Bundespatentgericht:
Beschluss vom 27. Juli 2004
Aktenzeichen: 14 W (pat) 3/03

(BPatG: Beschluss v. 27.07.2004, Az.: 14 W (pat) 3/03)

Tenor

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.

Das Patent 38 25 399 wird mit der Bezeichnung "PVD- oder Plasma-CVD-Beschichtung" und mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:

Patentansprüche 1 bis 7, gemäß Patentschrift Beschreibung Spalten 1 und 2 und Einfügeseite zu Spalte 2 gemäß Hauptantrag, eingegangen am 11. August 2003 Beschreibung Spalten 3 und 4 gemäß Patentschrift.

Gründe

I Mit dem angefochtenen Beschluß vom 20. November 2002 hat die Patentabteilung 45 des Deutschen Patent- und Markenamts das Patent 38 25 399 mit der Bezeichnung

"PVD- oder Plasma-CVD-Beschichtung und Verfahren zu ihrer Herstellung"

widerrufen.

Dem Beschluß liegen die erteilten Patentansprüche 1 bis 13 zugrunde, von denen Anspruch 1 wie folgt lautet:

"PVD-Beschichtung oder Plasma-CVD-Beschichtung an einem Werkzeug oder Bauteil mit mindestens einer Kante im Bereich der Beschichtung, die aus einem Mehrkomponenten-Hartstoff mit mehr als einem metallischen Element besteht, dadurch gekennzeichnet, daß die Zusammensetzung der Beschichtung im Bereich jeder Kante im Vergleich zu den übrigen Bereichen einen Konzentrationsunterschied der metallischen Elemente aufweist, der mindestens 5 at% beträgt."

Zum Wortlaut der Ansprüche 2 bis 7, die besondere Ausführungsformen der Beschichtung nach Anspruch 1 betreffen, sowie der Ansprüche 8 bis 13, welche auf ein Verfahren zur Beschichtung eines Werkzeuges oder eines Bauteiles nach einem der Ansprüche 1 bis 7 gerichtet sind, wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.

Der Widerruf ist im wesentlichen damit begründet, der Anspruch 1 des Streitpatents vermittelte auch unter Hinzuziehung der Beschreibung keine vollständige und nacharbeitbare technische Lehre. Nach diesem Patentanspruch solle bei einer PVD- oder Plasma-CVD-Beschichtung an einem Werkzeug oder Bauteil mit mindestens einer Kante im Beschichtungsbereich, bei der die Beschichtung aus einem Mehrkomponenten-Hartstoff mit mehr als einem metallischen Element bestehe, der Kantenbereich einen Konzentrationsunterschied der metallischen Elemente von mindestens 5 at% zu den übrigen Bereichen aufweisen. Der zuständige Fachmann wisse, daß beim Ionenplattieren eine Vielzahl verfahrenstechnisch aufeinander abzustimmender Prozeßparameter unterschiedliche Einflüsse auf die Abscheidung und damit auf die abgeschiedene Schicht hätten. Dazu gehörten nach

