (D2, Sp. 6, Z. 20; Figur). Da die Figur der Druckschrift D2 zudem zeigt, dass an dem Motor (11) eine Antriebswelle angeordnet ist, die aus dem Motorgehäuse ragt und dort mit Zahnrädern (gears 12) in Eingriff steht, welche am Ende der Antriebswellen der Extruderschnecken (screws 3 und 4) angeordnet sind (D2, Sp. 6, Z. 20 -21; Figur), ist diese Antriebswelle demnach mit den Antriebswellen der Extruderschnecken (3, 4) wirkverbunden und folglich indirekt auch der Rotor des Antriebsmotors. Dadurch ist dem Fachmann, einem Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau oder Kunststofftechnik mit zumindest Fachhochschulabschluss und besonderen Kenntnissen und Erfahrungen auf dem Gebiet der Entwicklung und Konstruktion von Extrudiervorrichtungen, in der Druckschrift D2 auch das Merkmal 2.1.1 offenbart, wonach der Rotor mit den Antriebswellen der Extruderschnecken wirkverbunden ist, wie auch von der Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung eingeräumt worden ist.

Die Antriebsvorrichtung nach Anspruch 1 des Streitpatents unterscheidet sich von dieser bekannten Antriebsvorrichtung aber noch dadurch, dass am Rotor eine Verzahnung angeordnet ist (Merkmal 2.1.2), die mit komplementären Verzahnungen (16, 18) an zumindest zwei der Antriebswellen (3, 4) der Extruderschnecken im direkten Eingriff steht (Merkmal 2.1.2.1). Eine solche unmittelbar am Rotor angeordnete Verzahnung zum Antrieb der Extruderschnecken kann dieser Druckschrift D2 nicht entnommen werden, da die Figur der D2 zeigt, dass dort für den Antrieb der Extruderschnecken nur eine Antriebswelle vorgesehen ist, die aus dem Motorgehäuse ragt.

Auch die von der Einsprechenden stammende und bereits im Prüfungsverfahren berücksichtigte DE 200 22 605 U1 (D3) kann dem Fachmann keine Hinweise auf eine solche direkte Wirkverbindung des Rotors des Antriebsmotors mit den Antriebswellen der Extruderschnecken nach den Merkmalsgruppen 2.1.2 und 2.1.2.1 vermitteln. Die D3 gibt eine Extrudiervorrichtung insbesondere zur Verarbeitung von thermoplastischem Kunststoff mit nur einer Schnecke und einer Antriebsvorrichtung mit einem in einem Antriebsgehäuse (6) aufgenommenen Antriebsmotor (4) mit Stator (7) und Rotor (8) an (Merkmal 2.1), wobei die Extruderschnecke (1) eine Schneckenwelle (2) und einen an die Schneckenwelle (2) anschließenden und in das Antriebsgehäuse (6) einfassenden Anschlussabschnitt

(9) aufweist (D3, S. 7, Z. 23 -30). In dem Antriebsgehäuse (6) ist der zylinderförmig ausgebildete Stator (7) angeordnet, der den zylinderförmig ausgebildeten Rotor (8) umfasst und der seinerseits den Anschlussabschnitt (9) der Extruderschnecke (1) umgibt (D3, S. 7, Z. 30 -S. 8, Z. 4, Fig. 2). In den Figuren 2 und 3 ist erkennbar, dass der Anschlussabschnitt (9) der Extruderschnecke (1) drehfest in einer Anschlusshülse (10) gehalten ist und der Rotor (8) über ein Verbindungselement (11) mit der Anschlusshülse (10) verbunden ist, das vorzugsweise an der schneckenwellenabgewandten Rückseite (14) des Antriebsgehäuses (6) angeordnet ist, wobei die Verbindung des kreisförmigen Verbindungsringes (11) mit dem Rotor (8) einerseits und mit der Anschlusshülse (10) andererseits mit Hilfe von Bolzen (15) erfolgt (D3, S. 8, Z. 13 -17, 25 -28 u. S. 9, Z. 4 -7). Dadurch ist der Rotor mit der Antriebswelle der Extruderschnecke (1) wirkverbunden, so wie es nach Merkmal 2.1.1 des Anspruchs 1 des Streitpatents vorgesehen ist.