(D2) KIENEL, Dünnschichttechnologie, VDI-Verlag 1987, Seiten 133 bis 149 die Ionenenergie Ei, das Teilchenverhältnis Ni/Nv, die wirksamen Teilchen bei der Kondensation, die Art der Ionenerzeugung und der Druck im Rezipienten bei der Kondensation sowie die Art der Erzeugung des Dampfstromes, die Prozeßführung hinsichtlich der Zeitabhängigkeit und des Zusammenwirkens von Dampf- und Ionenstrom. Im Streitpatent werde lediglich ein Plasmapotentialbereich zahlenmäßig genannt und angegeben, daß eine "gute", dh hohe Ionisation anzustreben ist. Was genau unter einer hohen Ionisation zu verstehen sei, könne der Beschreibung nicht entnommen werden. Auch die im Streitpatent indirekt angegebene Abscheidungsgeschwindigkeit reiche in Anbetracht der Vielzahl der bekannten Einflußfaktoren als Anhalt für die einzustellenden Parameter nicht aus. Insbesondere fehlten Angaben über das Verhältnis Ionenstromdichte/Schichtrate, das zur Erzielung des gewünschten Erfolges wesentlich sei und sich aus den Angaben im Streitpatent (hohe Ionenstromdichte, 3 µm/h) rechnerisch nicht ermitteln lasse. Auch die im Streitpatent angegebene Farbänderung sei für sich genommen nicht zielführend, weil sie materialabhängig ausschließlich für TiAlN-Schichten gelte, wohingegen nach dem Anspruchswortlaut auch beliebige andere Hartstoffschichten in Frage kämen. Der Streitpatentschrift seien damit keine Anhaltspunkte für die entscheidende Richtung zu entnehmen, in der die bekannten Prozeßparameter zu variieren seien. Vielmehr bedürfe es ausgedehnter Versuchsreihen, um im Hinblick auf den zu erzeugenden Konzentrationsunterschied geeignete Parameter zu ermitteln. Die in Anbetracht der spärlichen Angaben im Streitpatent erforderlichen Versuche gingen unter Berücksichtigung der Vielzahl der bestimmenden Abscheideparameter über das dem Fachmann Zumutbare hinaus. Ihm fehlten nämlich Regeln für die Abstimmung der Variablen und Anhaltspunkte über den Einfluß der einzelnen Variablen auf die Schichteigenschaften, die ihn in die Lage versetzen könnten, die angestrebten Konzentrationsunterschiede auch im Falle eines Fehlschlages rasch und zuverlässig einzustellen. Der Fachmann sei demnach auch unter Zuhilfenahme seines Fachwissens nicht in der Lage, mittels der Angaben im Streitpatent den beanspruchten Gegenstand im Rahmen einer zumutbaren Anzahl von Versuchen zu erhalten. Die Entscheidung stehe auch im Einklang mit den im Parallelverfahren vor dem EPA ergangenen Entscheidungen.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde des Patentinhabers, mit der er sein Patentbegehren gemäß Hauptantrag auf der Grundlage der erteilten Patentansprüche 1 bis 7 und hilfsweise auf der Grundlage der Patentansprüche 1 bis 4 gemäß Hilfsantrag vom 11. August 2003 weiterverfolgt. Er trägt im wesentlichen vor, die Patentabteilung habe zwar den maßgeblichen Fachmann richtig charakterisiert und auch die Grundsätze der Prüfung auf eine nacharbeitbare, vollständige Offenbarung zutreffend dargestellt, jedoch hiermit nicht im Einklang stehende Schlußfolgerungen getroffen. Die Einschätzung, daß der Streitpatentschrift keine Anhaltspunkte für die entscheidende Richtung zu entnehmen seien, in der die bekannten Prozeßparameter zu variieren seien, sei angesichts der Angaben in der Patentschrift fehlerhaft. Es finde sich nämlich nicht nur der vermißte Anhaltspunkt, sondern sogar eine klare Vorgabe für die Richtung der vorzunehmenden Veränderungen, nämlich das Maß der Ionisation und der elektrischen Feldstärke sowie das Potential bei guter Ionisierung. Auch die Neuheit und die erfinderische Tätigkeit gegenüber dem durch (D2),

(D11) Metall, 42. Jahrgang, Heft 7, Juli 1988, Seiten 658 bis 669,

(D12) J. Vac. Sci. Technol. A5 (4) Jul/Aug 1987, Seiten 2173 bis 2179,

(D13) Surface and Coatings Technology, 33 (1987), Seiten 117 bis 132,

(P2) DE 36 11 492 A1 sowie zahlreichen weiteren Entgegenhaltungen belegten Stand der Technik seien gegeben, wobei (D13) als nächstkommend anzusehen sei.

Der Patentinhaber beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent beschränkt aufrechtzuerhalten mit den Patentansprüchen 1 bis 7 und einer angepaßten Beschreibung, jeweils vom 11. August 2003, hilfsweisemit den Patentansprüchen 1 bis 4 und einer angepaßten Beschreibung gemäß Hilfsantrag vom 11. August 2003.

Die Einsprechenden 1 und 2 beantragen übereinstimmend, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie sind der Auffassung, die beanspruchte Beschichtung sei nicht so deutlich und vollständig offenbart, daß ein Fachmann in ihren Besitz gelangen könne. Soweit konkrete Verfahrensmaßnahmen mitgeteilt seien, seien keine Unterschiede zu den bereits in (P2) angegebenen feststellbar. Der Fachmann wisse somit nicht, was er gegenüber der Lehre der (P2) anders machen solle. Angesichts der ungeheuren Vielzahl von Verfahrensparametern und der großen Komplexität ihrer Einflüsse auf die Schichteigenschaften sei die Beschichtung nach Anspruch 1 nicht ausführbar. Da gegenüber (P2) - wie auch gegenüber anderen Entgegenhaltungen - lediglich die Anweisung gegeben werde, die Konzentration der metallischen Elemente in den flächigen Bereichen und an der Kante zu bestimmen und miteinander zu vergleichen, könne die Erfassung des inhärenten Konzentrationsunterschiedes weder die Neuheit noch die erfinderische Tätigkeit der bereits nach dem Stand der Technik erhältlichen Beschichtung begründen. Setze man für die Beurteilung der Ausführbarkeit eine hohe Qualifikation des Fachmannes voraus, so sei dieser Maßstab natürlich auch bei der Bewertung der Patentfähigkeit anzulegen. Besonders zu berücksichtigen sei, daß zum Anmelderzeitpunkt die TiAlN-Sputterbeschichtung noch am Anfang ihrer Entwicklung gestanden habe, so daß - wie auch aus den wissenschaftlichen Veröffentlichungen ersichtlich - detaillierte Anweisungen zur Nacharbeitung erforderlich gewesen seien, was in einem solchen Fall auch für Patentanmeldungen gelten müsse. Der Patentinhaber könne nicht für Informationen belohnt werden, die er der Öffentlichkeit vorenthalte.

Wegen weiterer Einzelheiten des schriftlichen Vorbringens der Beteiligten, insbesondere zum Wortlaut der dem Hilfsantrag zugrundeliegenden Patentansprüche, wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II Die Beschwerde des Patentinhabers ist zulässig und führt zu dem im Tenor angegebenen Ergebnis.

1. Hinsichtlich der ursprünglichen Offenbarung der erteilten (und geltenden) Patentansprüche 1 bis 7 bestehen keine Bedenken, da sie den ursprünglichen Ansprüchen 1 bis 7 entsprechen.

2. Die patentgemäße Beschichtung ist so deutlich und vollständig offenbart, daß ein Fachmann sie ausführen kann.

Der zuständige Fachmann ist, wie im angefochtenen Beschluß (S 5 Mitte) zutreffend festgestellt und zwischen den Beteiligten nicht umstritten, ein Diplomphysiker, Diplomchemiker oder Diplomingenieur mit mehrjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der Dünnschichttechnologie, insbesondere der Festkörperzerstäubung.

Diesem Fachmann ist zB aus (D12), (D13) und (P2) bekannt, unter welchen Bedingungen TiAlN-Beschichtungen durch Sputtern erzeugt werden.

Gemäß den geltenden Unterlagen (Sp 1 Z 45 bis Sp 2 Z 51) treten im Falle von Werkzeugen oder Bauteilen mit Kanten Schwierigkeiten bei der Beschichtung im Kantenbereich auf, wie auch schon in den ursprünglichen Unterlagen dargelegt wurde (S 2 Z 30 bis S 4 Z 11).

Ausgehend von diesem Stand der Technik stellt sich die Aufgabe, eine PVD-Beschichtung vorzuschlagen, durch die eine wesentliche Verbesserung der Beschichtungsgüte erzielt wird (Sp 2 Z 52 bis 56).