Auf diese Weise ist der Rotor (8) nach der Druckschrift D3 ohne Zwischenschaltung eines Getriebes an den Anschlussabschnitt (9) der Extruderschnecke (1) angeschlossen und bei einer Rotation des Rotors (8) wird die damit verbundene Anschlusshülse (10) bzw. der damit verbundene Anschlussabschnitt (9) ebenfalls in eine Rotation versetzt, so dass mit dem Antriebsmotor (4) die Extruderschnecke (1) unmittelbar angetrieben werden kann (D3, S. 8, Z. 28 -31).

Die Antriebsvorrichtung nach Anspruch 1 des Streitpatents unterscheidet sich von dieser bekannten Antriebsvorrichtung nach D3 zum einen dadurch, dass sie für einen Extruder mit mehreren Schnecken vorgesehen ist und zum anderen dadurch, dass an dem Rotor eine Verzahnung vorgesehen ist, die mit komplementären Verzahnungen an zumindest zwei der Antriebswellen der Extruderschnecken im direkten Eingriff stehen.

Die Druckschrift D3 sieht im Gegensatz dazu eine drehfeste Verbindung des Anschlussabschnitts (9) der Schneckenwelle (1) mit der Anschlusshülse (10) des Rotors (8) vor, wozu der Anschlussabschnitt (9) über den Zylindermantel und parallel zur Zylinderachse verlaufende Federn (12) aufweist, welche in komplementäre Nuten (13) der Anschlusshülse (10) einfassen, wie insbesondere aus der Figur 3 ersichtlich ist (D3, S. 8, Z. 20 -23). Auf diese Weise ist zwischen dem Anschlussabschnitt (9) der Schneckenwelle (1) und der Anschlusshülse (10) eine Wellenkupplung ausgebildet worden, um eine direkte Kraftübertragung vom Rotor auf die Schneckenwelle zu ermöglichen.

Die Anordnung von Federn am Anschlussabschnitt (9) zum Zwecke der unmittelbaren Kupplung mit Nuten an der Anschlusshülse (10) führt den Fachmann aber im Gegensatz zur Auffassung der Einsprechenden nicht zu einer Verzahnung unmittelbar am Rotor, so wie es nach Merkmal 2.1.2 des Anspruchs 1 des Streitpatents vorgesehen ist.

Da sich die feste Feder und Nut Verbindung von Anschlussabschnitt (9) und Anschlusshülse (10) nach Art einer Wellenkupplung auch grundsätzlich von komplementär in Eingriff stehenden Verzahnungen nach Art eines Getriebeantriebs unterscheidet, kann die Druckschrift D3 dem Fachmann auch keine Hinweise auf das Unterschiedsmerkmal 2.1.2.1 vermitteln. Sie führt vielmehr von einer solchen Lösung weg und kann ihm daher auch keinerlei Veranlassung geben, diese Art des Direktantriebs nach Art einer Wellenkupplung zu verlassen und nach anderen Lösungen für einen Direktantrieb von Extruderschnecken zu suchen, um zu einem kämmenden Eingriff von Rotor und Extruderwelle innerhalb des Motorgehäuse zu gelangen, so wie es nach Anspruch 1 des Streitpatents vorgesehen ist.

Aufgrund dieser andersartigen Antriebsgestaltung kann auch eine Kombination dieser Extrudiervorrichtung nach D3 mit dem Zwillingsschneckenantrieb und der aus dem Motorgehäuse ragenden Motorwelle nach der Druckschrift D2 den Fachmann nicht zu der Lehre nach Anspruch 1 des Streitpatents führen, um einen gleichsinnig drehenden Mehrschneckenextruder einfacher und platzsparender zu gestalten.