Zur Lösung dieser Aufgabe gibt der geltende Hauptanspruch an, daß in Verbindung mit den Merkmalen des Oberbegriffs die Zusammensetzung der Beschichtung im Bereich jeder Kante im Vergleich zu den übrigen Bereichen einen Konzentrationsunterschied der metallischen Elemente aufweist, der mindestens 5 at% beträgt.

Zur Einstellung dieser stofflichen Merkmale, deren Überprüfbarkeit zB mittels Mikrosonde unbestritten ist, liefern die geltenden Unterlagen den bereits den ursprünglichen Unterlagen entnehmbaren Hinweis, bei einer guten Ionisierung zu arbeiten, die gegebenenfalls durch Ionisationshilfen stark angehoben werden kann (Sp 3 Z 57 bis 67 u Einfügeseite Z 44 bis 52). Im Falle einer derartig guten, dh hinreichend hohen Ionisierung ist ein Potential von -50 bis -150 V anwendbar bzw ausreichend. Bei einer hinreichend hohen Ionisierung und elektrischen Feldstärke kommt es im Kantenbereich zum Rücksputtern (Sp 3 Z 13 bis 26). Zwar wird als Erklärung für den resultierenden Konzentrationsunterschied lediglich "unverbindlich" eine "Vermutung geäußert", für den Fachmann ist aber ohne weiteres ersichtlich, daß als technische Maßnahmen zunächst Ionisation und elektrische Feldstärke hoch eingestellt werden müssen.

Der Fachmann kann somit zB ausgehend von der Lehre nach (D13) in reinen Routineversuchen die Ionisierung erhöhen, bis sich der anspruchsgemäß geforderte Konzentrationsunterschied - bzw im Falle von TiAlN die rötliche und gelbliche Kantenfärbung (Sp 4 Z 19 bis 25) - einstellt.

Im Gegensatz zur Auffassung der Einsprechenden I wird dabei nicht das bekannte Verfahren so lange durchgeführt, bis die gewünschten Effekte eintreten, vielmehr müssen die Verfahrensbedingungen in der aufgezeigten Richtung verändert werden.

Eine quantitative Vorgabe für die Ionisierung bzw die als Maß hierfür etablierte Ionenstromdichte ist für den Fachmann hierbei nicht erforderlich. Ausgehend von den in (D13) Tabelle 1 aufgeführten maximalen Ionenstromdichten von 1,55 mA/cm2, die sich ausweislich (D2) Seite 138 unten nicht im oberen üblichen Bereich bewegen, eröffnet sich ihm ein deutlicher Spielraum für die Erhöhung. Nach der Rechtsprechung ist es ausreichend, daß dem Fachmann die entscheidende Richtung angegeben ist, in der er mit Erfolg arbeiten und die beanspruchte Lösung auffinden kann (Busse PatG 6. Aufl § 34 Rn 286 mwN).

Der Senat kann somit der Argumentation der Einsprechenden und des angefochtenen Beschlusses nicht folgen, der Fachmann müßte zahlreiche Parameter in Versuchen in unzumutbarem Umfang variieren: Wie ausgeführt, kann er die beim TiAlN-Sputtern bekannten Verfahrensmaßnahmen im wesentlichen unverändert lassen mit Ausnahme einer Erhöhung der Ionisation, gegebenenfalls auch der elektrischen Feldstärke (die mit dem Potential zusammenhängt), um das erwünschte Ausmaß des Rücksputterns im Kantenbereich und damit den geforderten Konzentrationsunterschied zu erzielen. Eine Beschäftigung mit möglichen anderen Einflußgrößen, die im Streitpatent nicht erwähnt sind, ist ferner liegend und daher nicht veranlaßt.

Auch das bevorzugte Argument der Einsprechenden I, da der Fachmann keine nachprüfbaren Unterschiede zu dem aus (P2) bekannten Verfahren feststellen könne, seien ihm die zielführenden Maßnahmen nicht ausreichend offenbart, vermag den Senat nicht zu überzeugen. Zunächst hat der Senat große Probleme mit der Vorstellung, ein Verfahren nach dem Stand der Technik, nämlich gemäß (P2), sei ausführbar, eines mit davon nicht unterscheidbaren Verfahrensmaßnahmen, nämlich das zur beanspruchten Beschichtung führende, jedoch nicht. Unabhängig davon ist zwar in (P2) von vergleichbaren Potentialen und allgemein von einer "hohen Ionendichte" die Rede (Sp 4 Z 23 bis 37), das Kriterium eines Konzentrationsunterschiedes der metallischen Elemente zwischen Kantenbereich und übrigen Bereichen ist aber aus (P2) nicht zu entnehmen. Da dieses in Routineversuchen ermittelbare Kriterium aber - wie ausgeführt - die einzuhaltenden Verfahrensbedingungen mit definiert, ist damit eine über die Lehre der (P2) hinausgehende Information beinhaltet.

3. Die Beschichtung nach dem geltenden Anspruch 1 ist neu.

Die von den Einsprechenden nicht bestrittene Tatsache, daß der im Kennzeichen des Anspruchs definierte Konzentrationsunterschied in keiner Entgegenhaltung beschrieben ist, reicht für sich zur Begründung der Neuheit nicht aus. Denn zum neuheitsschädlichen Offenbarungsgehalt einer Entgegenhaltung gehört auch, was dem Sachverständigen (erst) bei der Nacharbeitung des dort beschriebenen Verfahrens über dessen Ergebnis unmittelbar und zwangsläufig offenbar wird (BGH, GRUR 1980, 283 - "Terephthalsäure"). Würde sich also ein Konzentrationsunterschied der metallischen Elemente von mindestens 5 at% zwischen Kantenbereich und übrigen Bereichen bei der Nacharbeitung einer Entgegenhaltung aufgrund der Verfahrensbedingungen wiederholbar und regelmäßig einstellen, so wäre Anspruch 1 neuheitsschädlich getroffen.

Hiervon haben indes die Einsprechenden den Senat nicht überzeugen können.

Die Entgegenhaltung (P2) befaßt sich mit einer vergleichbaren Aufgabenstellung wie das Streitpatent, nämlich einer Verbesserung der Schichteigenschaften im Bereich von Schneidkanten an Werkzeugen (Sp 3 Z 13 bis 18). Sie geht aus von einem Stand der Technik, bei dem mit einer Vorspannung von -250 V und darüber gearbeitet wird, was zu hohen Feldstärken und verstärktem Ionenbeschuß im Bereich der Kanten und zum Abtrag von Material bis zum Abtrag von Grundmaterial führt (Sp 2 Z 47 bis Sp 3 Z 12). Gemäß der (P2) wird durch im Randbereich eines jeden Targets angeordnete Anoden erreicht, daß die das Plasma verlassenden Elektronen nochmals beschleunigt werden und durch Kollision mit Gasteilchen weitere Ionen bilden, dh die Ionendichte erhöhen (Anspruch 1, in Z 27 muß es "Elektronen" heißen, vgl Sp 3 Z 25). Hierdurch kann die Vorspannung (auf -40 bis -200 V) reduziert werden (Anspruch 1 iVm Sp 4 Z 23 bis 35). Von einer unterschiedlichen Schichtzusammensetzung im Kantenbereich ist auch nur andeutungsweise nicht die Rede (Sp 5 Z 7 bis 21).