Durch die von der Einsprechenden außerdem noch mit deutscher Übersetzung (D5b) eingereichte russische Patentschrift RU 2 016 287 C1 (D5a) ist ein Zahnradgetriebe zur Übertragung eines Drehmoments in Anlagen mit nahe angeordneten und in axialer Richtung belasteten Arbeitsorganen, zum Beispiel zum Antrieb der Schnecken eines Doppelschneckenextruders, bekannt geworden, bei dem sich die Abtriebsritzelwellen (12, 13) und damit die Extruderschnecken gleichsinnig drehen, wie insbesondere aus Fig. 2 der Druckschrift D5a ersichtlich ist (Merkmal 1) (vgl. D5b, Blatt 3, 1. Absatz).

Zur Vereinfachung der Konstruktion und der Verringerung des Metallbedarfs schlägt die russische Patentschrift für den Antrieb des Extruders ein Gehäuse (1) vor, in dem in Lagern (7) ein zentrales Rad (8) mit einem Außenzahnkranz (9) und einem Innenzahnkranz (10) gelagert ist, das mit seinem Außenkranz (9) mit einer Antriebsritzelwelle (11) und mit seinem Innenzahnkranz (10) mit zwei Abtriebsritzelwellen (12) und (13) in Eingriff steht, wobei die Abtriebsritzelwelle (12) über eine Kupplung (22) mit der Schneckenwelle (21) und die Abtriebsritzelwelle (13) über eine Kupplung (26) mit der Schneckenwelle (25) verbunden ist (D5b, Blatt 3, 5. u. 6. Absatz; Blatt 4, 3. Absatz; Fig. 1, 2). Dadurch wird das Drehmoment von Antriebsritzelwelle (11) auf den Außenzahnkranz (9) des zentralen Rads (8) und anschließend vom Innenzahnkranz (10) auf die zwei Abtriebsritzelwellen (12, 13) übertragen und von diesen weiterhin über die Kupplungen (22, 26) auf die Schneckenwellen (21, 25), wie auf Blatt 5 im letzten Absatz der deutschen Übersetzung D5b ausgeführt ist.

Demnach offenbart die russische Patentschrift eine Antriebsvorrichtung für einen gleichsinnig drehenden Zweischneckenextruder, bei der der Rotor eines Antriebsmotors mit den Antriebswellen der Extruderschnecken nicht direkt, sondern indirekt über die Antriebsritzelwelle (11) und das zentrale Rad (8) sowie die Kupplungen (22, 26) wirkverbunden ist (vgl. Merkmal 2.1.1 des Anspruchs 1 des Streitpatents), weil die Verzahnung (Innenzahnkranz (10)) nicht an dem Rotor im Antriebsgehäuse, sondern an dem in einem separaten Gehäuse angeordneten zentralen Rad (8) angeordnet ist (Merkmal 2.1.2). Diese Verzahnung steht zwar mit komplementären Ritzeln an zumindest zwei Abtriebsritzelwellen (12) und (13) der Extruderschnecken im direkten Eingriff, so wie es im Prinzip auch nach Merkmal 2.1.2.1 des Anspruchs 1 des Streitpatents vorgesehen ist, aber mit dieser Antriebsvorrichtung gibt die Druckschrift D5a (bzw. D5b) ein Zahngetriebe zur Übertragung eines Drehmoments an, das außerhalb des Motorgehäuses angeordnet ist. Zur Schaffung einer einfachen und platzsparenden Konstruktion die Verzahnung zum Antrieb der Extruderschneckenwellen direkt am Rotor des Antriebsmotors anzuordnen (Merkmal 2.1.2), vermag die russische Patentschrift D5b bzw. D5b dem Fachmann aber im Gegensatz zur Auffassung der Einsprechenden keine Hinweise zu geben, denn sie legt ihm vielmehr nahe, für den Antrieb von zwei nahe angeordneten Abtriebswellen (12) und (13) ein separates Getriebe in einem weiteren Gehäuse (1) vorzusehen, so wie es bislang von Planetenund Sonnenradgetrieben allgemein bekannt und üblich war. Die Druckschrift D5a führt den Fachmann somit von der streitpatentgemäßen Integration des Antriebs von zumindest zwei Antriebswellen in das Motorgehäuse weg.

Da die Druckschrift D5a (bzw. D5b) nur eine Verzahnung an einen Getrieberad in einem separaten Gehäuse angibt, kann auch eine Zusammenschau dieser Lösung mit dem in der Druckschrift D3 aufgezeigten direkten Schneckenantrieb für eine Extruderschnecke den Fachmann nicht zu den Merkmalen 2.1.2 u. 2.1.2.1 des Anspruchs 1 des Streitpatents führen, wonach der Antrieb der Antriebswellen der Extruderschnecken direkt im Motorgehäuse über eine am Rotor des Antriebsmotors angeordnete Verzahnung erfolgt, die mit komplementären Verzahnungen an zumindest zwei der Antriebswellen der Extruderschnecken im direkten Eingriff steht. Denn zu einer solchen direkten Antriebslösung gibt die Druckschrift D5a bzw. D5b dem Fachmann im Gegensatz zur Ansicht der Einsprechenden keinerlei Veranlassung.

Im noch verbleibenden Stand der Technik sind Antriebsvorrichtungen für Extruder beschrieben, bei denen entweder ein separates Verteilergetriebe zum gegenläufigen Antrieb von zwei Doppelschnecken (US 4 170 150 (D1), vgl. Sp. 1, Z. 4 -6; Fig. 1 u. 2) oder ein Direktantrieb im Antriebsmotor für lediglich eine Extruderwelle vorgesehen ist, die mit dem Rotor (Läufer 5) des Antriebsmotors mittels einer Hülse (6) aber ohne Verzahnung wirkverbunden ist (DE 298 05 025 U1 (D4), vgl.

S. 1, Z. 3 -8; S. 4, Z. 1 -2, 18 -20; Fig. 2). Diese Antriebsvorrichtungen liegen daher weiter ab vom Gegenstand des Streitpatents und sind ebenfalls nicht geeignet, einen Hinweis zum Auffinden der patentgemäßen Lehre zu vermitteln.

Demnach konnte der gesamte im Verfahren befindliche Stand der Technik einem Fachmann keinerlei Hinweise oder Anregungen zum Auffinden der patentgemäßen Lehre nach Anspruch 1 vermitteln.

Die Lehre nach Anspruch 1 des Streitpatents geht auch über übliche fachmännische Überlegungen auf der Grundlage der Kenntnis dieses Standes der Technik und des allgemeinen Fachwissens hinaus, denn es war dafür zunächst die Erkenntnis erforderlich, dass sich durch die Anordnung einer Verzahnung direkt am Rotor des Antriebsmotors eine Antriebswelle über eine komplementäre Verzahnung antreiben lässt, und dann als zweiten Schritt die Erkenntnis, dass sich auf diese Weise auch mehrere Extruderschnecken direkt im Motorgehäuse gleichsinnig antreiben lassen, da die Verzahnung am Rotor auch mit komplementären Verzahnungen an zumindest zwei Antriebswellen gleichzeitig in Eingriff stehen kann, so dass ein separates Getriebe zur Antriebsübersetzung auf die zumindest zweite Antriebswelle nicht mehr erforderlich ist.

Nach alledem bedurfte es einer erfinderischen Tätigkeit, um zu einer Antriebsvorrichtung für einen gleichsinnig drehenden Mehrschneckenextruder nach Anspruch 1 zu gelangen, die sowohl konstruktiv einfach ist als auch platzsparende Vorteile in sich vereinigt.

Der Patentanspruch 1 hat somit in seiner erteilten Fassung nach Hauptantrag Bestand.

Mit dem tragenden Hauptanspruch haben auch die diesem untergeordneten Patentansprüche 2 bis 12 in der erteilten Fassung Bestand, da sie auf vorteilhafte Weiterbildungen der Antriebsvorrichtung nach Anspruch 1 gerichtet sind.

Da dem Hauptantrag stattgegeben wurde, erübrigt sich ein Eingehen auf die Hilfsanträge 1 und 2.

Dehne Dr. Huber Pagenberg Dr. Prasch Cl






BPatG:
Beschluss v. 23.04.2009
Az: 8 W (pat) 376/04


Link zum Urteil:
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