Das Ausführungsbeispiel kann nicht belegen, daß - wenn auch unerkannt - eine Beschichtung gemäß dem vorliegenden Anspruch 1 erzielt wird. Zunächst liegt die Schichtrate von 3,0 nm/s = 3,0 à 3.600 nm/h = 10,8 µm/h deutlich höher als die gemäß Beispiel der Streitpatentschrift typische von 3 µm/h (Sp 4 Z 14 bis 18); dh mit dem Verfahren bzw der Anordnung nach (P2) wird keine vergleichbare Rücksputterwirkung wie patentgemäß erzielt. Die Steigerung der Standzeit von 222 auf 385 Bohrungen ist zwar erheblich (Sp 9 Z 56 bis 65); als Referenz wurden aber Bohrer nach dem vorausgesetzten Stand der Technik mit ungenügender Kantenbeschichtung herangezogen (Sp 10). Insofern kann eine Steigerung der Standzeit, wie sie beim Anmeldetag der (P2) gegenüber einem vorbekannten Stand der Technik erreicht wurde, nicht mit einer Steigerung der Standzeit, wie sie am (mehr als zwei Jahre) späteren Anmeldetag gegenüber dem zwischenzeitlich relevanten Stand der Technik (auf einem sich rasch entwickelnden Gebiet) gleichgesetzt werden. Somit ist auch hieraus nicht abzuleiten, daß sich bei den nach (P2) eingestellten Bedingungen der in Rede stehende Konzentrationsunterschied zwangsläufig eingestellt hat. Im übrigen hätte es lediglich zweier Bestimmungen bedurft - Al-Konzentration im Kantenbereich und in einem anderen Bereich - um den Widerrufsgrund der fehlenden Neuheit zu substantiieren.

Auch die Literaturstelle (D13) ist nicht neuheitsschädlich. Die dort gemäß Tabelle 1 im Falle von TiAlN angewandten Ionenstromdichten im Bereich von 0,50 bis 1,55 mA/cm2 sind nach Überzeugung des Senats nicht hinreichend hoch, um den Konzentrationsunterschied von 5 at% zwischen Kantenbereich und übrigen Bereichen bei den metallischen Elementen zu bewirken. Bei den nach dieser Tabelle höchsten Stromdichten von 1,55 bzw 1,50 mA/cm2 für (Ti33 Al17)N bzw (Ti25 Al25)N resultieren Schichtraten von 115 nmmin-1x60 = 6,9 µm/h bzw 146 nmmin-1x60 = 8,8 µm/h; dh es erfolgt kein vergleichbares Rücksputtern wie patentgemäß, das zu einer typischen Schichtrate von 3 µm/h führt. Unter den nach (D13) untersuchten Bedingungen zeigte auch nicht (TiAl)N, sondern Zr N die beste Performance als Beschichtungsmaterial (Summary Z 1 bis 4 von unten).

Die Entgegenhaltungen (D11) und (D12) liegen ferner, da sie keine Kantenbeschichtungen betreffen. Im Buch (D2) sind TiAlN-Beschichtungen nicht erwähnt, geschweige denn die Kantenproblematik bei derartigen Beschichtungen.

Die zahlreichen weiteren dem Senat vorliegenden Druckschriften können die Neuheit der Beschichtung nach Anspruch 1 ebenfalls nicht in Frage stellen.

4. Die beanspruchte Beschichtung beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Da - wie ausgeführt - keine der in Betracht zu ziehenden Druckschriften das Merkmal des Konzentrationsunterschiedes anspricht oder als nicht genannte Eigenschaft inhärent umfaßt, kann sich dieses Merkmal naturgemäß auch durch die Zusammenschau dieser Druckschriften nicht in naheliegender Weise ergeben.

Auch das Argument der Einsprechenden II, wenn sich der Konzentrationsunterschied schon nicht zwangsläufig bei Nacharbeitung einer Entgegenhaltung wie (P2) ergebe, müßten lediglich im Rahmen des Routinekönnens liegende Abwandlungen zu ihm hinführen, kann den Senat nicht vom Naheliegen der Beschichtung nach Anspruch 1 überzeugen. Hierzu hätte nämlich der Fachmann erst einmal den Hinweis haben müssen, Versuche in Richtung auf eine unterschiedliche Metallkonzentration im Kanten- und Flächenbereich durchzuführen.

5. Der geltende Anspruch 1 ist damit rechtsbeständig; mit ihm haben die Unteransprüche 2 bis 7 Bestand.

Der Hilfsantrag des Patentinhabers ist bei dieser Sachlage gegenstandslos.

Schröder Wagner Harrer Proksch-Ledig Fa/Na






BPatG:
Beschluss v. 27.07.2004
Az: 14 W (pat) 3/03


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